Kriegstagebuch von Hans-Joachim Röhr aus Görlitz - Band 2, item 75

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S. 110

rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen

Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

die Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

bespritzte den Fussrücken mit Chloräthyl zur Unempfindlichkeitmachung

der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

Schrapnellkugel herausgehoben wurde und ein Nervenstrang

berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

fehlenden Teil holte ich beim Baden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

trug. -

      Ich ward der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

Ein Assistenzarzt war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

machte an verschiedenen Tafeln Bemerkungen. Als diese Ärztekommission

an meine Lagerstatt kam, fragte man mich nach meinem Befinden, die


S. 111

Fieberkurve zeigte auch kein Fieber mehr an und wurde auch an meine

Tafel ein "L" gemalt. Wir erfuhren dann, dass dieses L nichts weniger

bedeutete als "für Lazarettzug transportfähig nach der Heimat" - O., war

das eine Freude, nun nach der Heimat zu kommen, seitdem man

9 und einen halben Monat im Felde gestanden hatte und vergeblich auf

Urlaub gewartet hatte. -

      Im gleichen Lazarett waren noch mehrere vom 1. Garde Res. Regt.

aber alle, waren an ihre Lager gefesselt, so dass wir uns nicht

sprechen konnten, trotz der enormen Verluste, die das Regiment erlitten

hatte waren die vielen Verwundeten sehr verstreut. Von hier aus

hatten wir auch einmal dem Regiment und dann auch den Angehörigen

Nachricht geben können, so erfuhren denn unsere lieben Eltern,

dass ich verwundet sei und mich wohl und munter befinde.

      Noch am 10.VI. abends wurde uns mitgeteilt, dass wir am 12.                         10.VI.17.

abtransportiert wurden, und uns bereitzuhalten hätten. Viel zurecht

zu machen gab es freilich nicht. Mein Verband sass gut und wurde auch

nicht erneuert. Wunderschön schlief man noch einmal in den schönen Betten,

für mich war es ja kein Schmerzlager mehr und am kommenden

Morgen, bekamen wir unsere Sachen wieder. Hose, Rock, Mütze etc.

Gegen 9.00 vormittag begann der Abtransport. Wiederum wurden wir auf

Bahren gepackt und hinausgetragen. Auf der Strasse kam eine Stockung,

indem eine Bahre defekt ging. Man setzte mich mitten auf der Strasse

ab, und meine Träger halfen, den Anderen. Ein Feldgendarm hielt die

Neugieren Franzosenleute ab. Aber drei elegante Damen schritten vorüber,

mich betrachtend, aber ihr Blick war so gleichgültig, dass er nur Freude

an den deutschen Verlusten zu verbergen schien. Dann wurde auch ich

in den Strassenbahnwagen geladen. In fast einstündiger Fahrt, immer durch

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S. 110

rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen

Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

die Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

bespritzte den Fussrücken mit Chloräthyl zur Unempfindlichkeitmachung

der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

Schrapnellkugel herausgehoben wurde und ein Nervenstrang

berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

fehlenden Teil holte ich beim Baden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

trug. -

      Ich ward der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

Ein Assistenzarzt war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

machte an verschiedenen Tafeln Bemerkungen. Als diese Ärztekommission

an meine Lagerstatt kam, fragte man mich nach meinem Befinden, die


S. 111

Fieberkurve zeigte auch kein Fieber mehr an und wurde auch an meine

Tafel ein "L" gemalt. Wir erfuhren dann, dass dieses L nichts weniger

bedeutete als "für Lazarettzug transportfähig nach der Heimat" - O., war

das eine Freude, nun nach der Heimat zu kommen, seitdem man

9 und einen halben Monat im Felde gestanden hatte und vergeblich auf

Urlaub gewartet hatte. -

      Im gleichen Lazarett waren noch mehrere vom 1. Garde Res. Regt.

aber alle, waren an ihre Lager gefesselt, so dass wir uns nicht

sprechen konnten, trotz der enormen Verluste, die das Regiment erlitten

hatte waren die vielen Verwundeten sehr verstreut. Von hier aus

hatten wir auch einmal dem Regiment und dann auch den Angehörigen

Nachricht geben können, so erfuhren denn unsere lieben Eltern,

dass ich verwundet sei und mich wohl und munter befinde.

      Noch am 10.VI. abends wurde uns mitgeteilt, dass wir am 12.                         10.VI.17.

abtransportiert wurden, und uns bereitzuhalten hätten. Viel zurecht

zu machen gab es freilich nicht. Mein Verband sass gut und wurde auch

nicht erneuert. Wunderschön schlief man noch einmal in den schönen Betten,

für mich war es ja kein Schmerzlager mehr und am kommenden

Morgen, bekamen wir unsere Sachen wieder. Hose, Rock, Mütze etc.

Gegen 9.00 vormittag begann der Abtransport. Wiederum wurden wir auf

Bahren gepackt und hinausgetragen. Auf der Strasse kam eine Stockung,

indem eine Bahre defekt ging. Man setzte mich mitten auf der Strasse

ab, und meine Träger halfen, den Anderen. Ein Feldgendarm hielt die

Neugieren Franzosenleute ab. Aber drei elegante Damen schritten vorüber,

mich betrachtend, aber ihr Blick war so gleichgültig, dass er nur Freude

an den deutschen Verlusten zu verbergen schien. Dann wurde auch ich

in den Strassenbahnwagen geladen. In fast einstündiger Fahrt, immer durch


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  • April 8, 2017 09:38:25 Rolf Kranz

    S. 110

    rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

    nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

    bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

    mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen

    Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

    die Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

    bespritzte den Fussrücken mit Chloräthyl zur Unempfindlichkeitmachung

    der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

    gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

    ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

    Schrapnellkugel herausgehoben wurde und ein Nervenstrang

    berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

    Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

    im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

    Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

    etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

    fehlenden Teil holte ich beim Baden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

    Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

    der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

    trug. -

          Ich ward der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

    kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

    besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

    grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

    Ein Assistenzarzt war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

    machte an verschiedenen Tafeln Bemerkungen. Als diese Ärztekommission

    an meine Lagerstatt kam, fragte man mich nach meinem Befinden, die


    S. 111

    Fieberkurve zeigte auch kein Fieber mehr an und wurde auch an meine

    Tafel ein "L" gemalt. Wir erfuhren dann, dass dieses L nichts weniger

    bedeutete als "für Lazarettzug transportfähig nach der Heimat" - O., war

    das eine Freude, nun nach der Heimat zu kommen, seitdem man

    9 und einen halben Monat im Felde gestanden hatte und vergeblich auf

    Urlaub gewartet hatte. -

          Im gleichen Lazarett waren noch mehrere vom 1. Garde Res. Regt.

    aber alle, waren an ihre Lager gefesselt, so dass wir uns nicht

    sprechen konnten, trotz der enormen Verluste, die das Regiment erlitten

    hatte waren die vielen Verwundeten sehr verstreut. Von hier aus

    hatten wir auch einmal dem Regiment und dann auch den Angehörigen

    Nachricht geben können, so erfuhren denn unsere lieben Eltern,

    dass ich verwundet sei und mich wohl und munter befinde.

          Noch am 10.VI. abends wurde uns mitgeteilt, dass wir am 12.                         10.VI.17.

    abtransportiert wurden, und uns bereitzuhalten hätten. Viel zurecht

    zu machen gab es freilich nicht. Mein Verband sass gut und wurde auch

    nicht erneuert. Wunderschön schlief man noch einmal in den schönen Betten,

    für mich war es ja kein Schmerzlager mehr und am kommenden

    Morgen, bekamen wir unsere Sachen wieder. Hose, Rock, Mütze etc.

    Gegen 9.00 vormittag begann der Abtransport. Wiederum wurden wir auf

    Bahren gepackt und hinausgetragen. Auf der Strasse kam eine Stockung,

    indem eine Bahre defekt ging. Man setzte mich mitten auf der Strasse

    ab, und meine Träger halfen, den Anderen. Ein Feldgendarm hielt die

    Neugieren Franzosenleute ab. Aber drei elegante Damen schritten vorüber,

    mich betrachtend, aber ihr Blick war so gleichgültig, dass er nur Freude

    an den deutschen Verlusten zu verbergen schien. Dann wurde auch ich

    in den Strassenbahnwagen geladen. In fast einstündiger Fahrt, immer durch

  • February 22, 2017 20:49:37 Rolf Kranz

    S. 110

    rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

    nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

    bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

    mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen

    Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

    die Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

    bespritzte den Fussrücken mit Chlorästhyl zur Unempfindlichkeitmachung

    der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

    gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

    ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

    Schrapnellkugel herausgehoben wurde und ein Nervenstrang

    berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

    Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

    im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

    Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

    etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

    fehlenden Teil holte ich beim Baden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

    Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

    der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

    trug. -

    Ich war der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

    kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

    besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

    grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

    Ein Assistenzarzt war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

    machte an verschiedenen Tafeln Bemerkungen. Als diese Ärztekommission

    an meine Lagerstatt kam, fragte man mich nach meinem Befinden, die


    S. 111

    Fieberkurve zeigte auch kein Fieber mehr an und wurde auch an meine

    Tafel ein "L" gemalt. Wir erfuhren dann, dass dieses L nichts weniger

    bedeutete als "für Lazarettzug transportfähig nach der Heimat" - O., war

    das eine Freude, nun nach der Heimat zu kommen, seitdem man

    9 und einen halben Monat im Felde gestanden hatte und vergeblich auf

    Urlaub gewartet hatte. -

    Im gleichen Lazarett waren noch mehrere vom 1. Garde Res. Regt.

    aber alle, waren an ihre Lager gefesselt, so dass wir uns nicht

    sprechen konnten, trotz der enormen Verluste, die das Regiment erlitten

    hatte waren die vielen Verwundeten sehr verstreut. Von hier aus

    hatten wir auch einmal dem Regiment un dann auch den Angehörigen

    Nachricht geben können, so erfuhren denn unsere lieben Eltern,

    dass ich verwundet sei und mich wohl und munter befinde.

    Noch am 10.VI. abends wurde uns mitgeteilt, dass wir am 12.

    abtransportiert wurden, und uns bereitzuhalten hätten. Viel zurecht

    zu machen gab es freilich nicht. Mein Verband sass gut und wurde auch

    nicht erneuert. Wunderschön schlief man noch einmal in den schönen Betten,

    für mich war es ja kein Schmerzlager mehr und am kommenden

    Morgen, bekamen wir unsere Sachen wieder. Hose, Rock, Mütze etc.

    Gegen 9.00 vormittag begann der Abtransport. Wiederum wurden wir auf

    Bahren gepackt und hinausgetragen. Auf der Strasse kam eine Stockung,

    indem eine Bahre defekt ging. Man setzte mich mitten auf der Strasse

    ab, und meine Träger halfen, den Anderen. Ein Feldgendarm hielt die

    Neugieren Franzosenleute ab. Aber drei elegante Damen schritten vorüber,

    mich betrachtend, aber ihr Blick war so gleichgültig, dass er nur Freude

    an den deutschen Verlusten zu verbergen schien. Dann wurde auch ich

    in den Strassenbahnwagen geladen. In fast einstündiger Fahrt, immer durch


  • January 7, 2017 15:40:52 Corinna Pichler (AUT)

    S. 110

    rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

    nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

    bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

    mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

    der Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

    bespritzte den Fussrücken mit Eklorästeyl zur Unempfindlichkeitmachung

    der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

    gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

    ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

    Schrapnellkugel herausgehoben wurde und in Nervenstrang

    berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

    Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

    im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

    Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

    etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

    füllenden Teil holte ich beim Boden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

    Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

    der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

    tug. -

    Ich war der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

    kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

    besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

    grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

    Ein Assistenzartr war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

    machte an verschiedenen Taflen Bemerkungen. Als diese Ärzte kommen

    an meine Lagerstatt kamen, fragte man mich nach meinem Befinden, die


    S. 111

    Fieberkurve zeigte auch kein Fieber mehr an und wurde auch an meine

    Tafel ein "L" gemalt. Wir erfuhren dann, dass dieses L nichts weniger

    bedeutete als "für Lazarettzug transportfähig nach der Heimat" - O., war

    das eine Freude, nun nach der Heimat zu kommen, seitdem man

    9 und einen halben Monat im Felde gestanden hatte und vergeblich auf

    Urlaub gewartet hatte. -

    Im gleichen Lauarett waren noch mehrere vom 1. Garde Res. Regt.

    aber alle, waren an ihre Lager gefesselt, so dass wir uns nicht

    sprechen konnten, trotz der enormen Verluste, die das Regiment erlitten

    hatte waren die vielen Verwundeten sehr verstreut. Von hier aus

    hatten wir auch einmal dem Regiment un dann auch den Angehörigen

    Nachricht geben können, so erfuhren denn unsere lieben Eltern,

    dass ich verwundet sei und wohl und munter befinde.

    Noch am 10.VI. abends wurde uns mitgeteilt, dass wir am 12.

    abtransportiert wurden, und uns bereitzuhalten hätten. Viel zurecht

    zu machen gab es freilich nicht. Mein Verband sass gut und wurde auch

    nicht erneuert. Wunderschön schlief man noch einmal in den schönen Betten,

    für mich war es ja kein Schmerzlager mehr und am konnenden

    Morgen, bekamen wir unsere Sachen wieder. Hose, Rock, Mütze etc.

    Gegen 9.00 vormittag begann der Abtransport. Wiederum wurden wir auf

    Bahnen gepackt und hinausgetragen. Auf der Strasse kam eine Steckung,

    indem eine Bahne defekt ging. Man setzte mich mitten auf der Strasse

    ab, und meine Träger halfen, den Anderen. Ein Feldgendarm hielt die

    Neugieren Franzosenleute ab. Aber dire elegante Damen schritten vorüber,

    mich betrachtend, aber ihr Blick war so gleichgülti, dass er nur Freude

    an den deutschen Verlusten zu verbergen schien. Dann wurde auch ich

    in den Strassenbahnwagen geladen. In fast einstündiger Fahrt, immer durch


  • January 7, 2017 15:40:39 Corinna Pichler (AUT)

    S. 110

    rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

    nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

    bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

    mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

    der Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

    bespritzte den Fussrücken mit Eklorästeyl zur Unempfindlichkeitmachung

    der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

    gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

    ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

    Schrapnellkugel herausgehoben wurde und in Nervenstrang

    berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

    Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

    im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

    Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

    etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

    füllenden Teil holte ich beim Boden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

    Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

    der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

    tug. -

    Ich war der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

    kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

    besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

    grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

    Ein Assistenzartr war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

    machte an verschiedenen Taflen Bemerkungen. Als diese Ärzte kommen

    an meine Lagerstatt kamen, fragte man mich nach meinem Befinden, die


    S. 111

    Fieberkurve zeigte auch kein Fieber mehr an und wurde auch an meine

    Tafel ein "L" gemalt. Wir erfuhren dann, dass dieses L nichts weniger

    bedeutete als "für Lazarettzug transportfähig nach der Heimat" - O., war

    das eine Freude, nun nach der Heimat zu kommen, seitdem man

    9 und einen halben Monat im Felde gestanden hatte und vergeblich auf

    Urlaub gewartet hatte. -

    Im gleichen Lauarett waren noch mehrere vom 1. Garde Res. Regt.

    aber alle, waren an ihre Lager gefesselt, so dass wir uns nicht

    sprechen konnten, trotz der enormen Verluste, die das Regiment erlitten

    hatte waren die vielen Verwundeten sehr verstreut. Von hier aus

    hatten wir auch einmal dem Regiment un dann auch den Angehörigen

    Nachricht geben können, so erfuhren denn unsere lieben Eltern,

    dass ich verwundet sei und wohl und munter befinde.

    Noch am 10.VI. abends wurde uns mitgeteilt, dass wir am 12.

    abtransportiert wurden, und uns bereitzuhalten hätten. Viel zurecht

    zu machen gab es freilich nicht. Mein Verband sass gut und wurde auch

    nicht erneuert. Wunderschön schlief man noch einmal in den schönen Betten,

    für mich war es ja kein Schmerzlager mehr und am konnenden

    Morgen, bekamen wir unsere Sachen wieder. Hose, Rock, Mütze etc.

    Gegen 9.00 vormittag begann der Abtransport. Wiederum wurden wir auf

    Bahnen gepackt und hinausgetragen. Auf der Strasse kam eine Steckung,

    indem eine Bahne defekt ging. Man setzte mich mitten auf der Strasse

    ab, und meine Träger halfen, den Anderen. Ein Feldgendarm hielt die

    Neugieren Franzosenleute ab. Aber dire elegante Damen schritten vorüber,

    mich betrachtend, aber ihr Blick war so gleichgülti, dass er nur Freude

    an den deutschen Verlusten zu verbergen schien. Dann wurde auch ich

    in den Strassenbahnwagen geladen. In fast einstündiger Fahr, immer durch


  • January 7, 2017 15:37:17 Corinna Pichler (AUT)

    S. 110

    rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

    nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

    bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

    mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

    der Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

    bespritzte den Fussrücken mit Eklorästeyl zur Unempfindlichkeitmachung

    der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

    gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

    ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

    Schrapnellkugel herausgehoben wurde und in Nervenstrang

    berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

    Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

    im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

    Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

    etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

    füllenden Teil holte ich beim Boden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

    Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

    der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

    tug. -

    Ich war der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

    kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

    besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

    grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

    Ein Assistenzartr war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

    machte an verschiedenen Taflen Bemerkungen. Als diese Ärzte kommen

    an meine Lagerstatt kamen, fragte man mich nach meinem Befinden, die


    S. 111

    Fieberkurve zeigte auch kein Fieber mehr an und wurde auch an meine

    Tafel ein "L" gemalt. Wir erfuhren dann, dass dieses L nichts weniger

    bedeutete als "für Lazarettzug transportfähig nach der Heimat" - O., war

    das eine Freude, nun nach der Heimat zu kommen, seitdem man

    9 und einen halben Monat im Felde gestanden hatte und vergeblich auf

    Urlaub gewartet hatte. -

    Im gleichen Lauarett waren noch mehrere vom 1. Garde Res. Regt.

    aber alle, waren an ihre Lager gefesselt, so dass wir uns nicht

    sprechen konnten, trotz der enormen Verluste, die das Regiment erlitten

    hatte waren die vielen Verwundeten sehr verstreut. Von hier aus

    hatten wir auch einmal dem Regiment un dann auch den Angehörigen

    Nachricht geben können, so erfuhren denn unsere lieben Eltern,

    dass ich verwundet sei und wohl und munter befinde.


  • January 7, 2017 15:34:11 Corinna Pichler (AUT)

    S. 110

    rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

    nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

    bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

    mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

    der Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

    bespritzte den Fussrücken mit Eklorästeyl zur Unempfindlichkeitmachung

    der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

    gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

    ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

    Schrapnellkugel herausgehoben wurde und in Nervenstrang

    berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

    Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon

    im gleichen Moment drückte mir der Arzt die Kugel in die

    Hand. - Eine der gewöhnlichen Bleikugeln war es, an einer Seite

    etwas abgeplattet, wahrscheinlich durch den Aufschlag, den dort

    füllenden Teil holte ich beim Boden 4 Tage später aus der Einschusswunde.

    Die Schnittwunde wurde mit einem Jodoformlappen bedeckt und

    der Fuss neu verbunden, worauf man mich wieder ins Zimmer

    tug. -

    Ich war der Letzte gewesen, welcher von unserem Zimmer herunter

    kam, von nun an kamen die Ärzte zweimal die Patienten

    besuchen. Noch am gleichen Nachmittag kamen diesselben in

    grösserer Begleitung, nämlich dem Feldwebel, und 2 Schwestern.

    Ein Assistenzartr war mit einem Stück Kreide bewaffnet und

    machte an verschiedenen Taflen Bemerkungen. Als diese Ärzte kommen

    an meine Lagerstatt kamen, fragte man mich nach meinem Befinden, die


    S. 111



  • January 7, 2017 15:30:24 Corinna Pichler (AUT)

    S. 110

    rechten Unterschenkel gelegt, der Fuss mit Alkohol abgewaschen,

    nachdem die Verbände gelöst waren, und mit Jodtinktur

    bepinselt. Zwei Wärter traten heran, der Eine legte sich über

    mein linkes Bein und hielt das Rechte fest, der Zweite meinen Oberkörper, damit ich mich nicht bewegen konnte und somit

    der Sicherheit des Schnittes stören konnte. Ein weiter Arzt

    bespritzte den Fussrücken mit Eklorästeyl zur Unempfindlichkeitmachung

    der betreffenden Stelle, kurz darauf verspürte ich den Schnitt

    gleich als ob Pappe geschnitten wurde, einen Schmerz verspürte

    ich nicht, wohl aber als mit einer Pinzette die im Fuss steckende

    Schrapnellkugel herausgehoben wurde und in Nervenstrang

    berührt wurde. Ein stechender kurzer Schmerz zog bis ins

    Gehirn und löste bei mir ein herzhaftes "Au" aus. Fast schon


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15872 / 168905
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http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Heike Knothe
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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