Briefe von Walther Huth an seine Eltern und Bekannte , item 94

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...linke Seite

Stellung. Heute an Gefangenen durch 10/11 u. 2/202

4 Offiziere, 189 Mann.

    Dann kamen einige Tage der Ruhe in Angres,

einer Zechenkolonie, ganz dicht hinter der Front, aber vom

Feinde bisher verschont, auch noch Bewohner drin. Nun

kommt das Merkwürdige. Vorgestern Abend 7 Uhr kam

unsere [Gulasch]Kanone, etwas zeitiger als sonst, da wir in

Stellung mußten. Kaum war sie weg, da wichte

auf denselben Platz 2 m davon eine schwere Granate.

Einzusehen ist die Stelle nicht. In der Dämmerung

marschierten wir ab, u. sofort setzte ein tolles Schrapnell-

u. Granatfeuer ein, grade auf unsere Marschstraße.

Wir haben uns so allerlei Gedanken darüber gemacht

u. die Angelegenheit mit der Zivilbevölkerung in

Zusammenhang gebracht. Eine große Schweinerei auf

jeden Fall. Schmeißt man aber die Franktireurs

raus, dann schießt der Feind die hübschen Häuschen

in Klump u. Dreck. So kamen wir glücklich ohne Verluste

in Stellung. Doch gleich darauf ging auch der

Affentanz los. Gestern riß den ganzen Tag der Donner

um die Lorette nicht ab, an unserer Combresstellung

jedenfalls dasselbe Theater. Uns bedachte der

Feind besonders bei Nacht. Wir haben bis jetzt 15 Mann

verloren. Wieder habe ich 2 Verwundete in meiner

Gruppe, aber leicht. Wann wir abgelöst werden, ist


...rechte Seite

noch nicht raus. Das Bataillon ist jetzt schon wieder

ebenso stark, wie vor dem letzten Ersatz.

Das sind unsere Pfingsttage hier auf einsamen

Posten. Meine Kerls u. ich sind wie eine große

Familie. Kameradschaftlich in Ton u. Umgang,

soweit als möglich ist.

                                  II.                     23. V. 15.

         Eben habe ich 2 Stunden gepennt. Als ich aufwache

liegt neben mir ein schönes Stück Napfkuchen.

Hat mir einer von meinen Strolchen hingelegt u.

sich wieder verrollt. Wers war ? Sagen tuts keiner.

Ist halt mal selbstverständlich, daß ich eine

Kostprobe bekomme.

   Die kleinen Büchschen mit Milchkakao sind sehr

schön. Citronensaft ebenso. Das Theepräparat taugt

leider nichts mehr. Es setzt solch dummen Schaum ab

u. schmeckt - na wie Zuckerwasser. Schon als

Schputti das letzte Mal davon schickte, fiel es mir

auf. Bitte lieber um etwas richtigen Naturthee

zum Aufbrühen. Über das Rauchzeug herrscht große

Freude im Volke Israel. Habe lange nur noch

Patentgummizigarren zu sehen bekommen, ohne

Schaden frei in der Tasche zu tragen, oder Einer

raucht sie u. 10 fallen um. Auch Marke Bahnwärter:

Bei jedem Zug muß er raus.

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Stellung. Heute an Gefangenen durch 10/11 u. 2/202

4 Offiziere, 189 Mann.

    Dann kamen einige Tage der Ruhe in Angres,

einer Zechenkolonie, ganz dicht hinter der Front, aber vom

Feinde bisher verschont, auch noch Bewohner drin. Nun

kommt das Merkwürdige. Vorgestern Abend 7 Uhr kam

unsere [Gulasch]Kanone, etwas zeitiger als sonst, da wir in

Stellung mußten. Kaum war sie weg, da wichte

auf denselben Platz 2 m davon eine schwere Granate.

Einzusehen ist die Stelle nicht. In der Dämmerung

marschierten wir ab, u. sofort setzte ein tolles Schrapnell-

u. Granatfeuer ein, grade auf unsere Marschstraße.

Wir haben uns so allerlei Gedanken darüber gemacht

u. die Angelegenheit mit der Zivilbevölkerung in

Zusammenhang gebracht. Eine große Schweinerei auf

jeden Fall. Schmeißt man aber die Franktireurs

raus, dann schießt der Feind die hübschen Häuschen

in Klump u. Dreck. So kamen wir glücklich ohne Verluste

in Stellung. Doch gleich darauf ging auch der

Affentanz los. Gestern riß den ganzen Tag der Donner

um die Lorette nicht ab, an unserer Combresstellung

jedenfalls dasselbe Theater. Uns bedachte der

Feind besonders bei Nacht. Wir haben bis jetzt 15 Mann

verloren. Wieder habe ich 2 Verwundete in meiner

Gruppe, aber leicht. Wann wir abgelöst werden, ist


...rechte Seite

noch nicht raus. Das Bataillon ist jetzt schon wieder

ebenso stark, wie vor dem letzten Ersatz.

Das sind unsere Pfingsttage hier auf einsamen

Posten. Meine Kerls u. ich sind wie eine große

Familie. Kameradschaftlich in Ton u. Umgang,

soweit als möglich ist.

                                  II.                     23. V. 15.

         Eben habe ich 2 Stunden gepennt. Als ich aufwache

liegt neben mir ein schönes Stück Napfkuchen.

Hat mir einer von meinen Strolchen hingelegt u.

sich wieder verrollt. Wers war ? Sagen tuts keiner.

Ist halt mal selbstverständlich, daß ich eine

Kostprobe bekomme.

   Die kleinen Büchschen mit Milchkakao sind sehr

schön. Citronensaft ebenso. Das Theepräparat taugt

leider nichts mehr. Es setzt solch dummen Schaum ab

u. schmeckt - na wie Zuckerwasser. Schon als

Schputti das letzte Mal davon schickte, fiel es mir

auf. Bitte lieber um etwas richtigen Naturthee

zum Aufbrühen. Über das Rauchzeug herrscht große

Freude im Volke Israel. Habe lange nur noch

Patentgummizigarren zu sehen bekommen, ohne

Schaden frei in der Tasche zu tragen, oder Einer

raucht sie u. 10 fallen um. Auch Marke Bahnwärter:

Bei jedem Zug muß er raus.


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  • February 5, 2017 10:59:22 Rolf Kranz

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    Stellung. Heute an Gefangenen durch 10/11 u. 2/202

    4 Offiziere, 189 Mann.

        Dann kamen einige Tage der Ruhe in Angres,

    einer Zechenkolonie, ganz dicht hinter der Front, aber vom

    Feinde bisher verschont, auch noch Bewohner drin. Nun

    kommt das Merkwürdige. Vorgestern Abend 7 Uhr kam

    unsere [Gulasch]Kanone, etwas zeitiger als sonst, da wir in

    Stellung mußten. Kaum war sie weg, da wichte

    auf denselben Platz 2 m davon eine schwere Granate.

    Einzusehen ist die Stelle nicht. In der Dämmerung

    marschierten wir ab, u. sofort setzte ein tolles Schrapnell-

    u. Granatfeuer ein, grade auf unsere Marschstraße.

    Wir haben uns so allerlei Gedanken darüber gemacht

    u. die Angelegenheit mit der Zivilbevölkerung in

    Zusammenhang gebracht. Eine große Schweinerei auf

    jeden Fall. Schmeißt man aber die Franktireurs

    raus, dann schießt der Feind die hübschen Häuschen

    in Klump u. Dreck. So kamen wir glücklich ohne Verluste

    in Stellung. Doch gleich darauf ging auch der

    Affentanz los. Gestern riß den ganzen Tag der Donner

    um die Lorette nicht ab, an unserer Combresstellung

    jedenfalls dasselbe Theater. Uns bedachte der

    Feind besonders bei Nacht. Wir haben bis jetzt 15 Mann

    verloren. Wieder habe ich 2 Verwundete in meiner

    Gruppe, aber leicht. Wann wir abgelöst werden, ist


    ...rechte Seite

    noch nicht raus. Das Bataillon ist jetzt schon wieder

    ebenso stark, wie vor dem letzten Ersatz.

    Das sind unsere Pfingsttage hier auf einsamen

    Posten. Meine Kerls u. ich sind wie eine große

    Familie. Kameradschaftlich in Ton u. Umgang,

    soweit als möglich ist.

                                      II.                     23. V. 15.

             Eben habe ich 2 Stunden gepennt. Als ich aufwache

    liegt neben mir ein schönes Stück Napfkuchen.

    Hat mir einer von meinen Strolchen hingelegt u.

    sich wieder verrollt. Wers war ? Sagen tuts keiner.

    Ist halt mal selbstverständlich, daß ich eine

    Kostprobe bekomme.

       Die kleinen Büchschen mit Milchkakao sind sehr

    schön. Citronensaft ebenso. Das Theepräparat taugt

    leider nichts mehr. Es setzt solch dummen Schaum ab

    u. schmeckt - na wie Zuckerwasser. Schon als

    Schputti das letzte Mal davon schickte, fiel es mir

    auf. Bitte lieber um etwas richtigen Naturthee

    zum Aufbrühen. Über das Rauchzeug herrscht große

    Freude im Volke Israel. Habe lange nur noch

    Patentgummizigarren zu sehen bekommen, ohne

    Schaden frei in der Tasche zu tragen, oder Einer

    raucht sie u. 10 fallen um. Auch Marke Bahnwärter:

    Bei jedem Zug muß er raus.

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