Familientagebuch (1917-1922) von Gustav Braune (1870-1954), item 37

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 linke Seite 

ein paar Tage heim. Die Schulen sind

geschlossen. Deutschland hat infolge

plötzlichen Abfalls von Bulgarien bei

Präsident Wilson um Waffenstillstand

gebeten. Aber es scheint, daß

unsere Gegner, die nur infolge der

amerikanischen Hilfe im Westen uns

überlegen sind, uns bis zur Vernichtg

bekämpfen wollen. Es sind trübe Tage.

Am Sonntag machte ich mit Hanna u.

Lydi von Oberzell aus einen Spaziergang

bei herrlicher Herbstsonne zu dem Anlagen

in der Nähe des Schenkenturms.

XLII 20. - 26. Oktober. - In der Kirche

predigt Pfarrer Dr Schandig. Es wird

eine Ansprache des Oberkonsistoriums

verlesen zur Würdigung des hohen Ernstes

der Lage, dann folgt ein Buß- &

Bittgebet. Die Noten, die zwischen uns

u. der amerikanischen Regierung

über die Bedingungen des Waffenstillstandes

gewechselt werden,

nehmen fast alles Interesse für sich

in Anspruch. Was noch übrig bleibt,

gilt der stetig um sich greifenden

Grippe oder spanischen Krankheit, die

viele Todesfälle, namentlich bei

der weiblichen Bevölkerung zur

Folge hat. Unter anderem ist unser Stadt-

 rechte Seite 

vikar Bürkstümmer, ein kräftiger

junger Mann, gestorben, auch eine Tochter

der in unserem Haus wohnenden

Geheimratswitwe Bach, die als Lehrschwester

in Offenbach tätig war.

Die Schulen sind noch geschlossen. Gott

schütze uns und unser Haus. Margaret

ist noch nicht zurück, sie schreibt, sie

hätte wieder einen Arzt gebraucht.

Die Kinder sind den ganzen Tag zuhaus

u. wissen oft nicht, was sie treiben

sollen. Den ganzen Tag zeichnen kann

man doch auch nicht. Es wird plötzlich

auch recht kühl, u. bei jetziger gefährlicher

Zeit soll man sich doch nicht erkälten.

Man gurgelt tagsüber öfter mit übermangansaurem

Kali.

XLIII. 27. Okt. - 2. November. Jetzt ist

Weinlese, das Pfund Trauben kostet "nur"

2 M 50 Pfg. Die Weinbergwege sind schon

seit vielen Wochen durch Stangen

gesperrt. Der Sonntagsspaziergang führt

uns auf die Höhe bei der Keesburg durch

die in den Herbstfarben prangenden Wäldchen.

Montag abends 8 Uhr schnurrt ein

an den Umrissen schwach erkennbarer

Zeppelin über die Weingartenstraße,

auch ein Lichtlein flammt droben für

kurze Zeit auf. Margarets Schwester ist

 unter der Zeile mit anderer Tinte:  gestorben (?)

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 linke Seite 

ein paar Tage heim. Die Schulen sind

geschlossen. Deutschland hat infolge

plötzlichen Abfalls von Bulgarien bei

Präsident Wilson um Waffenstillstand

gebeten. Aber es scheint, daß

unsere Gegner, die nur infolge der

amerikanischen Hilfe im Westen uns

überlegen sind, uns bis zur Vernichtg

bekämpfen wollen. Es sind trübe Tage.

Am Sonntag machte ich mit Hanna u.

Lydi von Oberzell aus einen Spaziergang

bei herrlicher Herbstsonne zu dem Anlagen

in der Nähe des Schenkenturms.

XLII 20. - 26. Oktober. - In der Kirche

predigt Pfarrer Dr Schandig. Es wird

eine Ansprache des Oberkonsistoriums

verlesen zur Würdigung des hohen Ernstes

der Lage, dann folgt ein Buß- &

Bittgebet. Die Noten, die zwischen uns

u. der amerikanischen Regierung

über die Bedingungen des Waffenstillstandes

gewechselt werden,

nehmen fast alles Interesse für sich

in Anspruch. Was noch übrig bleibt,

gilt der stetig um sich greifenden

Grippe oder spanischen Krankheit, die

viele Todesfälle, namentlich bei

der weiblichen Bevölkerung zur

Folge hat. Unter anderem ist unser Stadt-

 rechte Seite 

vikar Bürkstümmer, ein kräftiger

junger Mann, gestorben, auch eine Tochter

der in unserem Haus wohnenden

Geheimratswitwe Bach, die als Lehrschwester

in Offenbach tätig war.

Die Schulen sind noch geschlossen. Gott

schütze uns und unser Haus. Margaret

ist noch nicht zurück, sie schreibt, sie

hätte wieder einen Arzt gebraucht.

Die Kinder sind den ganzen Tag zuhaus

u. wissen oft nicht, was sie treiben

sollen. Den ganzen Tag zeichnen kann

man doch auch nicht. Es wird plötzlich

auch recht kühl, u. bei jetziger gefährlicher

Zeit soll man sich doch nicht erkälten.

Man gurgelt tagsüber öfter mit übermangansaurem

Kali.

XLIII. 27. Okt. - 2. November. Jetzt ist

Weinlese, das Pfund Trauben kostet "nur"

2 M 50 Pfg. Die Weinbergwege sind schon

seit vielen Wochen durch Stangen

gesperrt. Der Sonntagsspaziergang führt

uns auf die Höhe bei der Keesburg durch

die in den Herbstfarben prangenden Wäldchen.

Montag abends 8 Uhr schnurrt ein

an den Umrissen schwach erkennbarer

Zeppelin über die Weingartenstraße,

auch ein Lichtlein flammt droben für

kurze Zeit auf. Margarets Schwester ist

 unter der Zeile mit anderer Tinte:  gestorben (?)


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  • October 11, 2017 16:06:09 Daniela Z

     linke Seite 

    ein paar Tage heim. Die Schulen sind

    geschlossen. Deutschland hat infolge

    plötzlichen Abfalls von Bulgarien bei

    Präsident Wilson um Waffenstillstand

    gebeten. Aber es scheint, daß

    unsere Gegner, die nur infolge der

    amerikanischen Hilfe im Westen uns

    überlegen sind, uns bis zur Vernichtg

    bekämpfen wollen. Es sind trübe Tage.

    Am Sonntag machte ich mit Hanna u.

    Lydi von Oberzell aus einen Spaziergang

    bei herrlicher Herbstsonne zu dem Anlagen

    in der Nähe des Schenkenturms.

    XLII 20. - 26. Oktober. - In der Kirche

    predigt Pfarrer Dr Schandig. Es wird

    eine Ansprache des Oberkonsistoriums

    verlesen zur Würdigung des hohen Ernstes

    der Lage, dann folgt ein Buß- &

    Bittgebet. Die Noten, die zwischen uns

    u. der amerikanischen Regierung

    über die Bedingungen des Waffenstillstandes

    gewechselt werden,

    nehmen fast alles Interesse für sich

    in Anspruch. Was noch übrig bleibt,

    gilt der stetig um sich greifenden

    Grippe oder spanischen Krankheit, die

    viele Todesfälle, namentlich bei

    der weiblichen Bevölkerung zur

    Folge hat. Unter anderem ist unser Stadt-

     rechte Seite 

    vikar Bürkstümmer, ein kräftiger

    junger Mann, gestorben, auch eine Tochter

    der in unserem Haus wohnenden

    Geheimratswitwe Bach, die als Lehrschwester

    in Offenbach tätig war.

    Die Schulen sind noch geschlossen. Gott

    schütze uns und unser Haus. Margaret

    ist noch nicht zurück, sie schreibt, sie

    hätte wieder einen Arzt gebraucht.

    Die Kinder sind den ganzen Tag zuhaus

    u. wissen oft nicht, was sie treiben

    sollen. Den ganzen Tag zeichnen kann

    man doch auch nicht. Es wird plötzlich

    auch recht kühl, u. bei jetziger gefährlicher

    Zeit soll man sich doch nicht erkälten.

    Man gurgelt tagsüber öfter mit übermangansaurem

    Kali.

    XLIII. 27. Okt. - 2. November. Jetzt ist

    Weinlese, das Pfund Trauben kostet "nur"

    2 M 50 Pfg. Die Weinbergwege sind schon

    seit vielen Wochen durch Stangen

    gesperrt. Der Sonntagsspaziergang führt

    uns auf die Höhe bei der Keesburg durch

    die in den Herbstfarben prangenden Wäldchen.

    Montag abends 8 Uhr schnurrt ein

    an den Umrissen schwach erkennbarer

    Zeppelin über die Weingartenstraße,

    auch ein Lichtlein flammt droben für

    kurze Zeit auf. Margarets Schwester ist

     unter der Zeile mit anderer Tinte:  gestorben (?)


  • October 11, 2017 15:54:02 Daniela Z

     linke Seite 

    ein paar Tage heim. Die Schulen sind

    geschlossen. Deutschland hat infolge

    plötzlichen Abfalls von Bulgarien bei

    Präsident Wilson um Waffenstillstand

    gebeten. Aber es scheint, daß

    unsere Gegner, die nur infolge der

    amerikanischen Hilfe im Westen uns

    überlegen sind, uns bis zur Vernichtg

    bekämpfen wollen. Es sind trübe Tage.

    Am Sonntag machte ich mit Hanna u.

    Lydi von  Oberzell  aus einen Spaziergang

    bei herrlicher Herbstsonne zu dem Anlagen

    in der Nähe des  Schenkenturms .

    XLII 20. - 26. Oktober. - In der Kirche

    predigt Pfarrer Dr  Schandig . Es wird

    seine Ansprache des  Oberkonsistoriums 

    verlesen zur Würdigung des hohen Ernstes

    der Lage, dann folgt ein Buß- &

    Bittgebet. Die Noten, die zwischen unss

    u. der amerikanischen Regierung

    über die Bedingungen des Waffenstillstandes

    gewechselt werden,

    nehmen fast alles Interesse für sich

    in Anspruch. Was noch übrig bleibt,

    gilt der stetig um sich greifenden

    Grippe oder spanischen Krankheit, die

    viele Todesfälle, namentlich bei

    der weiblichen Bevölkerung zur

    Folge hat. Unter anderem ist unser Stadt-

     rechte Seite 

    vikar  Bürkstümmer , ein kräftiger

    junger Mann, gestorben, auch eine Tochter

    der in unserem Haus wohnenden

    Geheimratswitwe  Bach , die als Lehrschwester

    in Offenbach tätig war.

    Die Schulen sind noch geschlossen. Gott

    schütze uns und unser Haus. Margaret

    ist noch nicht zurück, sie schreibt, sie

    hätte wieder einen Arzt gebraucht.

    Die Kinder sind den ganzen Tag zuhaus

    u. wissen oft nicht, was sie treiben

    sollen. Den ganzen Tag zeichnen kann

    man doch auch nicht. Es wird plötzlich

    auch recht kühl, u. bei jetziger gefährlicher

    Zeit soll man sich doch nicht erkälten.

    Man gurgelt tagsüber öfter mit  übermangansaurem 

    Kali.

    XLIII. 27. Okt. - 2. November. Jetzt ist

    Weinlese, das Pfund Trauben kostet "nur"

    2 M 50 Pfg. Die Weinbergwege sind schon

    seit vielen Wochen durch Stangen

    gesperrt. Der Sonntagsspaziergang führt

    uns auf die Höhe bei der  Keesburg  durch

    die in den Herbstfarben prangenden Wäldchen.

    Montag abends 8 Uhr schnurrt ein

    an den Umrissen schwach erkennbarer

    Zeppelin über die Weingartenstraße,

    auch ein Lichtlein flammt droben für

    kurze Zeit auf. Margarets Schwester ist

     unter der Zeile mit anderer Tinte:  gestorben (?)


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Contributor
Vera Braune
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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