Tagebuchaufzeichnungen Reinhold Sieglerschmidt (6), item 35

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10/ I 17

Mein Herzenstrautli, wie bin ich dir

nah in unendlicher Sehnsucht. Es

geht mir gut. Das Wetter wechselt

fortwährend. Bald friert es, bald

ist alles von schwerem Schnee be-

hangen, bald taut es. Der Dienst

ist eintönig, langweilig. Es fehlt

die Anreizung, den Feind vor sich

zu haben. Nur der feste Wille durch-

zuhalten u. die geheime Hoffnung,

dass das Jahr den Frieden bringt,

sind das Leben in der grossen Gleich-

gültigkeit dieser Wochen.

Keine neuen Nachrichten.

Ich küsse dich tausendmal, du Leben,

du volles, ganzes Glück

Dein Reinholdich


 right page 

(Coblenz) 12 Januar 1918

Mein Herzenstrautli, ich sitze hier in einem

sauberen, ganz behaglichen Lokal und freue mich

unbewusst der Civilisation, die mich noch um-

gibt, früher wäre mir solch ein Lokal fade vo-

gekommen; jetzt ist man bescheidener geworden.

Heute ist die Natur zum ersten Male ganz

tief. Es ist feucht und ziemlich warm, darum

ein ganz kleiner Hauch von Vorfrühling

in der Luft. Die Berghänge verschwinden

nicht in Wolken zu Nebel sondern treten klar

und tiefdunkel hervor. Es ist, wie eine Ahnung

von den Tiefen des Lebens. Es ist gut so. Es darf

jetzt nicht mehr sein.

Gestern habe ich wieder gesehen wie abgehär-

tet ich jetzt bin. Wir machten von 7-1 Uhr

eine Geländeübung im Bataillonsver-

bande bei fürchterlichstem Regenwetter.

Trotzdem fühlte ich mich bei aller Durchnässung

nicht unbehaglich und habe mir nichts geholt.

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10/ I 17

Mein Herzenstrautli, wie bin ich dir

nah in unendlicher Sehnsucht. Es

geht mir gut. Das Wetter wechselt

fortwährend. Bald friert es, bald

ist alles von schwerem Schnee be-

hangen, bald taut es. Der Dienst

ist eintönig, langweilig. Es fehlt

die Anreizung, den Feind vor sich

zu haben. Nur der feste Wille durch-

zuhalten u. die geheime Hoffnung,

dass das Jahr den Frieden bringt,

sind das Leben in der grossen Gleich-

gültigkeit dieser Wochen.

Keine neuen Nachrichten.

Ich küsse dich tausendmal, du Leben,

du volles, ganzes Glück

Dein Reinholdich


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(Coblenz) 12 Januar 1918

Mein Herzenstrautli, ich sitze hier in einem

sauberen, ganz behaglichen Lokal und freue mich

unbewusst der Civilisation, die mich noch um-

gibt, früher wäre mir solch ein Lokal fade vo-

gekommen; jetzt ist man bescheidener geworden.

Heute ist die Natur zum ersten Male ganz

tief. Es ist feucht und ziemlich warm, darum

ein ganz kleiner Hauch von Vorfrühling

in der Luft. Die Berghänge verschwinden

nicht in Wolken zu Nebel sondern treten klar

und tiefdunkel hervor. Es ist, wie eine Ahnung

von den Tiefen des Lebens. Es ist gut so. Es darf

jetzt nicht mehr sein.

Gestern habe ich wieder gesehen wie abgehär-

tet ich jetzt bin. Wir machten von 7-1 Uhr

eine Geländeübung im Bataillonsver-

bande bei fürchterlichstem Regenwetter.

Trotzdem fühlte ich mich bei aller Durchnässung

nicht unbehaglich und habe mir nichts geholt.


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  • September 15, 2017 13:17:41 Eva Anna Welles (AUT)

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    10/ I 17

    Mein Herzenstrautli, wie bin ich dir

    nah in unendlicher Sehnsucht. Es

    geht mir gut. Das Wetter wechselt

    fortwährend. Bald friert es, bald

    ist alles von schwerem Schnee be-

    hangen, bald taut es. Der Dienst

    ist eintönig, langweilig. Es fehlt

    die Anreizung, den Feind vor sich

    zu haben. Nur der feste Wille durch-

    zuhalten u. die geheime Hoffnung,

    dass das Jahr den Frieden bringt,

    sind das Leben in der grossen Gleich-

    gültigkeit dieser Wochen.

    Keine neuen Nachrichten.

    Ich küsse dich tausendmal, du Leben,

    du volles, ganzes Glück

    Dein Reinholdich


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    (Coblenz) 12 Januar 1918

    Mein Herzenstrautli, ich sitze hier in einem

    sauberen, ganz behaglichen Lokal und freue mich

    unbewusst der Civilisation, die mich noch um-

    gibt, früher wäre mir solch ein Lokal fade vo-

    gekommen; jetzt ist man bescheidener geworden.

    Heute ist die Natur zum ersten Male ganz

    tief. Es ist feucht und ziemlich warm, darum

    ein ganz kleiner Hauch von Vorfrühling

    in der Luft. Die Berghänge verschwinden

    nicht in Wolken zu Nebel sondern treten klar

    und tiefdunkel hervor. Es ist, wie eine Ahnung

    von den Tiefen des Lebens. Es ist gut so. Es darf

    jetzt nicht mehr sein.

    Gestern habe ich wieder gesehen wie abgehär-

    tet ich jetzt bin. Wir machten von 7-1 Uhr

    eine Geländeübung im Bataillonsver-

    bande bei fürchterlichstem Regenwetter.

    Trotzdem fühlte ich mich bei aller Durchnässung

    nicht unbehaglich und habe mir nichts geholt.

  • May 24, 2017 09:42:21 Kappandra

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    10/ I 17

    Mein Herzenstrautli, wie bin ich dir

    nah in unendlicher Sehnsucht. Es

    geht mir gut. Das Wetter wechselt

    fortwährend. Bald friert es, bald

    ist alles von schwerem Schnee be-

    hangen, bald taut es. Der Dienst

    ist eintönig, langweilig. Es fehlt

    die Anreizung, den Feind vor sich

    zu haben. Nur der feste Wille durch-

    zuhalten u. die geheime Hoffnung,

    dass das Jahr den Frieden bringt,

    sind des Leben in der grossen Gleich-

    gültigkeit dieser Wochen.

    Keine neuen Nachrichten.

    Ich küsse dich tausendmal, du Leben,

    du volles, ganzes Glück

    Dein Reinholdich


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    (Coblenz) 12 Januar 1918

    Mein Herzenstrautli, ich sitze hier in einem

    sauberen, ganz behaglichen Lokal und freue mich

    unbewusst der Civilisation, die mich noch um-

    gibt, früher wäre mir solch ein Lokal fade vo-

    gekommen; jetzt ist man bescheidener geworden.

    Heute ist die Natur zum ersten Male ganz

    tief. Es ist feucht und ziemlich warm, darum

    ein ganz kleiner Hauch von Vorfrühling

    in der Luft. Die Berghänge verschwinden

    nicht in Wolken zu Nebel sondern treten klar

    und tiefdunkel hervor. Es ist, wie eine Ahnung

    von den Tiefen des Lebens. Es ist gut so. Es darf

    jetzt nicht mehr sein.

    Gestern habe ich wieder gesehen wie abgehär-

    tet ich jetzt bin. Wir machten von 7-1 Uhr

    eine Geländeübung im Bataillonsver-

    bande bei fürchterlichstem Regenwetter.

    Trotzdem fühlte ich mich bei aller Durchnässung

    nicht unbehaglich und habe mir nichts geholt.


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    ID
    842 / 4332
    Source
    http://europeana1914-1918.eu/...
    Contributor
    Jörn Sieglerschmidt
    License
    http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


    January 10, 1917
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