Ereignisse im kirchlichen Leben Lendersdorfs während des Weltkrieges, item 6

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6  Seitenzahl 

einzogen, galt er sofort als Zivilinternierter. Er durfte

das Haus des Vikars nicht mehr verlassen. Es wurde eine

militärische Wache vor das Haus gestellt. Der zuständige

Leutnannt teilte mit, daß über das Geschick des jungen

Mannes der Herr Major, der in Birgel wohnte, entscheiden

würde. Am zweiten Tage der Internierung fiel abends am Ende

der Kriegsandacht am Hause des Vikars ein Schuß.

Der  Posten stehende Soldat hatte mit seinem Karabiner

irgendwie gespielt. Das Gewehr war nicht gesichert, der

Schuß ging los und ging ihm so hart am Gesicht vorbei,

daß er geschwärzt war. Würde der Posten sich selbst erschossen

haben, so wäre das Schicksal des jungen Mannes

entschieden gewesen. Während des darauffolgenden Tages

und der ganzen Nacht zog am Hause des Vikars eine ununterbrochene

Menschenmenge wie eine gewaltige Prozession

vorbei. Bis in die Nachbardörfer hatte sich die Nachricht

verbreitet, daß der Lendersdorfer Vikar einen Spion im

Hause habe. Er würde in einigen Stunden abgeführt und

erschossen. Grund genug, um die Sensationslust zu wecken

und Tausende auf die Beine zu bringen. Nach drei Tagen

wurde das Schicksal des jungen Mannes entschieden. Es

erschienen zwei berittene Oberwachtmeister, bis an die

Zähne bewaffnet, die dem Vikar den schriftlichen Befehl

vorzeigten, den jungen Belgier gefesselt der Polizeibehörde

in Düren   Geotag auszuliefern. Der Vikar widersetzte sich

der Ausführung dieser Art eines Haftbefehls. Er habe,

so erklärte er, nichts gegen eine Untersuchung des Falles.

Aber solange auch nicht der geringste Spionageverdacht

vorliege, müsse er zu seinem eigenen Schutze die Form

dieses Haftbefehls ablehnen. Er sei ein bewußter aufrechter

Deutscher und verwahre sich energisch gegen den

Verdacht, einen Spion zu beherbergen. Die Verhandlung

mit den Oberwachtmeistern führte dahin, daß sie auf die

vorgesehene Form des Haftbefehls verzichteten. Der Vikar

durfte mit dem Zivilgefangenen nach Düren gehen. Die

Oberwachtmeister ritten in entsprechender Entfernung

hinter ihnen her. Durch seine Stellung in der Jugendpflege

war der Vikar mit dem Dürener Polizeiinspektor

und dem Landrat bekannt. Auf seine persönlichen Vorstellungen

bei den beiden hin durfte der junge Mann wieder mit

nach Lendersdorf zurückkehren und galt seitdem in der



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6  Seitenzahl 

einzogen, galt er sofort als Zivilinternierter. Er durfte

das Haus des Vikars nicht mehr verlassen. Es wurde eine

militärische Wache vor das Haus gestellt. Der zuständige

Leutnannt teilte mit, daß über das Geschick des jungen

Mannes der Herr Major, der in Birgel wohnte, entscheiden

würde. Am zweiten Tage der Internierung fiel abends am Ende

der Kriegsandacht am Hause des Vikars ein Schuß.

Der  Posten stehende Soldat hatte mit seinem Karabiner

irgendwie gespielt. Das Gewehr war nicht gesichert, der

Schuß ging los und ging ihm so hart am Gesicht vorbei,

daß er geschwärzt war. Würde der Posten sich selbst erschossen

haben, so wäre das Schicksal des jungen Mannes

entschieden gewesen. Während des darauffolgenden Tages

und der ganzen Nacht zog am Hause des Vikars eine ununterbrochene

Menschenmenge wie eine gewaltige Prozession

vorbei. Bis in die Nachbardörfer hatte sich die Nachricht

verbreitet, daß der Lendersdorfer Vikar einen Spion im

Hause habe. Er würde in einigen Stunden abgeführt und

erschossen. Grund genug, um die Sensationslust zu wecken

und Tausende auf die Beine zu bringen. Nach drei Tagen

wurde das Schicksal des jungen Mannes entschieden. Es

erschienen zwei berittene Oberwachtmeister, bis an die

Zähne bewaffnet, die dem Vikar den schriftlichen Befehl

vorzeigten, den jungen Belgier gefesselt der Polizeibehörde

in Düren   Geotag auszuliefern. Der Vikar widersetzte sich

der Ausführung dieser Art eines Haftbefehls. Er habe,

so erklärte er, nichts gegen eine Untersuchung des Falles.

Aber solange auch nicht der geringste Spionageverdacht

vorliege, müsse er zu seinem eigenen Schutze die Form

dieses Haftbefehls ablehnen. Er sei ein bewußter aufrechter

Deutscher und verwahre sich energisch gegen den

Verdacht, einen Spion zu beherbergen. Die Verhandlung

mit den Oberwachtmeistern führte dahin, daß sie auf die

vorgesehene Form des Haftbefehls verzichteten. Der Vikar

durfte mit dem Zivilgefangenen nach Düren gehen. Die

Oberwachtmeister ritten in entsprechender Entfernung

hinter ihnen her. Durch seine Stellung in der Jugendpflege

war der Vikar mit dem Dürener Polizeiinspektor

und dem Landrat bekannt. Auf seine persönlichen Vorstellungen

bei den beiden hin durfte der junge Mann wieder mit

nach Lendersdorf zurückkehren und galt seitdem in der




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  • May 4, 2017 18:56:11 Nora Ivanof

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    einzogen, galt er sofort als Zivilinternierter. Er durfte

    das Haus des Vikars nicht mehr verlassen. Es wurde eine

    militärische Wache vor das Haus gestellt. Der zuständige

    Leutnannt teilte mit, daß über das Geschick des jungen

    Mannes der Herr Major, der in Birgel wohnte, entscheiden

    würde. Am zweiten Tage der Internierung fiel abends am Ende

    der Kriegsandacht am Hause des Vikars ein Schuß.

    Der  Posten stehende Soldat hatte mit seinem Karabiner

    irgendwie gespielt. Das Gewehr war nicht gesichert, der

    Schuß ging los und ging ihm so hart am Gesicht vorbei,

    daß er geschwärzt war. Würde der Posten sich selbst erschossen

    haben, so wäre das Schicksal des jungen Mannes

    entschieden gewesen. Während des darauffolgenden Tages

    und der ganzen Nacht zog am Hause des Vikars eine ununterbrochene

    Menschenmenge wie eine gewaltige Prozession

    vorbei. Bis in die Nachbardörfer hatte sich die Nachricht

    verbreitet, daß der Lendersdorfer Vikar einen Spion im

    Hause habe. Er würde in einigen Stunden abgeführt und

    erschossen. Grund genug, um die Sensationslust zu wecken

    und Tausende auf die Beine zu bringen. Nach drei Tagen

    wurde das Schicksal des jungen Mannes entschieden. Es

    erschienen zwei berittene Oberwachtmeister, bis an die

    Zähne bewaffnet, die dem Vikar den schriftlichen Befehl

    vorzeigten, den jungen Belgier gefesselt der Polizeibehörde

    in Düren   Geotag auszuliefern. Der Vikar widersetzte sich

    der Ausführung dieser Art eines Haftbefehls. Er habe,

    so erklärte er, nichts gegen eine Untersuchung des Falles.

    Aber solange auch nicht der geringste Spionageverdacht

    vorliege, müsse er zu seinem eigenen Schutze die Form

    dieses Haftbefehls ablehnen. Er sei ein bewußter aufrechter

    Deutscher und verwahre sich energisch gegen den

    Verdacht, einen Spion zu beherbergen. Die Verhandlung

    mit den Oberwachtmeistern führte dahin, daß sie auf die

    vorgesehene Form des Haftbefehls verzichteten. Der Vikar

    durfte mit dem Zivilgefangenen nach Düren gehen. Die

    Oberwachtmeister ritten in entsprechender Entfernung

    hinter ihnen her. Durch seine Stellung in der Jugendpflege

    war der Vikar mit dem Dürener Polizeiinspektor

    und dem Landrat bekannt. Auf seine persönlichen Vorstellungen

    bei den beiden hin durfte der junge Mann wieder mit

    nach Lendersdorf zurückkehren und galt seitdem in der




  • May 4, 2017 18:21:32 Nora Ivanof

    6  Seitenzahl 

    einzogen, galt er sofort als Zivilinternierter. Er durfte

    das Haus des Vikars nicht mehr verlassen. Es wurde eine

    militärische Wache vor das Haus gestellt. Der zuständige

    Leutnannt teilte mit, daß über das Geschick des jungen

    Mannes der Herr Major, der in Birgel wohnte, entscheiden

    würde. Am zweiten Tage der Internierung fiel abends am Ende

    der Kriegsandacht am Hause des Vikars ein Schuß.

    Der  Posten stehende Soldat hatte mit seinem Karabiner

    irgendwie gespielt. Das Gewehr war nicht gesichert, der

    Schuß ging los und ging ihm so hart am Gesicht vorbei,

    daß er geschwärzt war. Würde der Posten sich selbst erschossen

    haben, so wäre das Schicksal des jungen Mannes

    entschieden gewesen. Während des darauffolgenden Tages

    und der ganzen Nacht zog am Hause des Vikars eine ununterbrochene

    Menschenmenge wie eine gewaltige Prozession

    vorbei.



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    Düren - Lendersdorf

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7534 / 78910
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Ralf Fackeldey
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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