Kriegstagebuch von Hans-Joachim Röhr aus Görlitz - Band 2, item 69
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[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S. 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nennen, während sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwieriger
Forschungen, um diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebnis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen beteiligt
waren, nämlich die erste französische und die belgische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Ypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Bogen, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Ypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7. Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hatten die deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisiert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein Zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatte aus der Sommeschlacht gelernt,
[S. 242 siehe Transkription Seite davor]
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Plan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen Grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewehr vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die Artillerievorbereitung.
Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwar die beiden Dörfer, Langemarck und
Bixschoete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemarck noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An keinem Punkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemarck endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ Haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchen aus der
deutschen Front herauszubröckeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
in der sumpfigen Talniederung von Ypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entschloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
dem daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefährdete
Laffaux-Ecke bei Soissons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Endes begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Yperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Pas chendaele, Zonnebeke, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das mörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, die
dem Leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
des Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Besitz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
Planung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte November konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S. 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nennen, während sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwieriger
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebnis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Ypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Bogen, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Ypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7. Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hatten die deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisiert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein Zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatte aus der Sommeschlacht gelernt,
[S. 242 siehe Transkription Seite davor]
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Plan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen Grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewehr vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwar die beiden Dörfer, Langemarck und
Bixschoete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemarck noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An keinem Punkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemarck endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ Haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchen aus der
deutschen Front herauszubröckeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
in der sumpfigen Talniederung von Ypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entschloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
dem daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Endes begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Yperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebeke, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, die
dem Leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
des Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
Planung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte November konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S. 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7.Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hattendie deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisisert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatteaus der Sommeschlacht gelernt,
[S. 242 siehe Transkription Seite davor]
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
Planung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte November konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7.Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hattendie deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisisert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatteaus der Sommeschlacht gelernt,
[S. 242 siehe Transkription Seite davor]
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
Planung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte November konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7.Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hattendie deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisisert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatteaus der Sommeschlacht gelernt,
[S. 242 siehe Transkription Seite davor]
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte November konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7.Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hattendie deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisisert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatteaus der Sommeschlacht gelernt,
[S. 242 siehe Transkription Seite davor]
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7.Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hattendie deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisisert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatteaus der Sommeschlacht gelernt,
[S. 242 siehe Transkription Seite davor]
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den letzten Vorbereitungen unter
der Erde ablenken sollte. Und die Überraschung
gelang.
Am 7.Juni ging die ungeheure Ladung hoch.
In neunzehn Kratern versank die deutsche
Stellung. Die größte Sprengung, die die menschliche
Geschichte kennt, war geglückt. Unmittelbar nach
der Zündung, im Höhepunkt der Verwirrung,
brachen zwölf englische Divisionen vor und
hattendie deutsche Linie auf die Sehne des Bogens
zurückgedrängt, bevor noch der erste Widerstand
organisisert war.
Dann trat wieder Ruhe ein, die Ruhe vor dem Sturm.
Aber die deutsche Führung war auf dem
Posten. Zu deutlich hatte diese Sprengung
gesprochen, als daß noch ein zweifel an einen
englischen Angriff in Flandern erlaubt war.
Und man hatteaus der Sommeschlacht gelernt,
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
entschloss man sich, unter die Erde zu gehen.
Dieser Gedanke lag nahe genug. Seit Jahr und
Tag hatten an dieser Stelle die MIneuere beider
Parteien ihre Künste spielen lassen. Gerade in
letzter Zeit erst war hier der unterirdische
Stollenkampf etwas zur Ruhe gekommen, so daß
eine Überraschung Erfolg versprach. In
anderthalbjähriger Arbeit hatten englische Pioniere
unter die deutsche Stellung eine Galerie nach
der andern getrieben, von denen man annehmen
durfte, daß sie unentdeckt geblieben waren.
500 000 Kilo Sprengstoff befanden sich unter der
deutschen Linie, als am 4. Juni 1917 das
englische Trommelfeuer einsetzte, das die
Verteidiger von den etzten
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Truppen am weitesten vorangekommen. Ihre
Front bildete hier einen feindwärts gerichteten
Boge, der jeden Angriff auf ihre Stellungen
im Raume von Zypern gefährlich flankierte. Daß
dieser Bogen vor einem Angriff in Flandern
weggenommen werden mußte, war der englischen
Karte: Stoßrichtung und Ziel des Angriffs
Führung völlig klar. Ebenso klar war ihr aber,
daß Angiffe der üblichen Art hier nur einen
Brandherd schaffen würden, der mehr Kräfte
verzehrte, als es das Ziel erlaubte. So
ent
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Breite! Nimmt man dazu noch die Tatsache,
daß die Angreifer ihr Unternehmen mit dem
Verlust von nicht weniger als 400 000 Mann
zu bezahlen hatten, dann erscheint das gewaltige
Mißverhältnis von Einsatz und Erfolg so
deutlich, daß die Frage von Sieg oder Niederlage
wahrhaftig zu einem müßigen Wortspiel wird.
Mit einem Vorspiel begann das Drama. Wo
sich etwa 10 Kilometer südlich von Zypern die
flandrische Tiefebene mit den ersten Höhenrücken
berührt, die bei Messines und Wytschaete eine
flache Hochebene bilden, waren die deutschen
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst. Gewiß, das
Ergebis der Flandernschlacht war für die
Engländer ein Geländegewinn von 9 Kilometer Tiefe
und 20 Kilometer Breite. Doch nun kommt
das Aber.
Dieser minimale Erfolg war das Ergebnis
einer hunderttägigen Schlacht, in der auf der
Seite der feindlichen Angreifer vier Armeen
beteiligt waren, nämlich die erste französische und die beglische
Armee. Diese gewaltige Heeresmacht war
unterstützt worden durch die bisher ungekannte Zahl
von 2300 Geschützen aller Kaliber. An Munition
waren diesen 65 Millionen Kilogramm zur
Verfügung gestellt worden. Und das alles auf einem
Gefechtsstreifen von nur etwa 35 Kilometer
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Betrachtete der englische Oberbefehlshaber
Sir Douglas Haig sie auch als einen
Sieg, so bedarf es nicht erst langwierige
Forschungen, und diese Annahme richtigzustellen,
denn gewisse Zahlen und Tatsachen sprechen
doch zu sehr für sich selbst.
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Die englische Presse liebt es nicht, die
Erinnerung an englische Niederlagen im
Weltkriege aufzufrischen. Man würde daher
vergeblich in englischen Blättern nach einer
Darstellung jener fürchterlichsten Materialschlacht
des Weltkrieges suchen, die jetzt vor
zwanzig Jahren wütete, und die wir die
Flandernschlacht nenen, währed sie in
England als Schlacht von Passchendaele
bekannt oder - besser - seit langem vergessen ist.
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Die Schlacht der hundert Tage
Von Wolf Meyer-Christian
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
totgeboren" nennt. So unbedeutend wie ihre
PLanung und ihre Durchführung war auch ihr Ende.
Mitte Nvember konnten die Truppen nicht
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Großkampftagen des Oktobers, bis es am 10.
November in Regen, Nebel und Wasser erlosch.
Es ist nicht möglich, den Einzelheiten dieser
fürchterlichsten aller Schlachten nachzuspüren.
Oder richtiger: diese Schlacht wurde so
phantasielos und so unerhört stumpfsinnig vom
Angreifer geführt, daß weder aus Raum noch Zeit
Ereignisse von Besonderheit entsprangen, de
dem leser als Wegsteine durch diese Schlacht
dienen könnten. Gewiß, der Raum wechselte
langsam nach Osten. Für die Kämpfer hatte das
aber keine Bedeutung. Denn 8 Kilometer östlich
sahen die Trichter genau so aus wie am
Ausgangspunkt des Kampfes. Ausgelöscht waren
Ortschaften, Wälder, Wasserläufe.
Und hörte der Raum auf, Raum zu sein, so
waren Tag und Nacht auch die einzigen Zeichen
ds Fortgangs der Zeit. Denn die
Kampfführung hatte sich offenbar von der Zeit gelöst.
Für den Marschall Haig schien sie keinen Wert
mehr zu haben. Im Bestz ausreichenden
Materials und immer noch nicht ernsthaft
erschöpfter Truppenbestände, infolge gut redigierter
Siegesnachrichten auch von Kritik und Presse
unbelästigt, schien er sein Gehirn auf Kammer
abgegeben und dem Material die selbstständige
Führung der Schlacht anvertraut zu haben,
dieser Schlacht, die Fuller "infolge Dummheit
tot
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Zeitung - S. 241
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Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
1916 seinen Angriff begonnen hatte. Ein zweiter
Hammerschlag Pétains gegen die gefärdete
Laffaur-Ede bei Siffons brachte ebenfalls
Erfolge. Er führte zum Verlust des Chemin des
Dames durch die Deutschen.
Währenddessen ging in Flandern die für
Angreifer wie Verteidiger gleich verlustreiche
Schlacht weiter. Nach der Ermattungspause des
August-Ende begann am 20. September eine
neue Reihe von Großkampftagen, die den
Engländer allmählich aus dem Zyperntal auf das
östliche Höhengelände brachte. In den Kämpfen
um Paschendaele, Zonnebele, Poelcapelle und
den Houthulster Wald erreichte das nörderische
Ringen seinen Höhepunkt an den vier
Groß
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
Fronten seine Hauptfront zu entlasten. Er wollte
die deutsche Heeresleitung zwingen, ihre
Reserven durch Verzettelung zu schwächen. Am
9. August griff er bei Arras und am 15. bei
Lens an. Auch die Fanrzosen glaubte er jetzt
wenigstens zu einigen "Hammerschlägen" in
Anspruch nehmen zu können. So griff denn Pétain,
den daran lag, das Selbstvertrauen seiner
Truppe durch kleinere, erfolgversprechende
Unternehmungen zu heben, am 20. August auf dem
alten Kampfgelände von Verdun mit frischen
Truppen an, und es gelang ihm, die Verteidiger
bis in ihre alten Ausgangsstellungen
zurückzudrücken, aus denen Falkenhayn im Frühjahr
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[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
bis zum Helm von Schlamm überkrustet, mit
dem halben Leib im Wasser, unausgesetzt die
Stellung wechselnd, hielten die dünnen Reihen
der Verteidiger aus. Eng an die Erde gedrückt,
jede Bewegung vermeidend, um den Augen der
dicht über ihnen dahinbrausenden Schlachtflieger
zu entgehen, nur darauf bedacht, Gewehr und
Maschinengewher vor Nässe und Schmutz zu
schützen, spannten sie ihre Sinne auf das eine
Ziel, den Gegner rechtzeitig zu erkennen, wenn
er angriffe.
Eine volle Woche dauerte die
Artillerievorbereitung. Am 31. Juli begann der Sturm.
Auf nur 25 Kilometer Breite brachen fünfzehn
englische und französische Divisionen vor, und
es kam wie es kommen mußte. Stärker als
alles Material der Welt war die Moral dieser
in drei Kriegsjahren gehärteten Verteidiger.
Als der Tag sich neigte, hatten die Engländer
zwr die beiden Dörfer, Langemard und
Birschvete dicht hinter der vordersten deutschen Linie
gewonnen, lagen im übrigen aber fest, während
ihnen Langemard noch in der gleichen Nacht
wieder verlorenging. An seinem Dunkte der
Angriffsfront war ein entscheidender Einbruch
gelungen. Haig mußte den Angriff aufgeben.
Trotzdem blieb er seinem Verfahren treu. Für
Tage erhielt wieder die Artillerie das Wort.
Erst am 16. August fiel Langemard endgültig an
den Feind. Immer wieder ließ haig nach
mehreren Tagen Trommelfeuers seine Infanterie
antreten, mit wechselndem Erfolge gelang es
dieser, bald hier, bald dort ein Stückchenaus der
deutschen Front herauszubrödeln. Aber noch nach
Wochen befand sich der Engländer immer noch
n der sumpfigen Talniederung von Zypern, die
von den Höhenstellungen um Passchendaele aus
durch die deutsche Artillerie beherrscht wurde.
Der Marschall Haig sah ein, daß auf diese
Weise die Angreifer eher verbraucht sein
würden als die Verteidiger. Er entshcloß sich
deshalb dazu, durch Ablenkungsangriffe an andern
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von einer Wucht, wie sie die Erde noch
nicht erlebt hatte, brauste über die deutschen
Stellungen und verwandelte sie, während
gleichzeitig ein pausenloser Landregen niederging, in
einen Schlammpfuhl, dessen grundwasser sich
mit den Fluten zerschossener und aus ihren
Bahnen gelenkter Bäche und Kanäle mischte. Nach
wenigen Tagen war kein Graben mehr zu
erkennen. Von Hunderttausenden von Granaten
aller Kaliber über und über gepflügt, wurde
aus dem Verteidigungssystem eine ständig ihr
Bild ändernde Trichterlandschaft. Aber diese
Hölle war von Menschen bewohnt. Vom Stiefel
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines militärischen Handwerkers, der
alles dem Material und der größeren Zahl
überließ und es peinlich vermied, aus den besonderen
Gegebenheiten des Augenblicks eigne und neue
Schlüsse zu ziehen.
Am 22. Juli begann das Spiel. Ein
Artilleriesturm von
-
[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines
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[Über S. 100 und S. 101 gelegt eine Doppelseite, S. 241 + S- 243, einer Zeitung]
Zeitung - S. 241
Zeitung - S. 243
Die Schlacht der hundert Tage
der Pan eines
Description
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Schlacht von Arras
Location(s)
Story location Schlacht von Arras
- ID
- 15872 / 168899
- Contributor
- Heike Knothe
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- Western Front
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- Artillery
- Prisoners of War
- Propaganda
- Tanks and Armoured Fighting Vehicles
- Trench Life
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