Abschrift der Kriegstagebücher von Sergeant Fritz Apsel, item 27

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bleiben wir recht lange hier. Es ist zwar viel Dienst u. wenig
essen, aber doch noch besser als im Schützengraben. -
Am 16.12.19 (Sonntag)
waren wir nach Bollingen zum Laden gegangen.
Dieses Dorf liegt schon in Deutschland. Es sind etwa 2 km bis dorthin.
Am Abend gingen Böttcher u. ich noch einmal hin, um
ein paar hinter die Binde zu gießen. In der 1. Kneipe war nicht viel
los. Also auf zur 2. Wir gerieten einem Gesangsverein
ins Gehege, der uns durch seine Stimmen vertrieb. Es waren Leute
aus der Zeche, die dort übten. In der 3. Kneipe, die wir auf unserem
Rückweg besuchten, wurde es gemütlich. Böttcher traf 2 bekannte
Artilleristen mit denen wir uns bis 12 Uhr festsetzten. Man fühlt sich
ganz wohl in solch einer deutschen Kneipe. -

Gestern (18.12.)
war ein ereignisreicher Tag, trotzdem er anfing wie alle Tage. Wir
machten eine Marschübung. Unterwegs sagte schon Feldw. Didzuneit:
"Wir rücken ab !" Natürlich große Bestürzung allenthalben.
In unserem Orte angekommen hieß es: "Sofort packen u. antreten"
Es ging alles wie wild. Eiserne Portionen wurden empfangen
u. dann gings nach Ser[r]ouville dort stand schon das II. Batl. Wie
sich herausstellte war es nur eine Brigadeübung. Wir standen
über 2 Stunden und bekamen Eisbeine. Faßt jeder aß sein Brot,
das für den anderen Tag bestimmt war, auf; denn Mittagessen
hatten wir noch nicht bekommen. Endlich kamen die hohen Herren zu
uns u. kontrollierten die Sachen. Ich kam in großen Druck, da ich
keine Patronen mithatte. Ich behauptete aber, als Oberst v. Gottberg
mich fragte, ich hatte 60 Stück u. zeigte Unffz. Hirschberger seine
Patronen vor. Es ging alles gut. Frechheit siegt ! Natürlich denkt
der Herr Oberst man kann es gar nicht machen ihm mal die Nase zu drehen.
Endlich war auch der Scherz vorüber u. wir konnten abrücken.
Um 4 Uhr kamen wir in unsere Quartiere u. empfingen Essen.
Kohlblätter mit Wasser. (Fußlappen) Es ist z.Z. eine ganz elende
Kohldampfschieberei bei uns. - Heute hatten wir wieder einmal
Besichtigung. Herr Hauptmann von Creyz und Oberst v. Gottberg
sahen sich die 10. u. 12 Komp. in der Abwehrschlacht an. Anständig

...rechte Seite

gefrohren haben wir wieder. Nach einem Parademarsch in Gruppenkollonne
schloß die Feier, bei der wieder sehr teure Zigarren [Zurechtweisungen, Anschisse] verteilt
wurden. Vorher hat der Herr Hptm. [Hauptmann] noch eine Ansprache gehalten,
in der er erwähnte, daß in Rußland mit dem Panje Karten
gespielt wird u. daß wir in der Zeit den Ruhm des Regiments
aufrecht zu erhalten haben. Also immer feste druff !


21.12.17.
Heute hatten wir eine große Batl. Übung, wobei der Herr Oberst
zugegen war.

23.12.17.
Heute Sonntag. Wieder einmal in Bollingen
gewesen. In dem 1. Gasthaus, das Hirschberger u. ich heimsuchten,
feierte die ev.[angelische] Gemeinde Weihnachten. Wir ergriffen die Gelegenheit
um auch etwas von der allgemeinen Stimmung mit zu nehmen.
Doch konnte da keine rechte Andacht hineinkommen, weil garnicht
getrunken u. geschwatzt wurde, trotzdem die Gesänge u. Vorstellungen
ganz nett waren. - Dann trafen wir Pennigsfeld, Schippling u. Böttcher
u. machten uns nach dem Gasthaus an der Zeche auf. Hier saßen schon die
beiden Artilleristen vom vorigen Sonntag. Haben einen ganz fidelen
Abend verlebt.


24.12. Heiliger Abend !
Wie freudig, feierlich war
man sonst daheim an diesem Tage gestimmt. Jetzt werden wohl
meine Lieben daheim auch unter dem Tannenbaum stehen und
die schönen, alten deutschen Weihnachtslieder singen. Werner wird
vieleicht schon versucht haben, sein neues Spielzeug kaputt zu machen.
Und derweilen sitze ich hier u. starre in das Licht unseres bescheidenen
Bäumchens u. denke, denke. Immer wieder verlieren sich die Gedanken
man vergißt schließlich die ganze Umgebung. Wer es nicht selbst durchgemacht

hat fern der Heimat unter feindlich gesinnten Menschen, den
Tod stets vor Augen, das schönste der Feste zu begehen, kann sich gar keine
Vorstellung machen, wie es einem ums Herz ist. - Bei der Bescherung
hielt Lt. Heinrich eine Ansprache. Er ist wirklich kein großer Redner,
aber auch die einfachsten, unbeholfensten Worte dringen einem an
solch einem Tage zu Herzen. Mit den Gaben war wohl die Mehrzahl
zufrieden. Ich bekam ein Buch, ein Notizbuch, Seife, Schokolade, Tabak,
Zigarren u. Zigaretten. Lt. Heinrich u. Feldw. sind die Quartiere




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bleiben wir recht lange hier. Es ist zwar viel Dienst u. wenig
essen, aber doch noch besser als im Schützengraben. -
Am 16.12.19 (Sonntag)
waren wir nach Bollingen zum Laden gegangen.
Dieses Dorf liegt schon in Deutschland. Es sind etwa 2 km bis dorthin.
Am Abend gingen Böttcher u. ich noch einmal hin, um
ein paar hinter die Binde zu gießen. In der 1. Kneipe war nicht viel
los. Also auf zur 2. Wir gerieten einem Gesangsverein
ins Gehege, der uns durch seine Stimmen vertrieb. Es waren Leute
aus der Zeche, die dort übten. In der 3. Kneipe, die wir auf unserem
Rückweg besuchten, wurde es gemütlich. Böttcher traf 2 bekannte
Artilleristen mit denen wir uns bis 12 Uhr festsetzten. Man fühlt sich
ganz wohl in solch einer deutschen Kneipe. -

Gestern (18.12.)
war ein ereignisreicher Tag, trotzdem er anfing wie alle Tage. Wir
machten eine Marschübung. Unterwegs sagte schon Feldw. Didzuneit:
"Wir rücken ab !" Natürlich große Bestürzung allenthalben.
In unserem Orte angekommen hieß es: "Sofort packen u. antreten"
Es ging alles wie wild. Eiserne Portionen wurden empfangen
u. dann gings nach Ser[r]ouville dort stand schon das II. Batl. Wie
sich herausstellte war es nur eine Brigadeübung. Wir standen
über 2 Stunden und bekamen Eisbeine. Faßt jeder aß sein Brot,
das für den anderen Tag bestimmt war, auf; denn Mittagessen
hatten wir noch nicht bekommen. Endlich kamen die hohen Herren zu
uns u. kontrollierten die Sachen. Ich kam in großen Druck, da ich
keine Patronen mithatte. Ich behauptete aber, als Oberst v. Gottberg
mich fragte, ich hatte 60 Stück u. zeigte Unffz. Hirschberger seine
Patronen vor. Es ging alles gut. Frechheit siegt ! Natürlich denkt
der Herr Oberst man kann es gar nicht machen ihm mal die Nase zu drehen.
Endlich war auch der Scherz vorüber u. wir konnten abrücken.
Um 4 Uhr kamen wir in unsere Quartiere u. empfingen Essen.
Kohlblätter mit Wasser. (Fußlappen) Es ist z.Z. eine ganz elende
Kohldampfschieberei bei uns. - Heute hatten wir wieder einmal
Besichtigung. Herr Hauptmann von Creyz und Oberst v. Gottberg
sahen sich die 10. u. 12 Komp. in der Abwehrschlacht an. Anständig

...rechte Seite

gefrohren haben wir wieder. Nach einem Parademarsch in Gruppenkollonne
schloß die Feier, bei der wieder sehr teure Zigarren [Zurechtweisungen, Anschisse] verteilt
wurden. Vorher hat der Herr Hptm. [Hauptmann] noch eine Ansprache gehalten,
in der er erwähnte, daß in Rußland mit dem Panje Karten
gespielt wird u. daß wir in der Zeit den Ruhm des Regiments
aufrecht zu erhalten haben. Also immer feste druff !


21.12.17.
Heute hatten wir eine große Batl. Übung, wobei der Herr Oberst
zugegen war.

23.12.17.
Heute Sonntag. Wieder einmal in Bollingen
gewesen. In dem 1. Gasthaus, das Hirschberger u. ich heimsuchten,
feierte die ev.[angelische] Gemeinde Weihnachten. Wir ergriffen die Gelegenheit
um auch etwas von der allgemeinen Stimmung mit zu nehmen.
Doch konnte da keine rechte Andacht hineinkommen, weil garnicht
getrunken u. geschwatzt wurde, trotzdem die Gesänge u. Vorstellungen
ganz nett waren. - Dann trafen wir Pennigsfeld, Schippling u. Böttcher
u. machten uns nach dem Gasthaus an der Zeche auf. Hier saßen schon die
beiden Artilleristen vom vorigen Sonntag. Haben einen ganz fidelen
Abend verlebt.


24.12. Heiliger Abend !
Wie freudig, feierlich war
man sonst daheim an diesem Tage gestimmt. Jetzt werden wohl
meine Lieben daheim auch unter dem Tannenbaum stehen und
die schönen, alten deutschen Weihnachtslieder singen. Werner wird
vieleicht schon versucht haben, sein neues Spielzeug kaputt zu machen.
Und derweilen sitze ich hier u. starre in das Licht unseres bescheidenen
Bäumchens u. denke, denke. Immer wieder verlieren sich die Gedanken
man vergißt schließlich die ganze Umgebung. Wer es nicht selbst durchgemacht

hat fern der Heimat unter feindlich gesinnten Menschen, den
Tod stets vor Augen, das schönste der Feste zu begehen, kann sich gar keine
Vorstellung machen, wie es einem ums Herz ist. - Bei der Bescherung
hielt Lt. Heinrich eine Ansprache. Er ist wirklich kein großer Redner,
aber auch die einfachsten, unbeholfensten Worte dringen einem an
solch einem Tage zu Herzen. Mit den Gaben war wohl die Mehrzahl
zufrieden. Ich bekam ein Buch, ein Notizbuch, Seife, Schokolade, Tabak,
Zigarren u. Zigaretten. Lt. Heinrich u. Feldw. sind die Quartiere





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  • January 2, 2017 10:58:05 Rolf Kranz

    ...linke Seite

    bleiben wir recht lange hier. Es ist zwar viel Dienst u. wenig
    essen, aber doch noch besser als im Schützengraben. -
    Am 16.12.19 (Sonntag)
    waren wir nach Bollingen zum Laden gegangen.
    Dieses Dorf liegt schon in Deutschland. Es sind etwa 2 km bis dorthin.
    Am Abend gingen Böttcher u. ich noch einmal hin, um
    ein paar hinter die Binde zu gießen. In der 1. Kneipe war nicht viel
    los. Also auf zur 2. Wir gerieten einem Gesangsverein
    ins Gehege, der uns durch seine Stimmen vertrieb. Es waren Leute
    aus der Zeche, die dort übten. In der 3. Kneipe, die wir auf unserem
    Rückweg besuchten, wurde es gemütlich. Böttcher traf 2 bekannte
    Artilleristen mit denen wir uns bis 12 Uhr festsetzten. Man fühlt sich
    ganz wohl in solch einer deutschen Kneipe. -

    Gestern (18.12.)
    war ein ereignisreicher Tag, trotzdem er anfing wie alle Tage. Wir
    machten eine Marschübung. Unterwegs sagte schon Feldw. Didzuneit:
    "Wir rücken ab !" Natürlich große Bestürzung allenthalben.
    In unserem Orte angekommen hieß es: "Sofort packen u. antreten"
    Es ging alles wie wild. Eiserne Portionen wurden empfangen
    u. dann gings nach Ser[r]ouville dort stand schon das II. Batl. Wie
    sich herausstellte war es nur eine Brigadeübung. Wir standen
    über 2 Stunden und bekamen Eisbeine. Faßt jeder aß sein Brot,
    das für den anderen Tag bestimmt war, auf; denn Mittagessen
    hatten wir noch nicht bekommen. Endlich kamen die hohen Herren zu
    uns u. kontrollierten die Sachen. Ich kam in großen Druck, da ich
    keine Patronen mithatte. Ich behauptete aber, als Oberst v. Gottberg
    mich fragte, ich hatte 60 Stück u. zeigte Unffz. Hirschberger seine
    Patronen vor. Es ging alles gut. Frechheit siegt ! Natürlich denkt
    der Herr Oberst man kann es gar nicht machen ihm mal die Nase zu drehen.
    Endlich war auch der Scherz vorüber u. wir konnten abrücken.
    Um 4 Uhr kamen wir in unsere Quartiere u. empfingen Essen.
    Kohlblätter mit Wasser. (Fußlappen) Es ist z.Z. eine ganz elende
    Kohldampfschieberei bei uns. - Heute hatten wir wieder einmal
    Besichtigung. Herr Hauptmann von Creyz und Oberst v. Gottberg
    sahen sich die 10. u. 12 Komp. in der Abwehrschlacht an. Anständig

    ...rechte Seite

    gefrohren haben wir wieder. Nach einem Parademarsch in Gruppenkollonne
    schloß die Feier, bei der wieder sehr teure Zigarren [Zurechtweisungen, Anschisse] verteilt
    wurden. Vorher hat der Herr Hptm. [Hauptmann] noch eine Ansprache gehalten,
    in der er erwähnte, daß in Rußland mit dem Panje Karten
    gespielt wird u. daß wir in der Zeit den Ruhm des Regiments
    aufrecht zu erhalten haben. Also immer feste druff !


    21.12.17.
    Heute hatten wir eine große Batl. Übung, wobei der Herr Oberst
    zugegen war.

    23.12.17.
    Heute Sonntag. Wieder einmal in Bollingen
    gewesen. In dem 1. Gasthaus, das Hirschberger u. ich heimsuchten,
    feierte die ev.[angelische] Gemeinde Weihnachten. Wir ergriffen die Gelegenheit
    um auch etwas von der allgemeinen Stimmung mit zu nehmen.
    Doch konnte da keine rechte Andacht hineinkommen, weil garnicht
    getrunken u. geschwatzt wurde, trotzdem die Gesänge u. Vorstellungen
    ganz nett waren. - Dann trafen wir Pennigsfeld, Schippling u. Böttcher
    u. machten uns nach dem Gasthaus an der Zeche auf. Hier saßen schon die
    beiden Artilleristen vom vorigen Sonntag. Haben einen ganz fidelen
    Abend verlebt.


    24.12. Heiliger Abend !
    Wie freudig, feierlich war
    man sonst daheim an diesem Tage gestimmt. Jetzt werden wohl
    meine Lieben daheim auch unter dem Tannenbaum stehen und
    die schönen, alten deutschen Weihnachtslieder singen. Werner wird
    vieleicht schon versucht haben, sein neues Spielzeug kaputt zu machen.
    Und derweilen sitze ich hier u. starre in das Licht unseres bescheidenen
    Bäumchens u. denke, denke. Immer wieder verlieren sich die Gedanken
    man vergißt schließlich die ganze Umgebung. Wer es nicht selbst durchgemacht

    hat fern der Heimat unter feindlich gesinnten Menschen, den
    Tod stets vor Augen, das schönste der Feste zu begehen, kann sich gar keine
    Vorstellung machen, wie es einem ums Herz ist. - Bei der Bescherung
    hielt Lt. Heinrich eine Ansprache. Er ist wirklich kein großer Redner,
    aber auch die einfachsten, unbeholfensten Worte dringen einem an
    solch einem Tage zu Herzen. Mit den Gaben war wohl die Mehrzahl
    zufrieden. Ich bekam ein Buch, ein Notizbuch, Seife, Schokolade, Tabak,
    Zigarren u. Zigaretten. Lt. Heinrich u. Feldw. sind die Quartiere




  • January 1, 2017 19:49:35 Rolf Kranz

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    bleiben wir recht lange hier. Es ist zwar viel Dienst u. wenig

    essen, aber doch noch besser als im Schützengraben. -

    Am 16.12.19 (Sonntag)

    waren wir nach Bollingen zum Laden gegangen.

    Dieses Dorf liegt schon in Deutschland. Es sind etwa 2 km bis dorthin.

    Am Abend gingen Böttcher u. ich noch einmal hin, um

    ein paar hinter die Binde zu gießen. In der 1. Kneipe war nicht viel

    los. Also auf zur 2. Wir gerieten einem Gesangsverein

    ins Gehege, der uns durch seine Stimmen vertrieb. Es waren Leute

    aus der Zeche, die dort übten. In der 3. Kneipe, die wir auf unserem

    Rückweg besuchten, wurde es gemütlich. Böttcher traf 2 bekannte

    Artilleristen mit denen wir uns bis 12 Uhr festsetzten. Man fühlt sich

    ganz wohl in solch einer deutschen Kneipe. -

    Gestern (18.12.)

    war ein ereignisreicher Tag, trotzdem er anfing wie alle Tage. Wir

    machten eine Marschübung. Unterwegs sagte schon Feldw. Didzuneit:

    "Wir rücken ab !" Natürlich große Bestürzung allenthalben.

    In unserem Orte angekommen hieß es: "Sofort packen u. antreten"

    Es ging alles wie wild. Eiserne Portionen wurden empfangen

    u. dann gings nach Ser[r]ouville dort stand schon das II. Batl. Wie

    sich herausstellte war es nur eine Brigadeübung. Wir standen

    über 2 Stunden und bekamen Eisbeine. Faßt jeder aß sein Brot,

    das für den anderen Tag bestimmt war, auf; denn Mittagessen

    hatten wir noch nicht bekommen. Endlich kamen die hohen Herren zu

    uns u. kontrollierten die Sachen. Ich kam in großen Druck, da ich

    keine Patronen mithatte. Ich behauptete aber, als Oberst v. Gottberg

    mich fragte, ich hatte 60 Stück u. zeigte Unffz. Hirschberger seine

    Patronen vor. Es ging alles gut. Frechheit siegt ! Natürlich denkt

    der Herr Oberst man kann es gar nicht machen ihm mal die Nase zu drehen.

    Endlich war auch der Scherz vorüber u. wir konnten abrücken.

    Um 4 Uhr kamen wir in unsere Quartiere u. empfingen Essen.

    Kohlblätter mit Wasser. (Fußlappen) Es ist z.Z. eine ganz elende

    Kohldampfschieberei bei uns. - Heute hatten wir wieder einmal

    Besichtigung. Herr Hauptmann von Creyz und Oberst v. Gottberg

    sahen sich die 10. u. 12 Komp. in der Abwehrschlacht an. Anständig


    ...rechte Seite

    gefrohren haben wir wieder. Nach einem Parademarsch in Gruppenkollonne

    schloß die Feier, bei der wieder sehr teure Zigarren [Zurechtweisungen, Anschisse] verteilt

    wurden. Vorher hat der Herr Hptm. [Hauptmann] noch eine Ansprache gehalten,

    in der er erwähnte, daß in Rußland mit dem Panje Karten

    gespielt wird u. daß wir in der Zeit den Ruhm des Regiments

    aufrecht zu erhalten haben. Also immer feste druff !

    21.12.17.

    Heute hatten wir eine große Batl. Übung, wobei der Herr Oberst

    zugegen war.

    23.12.17.

    Heute Sonntag. Wider einmal in Bollingen

    gewesen. In dem 1. Gasthaus, das Hirschberger u. ich heimsuchten,

    feierte die ev.[angelische] Gemeinde Weihnachten. Wir ergriffen die Gelegenheit

    um auch etwas von der allgemeinen Stimmung mit zu nehmen.

    Doch konnte da keine rechte Andacht hineinkommen, weil garnicht

    getrunken u. geschwatzt wurde, trotzdem die Gesänge u. Vorstellungen

    ganz nett waren. - Dann trafen wir Pennigsfeld, Schippling u. Böttcher

    u. machten uns nach dem Gasthaus an der Zeche auf. Hier saßen schon die

    beiden Artilleristen vom vorigen Sonntag. Haben einen ganz fidelen

    Abend verlebt.

    24.12. Heiliger Abend !

    Wie freudig, feierlich war

    man sonst daheim an diesem Tage gestimmt. Jetzt werden wohl

    meine Lieben daheim auch unter dem Tannenbaum stehen und

    die schönen, alten deutschen Weihnachtslieder singen. Werner wird

    vieleicht schon versucht haben, sein neues Spielzeug kaputt zu machen.

    Und derweilen sitze ich hier u. starre in das Licht unseres bescheidenen

    Bäumchens u. denke, denke. Immer wieder verlieren sich die Gedanken

    man vergißt schließlich die ganze Umgebung. Wer es nicht selbst durchgemacht

    hat fern der Heimat unter feindlich gesinnten Menschen, den

    Tod stets vor Augen, das schönste der Feste zu begehen, kann sich gar keine

    Vorstellung machen, wie es einem ums Herz ist. - Bei der Bescherung

    hielt Lt. Heinrich eine Ansprache. Er ist wirklich kein großer Redner,

    aber auch die einfachsten, unbeholfensten Worte dringen einem an

    solch einem Tage zu Herzen. Mit den Gaben war wohl die Mehrzahl

    zufrieden. Ich bekam ein Buch, ein Notizbuch, Seife, Schokolade, Tabak,

    Zigarren u. Zigaretten. Lt. Heinrich u. Feldw. sind die Quartiere





  • January 1, 2017 19:42:43 Rolf Kranz

    ...linke Seite

    bleiben wir recht lange hier. Es ist zwar viel Dienst u. wenig

    essen, aber doch noch besser als im Schützengraben. -

    Am 16.12.19 (Sonntag)

    waren wir nach Bollingen zum Laden gegangen.

    Dieses Dorf liegt schon in Deutschland. Es sind etwa 2 km bis dorthin.

    Am Abend gingen Böttcher u. ich noch einmal hin, um

    ein paar hinter die Binde zu gießen. In der 1. Kneipe war nicht viel

    los. Also auf zur 2. Wir gerieten einem Gesangsverein

    ins Gehege, der uns durch seine Stimmen vertrieb. Es waren Leute

    aus der Zeche, die dort übten. In der 3. Kneipe, die wir auf unserem

    Rückweg besuchten, wurde es gemütlich. Böttcher traf 2 bekannte

    Artilleristen mit denen wir uns bis 12 Uhr festsetzten. Man fühlt sich

    ganz wohl in solch einer deutschen Kneipe. -

    Gestern (18.12.)

    war ein ereignisreicher Tag, trotzdem er anfing wie alle Tage. Wir

    machten eine Marschübung. Unterwegs sagte schon Feldw. Didzuneit:

    "Wir rücken ab !" Natürlich große Bestürzung allenthalben.

    In unserem Orte angekommen hieß es: "Sofort packen u. antreten"

    Es ging alles wie wild. Eiserne Portionen wurden empfangen

    u. dann gings nach Ser[r]ouville dort stand schon das II. Batl. Wie

    sich herausstellte war es nur eine Brigadeübung. Wir standen

    über 2 Stunden und bekamen Eisbeine. Faßt jeder aß sein Brot,

    das für den anderen Tag bestimmt war, auf; denn Mittagessen

    hatten wir noch nicht bekommen. Endlich kamen die hohen Herren zu

    uns u. kontrollierten die Sachen. Ich kam in großen Druck, da ich

    keine Patronen mithatte. Ich behauptete aber, als Oberst v. Gottberg

    mich fragte, ich hatte 60 Stück u. zeigte Unffz. Hirschberger seine

    Patronen vor. Es ging alles gut. Frechheit siegt ! Natürlich denkt

    der Herr Oberst man kann es gar nicht machen ihm mal die Nase zu drehen.

    Endlich war auch der Scherz vorüber u. wir konnten abrücken.

    Um 4 Uhr kamen wir in unsere Quartiere u. empfingen Essen.

    Kohlblätter mit Wasser. (Fußlappen) Es ist z.Z. eine ganz elende

    Kohldampfschieberei bei uns. - Heute hatten wir wieder einmal

    Besichtigung. Herr Hauptmann von Creyz und Oberst v. Gottberg

    sahen sich die 10. u. 12 Komp. in der Abwehrschlacht an. Anständig


    ...rechte Seite

    gefrohren haben wir wieder. Nach einem Parademarsch in Gruppenkollonne

    schloß die Feier, bei der wieder sehr teure Zigarren [Zurechtweisungen, Anschisse] verteilt

    wurden. Vorher hat der Herr Hptm. [Hauptmann] noch eine Ansprache gehalten,

    in der er erwähnte, daß in Rußland mit dem Panje Karten

    gespielt wird u. daß wir in der Zeit den Ruhm des Regiments

    aufrecht zu erhalten haben. Also immer feste druff !

    21.12.17.

    Heute hatten wir eine große Batl. Übung, wobei der Herr Oberst

    zugegen war.

    23.12.17.

    Heute Sonntag. Wider einmal in Bollingen

    gewesen. In dem 1. Gasthaus, das Hirschberger u. ich heimsuchten,

    feierte die ev.[angelische] Gemeinde Weihnachten. Wir ergriffen die Gelegenheit

    um auch etwas von der allgemeinen Stimmung mit zu nehmen.

    Doch konnte da keine rechte Andacht hineinkommen, weil garnicht

    getrunken u. geschwatzt wurde, trotzdem die Gesänge u. Vorstellungen

    ganz nett waren. - Dann trafen wir Pennigsfeld, Schippling u. Böttcher

    u. machten uns nach dem Gasthaus an der Zeche auf. Hier saßen schon die

    beiden Artilleristen vom vorigen Sonntag. Haben einen ganz fidelen

    Abend verlebt.

    24.12. Heiliger Abend !

    Wie freudig, feierlich war

    man sonst daheim an diesem Tage gestimmt. Jetzt werden wohl

    meine Lieben daheim auch unter dem Tannenbaum stehen und

    die schönen, alten deutschen Weihnachtslieder singen. Werner wird

    vieleicht schon versucht haben, sein neues Spielzeug kaputt zu machen.

    Und derweilen sitze ich hier u. starre in das Licht unseres bescheidenen

    Bäumchens u. denke, denke. Immer wieder verlieren sich die Gedanken

    man vergißt schließlich die ganze Umgebung. Wer es nicht selbst durchgemacht

    hat fern der Heimat unter feindlich gesinnten Menschen, den

    Tod stets vor Augen, das schönste der Feste zu begehen, kann sich gar keine

    Vorstellung machen, wie es einem ums Herz ist. - Bei der Bescherung

    hielt Lt. Heinrich eine Ansprache. Er ist wirklich kein großer Redner,

    aber auch die einfachsten, unbeholfensten Worte dringen einem an

    solch einem Tage zu Herzen. Mit den Gaben war wohl die Mehrzahl

    zufrieden. Ich bekam ein Buch, ein Notizbuch, Seife, Schokolade, Tabak,

    Zigarren u. Zigaretten. Lt. Heinrich u. Feldw. sind die





  • January 1, 2017 18:57:40 Rolf Kranz

    ...linke Seite

    bleiben wir recht lange hier. Es ist zwar viel Dienst u. wenig

    essen, aber doch noch besser als im Schützengraben. -

    Am 16.12.19 (Sonntag)

    waren wir nach Bollingen zum Laden gegangen.

    Dieses Dorf liegt schon in Deutschland. Es sind etwa 2 km bis dorthin.

    Am Abend gingen Böttcher u. ich noch einmal hin, um

    ein paar hinter die Binde zu gießen. In der 1. Kneipe war nicht viel

    los. Also auf zur 2. Wir gerieten einem Gesangsverein

    ins Gehege, der uns durch seine Stimmen vertrieb. Es waren Leute

    aus der Zeche, die dort übten. In der 3. Kneipe, die wir auf unserem

    Rückweg besuchten, wurde es gemütlich. Böttcher traf 2 bekannte

    Artilleristen mit denen wir uns bis 12 Uhr festsetzten. Man fühlt sich

    ganz wohl in solch einer deutschen Kneipe. -

    Gestern (18.12.)

    war ein ereignisreicher Tag, trotzdem er anfing wie alle Tage. Wir

    machten eine Marschübung. Unterwegs sagte schon Feldw. Didzuneit:

    "Wir rücken ab !" Natürlich große Bestürzung allenthalben.

    In unserem Orte angekommen hieß es: "Sofort packen u. antreten"

    Es ging alles wie wild. Eiserne Portionen wurden empfangen

    u. dann gings nach Ser[r]ouville dort stand schon das II. Batl. Wie

    sich herausstellte war es nur eine Brigadeübung. Wir standen

    über 2 Stunden und bekamen Eisbeine. Faßt jeder aß sein Brot,

    das für den anderen Tag bestimmt war, auf. denn Mittagessen

    hatten wir noch nicht bekommen. Endlich kamen die hohen Herren zu

    uns u. kontrollierten die Sachen. Ich kam in großen Druck, da ich

    keine Patronen mithatte. Ich behauptete aber, als Oberst v. Gottberg

    mich fragte, ich hatte 60 Stück u. zeigte Unffz. Hirschberger seine

    Patronen vor. Es ging alles gut. Frechheit siegt ! Natürlich denkt

    der Herr Oberst man kann es gar nicht machen ihm mal die Nase zu drehen.

    Endlich war auch der Scherz vorüber u. wir konnten abrücken.

    Um 4 Uhr kamen wir in unsere Quartiere u. empfingen Essen.

    Kohlblätter mit Wasser. (Fußlappen) Es ist z.Z. eine ganz elende

    Kohldampfschieberei bei uns. - Heute hatten wir wieder einmal

    Besichtigung. Herr Hauptmann von Creyz und Oberst v. Gottberg

    sehen sich die 10. u. 12 Komp. in der an. Anständig


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  • 49.38869991360816||5.9170634253906655||

    Bollingen (=Boulange), Serrouville

  • 54.705269214461346||20.513154188818362||

    Königsberg / Ostpreußen

    ||1
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  • Story location Königsberg / Ostpreußen
  • Document location Bollingen (=Boulange), Serrouville
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