Maria von Stutterheim dokumentiert den Krieg, item 9
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<left column>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marx , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson = eigentlich Senkkasten für Unterwasserarbeit, hier Kasten aus Holz und Eisenbeschlägen auf der Protze für diverses Material, Protze = einachsiger Karren für den Transport des Geschützes
und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</left column>
<right column>
<upper picture>
<description>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</description>
</upper picture>
<lower left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche Städte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen Reiche gehörten und deren deutscher
Name während der langjährigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part>
<second part>
2. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arras)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Kales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part>
<third part>
3. Nordostfrankreich
<left column>
Badenweiler (Badonviller)
Bisanz (Besançon)
Dattenried (Delle)
Gerbersweiler (Gerbeviller)
Langich (Longwy)
Lünstedt (Lunéville)
Mömpelgard (Montbéliard)
Nanzig (Nancy)
</left column>
<right column>
Neuenburg (Neufchâteau)
Rambertsweiler (Rember-
viller)
Reimersberg (Remiremont)
St. Didel (St. Dié)
Sechsweiler (Villersexel)
Spieneln (Epinal)
Wesel (Vesoul),
</right column>
</third part>
</lower left newspaper cutting>
<lower right newspaper cutting>
Strumpf ist Trumpf.
"Strumpf ist Trumpf!" So stand jüngst es zu
lesen, - Und ist ein famoses Wort gewesen. -
Es wird gestrickt immerfort, immerfort, - Puls-
wärmer hier, Strümpfe dort. - Es stricken die
Jungen, es stricken die Alten, - Kinder, die knapp
können die Händchen falten. - Alles knibbelt und
knibbelt, als ging's für Geld. - Man strickt für
die Soldaten im Feld. - Bis vor kurzem war's
Stricken noch verpönt. - Wer gestrickt hat im vor-
letzten und letzten Jahrzehnt - Wurde als rück-
ständig befunden. - Wozu waren denn Strick-
maschinen erfunden?! - Dann kam der plun-
drige, flordünne Dr . . . - Wenn zerrissen die
Strümpfe, schmiß man sie weg. - Und nicht nur
für Frauen, auch für männliche Wesen - Ist der
Strickstrumpf einfach ein Nonsens gewesen; -
Denn auch unsre Männer trugen halbe Schuh, -
Und da gehört feines Strumpfwerk dazu. - Heut'
hat das Bild sich gründlich verschoben, - Heut'
strickt man unten, heut' strickt man oben. - Ja-
wohl, auch bei Hofe ist Stricken jetzt Brauch; -
Die Kaiserin strickt, und die Tochter strickt auch. -
Kurz, allüberall im ganzen Land - Sieht man
die strickstrumpfbewehrte Hand. - Das veraltete
Stricken kam wieder zu Ehren; - Selbst im Kon-
zertsaal darf man's nicht wehren. - Und die Sol-
daten draußen frohlocken - Ueber Pulswärmer,
Kopfschals, Binden und Socken. - Sie sind von
Herzen dankbar, die "Grauen", - Unsern "be-
strickenden" deutschen Frauen. St.
</lower right newspaper cutting>
</right column>
-
<left column>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marx , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson = eigentlich Senkkasten für Unterwasserarbeit, hier Kasten aus Holz und Eisenbeschlägen auf der Protze für diverses Material, Protze = einachsiger Karren für den Transport des Geschützes
und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</left column>
<right column>
<upper picture>
<description>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</description>
</upper picture>
<lower left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche Städte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen Reiche gehörten und deren deutscher
Name während der langjährigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part>
<second part>
2. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arras)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Kales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part>
<third part>
3. Nordostfrankreich
<left column>
Badenweiler (Badonviller)
Bisanz (Besançon)
Dattenried (Delle)
Gerbersweiler (Gerbeviller)
Langich (Longwy)
Lünstedt (Lunéville)
Mömpelgard (Montbéliard)
Nanzig (Nancy)
</left column>
<right column>
Neuenburg (Neufchâteau)
Rambertsweiler (Rember-
viller)
Reimersberg (Remiremont)
St. Didel (St. Dié)
Sechsweiler (Villersexel)
Spieneln (Epinal)
Wesel (Vesoul),
</right column>
</third part>
</lower left newspaper cutting>
<lower right newspaper cutting>
Strump ist Trumpf.
"Strumpf ist Trumpf!" So stand jüngst es zu
lesen, - Und ist ein famoses Wort gewesen. -
Es wird gestrickt immerfort, immerfort, - Puls-
wärmer hier, Strümpfe dort. - Es stricken die
Jungen, es stricken die Alten, - Kinder, die knapp
können die Händchen falten. - Alles knibbelt und
knibbelt, als ging's für Geld. - Man strickt für
die Soldaten im Feld. - Bis vor kurzem war's
Stricken noch verpönt. - Wer gestrickt hat im vor-
letzten und letzten Jahrzehnt - Wurde als rück-
ständig befunden. - Wozu waren denn Strick-
maschinen erfunden?! - Dann kam der plun-
drige, flordünne Dr . . . - Wenn zerrissen die
Strümpfe, schmiß man sie weg. - Und nicht nur
für Frauen, auch für männliche Wesen - Ist der
Strickstrumpf einfach ein Nonsens gewesen; -
Denn auch unsre Männer trugen halbe Schuh, -
Und da gehört feines Strumpfwerk dazu. - Heut'
hat das Bild sich gründlich verschoben, - Heut'
strickt man unten, heut' strickt man oben. - Ja-
wohl, auch bei Hofe ist Stricken jetzt Brauch; -
Die Kaiserin strickt, und die Tochter strickt auch. -
Kurz, allüberall im ganzen Land - Sieht man
die strickstrumpfbewehrte Hand. - Das veraltete
Stricken kam wieder zu Ehren; - Selbst im Kon-
zertsaal darf man's nicht wehren. - Und die Sol-
daten draußen frohlocken - Ueber Pulswärmer,
Kopfschals, Binden und Socken. - Sie sind von
Herzen dankbar, die "Grauen", - Unsern "be-
strickenden" deutschen Frauen. St.
</lower right newspaper cutting>
</right column>
-
<left column>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marx , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</left column>
<right column>
<upper picture>
<description>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</description>
</upper picture>
<lower left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche Städte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen Reiche gehörten und deren deutscher
Name während der langjährigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part>
<second part>
2. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arras)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Kales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part>
<third part>
3. Nordostfrankreich
<left column>
Badenweiler (Badonviller)
Bisanz (Besançon)
Dattenried (Delle)
Gerbersweiler (Gerbeviller)
Langich (Longwy)
Lünstedt (Lunéville)
Mömpelgard (Montbéliard)
Nanzig (Nancy)
</left column>
<right column>
Neuenburg (Neufchâteau)
Rambertsweiler (Rember-
viller)
Reimersberg (Remiremont)
St. Didel (St. Dié)
Sechsweiler (Villersexel)
Spieneln (Epinal)
Wesel (Vesoul),
</right column>
</third part>
</lower left newspaper cutting>
<lower right newspaper cutting>
Strump ist Trumpf.
"Strumpf ist Trumpf!" So stand jüngst es zu
lesen, - Und ist ein famoses Wort gewesen. -
Es wird gestrickt immerfort, immerfort, - Puls-
wärmer hier, Strümpfe dort. - Es stricken die
Jungen, es stricken die Alten, - Kinder, die knapp
können die Händchen falten. - Alles knibbelt und
knibbelt, als ging's für Geld. - Man strickt für
die Soldaten im Feld. - Bis vor kurzem war's
Stricken noch verpönt. - Wer gestrickt hat im vor-
letzten und letzten Jahrzehnt - Wurde als rück-
ständig befunden. - Wozu waren denn Strick-
maschinen erfunden?! - Dann kam der plun-
drige, flordünne Dr . . . - Wenn zerrissen die
Strümpfe, schmiß man sie weg. - Und nicht nur
für Frauen, auch für männliche Wesen - Ist der
Strickstrumpf einfach ein Nonsens gewesen; -
Denn auch unsre Männer trugen halbe Schuh, -
Und da gehört feines Strumpfwerk dazu. - Heut'
hat das Bild sich gründlich verschoben, - Heut'
strickt man unten, heut' strickt man oben. - Ja-
wohl, auch bei Hofe ist Stricken jetzt Brauch; -
Die Kaiserin strickt, und die Tochter strickt auch. -
Kurz, allüberall im ganzen Land - Sieht man
die strickstrumpfbewehrte Hand. - Das veraltete
Stricken kam wieder zu Ehren; - Selbst im Kon-
zertsaal darf man's nicht wehren. - Und die Sol-
daten draußen frohlocken - Ueber Pulswärmer,
Kopfschals, Binden und Socken. - Sie sind von
Herzen dankbar, die "Grauen", - Unsern "be-
strickenden" deutschen Frauen. St.
</lower right newspaper cutting>
</right column>
-
<left column>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</left column>
<right column>
<upper picture>
<description>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</description>
</upper picture>
<lower left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche Städte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen Reiche gehörten und deren deutscher
Name während der langjährigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part>
<second part>
2. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arras)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Kales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part>
<third part>
3. Nordostfrankreich
<left column>
Badenweiler (Badonviller)
Bisanz (Besançon)
Dattenried (Delle)
Gerbersweiler (Gerbeviller)
Langich (Longwy)
Lünstedt (Lunéville)
Mömpelgard (Montbéliard)
Nanzig (Nancy)
</left column>
<right column>
Neuenburg (Neufchâteau)
Rambertsweiler (Rember-
viller)
Reimersberg (Remiremont)
St. Didel (St. Dié)
Sechsweiler ( Villerserel )
Spieneln (Epinal)
Wesel (Vesoul),
</right column>
</third part>
</lower left newspaper cutting>
<lower right newspaper cutting>
Strump ist Trumpf.
"Strumpf ist Trumpf!" So stand jüngst es zu
lesen, - Und ist ein famoses Wort gewesen. -
Es wird gestrickt immerfort, immerfort, - Puls-
wärmer hier, Strümpfe dort. - Es stricken die
Jungen, es stricken die Alten, - Kinder, die knapp
können die Händchen falten. - Alles knibbelt und
knibbelt, als ging's für Geld. - Man strickt für
die Soldaten im Feld. - Bis vor kurzem war's
Stricken noch verpönt. - Wer gestrickt hat im vor-
letzten und letzten Jahrzehnt - Wurde als rück-
ständig befunden. - Wozu waren denn Strick-
maschinen erfunden?! - Dann kam der plun-
drige, flordünne Dr . . . - Wenn zerrissen die
Strümpfe, schmiß man sie weg. - Und nicht nur
für Frauen, auch für männliche Wesen - Ist der
Strickstrumpf einfach ein Nonsens gewesen; -
Denn auch unsre Männer trugen halbe Schuh, -
Und da gehört feines Strumpfwerk dazu. - Heut'
hat das Bild sich gründlich verschoben, - Heut'
strickt man unten, heut' strickt man oben. - Ja-
wohl, auch bei Hofe ist Stricken jetzt Brauch; -
Die Kaiserin strickt, und die Tochter strickt auch. -
Kurz, allüberall im ganzen Land - Sieht man
die strickstrumpfbewehrte Hand. - Das veraltete
Stricken kam wieder zu Ehren; - Selbst im Kon-
zertsaal darf man's nicht wehren. - Und die Sol-
daten draußen frohlocken - Ueber Pulswärmer,
Kopfschals, Binden und Socken. - Sie sind von
Herzen dankbar, die "Grauen", - Unsern "be-
strickenden" deutschen Frauen. St.
</lower right newspaper cutting>
</right column>
-
<newspaper cuttings on the left side>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the left side>
<newspaper cuttings on the right side>
<upper picture>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</upper picture>
<left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche STädte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen REiche gehörten und deren deutscher
Name während der langj#hrigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part: Belgium>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part: Belgium>
<second part: Northern France>
1. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arras)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Kales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part: Northern France>
<third part: Northeast France>
1. Nordostfrankreich
<left column>
Badenweiler (Badonviller)
Bisanz (Besançon)
Dattenried (Delle)
Gerbersweiler (Gerbeviller)
Langich (Longwy)
Lünstedt (Lunéville)
Mömpelgard (Montbéliard)
Nanzig (Nancy)
</left column>
<right column>
Neuenburg (Neufchâteau)
Rambertsweiler (Rember-
viller)
Reimersberg (Remiremont)
St. Didel (St. Dié)
Sechsweiler ( Villerserel )
Spieneln (Epinal)
Wesel (Vesoul),
</right column>
</third part: Northeast France>
</left newspaper cutting>
<right newspaper cutting>
Strump ist Trumpf.
"Strumpf ist Trumpf!" So stand jüngst es zu
lesen, - Und ist ein famoses Wort gewesen. -
Es wird gestrickt immerfort, immerfort, - Puls-
wärmer hier, Strümpfe dort. - Es stricken die
Jungen, es stricken die Alten, - Kinder, die knapp
können die Händchen falten. - Alles knibbelt und
knibbelt, als ging's für Geld. - Man strickt für
die Soldaten im Feld. - Bis vor kurzem war's
Stricken noch verpönt. - Wer gestrickt hat im vor-
letzten und letzten Jahrzehnt - Wurde als rück-
ständig befunden. - Wozu waren denn Strick-
maschinen erfunden?! - Dann kam der plun-
drige, flordünne Dr . . . - Wenn zerrissen die
Strümpfe, schmiß man sie weg. - Und nicht nur
für Frauen, auch für männliche Wesen - Ist der
Strickstrumpf einfach ein Nonsens gewesen; -
Denn auch unsre Männer trugen halbe Schuh, -
Und da gehört feines Strumpfwerk dazu. - Heut'
hat das Bild sich gründlich verschoben, - Heut'
strickt man unten, heut' strickt man oben. - Ja-
wohl, auch bei Hofe ist Stricken jetzt Brauch; -
Die Kaiserin strickt, und die Tochter strickt auch. -
Kurz, allüberall im ganzen Land - Sieht man
die strickstrumpfbewehrte Hand. - Das veraltete
Stricken kam wieder zu Ehren; - Selbst im Kon-
zertsaal darf man's nicht wehren. - Und die Sol-
daten draußen frohlocken - Ueber Pulswärmer,
Kopfschals, Binden und Socken. - Sie sind von
Herzen dankbar, die "Grauen", - Unsern "be-
strickenden" deutschen Frauen. St.
</right newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the right side>
-
<newspaper cuttings on the left side>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the left side>
<newspaper cuttings on the right side>
<upper picture>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</upper picture>
<left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche STädte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen REiche gehörten und deren deutscher
Name während der langj#hrigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part: Belgium>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part: Belgium>
<second part: Northern France>
1. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arras)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Kales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part: Northern France>
<third part: Northeast France>
1. Nordostfrankreich
<left column>
Badenweiler (Badonviller)
Bisanz (Besançon)
Dattenried (Delle)
Gerbersweiler (Gerbeviller)
Langich (Longwy)
Lünstedt (Lunéville)
Mömpelgard (Montbéliard)
Nanzig (Nancy)
</left column>
<right column>
Neuenburg (Neufchâteau)
Rambertsweiler (Rember-
viller)
Reimersberg (Remiremont)
St. Didel (St. Dié)
Sechsweiler ( Villerserel )
Spieneln (Epinal)
Wesel (Vesoul),
</right column>
</third part: Northeast France>
</left newspaper cutting>
<right newspaper cutting>
</right newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the right side>
-
<newspaper cuttings on the left side>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the left side>
<newspaper cuttings on the right side>
<upper picture>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</upper picture>
<left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche STädte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen REiche gehörten und deren deutscher
Name während der langj#hrigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part: Belgium>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part: Belgium>
<second part: Northern France>
1. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arras)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Kales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part: Northern France>
</left newspaper cutting>
<right newspaper cutting>
</right newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the right side>
-
<newspaper cuttings on the left side>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the left side>
<newspaper cuttings on the right side>
<upper picture>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</upper picture>
<left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche STädte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen REiche gehörten und deren deutscher
Name während der langj#hrigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part: Belgium>
1. Belgien
<left column>
Aalst (Alost)
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Dixmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part: Belgium>
<second part: Northern France>
1. Nordfrankreich
<left column>
Atrecht (Arvas)
Boonen (Boulogne)
Dünkirchen (Dunkerque)
</left column>
<right column>
Grevelingen (Gravelines)
Nales (Calais)
Ryssel (Lille)
</right column>
</second part: Northern France>
</left newspaper cutting>
<right newspaper cutting>
</right newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the right side>
-
<newspaper cuttings on the left side>
<big newspaper article>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Caisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</big newspaper article>
<small lower newspaper cutting>
O ahnungsvoller Engel du . . .
"Als unser Mädchen morgens auf dem Tisch im
"Lokal-Anzeiger" die Nummer mit der fett-
gedruckten Ueberschrift: "Der europäische Krieg"
sieht und die Wort [sic] liest, sagt sie in kläglichem
Tone: "Ach Gott, nun fängt Europa auch noch
an!" und war höchlichst erstaunt über unser
Lachen."
</small lower left newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the left side>
<newspaper cuttings on the right side>
<upper picture>
Das berühmte Rathaus und die Kathedrale von Löwen. (Mit Text)
</upper picture>
<left newspaper cutting>
Deutsche Städtenamen
in Belgien und Frankreich.
Da die deutsche Postverwaltung in Belgien die
Absicht hat, für die Orte im wallonischen Belgien
und in Nordfrankreich wieder die deutschen Namen
einzuführen, so ist es für uns Deutsche in der
Heimat von Interesse, zu wissen, welche STädte
gemeint sind, wenn wir von nun ab die deutsche
Bezeichnung anstatt der vielleicht geläufigeren
französischen Benennung lesen. Es handelt sich in
erster Linie um solche Orte, die ehemals zum
deutschen REiche gehörten und deren deutscher
Name während der langj#hrigen Trennung vom
deutschen Reiche meist in Vergessenheit geraten ist,
bisweilen sich in niederdeutscher (flämischer)
Form erhalten hat.
Beifolgend ein Verzeichnis der wichtigeren
Städte in Belgien und dem französischen Grenzgebiet:
<first part: Belgium>
1. Belgien
<left column>
Aalst ( Alost )
Arel (Arlon)
Bergen (Mons)
Dendermonde (Termonde)
Duxmuiden (Dixmude)
Doornijk (Tournai)
Kortrijk (Courtrai)
Lier (Lierre)
</left column>
<right column>
Mecheln (Malines)
Namen (Namur)
Nieuwpoort (Nieuport)
Oudenaarde (Audenarde)
Pousselaere (Roulers)
Thienen (Tirlemont)
Veurne (Furnes)
Ypern (Ypres)
</right column>
</first part: Belgium>
</left newspaper cutting>
<right newspaper cutting>
</right newspaper cutting>
</newspaper cuttings on the right side>
-
<left newspaper cutting>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Taisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das Stampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die Stille, und dann hob der Gesang
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der Gesang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige Stimme der Hörner.
So zog die Armee 7 Stunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die Stadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. Es floß wie
ein Strom von Stahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den Steinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen, waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</left newspaper cutting>
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<left newspaper cutting>
Wie die deutsche Armee durch Brüssel marschierte.
Mitgeteilt von Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n.
Richard Harding Davis, Korrespondent der
New York Tribune, telegraphiert aus Brüssel,
den 21. August, 2 Uhr nachmittags:
Der Einzug der deutschen Truppen in Brüssel
zeigt Eigentümlichkeiten, die über die menschliche
Natur hinausgehen. Das rein Menschliche ging
verloren, ging mit dem Augenblick verloren, da
die drei Radfahrer, die der Armee als Führer
dienten, in den "Boulevard du Regent" ein-
schwenkten und nach dem Wege zur Gare du Nord
fragten.
Was folgte und noch weitere 24 Stunden folgen
sollte, war nicht der Durchmarsch von Menschen,
sondern ein Naturereignis, eine Flutwelle, eine
Lawine oder ein Fluß, der seine Ufer über-
schwemmt.
Beim Anblick der ersten Regimenter des Fein-
des bebten wir vor Interesse. Nachdem sie drei
Stunden lang in einer ununterbrochenen stahl-
grauen Kolonne vorübermarschiert waren, fanden
wir es unerträglich langweilig. Als aber Stunde
auf Stunde hinging, ohne Halt, ohne Zeit zum
Atemschöpfen, ohne Zwischenraum in den Reihen,
da wurde es unheimlich, übermenschlich. Man
kehrte zurück, um zu beobachten, und starrte wie
bezaubert hin. Es war wie das Geheimnis und
wie die Drohung eines von der See her gegen uns
vorrückenden Nebels.
Das Grau der Uniformen von Mannschaft und
Offizieren begünstigte die Vorstellung des Ge-
heimnisvollen. Nur das schärfste Auge konnte
unter den Tausenden, die vorüberzogen, den ge-
ringsten Unterschied entdecken. Sie alle bewegten
sich unter dem Schirm unsichtbarer Hüllen. Nur
nach zahlreichen und sorgfältigsten Versuchen, die
jede Entfernung in Betracht gezogen, alle Mate-
rialien und Farben geprüft hatten, kann dieses
Grau entdeckt worden sein. Daß es gewählt wurde,
um zu verhüllen und die Deutschen zu verbergen,
wenn sie kämpfen, ist für den deutschen General-
stab charakteristisch. Er überläßt nichts dem
Zufall und unterschätzt kein Detail, das den
Erfolg sichern kann. Hat man diese Felduniform
in ganz heterogenen Lagen gesehen, so überzeugt
man sich, daß sie die wirksamste Waffe der
deutschen Soldaten ist. Auch der beste Schütze
kann ein Ziel nicht treffen, das er nicht sieht.
Es ist ein Graugrün, nicht das Blaugrün unserer
Bundesgenossen. Es ist das Grau der Stunde
vor Tagesanbruch, das Grau unpolierten Stahls,
das Grau des Nebels zwischen grünen Bäumen.
Ich sah es zunächst auf dem großen Platz gegen-
über dem Hôtel de Ville. Es war unmöglich, zu
sagen, ob in diesem schönen Square ein Regiment
oder eine Brigade war. Man sah nur einen
Nebel, der mit den Steinen verschmolz, mit der
Front der alten Häuser sich verband, hin und her
wogte, aber nichts nachließ, woran der Blick hätte
haften können.
Später, als die Armee an meinem Fenster vor-
überzog, unter den Bäumen des Botanischen
Gartens, tauchte es unter und verlor sich im
grünen Laub. Es ist keine Uebertreibung, wenn
ich sage, daß man auf hundert Schritt noch die
Pferde der Ulanen, aber nicht die Reiter sehen
kann.
Wenn es scheint, als ob ich zu emphatisch von
dieser verhüllenden Uniform rede, so geschieht es,
weil es von allen Einzelheiten der deutschen Aus-
stattung mir als die meist bemerkenswerte er-
schien. Jüngst, als ich bei der Nachhut der fran-
zösischen Dragoner und Kürassiere war und sie
ihre Piketts aufstellten, konnten wir sie unter dem
gelben Weizen oder dem grünen Korn noch auf
eine halbe Meile erkennen, während jene Männer,
die in der Straße vorbeizogen, an der nächsten Ecke
mit dem Grau des Pflasters verschmolzen und die
Erde sie gleichsam verschlungen hatte. Im Ver-
gleich damit ist das Khaki unserer amerikanischen
Armee so unsichtbar wie die spanische Flagge.
Gestern versprach Generalmajor von Jarotzki ,
der deutsche Militärgourverneur von Brüssel, dem
Bürgermeister Marr , daß die deutsche Armee die
Stadt nicht besetzen, sondern durchmarschieren
würde. Sie marschiert noch immer durch. Ich
habe sechs Armeen ins Feld ziehen sehen und sie
begleitet, darunter unsere, die britische und japa-
nische, aber keine gesehen, die so sorgfältig equi-
piert und organisiert gewesen wäre wie die deut-
sche . . . Diese Armee ist seit drei Wochen in aktivem
Dienst gewesen, und noch fehlt kein Zügel und kein
Hufnagel. Sie zog ein mit dampfenden Feld-
küchen auf Rädern, und eine Stunde danach waren
die Postwagen in Stand gesetzt, und berittene
Boten galoppierten die Reihen entlang, ver-
teilten die Feldpostbriefe und nahmen die Post-
karten der Soldaten in Empfang.
Die Infanterie kam in Reihen zu fünf, 200
Mann in jeder Kampagnie, die Lanzenreiter in
Kolonnen zu vier, und kein Wimpel fehlte. Die
schnellfeuernden Geschütze und die Feldartillerie
brauchten eine Stunde zum Durchmarsch, jedes
Geschütz mit Taisson und Munitionswagen brauch-
te 20 Sekunden, um vorbeizuziehen. Zeitweilig
sangen 2000 Mann zusammen, durchaus in Rhyth-
mus und Takt. War die Melodie verklungen, so
unterbrach nur das STampfen der eisenbeschlage-
nen Stiefel die STille, und dann hob der GEsagng
wieder an. Deutschland, Deutschland über alles!
Hörte der GEsang auf, so spielte die Musik Märsche.
Dann folgte das Rollen der Belagerungsgeschütze,
das Knarren der Räder, das Rasseln von Ketten
und die scharfe, glockenartige STimme der Hörner.
So zog die ARmee 7 STunden lang in geschlosse-
nen Kolonnen durch die STadt, daß kein Fuhrwerk
und keine Droschke vorbei konnte. ES floß wie
ein STrom von STahl, grau und gespenstisch. Dann,
als es zu dunkeln begann und Tausende von
festen Stiefeln weiter marschierten, leuchteten
kleine Funken von den STeinen auf, aber Pferde
und Mannschaft, von denen die Funken aus-
gingen waren unsichtbar.
Um Mitternacht zogen noch immer Proviant-
wagen und Belagerungsgeschütze vorüber. Um
7 Uhr morgens erwachte ich vom Tritt der Mann-
schaft und von lustig spielender Feldmusik. Ob
die ganze Nacht hindurch marschiert wurde, weiß
ich nicht; aber jetzt sind 26 Stunden im Durch-
marschieren der grauen Armee hingezogen, ge-
heimnisvoll wie der Nebel und ausdauernd wie
eine Dampfwalze.
</left newspaper cutting>
Description
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Brüssel
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Löwen
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Berlin-Lichterfelde
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- Wilfried Schulze-Weser
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