Kriegstagebuch von Walther Huth, item 8

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...linke Seite

trat eine Wendung in unserer Ausbildung ein.

Was uns Hauptmann v. Bismarck nicht hatte

sein können, ein Vater, das wurde uns unser

schneidiger kleiner Kompagniebader (Hauptmann

Bader, sonst Kommerzienrat), der König der

2. Komp. Mit ihm kam ein neuer, frischer

Geist in die Kompagnie und von da an war

die 2. immer allen anderen voran. Das langweilige

Exerzieren auf dem Kasernenhof,

fiel fast ganz weg (Bismarck hatte es der Bequemlichkeit

halber so sehr geliebt). Und dann kam die

Glanzperiode der Ausbildung: "Döberitz". Ein 5

stündiger Marsch, dazu nur 1/2 Std. Pause, mit vollem

Affen [Tornister) in glühendem Sonnenbrand war gewiß

keine Kleinigkeit, aber von unserer Kompagnie hat

keiner versagt, das freute unsern Vater, und er

ließ uns mehr Freiheiten, er wußte überhaupt,

daß verbotne Früchte am besten schmecken, und daß

man Erlaubtes so gut wie garnicht ausnutzt, das

war seine Politik. Mit Gefechtsschießen und

Regimentsübungen schloß die Döberitzer Woche.

Anschließend an eine große Regimentsübung marschierten

wir heim: es war ein anstrengender Tag.

     In Berlin winkte uns die mit Sehnsucht


...rechte Seite

erwartete feldgraue Uniform. Hier zeigte es sich wieder,

wie wenige den Ernst der Lage erfaßt hatten, man

freute sich darauf, die blaue Kluft, der Döberitz

nun wirklich den Rest gegeben hatte, auszuziehen

und stolz wie ein Spanier als alter Krieger

in Grau zu erscheinen. Die Einkleidung fand

am Sonnabend statt: Doch mit des Geschickes

Mächten ist kein ewger Bund zu flechten oder

erstens kommt es anders zweitens als

man denkt, in der Parole wurde verboten,

am Sonnabend und Sonntag in Grau

auszugehen. Die langen Gesichter !

      Nun ging es von Tag zu Tag hastiger

vorwärts mit der Abgabe der alten und dem

Empfang der neuen Sachen, Ruhe gab es nicht mehr,

oder nur wenig. Eine Nachtübung von nachmittags

2 Uhr bis abends 11 Uhr bei kaltem, nassem

Wetter brachte mich auf den Hund. Magenerkältung,

anschließend Mandelentzündung und ausgerechnet

große Schwäche nach durchwachter Nacht

am Sonnabend, d. 26. IX., wo es wieder nach

Döberitz ging. Fahrt von einem Bahnhof hinter

Lehrter Bahnhof (Quitzowstr.), von uns 1 Std. zu

laufen, nach Station Döberitz. Die krummen



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trat eine Wendung in unserer Ausbildung ein.

Was uns Hauptmann v. Bismarck nicht hatte

sein können, ein Vater, das wurde uns unser

schneidiger kleiner Kompagniebader (Hauptmann

Bader, sonst Kommerzienrat), der König der

2. Komp. Mit ihm kam ein neuer, frischer

Geist in die Kompagnie und von da an war

die 2. immer allen anderen voran. Das langweilige

Exerzieren auf dem Kasernenhof,

fiel fast ganz weg (Bismarck hatte es der Bequemlichkeit

halber so sehr geliebt). Und dann kam die

Glanzperiode der Ausbildung: "Döberitz". Ein 5

stündiger Marsch, dazu nur 1/2 Std. Pause, mit vollem

Affen [Tornister) in glühendem Sonnenbrand war gewiß

keine Kleinigkeit, aber von unserer Kompagnie hat

keiner versagt, das freute unsern Vater, und er

ließ uns mehr Freiheiten, er wußte überhaupt,

daß verbotne Früchte am besten schmecken, und daß

man Erlaubtes so gut wie garnicht ausnutzt, das

war seine Politik. Mit Gefechtsschießen und

Regimentsübungen schloß die Döberitzer Woche.

Anschließend an eine große Regimentsübung marschierten

wir heim: es war ein anstrengender Tag.

     In Berlin winkte uns die mit Sehnsucht


...rechte Seite

erwartete feldgraue Uniform. Hier zeigte es sich wieder,

wie wenige den Ernst der Lage erfaßt hatten, man

freute sich darauf, die blaue Kluft, der Döberitz

nun wirklich den Rest gegeben hatte, auszuziehen

und stolz wie ein Spanier als alter Krieger

in Grau zu erscheinen. Die Einkleidung fand

am Sonnabend statt: Doch mit des Geschickes

Mächten ist kein ewger Bund zu flechten oder

erstens kommt es anders zweitens als

man denkt, in der Parole wurde verboten,

am Sonnabend und Sonntag in Grau

auszugehen. Die langen Gesichter !

      Nun ging es von Tag zu Tag hastiger

vorwärts mit der Abgabe der alten und dem

Empfang der neuen Sachen, Ruhe gab es nicht mehr,

oder nur wenig. Eine Nachtübung von nachmittags

2 Uhr bis abends 11 Uhr bei kaltem, nassem

Wetter brachte mich auf den Hund. Magenerkältung,

anschließend Mandelentzündung und ausgerechnet

große Schwäche nach durchwachter Nacht

am Sonnabend, d. 26. IX., wo es wieder nach

Döberitz ging. Fahrt von einem Bahnhof hinter

Lehrter Bahnhof (Quitzowstr.), von uns 1 Std. zu

laufen, nach Station Döberitz. Die krummen




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  • February 16, 2017 20:25:59 Rolf Kranz

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    trat eine Wendung in unserer Ausbildung ein.

    Was uns Hauptmann v. Bismarck nicht hatte

    sein können, ein Vater, das wurde uns unser

    schneidiger kleiner Kompagniebader (Hauptmann

    Bader, sonst Kommerzienrat), der König der

    2. Komp. Mit ihm kam ein neuer, frischer

    Geist in die Kompagnie und von da an war

    die 2. immer allen anderen voran. Das langweilige

    Exerzieren auf dem Kasernenhof,

    fiel fast ganz weg (Bismarck hatte es der Bequemlichkeit

    halber so sehr geliebt). Und dann kam die

    Glanzperiode der Ausbildung: "Döberitz". Ein 5

    stündiger Marsch, dazu nur 1/2 Std. Pause, mit vollem

    Affen [Tornister) in glühendem Sonnenbrand war gewiß

    keine Kleinigkeit, aber von unserer Kompagnie hat

    keiner versagt, das freute unsern Vater, und er

    ließ uns mehr Freiheiten, er wußte überhaupt,

    daß verbotne Früchte am besten schmecken, und daß

    man Erlaubtes so gut wie garnicht ausnutzt, das

    war seine Politik. Mit Gefechtsschießen und

    Regimentsübungen schloß die Döberitzer Woche.

    Anschließend an eine große Regimentsübung marschierten

    wir heim: es war ein anstrengender Tag.

         In Berlin winkte uns die mit Sehnsucht


    ...rechte Seite

    erwartete feldgraue Uniform. Hier zeigte es sich wieder,

    wie wenige den Ernst der Lage erfaßt hatten, man

    freute sich darauf, die blaue Kluft, der Döberitz

    nun wirklich den Rest gegeben hatte, auszuziehen

    und stolz wie ein Spanier als alter Krieger

    in Grau zu erscheinen. Die Einkleidung fand

    am Sonnabend statt: Doch mit des Geschickes

    Mächten ist kein ewger Bund zu flechten oder

    erstens kommt es anders zweitens als

    man denkt, in der Parole wurde verboten,

    am Sonnabend und Sonntag in Grau

    auszugehen. Die langen Gesichter !

          Nun ging es von Tag zu Tag hastiger

    vorwärts mit der Abgabe der alten und dem

    Empfang der neuen Sachen, Ruhe gab es nicht mehr,

    oder nur wenig. Eine Nachtübung von nachmittags

    2 Uhr bis abends 11 Uhr bei kaltem, nassem

    Wetter brachte mich auf den Hund. Magenerkältung,

    anschließend Mandelentzündung und ausgerechnet

    große Schwäche nach durchwachter Nacht

    am Sonnabend, d. 26. IX., wo es wieder nach

    Döberitz ging. Fahrt von einem Bahnhof hinter

    Lehrter Bahnhof (Quitzowstr.), von uns 1 Std. zu

    laufen, nach Station Döberitz. Die krummen



Description

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  • 52.51535166856354||12.99589031328128||

    Truppenübungsplatz Döberitz

  • 51.13054289999999||13.577913399999943||

    Coswig (bei Dresden)

    ||1
Location(s)
  • Story location Coswig (bei Dresden)
  • Document location Truppenübungsplatz Döberitz
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ID
2655 / 33553
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Friedrich-Carl Hoffmann
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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