Briefe von Walther Huth an seine Eltern und Bekannte , item 50

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...linke Seite

von Einwohnern fast gänzlich verlassen. Wir lösten das

I. R. 105 auf Höhe 60 ab, die frühere Stellung, in der

wir die Franzer ablösten, war Höhe 40. Die Höhe 60

ist die letzte vor Ypern, und man kann von dort

aus die Stadt übersehen. Auf der Höhe selbst kann

sich nur ein Artilleriebeobachter halten, weil sie vom

Feind unausgesetzt unter starkem Feuer gehalten

wird. Unsere Schützengräben liegen zu beiden Seiten

der Höhe 40-50 m vom Feind. Die Gräben sind leidlich

trocken, aber der Anmarsch fürchterlich. In den

Laufgräben watet man bis an die Knie im Schlamm.

Hinter dem Dorf Zandvorde ist eine Reservestellung

ausgehoben als Sicherheit bei einem ev.[entuellen] Rückzug, der

aber so gut wie ausgeschlossen ist. Diese Stellung

liegt dicht an dem heißumstrittenen, gänzlich zerschossenen

Zandvorde, aber schon etwas am Abhang,

sodaß alles Wasser sich in diesen Schützengräben sammelt,

die alle Morgen entwässert werden. Ab u. zu

gibts auch Granaten zur Arbeit. Hier zittern fortwährend

die Fensterscheiben vom Donner der Geschütze,

trotzdem wir bis zur Front 2 Stunden zu laufen

haben. Es regnet fast andauernd, nur 2-3 Stunden

täglich läßt es mal nach. Der Boden ist hier wie

im Buranerfeld, die reine Suppe.


...rechte Seite

Mein Zugführer ist Offizierstellvertreter Lentz, Töpfereibesitzer

(Kachelfabrik) in Starkens, Mark. Er ist der

beliebteste Vorgesetzte in der Kompagnie. Lächerliche

Kleinigkeiten leicht übergehend dringt er auf strengste

Pflichterfüllung, kurz zu ihm haben wir unbedingtes

Vertrauen, während wir das von unseren

höheren Vorgesetzten nicht behaupten können.

Ich halte unsere ganze Lage nicht für

glänzend. Die jetzigen Stellungen sind unter den

furchtbarsten Verlusten gestürmt worden u. wurden

mit äußerster Energie u. Zähigkeit gehalten.

Ein Vorwärtskommen ist unter den jetzigen

Verhältnissen von beiden Seiten ausgeschlossen u. in

Rußland geht es auch nicht recht voran, trotz aller

Verluste. Unsere Verpflegung läßt auch nach. Die

Hoffnung auf einen baldigen Frieden ist nichtig.

Kürzlich sind wieder 8 in den ersten Gefechten Verwundete

zurückgekommen. Sie haben sämtlich 14 Tage

Urlaub nachhaus bekommen. Man könnte bald

wünschen, einen leichten Schuß zu bekommen, dann

ist man 2 Monate aus dem Jammer heraus.

Körperlich halte ich jetzt alles gut aus und fühle mich

wohl u. munter. Heute abend gehts mal wieder auf

48 Stunden in den Graben, da können wir wenigstens

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...linke Seite

von Einwohnern fast gänzlich verlassen. Wir lösten das

I. R. 105 auf Höhe 60 ab, die frühere Stellung, in der

wir die Franzer ablösten, war Höhe 40. Die Höhe 60

ist die letzte vor Ypern, und man kann von dort

aus die Stadt übersehen. Auf der Höhe selbst kann

sich nur ein Artilleriebeobachter halten, weil sie vom

Feind unausgesetzt unter starkem Feuer gehalten

wird. Unsere Schützengräben liegen zu beiden Seiten

der Höhe 40-50 m vom Feind. Die Gräben sind leidlich

trocken, aber der Anmarsch fürchterlich. In den

Laufgräben watet man bis an die Knie im Schlamm.

Hinter dem Dorf Zandvorde ist eine Reservestellung

ausgehoben als Sicherheit bei einem ev.[entuellen] Rückzug, der

aber so gut wie ausgeschlossen ist. Diese Stellung

liegt dicht an dem heißumstrittenen, gänzlich zerschossenen

Zandvorde, aber schon etwas am Abhang,

sodaß alles Wasser sich in diesen Schützengräben sammelt,

die alle Morgen entwässert werden. Ab u. zu

gibts auch Granaten zur Arbeit. Hier zittern fortwährend

die Fensterscheiben vom Donner der Geschütze,

trotzdem wir bis zur Front 2 Stunden zu laufen

haben. Es regnet fast andauernd, nur 2-3 Stunden

täglich läßt es mal nach. Der Boden ist hier wie

im Buranerfeld, die reine Suppe.


...rechte Seite

Mein Zugführer ist Offizierstellvertreter Lentz, Töpfereibesitzer

(Kachelfabrik) in Starkens, Mark. Er ist der

beliebteste Vorgesetzte in der Kompagnie. Lächerliche

Kleinigkeiten leicht übergehend dringt er auf strengste

Pflichterfüllung, kurz zu ihm haben wir unbedingtes

Vertrauen, während wir das von unseren

höheren Vorgesetzten nicht behaupten können.

Ich halte unsere ganze Lage nicht für

glänzend. Die jetzigen Stellungen sind unter den

furchtbarsten Verlusten gestürmt worden u. wurden

mit äußerster Energie u. Zähigkeit gehalten.

Ein Vorwärtskommen ist unter den jetzigen

Verhältnissen von beiden Seiten ausgeschlossen u. in

Rußland geht es auch nicht recht voran, trotz aller

Verluste. Unsere Verpflegung läßt auch nach. Die

Hoffnung auf einen baldigen Frieden ist nichtig.

Kürzlich sind wieder 8 in den ersten Gefechten Verwundete

zurückgekommen. Sie haben sämtlich 14 Tage

Urlaub nachhaus bekommen. Man könnte bald

wünschen, einen leichten Schuß zu bekommen, dann

ist man 2 Monate aus dem Jammer heraus.

Körperlich halte ich jetzt alles gut aus und fühle mich

wohl u. munter. Heute abend gehts mal wieder auf

48 Stunden in den Graben, da können wir wenigstens


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  • January 28, 2017 20:59:51 Rolf Kranz

    ...linke Seite

    von Einwohnern fast gänzlich verlassen. Wir lösten das

    I. R. 105 auf Höhe 60 ab, die frühere Stellung, in der

    wir die Franzer ablösten, war Höhe 40. Die Höhe 60

    ist die letzte vor Ypern, und man kann von dort

    aus die Stadt übersehen. Auf der Höhe selbst kann

    sich nur ein Artilleriebeobachter halten, weil sie vom

    Feind unausgesetzt unter starkem Feuer gehalten

    wird. Unsere Schützengräben liegen zu beiden Seiten

    der Höhe 40-50 m vom Feind. Die Gräben sind leidlich

    trocken, aber der Anmarsch fürchterlich. In den

    Laufgräben watet man bis an die Knie im Schlamm.

    Hinter dem Dorf Zandvorde ist eine Reservestellung

    ausgehoben als Sicherheit bei einem ev.[entuellen] Rückzug, der

    aber so gut wie ausgeschlossen ist. Diese Stellung

    liegt dicht an dem heißumstrittenen, gänzlich zerschossenen

    Zandvorde, aber schon etwas am Abhang,

    sodaß alles Wasser sich in diesen Schützengräben sammelt,

    die alle Morgen entwässert werden. Ab u. zu

    gibts auch Granaten zur Arbeit. Hier zittern fortwährend

    die Fensterscheiben vom Donner der Geschütze,

    trotzdem wir bis zur Front 2 Stunden zu laufen

    haben. Es regnet fast andauernd, nur 2-3 Stunden

    täglich läßt es mal nach. Der Boden ist hier wie

    im Buranerfeld, die reine Suppe.


    ...rechte Seite

    Mein Zugführer ist Offizierstellvertreter Lentz, Töpfereibesitzer

    (Kachelfabrik) in Starkens, Mark. Er ist der

    beliebteste Vorgesetzte in der Kompagnie. Lächerliche

    Kleinigkeiten leicht übergehend dringt er auf strengste

    Pflichterfüllung, kurz zu ihm haben wir unbedingtes

    Vertrauen, während wir das von unseren

    höheren Vorgesetzten nicht behaupten können.

    Ich halte unsere ganze Lage nicht für

    glänzend. Die jetzigen Stellungen sind unter den

    furchtbarsten Verlusten gestürmt worden u. wurden

    mit äußerster Energie u. Zähigkeit gehalten.

    Ein Vorwärtskommen ist unter den jetzigen

    Verhältnissen von beiden Seiten ausgeschlossen u. in

    Rußland geht es auch nicht recht voran, trotz aller

    Verluste. Unsere Verpflegung läßt auch nach. Die

    Hoffnung auf einen baldigen Frieden ist nichtig.

    Kürzlich sind wieder 8 in den ersten Gefechten Verwundete

    zurückgekommen. Sie haben sämtlich 14 Tage

    Urlaub nachhaus bekommen. Man könnte bald

    wünschen, einen leichten Schuß zu bekommen, dann

    ist man 2 Monate aus dem Jammer heraus.

    Körperlich halte ich jetzt alles gut aus und fühle mich

    wohl u. munter. Heute abend gehts mal wieder auf

    48 Stunden in den Graben, da können wir wenigstens

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Friedrich-Carl Hoffmann
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