Zeitungen aus der Kriegszeit 1914, item 17
Transcription
Transcription history
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburghausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zare nicht geben.
Im ganzen darf man wohl annehmen, daß der starke Friedens-
wille des deutschen wie des russischen Kaisers, die Ausbreitung des
begrenzten österreichisch-serbischen Waffenstreits zu einem allgemeinen
europäischen Brand zu verhindern, die Kraft behalten wird.
Unsere Regierung wird freilich ein scharfes Auge auf die russischen
militärischen Vorkehrungen an unserer wie an der österreichischen
Grenze behalten müssen, um zu keinem Zeitpunkt unangenehme Überraschungen
zu erleben. Aber solche Wachsamkeit muß sich auch mit
ruhigem Blut paaren, die Entschlossenheit zu fester Abwehr fremder
Unbill mit kaltblütiger Erwartung der Dinge, die uns die Entwicklung
der gegenwärtigen Zustände bescheren wird. In dem ruhigen
Verhandeln der beiden einflußreichsten Persönlichkeiten liegt jedenfalls
eine sicherere Gewähr der Friedenserhaltung als in den
schleppenden Konferenzen, wie sie von anderer Seite vorgeschlagen
waren - gar nicht zu reden von den ebenso unpatriotischen wie
gegenstandslosen Kundgebungen der Antimilitaristen aus aller
Herren Länder.
* * *
Kaiser Wilhelm und Zar Nikolaus haben sich, wie
dem "Wolffschen Telegraphenbureau" gemeldet wird, über die gegenwärtige
Lage telegraphisch zu verständigen gesucht. Die Mitteilung
lautet: " Die Nachricht, daß Seine Majestät der Kaiser Nikolaus
an den deutschen Kaiser ein Telegramm gerichtet habe, wird uns mit
dem Hinzufügen bestätigt, daß sich dieses Telegramm mit einer Depesche
Kaiser Wilhelms an den Zaren gekreuzt hat." Die "Norddeutsche
Allgemeine Zeitung" bemerkt in ihrer Abendausgabe vom
Mittwoch zu der tags vorher ausgegebenen amtlichen russischen
Mitteilung : "Der friedliche Ton der amtlichen russischen Mitteilung
vom 28. Juli hat hier lebhaften Widerhall gefunden. Die kaiserliche
Regierung teilt den Wunsch auf Erhaltung friedlicher Beziehungen.
Sie hofft, daß das deutsche Volk sie durch ferneres Bewahren
einer maßvollen und ruhigen Haltung in ihren Bestrebungen
unterstützen wird."
Zu den englischen Vermittlungsvorschlägen war die
Stellung Deutschlands offiziös in einem Artikel der
"Köln. Ztg." wiedergegeben, den wir in Nr. 176 veröffentlichten.
Von anderer Seite war eine ganz falsche Darstellung über Deutschlands
Haltung gegeben worden, weshalb das "Wolffsche Telegraphenbureau"
folgende Nachricht versandte: "Hirschs Bureau verbreitet
unter Berufung auf amtliche Ermächtigung eine Erklärung des Inhalts,
Deutschland habe die englischen Vorschläge abgelehnt, da die
deutsche Diplomatie es vorziehe, den Ereignissen ihren Lauf zu
lassen. Wir stellen fest, daß das Hirschsche Bureau von keiner amtlichen
Stelle zur Verbreitung einer derartigen Erklärung ermächtigt
worden ist." Wie das "Reutersche Bureau" erfährt, hat das Londoner
Auswärtige Amt die Mitteilung erhalten, daß Rußland
im Prinzip dem britischen Konferenzvorschlag zustimmt. Gleichzeitig
wünscht Rußland den direkten Meinungsaustausch mit Wien
fortzusetzen. Das amtliche englische Organ, die "Westminster
Gazette", schreibt: "Wir befürchten, daß es unmöglich ist, den
Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zu verhindern. Doch
sollte es keineswegs unmöglich sein, Rußland zu überzeugen, daß
seine Interessen durch das Bemühen Österreich-Ungarns, sich Genugtuung
von Serbien zu verschaffen, weder in Frage gestellt noch
gefährdet werden. Falls beispielsweise Österreich-Ungarn die
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburghausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zare nicht geben.
Im ganzen darf man wohl annehmen, daß der starke Friedens-
wille des deutschen wie des russischen Kaisers, die Ausbreitung des
begrenzten österreichisch-serbischen Waffenstreits zu einem allgemeinen
europäischen Brand zu verhindern, die Kraft behalten wird.
Unsere Regierung wird freilich ein scharfes Auge auf die russischen
militärischen Vorkehrungen an unserer wie an der österreichischen
Grenze behalten müssen, um zu keinem Zeitpunkt unangenehme Überraschungen
zu erleben. Aber solche Wachsamkeit muß sich auch mit
ruhigem Blut paaren, die Entschlossenheit zu fester Abwehr fremder
Unbill mit kaltblütiger Erwartung der Dinge, die uns die Entwicklung
der gegenwärtigen Zustände bescheren wird. In dem ruhigen
Verhandeln der beiden einflußreichsten Persönlichkeiten liegt jedenfalls
eine sicherere Gewähr der Friedenserhaltung als in den
schleppenden Konferenzen, wie sie von anderer Seite vorgeschlagen
waren - gar nicht zu reden von den ebenso unpatriotischen wie
gegenstandslosen Kundgebungen der Antimilitaristen aus aller
Herren Länder.
* * *
Kaiser Wilhelm und Zar Nikolaus haben sich, wie
dem "Wolffschen Telegraphenbureau" gemeldet wird, über die gegenwärtige
Lage telegraphisch zu verständigen gesucht. Die Mitteilung
lautet: " Die Nachricht, daß Seine Majestät der Kaiser Nikolaus
an den deutschen Kaiser ein Telegramm gerichtet habe, wird uns mit
dem Hinzufügen bestätigt, daß sich dieses Telegramm mit einer Depesche
Kaiser Wilhelms an den Zaren gekreuzt hat." Die "Norddeutsche
Allgemeine Zeitung" bemerkt in ihrer Abendausgabe vom
Mittwoch zu der tags vorher ausgegebenen amtlichen russischen
Mitteilung : "Der friedliche Ton der amtlichen russischen Mitteilung
vom 28. Juli hat hier lebhaften Widerhall gefunden. Die kaiserliche
Regierung teilt den Wunsch auf Erhaltung friedlicher Beziehungen.
Sie hofft, daß das deutsche Volk sie durch ferneres Bewahren
einer maßvollen und ruhigen Haltung in ihren Bestrebungn
unterstützen wird."
Zu den englischen Vermittlungsvorschlägen war die
Stellung Deutschlands offiziös in einem Artikel der
"Köln. Ztg." wiedergegeben, den wir in Nr. 176 veröffentlichten.
Von anderer Seite war eine ganz falsche Darstellung über Deutschlands
Haltung gegeben worden, weshalb das "Wolffsche Telegraphenbureau"
folgende Nachricht versandte: "Hirschs Bureau verbreitet
unter Berufung auf amtliche Ermächtigung eine Erklärung des Inhalts,
Deutschland habe die englischen Vorschläge abgelehnt, da die
deutsche Diplomatie es vorziehe, den Ereignissen ihren Lauf zu
lassen. Wir stellen fest, daß das Hirschsche Bureau von keiner amtlichen
Stelle zur Verbreitung einer derartigen Erklärung ermächtigt
worden ist." Wie das "Reutersche Bureau" erfährt, hat das Londoner
Auswärtige Amt die Mitteilung erhalten, daß Rußland
im Prinzip dem britischen Konferenzvorschlag zustimmt. Gleichzeitig
wüscht Rußland den direkten Meinungsaustausch mit Wien
fortzusetzen. Das amtliche englische Organ, die "Westminster
Gazette", schreibt: "Wir befürchten, dß es unmöglich ist, den
Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zu verhindern. Doch
sollte es keineswegs unmöglich sein, Rußland zu überzeugen, daß
seine Interessen durch das Bemühen Österreich-Ungarns, sich Genugtuung
von Serbien zu verschaffen, weder in Frage gestellt noch
gefährdet werden. Falls beispielsweise Österreich-Ungarn die
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburghausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zare nicht geben.
Im ganzen darf man wohl annehmen, daß der starke Friedens-
wille des deutschen wie des russischen Kaisers, die Ausbreitung des
begrenzten österreichisch-serbischen Waffenstreits zu einem allgemeinen
europäischen Brand zu verhindern, die Kraft behalten wird.
Unsere Regierung wird freilich ein scharfes Auge auf die russischen
militärischen Vorkehrungen an unserer wie an der österreichischen
Grenze behalten müssen, um zu keinem Zeitpunkt unangenehme Überraschungen
zu erleben. Aber solche Wachsamkeit muß sich auch mit
ruhigem Blut paaren, die Entschlossenheit zu fester Abwehr fremder
Unbill mit kaltblütiger Erwartung der Dinge, die uns die Entwicklung
der gegenwärtigen Zustände bescheren wird. In dem ruhigen
Verhandeln der beiden einflußreichsten Persönlichkeiten liegt jedenfalls
eine sicherere Gewähr der Friedenserhaltung als in den
schleppenden Konferenzen, wie sie von anderer Seite vorgeschlagen
waren - gar nicht zu reden von den ebenso unpatriotischen wie
gegenstandslosen Kundgebungen der Antimilitaristen aus aller
Herren Länder.
* * *
Kaiser Wilhelm und Zar Nikolaus haben sich, wie
dem "Wolffschen Telegraphenbureau" gemeldet wird, über die gegenwärtige
Lage telegraphisch zu verständigen gesucht. Die Mitteilung
lautet: " Die Nachricht, daß Seine Majestät der Kaiser Nikolaus
an den deutschen Kaiser ein Telegramm gerichtet habe, wird uns mit
dem Hinzufügen bestätigt, daß sich dieses Telegramm mit einer Depesche
Kaiser Wilhelms an den Zaren gekreuzt hat." Die "Norddeutsche
Allgemeine Zeitung" bemerkt in ihrer Abendausgabe vom
Mittwoch zu der tags vorher ausgegebenen amtlichen russischen
Mitteilung : "Der friedliche Ton der amtlichen russischen Mitteilung
vom 28. Juli hat hier lebhaften Widerhall gefunden. Die kaiserliche
Regierung teilt den Wunsch auf Erhaltung friedlicher Beziehungen.
Sie hofft, daß das deutsche Volk sie durch ferneres Bewahren
einer maßvollen und ruhigen Haltung in ihren Bestrebungn
unterstützen wird."
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburghausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zare nicht geben.
Im ganzen darf man wohl annehmen, daß der starke Friedens-
wille des deutschen wie des russischen Kaisers, die Ausbreitung des
begrenzten österreichisch-serbischen Waffenstreits zu einem allgemeinen
europäischen Brand zu verhindern, die Kraft behalten wird.
Unsere Regierung wird freilich ein scharfes Auge auf die russischen
militärischen Vorkehrungen an unserer wie an der österreichischen
Grenze behalten müssen, um zu keinem Zeitpunkt unangenehme Überraschungen
zu erleben. Aber solche Wachsamkeit muß sich auch mit
ruhigem Blut paaren, die Entschlossenheit zu fester Abwehr fremder
Unbill mit kaltblütiger Erwartung der Dinge, die uns die Entwicklung
der gegenwärtigen Zustände bescheren wird. In dem ruhigen
Verhandeln der beiden einflußreichsten Persönlichkeiten liegt jedenfalls
eine sicherere Gewähr der Friedenserhaltung als in den
schleppenden Konferenzen, wie sie von anderer Seite vorgeschlagen
waren - gar nicht zu reden von den ebenso unpatriotischen wie
gegenstandslosen Kundgebungen der Antimilitaristen aus aller
Herren Länder.
* * *
Kaiser Wilhelm und Zar Nikolaus haben sich, wie
dem "Wolffschen Telegraphenbureau" gemeldet wird, über die gegenwärtige
Lage telegraphisch zu verständigen gesucht. Die Mitteilung
lautet: " Die Nachricht, daß Seine Majestät der Kaiser Nikolaus
an den deutschen Kaiser ein Telegramm gerichtet habe, wird uns mit
dem Hinzufügen bestätigt, daß sich dieses Telegramm mit einer Depesche
Kaiser Wilhelms an den Zaren gekreuzt hat." Die "Norddeutsche
Allgemeine Zeitung" bemerkt in ihrer Abendausgabe vom
Mittwoch zu der tags vorher ausgegebenen amtlichen russischen
Mitteilung : "Der friedliche Ton der amtlichen russischen Mitteilung
vom 28. Juli hat hier lebhaften Widerhall gefunden. Die kaiserliche
Regierung teilt den Wunsch auf Erhaltung friedlicher Beziehungen.
Sie hofft, daß das deutsche Volk sie durch ferneres Bewahren
einer maßvollen und ruhigen Haltung in ihren Besgrebungn
unterstützen wird."
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburghausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zare nicht geben.
Im ganzen darf man wohl annehmen, daß der starke Friedens-
wille des deutschen wie des russischen Kaisers, die Ausbreitung des
begrenzten österreichisch-serbischen Waffenstreits zu einem allgemeinen
europäischen Brand zu verhindern, die Kraft behalten wird.
Unsere Regierung wird freilich ein scharfes Auge auf die russischen
militärischen Vorkehrungen an unserer wie an der österreichischen
Grenze behalten müssen, um zu keinem Zeitpunkt unangenehme Überraschungen
zu erleben. Aber solche Wachsamkeit muß sich auch mit
ruhigem Blut paaren, die Entschlossenheit zu fester Abwehr fremder
Unbill mit kaltblütiger Erwartung der Dinge, die uns die Entwicklung
der gegenwärtigen Zustände bescheren wird. In dem ruhigen
Verhandeln der beiden einflußreichsten Persönlichkeiten liegt jedenfalls
eine sicherere Gewähr der Friedenserhaltung als in den
schleppenden Konferenzen, wie sie von anderer Seite vorgeschlagen
waren - gar nicht zu reden von den ebenso unpatriotischen wie
gegenstandslosen Kundgebungen der Antimilitaristen aus aller
Herren Länder.
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburghausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zare nicht geben.
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zare nicht geben.
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
noch Nikolaus I. am Krimkrieg: sie wollten eben ihrem Volk das
Schauspiel weichender Zaren nicht geben.
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
2. Spalte
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
Überhaupt wäre der Presse die alleräußerste Zurückhaltung in
der Behandlung der diplomatischen Lage anzuempfehlen. Man begegnet
ganz merkwürdigen Verkennungen und falschen Auslegungen
der einfachsten Dinge von der Welt. So hat die falsche Meldung,
daß der Zar nach den finnischen Schären abgereist sei, die Deutung
gefunden, das sei ein Signal zum Krieg, daß der Selbstherrscher
seine Person in das Kriegsgefahren nicht ausgesetzte Finnland
flüchte, da es gegen russisches Herkommen sei, daß der Zar kriegerischen
Unternehmungen persönlich beiwohne. Wie viel Irrtümer
in einem Satz! Alexander I. hat die Kriege von 1805 bis 1807 und
von 1813 bis 1814 im Hauptquartier mitgemacht, ebenso
Alexander II. den türkischen! Dazu ist gerade ein Aufenthalt in den
finnischen Schären für die gegenwärtige Jahreszeit hergebracht.
Nur an Verteidigungskriegen gegen Angriffe auf Rußland haben
allerdings Nikolaus' II. Vorgänger nach Peter dem Großen nicht teilgenommen:
weder Alexander I. an dem Rückzug auf Moskau 1813,
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selber mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen anderen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
Stoff genug also zur Begründung beruhigter Auffassungen der
Lage! Ob man diesseits überhaupt ganz richtig verfahren war?
Ob man nicht von vornherein nachdrücklicher die Undenkbarkeit hätte
betonen müssen, daß Rußland sich Serbiens schlechter Sache annehme?
Hat man nicht gewissermaßen schon einen Trumpf aus der
Hand gegeben, indem man mit der Möglichkeit zu rechnen verriet,
daß Österreichs Strafexpedition gegen Serbien Schwierigkeiten bereiten
würden [sic]? Eine russische Neutralität mußte als eine Selbstverständlichkeit
behandelt werden: bei solcher Haltung diesseits konnten
von uns keine Gegenzugeständnisse gefordert werden.
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
No. 177 Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
1. Spalte
Kaiser und Zar.
Es wird halbamtlich bekannt gegeben, daß Depeschen des
deutschen und des russischen Kaisers einander "gekreuzt" haben.
Aus dieser Feststellung läßt sich natürlich kein unmittelbarer
Schluß auf den Inhalt der Depeschen ziehen. Indessen
erscheint doch auch die nackte Tatsache dieses Austausches
in diesem Fall nicht bedeutungslos. Einmal zeigt sie, daß
die Drähte zwischen Berlin und St. Petersburg in diesem Augenblick
keineswegs abgerissen sind, daß nicht nur das Verhältnis
beider Höfe äußerlich "korrekt", sondern auch persönlich noch
zufriedenstellend ist. Mit dem Hinweis auf die "Kreuzung" hat man
aber wohl Angriffen auf den deutschen Kaiser vorbeugen wollen, die
ihm Vorwürfe darüber machen könnten, daß er den fremden
Herrscher nicht den ersten Schritt des Entgegenkommens tun lasse.
Die Gleichzeitigkeit wird wohl auf Verabredung beruhen, um solchem
Verdacht die Spitze abzubrechen.
In den um die Erhaltung des Friedens bangenden Kreisen wird
die Nachricht selbe mit Freude aufgenommen werden. Um so
mehr, als sie mit einer freilich unbestätigt gebliebenen zusammenfällt,
Minister Ssasonow habe ausdrücklich erklärt , daß eine
Besetzung Belgrads für Rußland noch lange kein Kriegsfall sei, einen
weiteren Vormarsch Österreichs man allerdings mit Aufmerksamkeit
verfolgen müsse. Auch die amtliche russische Mitteilung des
28., "die russische Regierung wünsche nicht, daß der Ausdruck
patriotischer Gefühle durch die Bevölkerung die Färbung von Mißgunst
gegen Mächte annehme, mit denen Rußland sich unveränderlich
in Frieden zu befinden wünsche"", hat nach einer halbamtlichen
Erklärung durch ihren friedlichen Ton in Berlin befriedigt, und die
russischen Wünsche auf Erhaltung friedlicher Beziehungen werden
von der kaiserlich deutschen Regierung geteilt.
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
==================================================================================
Hildburgshausen, Freitag, den 31. Juli 1914.
________________________________________________________________________________________________________
-
item 17
D o r f z e i t u n g .
Gegründet im Jahr 1818.
===================================================================================
Die Dorfzeitung erscheint täglich mit Ausnahme des Tages nach den Sonn- und Feiertagen und kostet vierteljährlich mit dem illustrierten Sonntagsblatt, der Landwirtschaftlichen Beilage und den Blättern für Obst- und Gartenbau bei allen Postanstalten des Deutschen Reiches 1,75 M. Bestellgeld 42 Pf.
Einrückungsgebühr für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 20 Pf. Reklamezeile 60 Pf. -
Bei Anzeigen mit Offertenbeförderung werden 50 Pf. für Beförderung zugerechnet. -
Fernsprech-Anschluß Nr. 10
Description
Save description- 52.5201126||13.404510699999946||||1
Berlin, Saalfeld, Leipzig
Location(s)
Story location Berlin, Saalfeld, Leipzig
- ID
- 15725 / 166527
- Contributor
- Karl Döbling
Login to edit the languages
Login to edit the fronts
Login to add keywords
- Home Front
Login to leave a note