Kriegstagebuch mit handgefertigten Zeichnungen von Rudolf Kämmerer, SM Hilfskreuzer "Berlin", item 84
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Die Kreuzfahrt der "Berlin"!
Wie sie "Eier" legte.
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Der Brief eines Theilnehmers an der Fahrt um England herum.
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Einem hier aus Hommelvik bei Drondhjem eingetroffenen Brief eines Artilleristen von der "Berlin" (dem ehemaligen Lloyddampfer und späteren Hilfskreuzer) entnehmen wir Folgendes:
"Wir waren Ende Juli in Bremerhaven angekommen, machten wieder auf die übliche Weise unser Schiff reisefertig, da kam plötzlich eine Ueberraschung, Mobilisation und eine Kriegserklärung nach der anderen. "Kaiser Wilhelm der Große" seligen Angedenkens und "Berlin" wurden innerhalb 24 Stunden zu Kriegsschiffen umgewandelt. Schwarz von oben bis unten, sechs 10,5 cm. S. K., sechs Revolver-Kanonen, sechs Maschinengewehre, Scheinwerfer etc. Von Wilhelmshaven kamen Offiziere und aktive Mannschaften, der Rest der Besatzung (500) wurde aus an Bord befindlichen Gedienten und Seewehr der Unterweser-Orte ergänzt. Wir sollten à la "Emden" arbeiten. "Kaiser Wilhelm der Große" ging am 3. August und kam noch durch, wir am 5. August, als schon England den Krieg erklärt hatte, machten zwei vergebliche Vorstöße in die Nordsee. Nun lagen wir etwa 14 Tage auf Jade und Weser herum, machten Schießübungen, Landungsmanöver etc., als plötzlich der Befehl zum Außerdienststellen kam, da es unmöglich schien, das Schiff durch die Nordsee zu bringen. Von Bremerhaven per Transport nach Wilhelmshaven, welches überfüllt war. 90.000 Mann in Kasernen, Tanzsälen, Schuppen etc. auf Stroh untergebracht; uns brachte man in die 2. Abtheilung der II. Matr. Div. Kaserne. So machten wir drei Wochen Felddienst, Schießen etc., blieben aber für uns eine geschlossene Kompagnie. Man wollte uns scheinbar für Belgien dressiren, und wir wären gerne dahin gegangen, besonders nach Antwerpen, da zur Zeit zehntausende Marine aller Gattungen dorthin geschickt wurden. Aber es sollte anders kommen. Nachts 2 Uhr wurden wir in Marsch nach Bremerhaven gesetzt, um "Berlin" abermals in Dienst zu stellen. Dort angekommen wurde uns ganz anders zu Muthe, als wir sahen, daß das Schiffe als "Eierleger" großen Stils ausgerüstet war. Welch' große Veränderungen nochmals an unserem Schiff vorgenommen waren, kann ich kaum beschreiben; auch halte ich es nicht für sicher, in diesem Briefe eingehender zu sein, da bis jetzt noch, selbst in Deutschland, Stillschweigen über die Thätigkeit unseres Schiffes anbefohlen ist, um "John Bull" noch etwas im Dunkeln tappen zu lassen; denn daß die Schw... nun doch endlich wissen, was wir ihnen vor die Bude gepackt haben, nachdem schon so viele der Kuckuckseier geplatzt sind, ist ja klar; aber der Haupterfolg für uns ist doch darin, John Bull nichts wissen zu lassen über das Wo und Wieviel. Von Bremerhaven, wo Heulen und Zähneklappern war, und Niemand glaubte, das Schiff je wieder zu sehen, gingen wir nach Wilhelmshaven, wo uns der Flotten=Chef besuchte, ein Zeichen, wieviel am Gelingen unserer Sache lag. Nun galt es "durchzubrechen" durch eine mehrfache Postenkette der Engländer in der Nordsee, ohne mit diesem himmelhohen Kahn gesehen zu werden. So machten wir wieder zwei vergebliche Versuche, unter allen möglichen Maskirungen und angewandter List das eine Mal bis 90 Seemeilen, das andere Mal bis 120 Seemeilen nördlich von Helgoland, aber jedesmal mußten wir mit unserem Gummipanzer wieder zurück wegen "dicker Luft". Das dritte Mal fuhren wir in einer stockfinsteren Nacht von Wilhelmshaven ab. Alles ging die Nacht über gut; ich brachte die ganze Nacht an meinem Geschütz, I. 10,5 S. K., zu. Am anderen Morgen, auf der Höhe der Doggerbank, o Grausen! Zwei dicke englische Panzerkreuzer in einer Entfernung von etwa 7 Seemeilen. Ob nun unsere Kriegslist oder die Schlafmützigkeit John Bull's es war, die uns vom Verderben retteten, Niemand weiß es; uns erscheint es als ein Wunder. Nun hatten wir den ganzen Tag über, stets am Geschütz und scharf Ausguck haltend, in den wunderbarsten Schlangenbewegungen unseren Kahn durch die Nordsee, Kurs etwa N.=N.=W., zu manövriren, wo es uns an aufregenden Momenten nicht mangelte. Den anderen Tag, und so die Nacht, war der Durchbruch durch die feindliche Postenkette besonders gefährlich, da sich dort zwischen der Nordspitze England's, Orkney, Shettlands und Farör Inseln und der norwegischen Küste die Nordsee sehr verengt; aber es ging alles gut, und wir kamen in weniger überwachte Gewässer zwischen Island und Grönland. Nun kam die Hauptaufgabe, die Fachleute als fast unausführbar bezeichneten, nämlich unsere "Eier" gut und sicher an Ort und Stelle zu bringen und uns kaput schießen zu lassen, möglichst n a ch Ausführung unseres Auftrages; denn wenn uns vorher nur
eine Granate getroffen hätte, wären wir mit nur zwei Millionen Atmosphären-Druck 'gen Himmel geflogen. Aber das Glück verfolgte uns weiter; wir entzogen uns manch' kitzlichen Situationen, oder das Schicksal wollte nicht, daß unser Schiff mit ca. 400 Familienvätern in die Luft fliege. Wieder eine dunkle, wenn auch nicht stockdunkle Nacht. Die Sterne waren uns noch zu hellen, die Bugwelle und das Schraubenwasser leuchteten wie Tausende von elektrischen Lampen; aber wir mußten hinein in den Rachen des britischen Löwen, unsere Arbeit vollbringen, damit schon am andern Morgen der Tod reiche Ernte halte. Ich stand am Bug bei meinem Geschütz und dachte über den Wahnsinn dieses Menschenschlachtens nach. Schweigsam ging ein jeder auf seine Gefechtsstation, glaubten wir doch bestimmt, daß wir gewahrt werden mußten, waren aber entschlossen, unsere Haut so theuer als möglich zu verkaufen. Etwa Mitternacht kommen wir an die feindliche Küste und gehen in das "Loch". Es war ein Loch im wahren Sinne des Wortes; Land an beiden Seiten, Inseln und Halbinseln und die Schw... hatten die Leuchtfeuer versetzt. Aber uns konnten sie nicht bluffen, hatten wir doch vorzügliche Navigateure an Bord. Zwischen 1 und 2 Uhr! Das Schiff fährt "forcirt" und zittert, wie ich es nach fünfjährigem Aufenthalt auf demselben noch nie erlebt hatte. Wir befinden uns an Ort und Stelle und: plumps, plumps, auf die Dauer von etwa einer Stunde, immer bei schnellster Fahrt, fallen die "Eier" in unser Kielwasser; bald liegen sie da, wo John Bull sich, um dieselben zu entfernen, lange die Finger auspullen kann. Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen, heißt es für gewöhnlich, aber in unserem Falle hieß es: "Auswichsen!"
In 61/2 Stunden legten wir 138 Meilen zurück, d. h. 21,3 Meilen, für ein Schiff, was unter normalen Verhältnissen höchstens 18,5 Meilen machte. Am anderen Morgen, als wir schon weit vom Schauplatze waren, durchzitterten die Luft oft wiederholt drahtlose Hülferufe; aber es ist Krieg, wir können keine Hülfe ertheilen, wir dürfen nur den Feind vernichten. Und trotz menschlichen Mitgefühls ob All' des unsäglichen Elends fühlt der Soldat eine, wenn auch nur geringe Genugthuung über den wohlgelungenen, sanktionirten Massenmord; jedes aufkommende Mitgefühl verstummt sofort in dem Bewußtsein: d i e wollten ja u n s vernichten! Und wir handeln ja in der Nothwehr! -
Unser Weg führt uns immer nördlicher, in eisige Meere, wo das Nordlicht uns bei Nacht die gefährlichen Eisberge zeigt. Bei einem heftigen Schneesturm fahren wir weit nördlich von Europa's Nord=Kap immer weiter östlich, wo wir nach dem Rechten sehen sollen; aber es giebt nichts mehr zu thun, die Häfen sind schon von der Natur geschlossen, die uns zuvor gekommen war, den Handel des östlichen Feindes zu unterbinden. Wir suchen die nördlichen Meere ab, aber da giebt es nichts mehr zu kapern. Wir fahren zurück, um eventuell wieder durchzubrechen, was uns nun leicht erschien und wir den früheren Respekt vor der "Great Fleet" gänzlich verloren hatten. Aber es sollte nicht sein; denn unsere bei den erwähnten Ereignissen überforcirte Maschine wollte nicht mehr funktioniren. Drondhjem war unser nächstes Ziel, doch waren zu dessen Erreichung noch gefährliche Gewässer zu passiren, und wir wußten, daß an der norwegischen Küste und besonders vor Drondhjem englische und norwegische Kreuzer aufpaßten. Letztere sind nämlich krankhaft ängstlich um ihre Neutralität besorgt, die sie sich in ihrer englandfreundlichen Gesinnung nicht stören lassen wollen. In einer sternhellen, nordischen Nacht fuhren wir mit geringer Fahrt im Fjord ein, und am anderen Morgen feuerten wir vor Drondhjem den üblichen Salut, zum größten Entsetzen der Bevölkerung und des Kommandeurs der Forts, der uns trotz kriegsmäßigen Wachdienstes nicht in das Fjord hatte einfahren sehen. Der arme Teufel wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und bekam 18 Monate, die Offiziere 10 Monate Gefängnis, was uns allerdings herzlich leid thut; hatte doch unser Kommandant zu dessen Entschuldigung unsichtiges Schneewetter angegeben, um so die Verantwortung des armen Festungs=Kommandanten etwas abzuschwächen. In Wirklichkeit hatten wir das klarste Wetter und konnten jedes Haus am Lande unterscheiden. Sofort jagen elektrische Meldungen über die ganze Welt, besonders nach London, wo man bis dahin noch garnichts von unserer Existenz wußte. London stand vor einem Räthsel über den Zweck unseres Schiffes. Da man nicht wußte, ob wir wieder auslaufen wollten, sprach man von einer neuen "Emden" und alle auf dem Ozean befindlichen Schiffe wurden vor uns gewarnt; und wir mit unserer lahmen Karre hatten garnicht die Absicht, weiter zu fahren, da unser Maschinenschaden unmöglich in 24 Stunden geheilt werden konnte. Das war sechs Wochen nach unserer Abfahrt von Wilhelmshaven, vier Wochen nach dem Legen der "deutschen Eier". In Deutschland hatte man uns fast aufgegeben, doch die Admiralität wußte aus den Ereignissen, daß wir unsere "Dinger" gut angebracht hatten. Bis zu unserer Ankunft in Drondhjem wußte man in England nicht, wer sie da so bei Nacht vor die Thür gelegt habe. Man tappte im Dunkeln, man sprach von neutralen Fischdampfern, die
im Solde Deutschland's diese Arbeit verrichteten, und so glaubte man nur an eine geringe Zahl jener "Eier", fischte vielleicht ein paar auf und hielt die Sache für abgethan. Doch immer verschwanden Schiffe, man stand vor einem Räthsel. An einem schönen Herbstmorgen geht ein Geschwader von sechs Schlachtschiffen mit dem nöthigen Kleinzeug aus dem "Versteck" in See. Es waren "Audacious", "Queen Mary", "Ajax", "Thunderer" etc. Was an jenem Morgen geschah, ist in allen möglichen deutschen, neutralen und amerikanischen (Amerika ist für uns nur halbneutral) Blättern zur Genüge breitgetreten worden. Aber England schweigt oder belügt sein Volk weiter.
Hier in Norwegen ist für uns auch kein beneidenswerther Aufenthalt. Erstens das Klima und die fast permanente Dunkelheit; um etwa 10 Uhr wird es hell, um 2 Uhr beginnt es schon wieder zu dunkeln. Wir wurden von Drondhjem nach einem elenden Nest, Hommelvik, 13 Meilen tiefer in's Fjord gelegt. Wir hatten beim Abrüsten die Geschützverschlüsse, sämmtliche Handwaffen und das Hauptdampfrohr abzugeben. Dieses Zwittervolk ist noch stark englandfreundlich; wir werden von 400 Soldaten bewacht. Bis jetzt hatten wir drei Landgänge von kurzer Dauer unter Führung. Unser Dienst an Bord ist ewig Schneeschaufeln an Deck, wenig militärischer Dienst."
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Die Kreuzfahrt der "Berlin"!
Wie sie "Eier" legte.
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Der Brief eines Theilnehmers an der Fahrt um England herum.
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Einem hier aus Hommelvik bei Drondhjem eingetroffenen Brief eines Artilleristen von der "Berlin" (dem ehemaligen Lloyddampfer und späteren Hilfskreuzer) entnehmen wir Folgendes:
"Wir waren Ende Juli in Bremerhaven angekommen, machten wieder auf die übliche Weise unser Schiff reisefertig, da kam plötzlich eine Ueberraschung, Mobilisation und eine Kriegserklärung nach der anderen. "Kaiser Wilhelm der Große" seligen Angedenkens und "Berlin" wurden innerhalb 24 Stunden zu Kriegsschiffen umgewandelt. Schwarz von oben bis unten, sechs 10,5 cm. S. K., sechs Revolver-Kanonen, sechs Maschinengewehre, Scheinwerfer etc. Von Wilhelmshaven kamen Offiziere und aktive Mannschaften, der Rest der Besatzung (500) wurde aus an Bord befindlichen Gedienten und Seewehr der Unterweser-Orte ergänzt. Wir sollten à la "Emden" arbeiten. "Kaiser Wilhelm der Große" ging am 3. August und kam noch durch, wir am 5. August, als schon England den Krieg erklärt hatte, machten zwei vergebliche Vorstöße in die Nordsee. Nun lagen wir etwa 14 Tage auf Jade und Weser herum, machten Schießübungen, Landungsmanöver etc., als plötzlich der Befehl zum Außerdienststellen kam, da es unmöglich schien, das Schiff durch die Nordsee zu bringen. Von Bremerhaven per Transport nach Wilhelmshaven, welches überfüllt war. 90.000 Mann in Kasernen, Tanzsälen, Schuppen etc. auf Stroh untergebracht; uns brachte man in die 2. Abtheilung der II. Matr. Div. Kaserne. So machten wir drei Wochen Felddienst, Schießen etc., blieben aber für uns eine geschlossene Kompagnie. Man wollte uns scheinbar für Belgien dressiren, und wir wären gerne dahin gegangen, besonders nach Antwerpen, da zur Zeit zehntausende Marine aller Gattungen dorthin geschickt wurden. Aber es sollte anders kommen. Nachts 2 Uhr wurden wir in Marsch nach Bremerhaven gesetzt, um "Berlin" abermals in Dienst zu stellen. Dort angekommen wurde uns ganz anders zu Muthe, als wir sahen, daß das Schiffe als "Eierleger" großen Stils ausgerüstet war. Welch' große Veränderungen nochmals an unserem Schiff vorgenommen waren, kann ich kaum beschreiben; auch halte ich es nicht für sicher, in diesem Briefe eingehender zu sein, da bis jetzt noch, selbst in Deutschland, Stillschweigen über die Thätigkeit unseres Schiffes anbefohlen ist, um "John Bull" noch etwas im Dunkeln tappen zu lassen; denn daß die Schw... nun doch endlich wissen, was wir ihnen vor die Bude gepackt haben, nachdem schon so viele der Kuckuckseier geplatzt sind, ist ja klar; aber der Haupterfolg für uns ist doch darin, John Bull nichts wissen zu lassen über das Wo und Wieviel. Von Bremerhaven, wo Heulen und Zähneklappern war, und Niemand glaubte, das Schiff je wieder zu sehen, gingen wir nach Wilhelmshaven, wo uns der Flotten=Chef besuchte, ein Zeichen, wieviel am Gelingen unserer Sache lag. Nun galt es "durchzubrechen" durch eine mehrfache Postenkette der Engländer in der Nordsee, ohne mit diesem himmelhohen Kahn gesehen zu werden. So machten wir wieder zwei vergebliche Versuche, unter allen möglichen Maskirungen und angewandter List das eine Mal bis 90 Seemeilen, das andere Mal bis 120 Seemeilen nördlich von Helgoland, aber jedesmal mußten wir mit unserem Gummipanzer wieder zurück wegen "dicker Luft". Das dritte Mal fuhren wir in einer stockfinsteren Nacht von Wilhelmshaven ab. Alles ging die Nacht über gut; ich brachte die ganze Nacht an meinem Geschütz, I. 10,5 S. K., zu. Am anderen Morgen, auf der Höhe der Doggerbank, o Grausen! Zwei dicke englische Panzerkreuzer in einer Entfernung von etwa 7 Seemeilen. Ob nun unsere Kriegslist oder die Schlafmützigkeit John Bull's es war, die uns vom Verderben retteten, Niemand weiß es; uns erscheint es als ein Wunder. Nun hatten wir den ganzen Tag über, stets am Geschütz und scharf Ausguck haltend, in den wunderbarsten Schlangenbewegungen unseren Kahn durch die Nordsee, Kurs etwa N.=N.=W., zu manövriren, wo es uns an aufregenden Momenten nicht mangelte. Den anderen Tag, und so die Nacht, war der Durchbruch durch die feindliche Postenkette besonders gefährlich, da sich dort zwischen der Nordspitze England's, Orkney, Shettlands und Farör Inseln und der norwegischen Küste die Nordsee sehr verengt; aber es ging alles gut, und wir kamen in weniger überwachte Gewässer zwischen Island und Grönland. Nun kam die Hauptaufgabe, die Fachleute als fast unausführbar bezeichneten, nämlich unsere "Eier" gut und sicher an Ort und Stelle zu bringen und uns kaput schießen zu lassen, möglichst n a ch Ausführung unseres Auftrages; denn wenn uns vorher nur
eine Granate getroffen hätte, wären wir mit nur zwei Millionen Atmosphären-Druck 'gen Himmel geflogen. Aber das Glück verfolgte uns weiter; wir entzogen uns manch' kitzlichen Situationen, oder das Schicksal wollte nicht, daß unser Schiff mit ca. 400 Familienvätern in die Luft fliege. Wieder eine dunkle, wenn auch nicht stockdunkle Nacht. Die Sterne waren uns noch zu hellen, die Bugwelle und das Schraubenwasser leuchteten wie Tausende von elektrischen Lampen; aber wir mußten hinein in den Rachen des britischen Löwen, unsere Arbeit vollbringen, damit schon am andern Morgen der Tod reiche Ernte halte. Ich stand am Bug bei meinem Geschütz und dachte über den Wahnsinn dieses Menschenschlachtens nach. Schweigsam ging ein jeder auf seine Gefechtsstation, glaubten wir doch bestimmt, daß wir gewahrt werden mußten, waren aber entschlossen, unsere Haut so theuer als möglich zu verkaufen. Etwa Mitternacht kommen wir an die feindliche Küste und gehen in das "Loch". Es war ein Loch im wahren Sinne des Wortes; Land an beiden Seiten, Inseln und Halbinseln und die Schw... hatten die Leuchtfeuer versetzt. Aber uns konnten sie nicht bluffen, hatten wir doch vorzügliche Navigateure an Bord. Zwischen 1 und 2 Uhr! Das Schiff fährt "forcirt" und zittert, wie ich es nach fünfjährigem Aufenthalt auf demselben noch nie erlebt hatte. Wir befinden uns an Ort und Stelle und: plumps, plumps, auf die Dauer von etwa einer Stunde, immer bei schnellster Fahrt, fallen die "Eier" in unser Kielwasser; bald liegen sie da, wo John Bull sich, um dieselben zu entfernen, lange die Finger auspullen kann. Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen, heißt es für gewöhnlich, aber in unserem Falle hieß es: ..Auswichsen ?. In 61/2 Stunden legten wir 138 Meilen zurück, d. h. 21,3 Meilen, für ein Schiff, was unter normalen Verhältnissen höchstens 18,5 Meilen machte. Am anderen Morgen, als wir schon weit vom Schauplatze waren, durchzitterten die Luft oft wiederholt drahtlose Hülferufe; aber es ist Krieg, wir können keine Hülfe ertheilen, wir dürfen nur den Feind vernichten. Und trotz menschlichen Mitgefühls ob All' des unsäglichen Elends fühlt der Soldat eine, wenn auch nur geringe Genugthuung über den wohlgelungenen, sanktionirten Massenmord; jedes aufkommende Mitgefühl verstummt sofort in dem Bewußtsein: d i e wollten ja u n s vernichten! Und wir handeln ja in der Nothwehr! -
Unser Weg führt uns immer nördlicher, in eisige Meere, wo das Nordlicht uns bei Nacht die gefährlichen Eisberge zeigt. Bei einem heftigen Schneesturm fahren wir weit nördlich von Europa's Nord=Kap immer weiter östlich, wo wir nach dem Rechten sehen sollen; aber es giebt nichts mehr zu thun, die Häfen sind schon von der Natur geschlossen, die uns zuvor ge=kommen war, den Handel des östlichen Feindes zu unterbinden. Wir suchen die nördlichen Meere ab, aber da giebt es nichts mehr zu kapern. Wir fahren zu=rück, um eventuell wieder durchzubrechen, was uns nun leicht erschien und wir den früheren Respekt vor der "Great Fleet" gänzlich verloren hatten. Aber es sollte nicht sein; denn unsere bei den erwähnten Ereignissen überforcirte Maschine wollte nicht mehr funktioniren. Drondhjem war unser nächstes Ziel, doch waren zu dessen Erreichung noch gefährliche Gewässer zu passiren, und wir wußten, daß an der norwegischen Küste und besonders vor Drondhjem englische und norwegische Kreuzer aufpaßten. Letztere sind nämlich krankhaft ängstlich um ihre Neutralität besorgt, die sie sich in ihrer englandfreundlichen Gesinnung nicht stören lassen wollen. In einer sternhellen, nordischen Nacht fuh=ren wir mit geringer Fahrt im Fjord ein, und am anderen Morgen feuerten wir vor Drondhjem den üblichen Salut, zum größ=ten Entsetzen der Bevölkerung und des Kommandeurs der Forts, der uns trotz kriegsmäßigen Wachdienstes nicht in das Fjord hatte einfahren sehen. Der arme Teufel wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und bekam 18 Monate, die Offiziere 10 Monate Gefängnis, was uns aller=dings herzlich leid thut; hatte doch unser Kommandant zu dessen Entschuldigung unsichtiges Schneewetter angegeben, um so die Verantwortung des armen Festungs=Kommandanten etwas abzuschwächen. In Wirklichkeit hatten wir das klarste Wetter und konnten jedes Haus am Lande unter=scheiden. Sofort jagen elektrische Meldun=gen über die ganze Welt, besonders nach London, wo man bis dahin noch garnichts von unserer Existenz wußte. London stand vor einem Räthsel über den Zweck unseres Schiffes. Da man nicht wußte, ob wir wieder auslaufen wollten, sprach man von einer neuen "Emden" und alle auf dem Ozean befindlichen Schiffe wurden vor uns gewarnt; und wir mit unserer lahmen Karre hatten garnicht die Ab=sicht, weiter zu fahren, da unser Maschi=nenschaden unmöglich in 24 Stunden ge=heilt werden konnte. Das war sechs Wo=chen nach unserer Abfahrt von Wilhelms=haven, vier Wochen nach dem Legen der "deutschen Eier". In Deutschland hatte man uns fast aufgegeben, doch die Admi=ralität wußte aus den Ereignissen, daß wir unsere "Dinger" gut angebracht hat=ten. Bis zu unserer Ankunft in Drondh=jem wußte man in England nicht, wer sie da so bei Nacht vor die Thür gelegt habe. Man tappte im Dunkeln, man sprach von neutralen Fischdampfern, die
im Solde Deutschland's diese Arbeit ver=richteten, und so glaubte man nur an eine geringe Zahl jener "Eier", fischte vielleicht ein paar auf und hielt die Sache für ab=gethan. Doch immer verschwanden Schiffe, man stand vor einem Räthsel. An einem schönen Herbstmorgen geht ein Geschwader von sechs Schlachtschiffen mit dem nöthigen Kleinzeug aus dem "Ver=steck" in See. Es waren "Audacious", "Queen Mary", "Ajax", "Thunderer" etc. Was an jenem Morgen geschah, ist in allen möglichen deutschen, neutralen und amerikanischen (Amerika ist für uns nur halbneutral) Blättern zur Genüge breit=getreten worden. Aber England schweigt oder belügt sein Volk weiter.
Hier in Norwegen ist für uns auch kein beneidenswerther Aufenthalt. Erstens das Klima und die fast permanente Dunkel=heit; um etwa 10 Uhr wird es hell, um 2 Uhr beginnt es schon wieder zu dunkeln. Wir wurden von Drondhjem nach einem elenden Nest, Hommelvik, 13 Meilen tiefer in's Fjord gelegt. Wir hatten beim Ab=rüsten die Geschützverschlüsse, sämmtliche Handwaffen und das Hauptdampfrohr ab=zugeben. Dieses Zwittervolk ist noch stark englandfreundlich; wir werden von 400 Soldaten bewacht. Bis jetzt hatten wir drei Landgänge von kurzer Dauer unter Führung. Unser Dienst an Bord ist ewig Schneeschaufeln an Deck, wenig militärischer Dienst."
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Die Kreuzfahrt der "Berlin"!
Wie sie "Eier" legte.
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Der Brief eines Theilnehmers an der Fahrt um England herum.
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Einem hier aus Hommelvik bei Drondhjem eingetroffenen Brief eines Artilleristen von der "Berlin" (dem ehemaligen Lloyddampfer und späteren Hilfskreuzer) entnehmen wir Folgendes:
"Wir waren Ende Juli in Bremerhaven angekommen, machten wieder auf die übliche Weise unser Schiff reisefertig, da kam plötzlich eine Ueberraschung, Mobilisation und eine Kriegserklärung nach der anderen. "Kaiser Wilhelm der Große" seligen Angedenkens und "Berlin" wurden innerhalb 24 Stunden zu Kriegsschiffen umgewandelt. Schwarz von oben bis unten, sechs 10,5 cm. S. K., sechs Revolver-Kanonen, sechs Maschinengewehre, Scheinwerfer etc. Von Wilhelmshaven kamen Offiziere und aktive Mannschaften, der Rest der Besatzung (500) wurde aus an Bord befindlichen Gedienten und Seewehr der Unterweser-Orte ergänzt. Wir sollten à la "Emden" arbeiten. "Kaiser Wilhelm der Große" ging am 3. August und kam noch durch, wir am 5. August, als schon England den Krieg erklärt hatte, machten zwei vergebliche Vorstöße in die Nordsee. Nun lagen wir etwa 14 Tage auf Jade und Weser herum, machten Schießübungen, Landungsmanöver etc., als plötzlich der Befehl zum Außerdienststellen kam, da es unmöglich schien, das Schiff durch die Nordsee zu bringen. Von Bremerhaven per Transport nach Wilhelmshaven, welches überfüllt war. 90.000 Mann in Kasernen, Tanzsälen, Schuppen etc. auf Stroh untergebracht; uns brachte man in die 2. Abtheilung der II. Matr. Div. Kaserne. So machten wir drei Wochen Felddienst, Schießen etc., blieben aber für uns eine geschlossene Kompagnie. Man wollte uns scheinbar für Belgien dressiren, und wir wären gerne dahin gegangen, besonders nach Antwerpen, da zur Zeit zehntausende Marine aller Gattungen dorthin geschickt wurden. Aber es sollte anders kommen. Nachts 2 Uhr wurden wir in Marsch nach Bremerhaven gesetzt, um "Berlin" abermals in Dienst zu stellen. Dort angekommen wurde uns ganz anders zu Muthe, als wir sahen, daß das Schiffe als "Eierleger" großen Stils ausgerüstet war. Welch' große Veränderungen nochmals an unserem Schiff vorgenommen waren, kann ich kaum beschreiben; auch halte ich es nicht für sicher, in diesem Briefe eingehender zu sein, da bis jetzt noch, selbst in Deutschland, Stillschweigen über die Thätigkeit unseres Schiffes anbefohlen ist, um "John Bull" noch etwas im Dunkeln tappen zu lassen; denn daß die Schw... nun doch endlich wissen, was wir ihnen vor die Bude gepackt haben, nachdem schon so viele der Kuckuckseier geplatzt sind, ist ja klar; aber der Haupterfolg für uns ist doch darin, John Bull nichts wissen zu lassen über das Wo und Wieviel. Von Bremerhaven, wo Heulen und Zähneklappern war, und Niemand glaubte, das Schiff je wieder zu sehen, gingen wir nach Wilhelmshaven, wo uns der Flotten=Chef besuchte, ein Zeichen, wieviel am Gelingen unserer Sache lag. Nun galt es "durchzubrechen" durch eine mehrfache Postenkette der Engländer in der Nordsee, ohne mit diesem himmelhohen Kahn gesehen zu werden. So machten wir wieder zwei vergebliche Versuche, unter allen möglichen Maskirungen und angewandter List das eine Mal bis 90 Seemeilen, das andere Mal bis 120 Seemeilen nördlich von Helgoland, aber jedesmal mußten wir mit unserem Gummipanzer wieder zurück wegen "dicker Luft". Das dritte Mal fuhren wir in einer stockfinsteren Nacht von Wilhelmshaven ab. Alles ging die Nacht über gut; ich brachte die ganze Nacht an meinem Geschütz, I. 10,5 S. K., zu. Am anderen Morgen, auf der Höhe der Doggerbank, o Grausen! Zwei dicke englische Panzerkreuzer in einer Entfernung von etwa 7 Seemeilen. Ob nun unsere Kriegslist oder die Schlafmützigkeit John Bull's es war, die uns vom Verderben retteten, Niemand weiß es; uns erscheint es als ein Wunder. Nun hatten wir den ganzen Tag über, stets am Geschütz und scharf Ausguck haltend, in den wunderbarsten Schlangenbewegungen unseren Kahn durch die Nordsee, Kurs etwa N.=N.=W., zu manövriren, wo es uns an aufregenden Momenten nicht mangelte. Den anderen Tag, und so die Nacht, war der Durchbruch durch die feindliche Postenkette besonders gefährlich, da sich dort zwischen der Nordspitze England's, Orkney, Shettlands und Farör Inseln und der norwegischen Küste die Nordsee sehr verengt; aber es ging alles gut, und wir kamen in weniger überwachte Gewässer zwischen Island und Grönland. Nun kam die Hauptaufgabe, die Fachleute als fast unausführbar bezeichneten, nämlich unsere "Eier" gut und sicher an Ort und Stelle zu bringen und uns kaput schießen zu lassen, möglichst n a ch Ausführung unseres Auftrages; denn wenn uns vorher nur
eine Granate getroffen hätte, wären wir mit nur zwei Millionen Atmosphären-Druck 'gen Himmel geflogen. Aber das Glück verfolgte uns weiter; wir entzogen uns manch' kitzlichen Situationen, oder das Schicksal wollte nicht, daß unser Schiff mit ca. 400 Familienvätern in die Luft fliege. Wieder eine dunkle, wenn auch nicht stockdunkle Nacht. Die Sterne waren uns noch zu hellen, die Bugwelle und das Schraubenwasser leuchteten wie Tausende von elektrischen Lampen; aber wir mußten hinein in den Rachen des britischen Löwen, unsere Arbeit vollbringen, damit schon am andern Morgen der Tod reiche Ernte halte. Ich stand am Bug bei meinem Geschütz und dachte über den Wahnsinn dieses Menschenschlachtens nach. Schweigsam ging ein jeder auf seine Gefechtsstation, glaubten wir doch bestimmt, daß wir gewahrt werden mußten, waren aber entschlossen, unsere Haut so theuer als möglich zu verkaufen. Etwa Mitternacht kommen wir an die feindliche Küste und gehen in das "Loch". Es war ein Loch im wahren Sinne des Wortes; Land an beiden Seiten, Inseln und Halbinseln und die Schw... hatten die Leuchtfeuer versetzt. Aber uns konnten sie nicht bluffen, hatten wir doch vorzügliche Navigateure an Bord. Zwischen 1 und 2 Uhr! Das Schiff fährt "forcirt" und zittert, wie ich es nach fünfjährigem Aufenthalt auf demselben noch nie erlebt hatte. Wir befinden uns an Ort und Stelle und: plumps, plumps, auf die Dauer von etwa einer Stunde, immer bei schnellster Fahrt, fallen die "Eier" in unser Kielwasser; bald liegen sie da, wo John Bull sich, um dieselben zu entfernen, lange die Finger auspullen kann. Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen, heißt es für gewöhnlich, aber in unserem Falle hieß es: ..Auswichsen ?. In 61/2 Stunden legten wir 138 Meilen zurück, d. h. 21,3 Meilen, für ein Schiff, was unter normalen Verhältnissen höchstens 18,5 Meilen machte. Am anderen Morgen, als wir schon weit vom Schauplatze waren, durchzitterten die Luft oft wiederholt drahtlose Hülferufe; aber es ist Krieg, wir können keine Hülfe ertheilen, wir dürfen nur den Feind vernichten. Und trotz menschlichen Mitgefühls ob All' des unsäglichen Elends fühlt der Soldat eine, wenn auch nur geringe Genugthuung über den wohlgelungenen, sanktionirten Massenmord; jedes aufkommende Mitgefühl verstummt sofort in dem Bewußtsein: d i e wollten ja u n s vernichten! Und wir handeln ja in der Nothwehr! -
Unser Weg führt uns immer nördlicher, in eisige Meere, wo das Nordlicht uns bei Nacht die gefährlichen Eisberge zeigt. Bei einem heftigen Schneesturm fahren wir weit nördlich von Europa's Nord=Kap immer weiter östlich, wo wir nach dem Rechten sehen sollen; aber es giebt nichts mehr zu thun, die Häfen sind schon von der Natur geschlossen, die uns zuvor ge=kommen war, den Handel des östlichen Feindes zu unterbinden. Wir suchen die nördlichen Meere ab, aber da giebt es nichts mehr zu kapern. Wir fahren zu=rück, um eventuell wieder durchzubrechen, was uns nun leicht erschien und wir den früheren Respekt vor der "Great Fleet" gänzlich verloren hatten. Aber es sollte nicht sein; denn unsere bei den erwähnten Ereignissen überforcirte Maschine wollte nicht mehr funktioniren. Drondhjem war unser nächstes Ziel, doch waren zu dessen Erreichung noch gefährliche Gewässer zu passiren, und wir wußten, daß an der norwegischen Küste und besonders vor Drondhjem englische und norwegische Kreuzer aufpaßten. Letztere sind nämlich krankhaft ängstlich um ihre Neutralität besorgt, die sie sich in ihrer englandfreundlichen Gesinnung nicht stören lassen wollen. In einer sternhellen, nordischen Nacht fuh=ren wir mit geringer Fahrt im Fjord ein, und am anderen Morgen feuerten wir vor Drondhjem den üblichen Salut, zum größ=ten Entsetzen der Bevölkerung und des Kommandeurs der Forts, der uns trotz kriegsmäßigen Wachdienstes nicht in das Fjord hatte einfahren sehen. Der arme Teufel wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und bekam 18 Monate, die Offiziere 10 Monate Gefängnis, was uns aller=dings herzlich leid thut; hatte doch unser Kommandant zu dessen Entschuldigung unsichtiges Schneewetter angegeben, um so die Verantwortung des armen Festungs=Kommandanten etwas abzuschwächen. In Wirklichkeit hatten wir das klarste Wetter und konnten jedes Haus am Lande unter=scheiden. Sofort jagen elektrische Meldun=gen über die ganze Welt, besonders nach London, wo man bis dahin noch garnichts von unserer Existenz wußte. London stand vor einem Räthsel über den Zweck unseres Schiffes. Da man nicht wußte, ob wir wieder auslaufen wollten, sprach man von einer neuen "Emden" und alle auf dem Ozean befindlichen Schiffe wurden vor uns gewarnt; und wir mit unserer lahmen Karre hatten garnicht die Ab=sicht, weiter zu fahren, da unser Maschi=nenschaden unmöglich in 24 Stunden ge=heilt werden konnte. Das war sechs Wo=chen nach unserer Abfahrt von Wilhelms=haven, vier Wochen nach dem Legen der "deutschen Eier". In Deutschland hatte man uns fast aufgegeben, doch die Admi=ralität wußte aus den Ereignissen, daß wir unsere "Dinger" gut angebracht hat=ten. Bis zu unserer Ankunft in Drondh=jem wußte man in England nicht, wer sie da so bei Nacht vor die Thür gelegt habe. Man tappte im Dunkeln, man sprach von neutralen Fischdampfern, die
im Solde Deutschland's diese Arbeit ver=richteten, und so glaubte man nur an eine geringe Zahl jener "Eier", fischte vielleicht
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Die Kreuzfahrt der "Berlin"!
Wie sie "Eier" legte.
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Der Brief eines Theilnehmers an der Fahrt um England herum.
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Einem hier aus Hommelvik bei Drondhjem eingetroffenen Brief eines Artilleristen von der "Berlin" (dem ehemaligen Lloyddampfer und späteren Hilfskreuzer) entnehmen wir Folgendes:
"Wir waren Ende Juli in Bremerhaven angekommen, machten wieder auf die übliche Weise unser Schiff reisefertig, da kam plötzlich eine Ueberraschung, Mobilisation und eine Kriegserklärung nach der anderen. "Kaiser Wilhelm der Große" seligen Angedenkens und "Berlin" wurden innerhalb 24 Stunden zu Kriegsschiffen umgewandelt. Schwarz von oben bis unten, sechs 10,5 cm. S. K., sechs Revolver-Kanonen, sechs Maschinengewehre, Scheinwerfer etc. Von Wilhelmshaven kamen Offiziere und aktive Mannschaften, der Rest der Besatzung (500) wurde aus an Bord befindlichen Gedienten und Seewehr der Unterweser-Orte ergänzt. Wir sollten à la "Emden" arbeiten. "Kaiser Wilhelm der Große" ging am 3. August und kam noch durch, wir am 5. August, als schon England den Krieg erklärt hatte, machten zwei vergebliche Vorstöße in die Nordsee. Nun lagen wir etwa 14 Tage auf Jade und Weser herum, machten Schießübungen, Landungsmanöver etc., als plötzlich der Befehl zum Außerdienststellen kam, da es unmöglich schien, das Schiff durch die Nordsee zu bringen. Von Bremerhaven per Transport nach Wilhelmshaven, welches überfüllt war. 90.000 Mann in Kasernen, Tanzsälen, Schuppen etc. auf Stroh untergebracht; uns brachte man in die 2. Abtheilung der II. Matr. Div. Kaserne. So machten wir drei Wochen Felddienst, Schießen etc., blieben aber für uns eine geschlossene Kompagnie. Man wollte uns scheinbar für Belgien dressiren, und wir wären gerne dahin gegangen, besonders nach Antwerpen, da zur Zeit zehntausende Marine aller Gattungen dorthin geschickt wurden. Aber es sollte anders kommen. Nachts 2 Uhr wurden wir in Marsch nach Bremerhaven gesetzt, um "Berlin" abermals in Dienst zu stellen. Dort angekommen wurde uns ganz anders zu Muthe, als wir sahen, daß das Schiffe als "Eierleger" großen Stils ausgerüstet war. Welch' große Veränderungen nochmals an unserem Schiff vorgenommen waren, kann ich kaum beschreiben; auch halte ich es nicht für sicher, in diesem Briefe eingehender zu sein, da bis jetzt noch, selbst in Deutschland, Stillschweigen über die Thätigkeit unseres Schiffes anbefohlen ist, um "John Bull" noch etwas im Dunkeln tappen zu lassen; denn daß die Schw... nun doch endlich wissen, was wir ihnen vor die Bude gepackt haben, nachdem schon so viele der Kuckuckseier geplatzt sind, ist ja klar; aber der Haupterfolg für uns ist doch darin, John Bull nichts wissen zu lassen über das Wo und Wieviel. Von Bremerhaven, wo Heulen und Zähneklappern war, und Niemand glaubte, das Schiff je wieder zu sehen, gingen wir nach Wilhelmshaven, wo uns der Flotten=Chef besuchte, ein Zeichen, wieviel am Gelingen unserer Sache lag. Nun galt es "durchzubrechen" durch eine mehrfache Postenkette der Engländer in der Nordsee, ohne mit diesem himmelhohen Kahn gesehen zu werden. So machten wir wieder zwei vergebliche Versuche, unter allen möglichen Maskirungen und angewandter List das eine Mal bis 90 Seemeilen, das andere Mal bis 120 Seemeilen nördlich von Helgoland, aber jedesmal mußten wir mit unserem Gummipanzer wieder zurück wegen "dicker Luft". Das dritte Mal fuhren wir in einer stockfinsteren Nacht von Wilhelmshaven ab. Alles ging die Nacht über gut; ich brachte die ganze Nacht an meinem Geschütz, I. 10,5 S. K., zu. Am anderen Morgen, auf der Höhe der Doggerbank, o Grausen! Zwei dicke englische Panzerkreuzer in einer Entfernung von etwa 7 Seemeilen. Ob nun unsere Kriegslist oder die Schlafmützigkeit John Bull's es war, die uns vom Verderben retteten, Niemand weiß es; uns erscheint es als ein Wunder. Nun hatten wir den ganzen Tag über, stets am Geschütz und scharf Ausguck haltend, in den wunderbarsten Schlangenbewegungen unseren Kahn durch die Nordsee, Kurs etwa N.=N.=W., zu manövriren, wo es uns an aufregenden Momenten nicht mangelte. Den anderen Tag, und so die Nacht, war der Durchbruch durch die feindliche Postenkette besonders gefährlich, da sich dort zwischen der Nordspitze England's, Orkney, Shettlands und Farör Inseln und der norwegischen Küste die Nordsee sehr verengt; aber es ging alles gut, und wir kamen in weniger überwachte Gewässer zwischen Island und Grönland. Nun kam die Hauptaufgabe, die Fachleute als fast unausführbar bezeichneten, nämlich unsere "Eier" gut und sicher an Ort und Stelle zu bringen und uns kaput schießen zu lassen, möglichst n a ch Ausführung unseres Auftrages; denn wenn uns vorher nur
eine Granate getroffen hätte, wären wir mit nur zwei Millionen Atmosphären-Druck 'gen Himmel geflogen. Aber das Glück verfolgte uns weiter; wir entzogen uns manch' kitzlichen Situationen, oder das Schicksal wollte nicht, daß unser Schiff mit ca. 400 Familienvätern in die Luft fliege. Wieder eine dunkle, wenn auch nicht stockdunkle Nacht. Die Sterne waren uns noch zu hellen, die Bugwelle und das Schraubenwasser leuchteten wie Tausende von elektrischen Lampen; aber wir mußten hinein in den Rachen des britischen Löwen, unsere Arbeit vollbringen, damit schon am andern Morgen der Tod reiche Ernte halte. Ich stand am Bug bei meinem Geschütz und dachte über den Wahnsinn dieses Menschenschlachtens nach. Schweigsam ging ein jeder auf seine Gefechtsstation, glaubten wir doch bestimmt, daß wir gewahrt werden mußten, waren aber entschlossen, unsere Haut so theuer als möglich zu verkaufen. Etwa Mitternacht kommen wir an die feindliche Küste und gehen in das "Loch". Es war ein Loch im wahren Sinne des Wortes; Land an beiden Seiten, Inseln und Halbinseln und die Schw... hatten die Leuchtfeuer versetzt. Aber uns konnten sie nicht bluffen, hatten wir doch vorzügliche Navigateure an Bord. Zwischen 1 und 2 Uhr! Das Schiff fährt "forcirt" und zittert, wie ich es nach fünfjährigem Aufenthalt auf demselben noch nie erlebt hatte. Wir befinden uns an Ort und Stelle und: plumps, plumps, auf die Dauer von etwa einer Stunde, immer bei schnellster Fahrt, fallen die "Eier" in unser Kielwasser; bald liegen sie da, wo John Bull sich, um dieselben zu entfernen, lange die Finger auspullen kann. Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen, heißt es für gewöhnlich, aber in unserem Falle hieß es: ..Auswichsen ?. In 61/2 Stunden legten wir 138 Meilen zurück, d. h. 21,3 Meilen, für ein Schiff, was unter normalen Verhältnissen höchstens 18,5 Meilen machte. Am anderen Morgen, als wir schon weit vom Schauplatze waren, durchzitterten die Luft oft wiederholt drahtlose Hülferufe; aber es ist Krieg, wir können keine Hülfe ertheilen, wir dürfen nur den Feind vernichten.
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Trondheim/Norwegen
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- 1495 / 20163
- Contributor
- Bernd Rossberg
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- Western Front
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