Zeitungen aus der Kriegszeit 1914, item 11

Edit transcription:
...
Transcription saved
Enhance your transcribing experience by using full-screen mode

Transcription

You have to be logged in to transcribe. Please login or register and click the pencil-button again

 item 11 

lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

    Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                       gez. Wilhelm.

                                    II. Der Zar an den Kaiser.

                                                Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

    Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

werde widerstehen können und gezwungen sein

werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

weit zu gehen.

                                                                            gez. Nikolaus.

                        III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                   29. Juli, 6.30 nachm.

    Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vorgehen

nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oesterreich-Ungarn

weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des österreichischen

Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territorialen

Eroberungen auf Kosten Serbiens beabsichtige.

Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

 - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auf

Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

angenommen habe, untergraben.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                               IV. Der Kaiser an den Zaren.

    Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mitteilung

der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freundschaftlicher

Weise betrautest, und die ich auf Deine

ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung

für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                  gez. Wilhelm.

                              V. Der Zar an den Kaiser. 

                                               Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

    Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich entsende

heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen beschlossen

worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

uns kommt.

                                                                                     gez. Nikolaus.

                                                    *

    Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Botschafter

in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

inhaltsschwere Depesche, die den

                                       Krieg mit Frankreich

im Gefolge gehabt hat, lautet:

    Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

im Falle eines deutsch-russischen Krieges

neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

geböten. 

                           Die Kriegserklärung an Rußland.

    Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

    "Falls die russische Regierung keine befriedigende Antwort

auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

folgende Erklärung überreichen:

    Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht gewesen,

sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu übernehmen,

als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mobilisation

seiner gesamten Macht zu Lande und zu

Wasser schritt.

    Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutschlands

begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Gefahr. 

 Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

    Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

Namen des Reiches die Herausforderung an und betrachtet

sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

    Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

    Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

Botschaft übergeben."

    Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                            _____________________________


 2. Spalte 

                                             Zur Reichstagseröffnung.

    Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Generalsuniform

das Band des Schwarzen Adlerordens.

    Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

    Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichstagsabgeordneten,

die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubelrufe.

    Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                   Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                  der Kriegsteilnehmer.

    § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

    1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

Krankenpflege. 

     2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, insofern

er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unterhalts

nachgekommen ist.

    3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und geschiedenen

Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

    4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

sollen mindestens betragen:

    a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

   monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

    b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

    §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                 Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

    Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeordnete

Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird daher

der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                   Italien bleibt neutral.

                   Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                     Rom, 4. August.

    Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Erklärung

des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

befinden, Italien aber sich im Zustande des

Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutralität

zu beobachten. 

    Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

    Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

übersehen.

                        Englands Bedingungen.

        Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                      London, 4. August.

    Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neutralität

verpflichte, Deutschland bereit sei, die

Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

der Neutralität Belgiens werde jede Minute

wichtiger. Deutschland könne seine verpflichtende

Zusicherung in bezug auf die Neutralität

Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

zu entsenden.

    Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

               Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

    Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von französischen

Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

    Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

Untertanen.

                         Amerika macht sein Geschäft.

                                                            Washington, 4. August.

    Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu ermächtigen,

Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförderung

von Post, Passagieren und Frachten nach Südamerika

und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Repräsentantenhaus.

                   Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                           Kopenhagen, 4. August.

    Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde eingestellt.

                           Alles geht wie am Schnürchen.

    Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammenziehung

der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Bevölkerung

in unsere militärische Organisation ist glänzend gerechtfertigt.

    Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Gestellungsorder

gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ordnung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                   _______________________

                                            Theater.

    "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen Anknüpfungen

an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders lebhaft

wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten Anspielungen

auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

aufgenommen.

    250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspielhaus

feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

-Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die temperamentvolle

Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

will.

                                  ________________________              

                                          Letzte Post

                       Nottrauung des Prinzen Adalbert.

    Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

Verlobten  statt.

                                    _____________________

    Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donnerstag

abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtverordnetenversammlung

einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Beschaffung

 von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

Stellung zu nehmen.

                                  _______________________

    Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zugunsten

einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

bewilligt.

    Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Entwürfe an.

    Stockholm, 4. August. Die schwedische Regierung hat Schwedens

absolute Neutralität während der gegenwärtigen

Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.


Berliner Produktenbörse.

 siehe oben 


Witterungsbeobachtungen in Berlin. 4. August 1914.                                                         

                                 Luftdruck           Temp.          Windrichtung           Bewölk.          Luft-    

August                       in 55 m             Cels.                  und                       0-10            feuchtigkeit

                                  Seehöhe                                  Stärke 0-12                                    in %               

3. 9 Uhr abends       755,1                20,8                  O 1                           6                   56

4. 7 Uhr vorm.          751,2                16,8                  O 2                           9                   79

4. 2 Uhr nachm.       750,5                17,7                  W 3                           9                   88

3. August: Höchste Temperatur 24,4° C.        Niedrigste Temperatur 17,6° C.

Tagesmittel 20,6° C.       Normales Tagesmittel 18,4° C.

Morgen voraussichtliches Wetter in Berlin und Umgegend.

Ein wenig kühler, veränderlich, vielfach wolkig mit Regenfällen und

ziemlich frischen südwestlichen Winden. 

Allgemeine Wetteraussichten für Deutschland.  In Nordwest- und

Mitteldeutschland sehr windig und vielfach starke, im Osten und Süden

schwächere Regenfälle, strichweise Gewitter.

Wetter in Deutschland. Unter dem Einflusse eines bei Schottland

gelegenen tiefen barometrischen Minimums, das sein Gebiet auf ganz

Nordwest-und Mitteleuropa ausgedehnt zu haben scheint, herrscht jetzt im

größten Teile Deutschlands trübes Wetter. Im Nordwesten und Süden

haben seit gestern nachmittag wieder vielfach Regenfälle stattgefunden, die

am Morgen bei mäßigen südwestlichen Winden fortdauern. Auch im mittleren

Norddeutschland ist nach vorübergehender Aufheiterung in der Nacht

neuerdings Regen eingetreten. Nur im Nordosten, bis etwa zur Oder

hin, ist das Wetter in den letzen 24 Stunden größtenteils trocken und

teilweise heiter geblieben. Die Temperaturen sind in Ostpreußen und

Oberbayern etwas gestiegen, sonst meist ein wenig gesunken.

Sonnenaufgang    4 Uhr 32 Min.    Mondaufgang  8 Uhr - Min abds.

Sonnenuntergang  7 Uhr 51 Min.  Monduntergang   3 Uhr 10 Min. nachts.

                                      _____________________________

 Impressum siehe item 7 

Transcription saved

 item 11 

lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

    Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                       gez. Wilhelm.

                                    II. Der Zar an den Kaiser.

                                                Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

    Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

werde widerstehen können und gezwungen sein

werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

weit zu gehen.

                                                                            gez. Nikolaus.

                        III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                   29. Juli, 6.30 nachm.

    Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vorgehen

nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oesterreich-Ungarn

weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des österreichischen

Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territorialen

Eroberungen auf Kosten Serbiens beabsichtige.

Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

 - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auf

Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

angenommen habe, untergraben.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                               IV. Der Kaiser an den Zaren.

    Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mitteilung

der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freundschaftlicher

Weise betrautest, und die ich auf Deine

ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung

für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                  gez. Wilhelm.

                              V. Der Zar an den Kaiser. 

                                               Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

    Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich entsende

heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen beschlossen

worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

uns kommt.

                                                                                     gez. Nikolaus.

                                                    *

    Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Botschafter

in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

inhaltsschwere Depesche, die den

                                       Krieg mit Frankreich

im Gefolge gehabt hat, lautet:

    Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

im Falle eines deutsch-russischen Krieges

neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

geböten. 

                           Die Kriegserklärung an Rußland.

    Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

    "Falls die russische Regierung keine befriedigende Antwort

auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

folgende Erklärung überreichen:

    Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht gewesen,

sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu übernehmen,

als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mobilisation

seiner gesamten Macht zu Lande und zu

Wasser schritt.

    Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutschlands

begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Gefahr. 

 Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

    Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

Namen des Reiches die Herausforderung an und betrachtet

sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

    Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

    Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

Botschaft übergeben."

    Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                            _____________________________


 2. Spalte 

                                             Zur Reichstagseröffnung.

    Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Generalsuniform

das Band des Schwarzen Adlerordens.

    Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

    Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichstagsabgeordneten,

die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubelrufe.

    Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                   Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                  der Kriegsteilnehmer.

    § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

    1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

Krankenpflege. 

     2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, insofern

er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unterhalts

nachgekommen ist.

    3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und geschiedenen

Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

    4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

sollen mindestens betragen:

    a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

   monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

    b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

    §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                 Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

    Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeordnete

Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird daher

der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                   Italien bleibt neutral.

                   Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                     Rom, 4. August.

    Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Erklärung

des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

befinden, Italien aber sich im Zustande des

Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutralität

zu beobachten. 

    Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

    Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

übersehen.

                        Englands Bedingungen.

        Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                      London, 4. August.

    Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neutralität

verpflichte, Deutschland bereit sei, die

Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

der Neutralität Belgiens werde jede Minute

wichtiger. Deutschland könne seine verpflichtende

Zusicherung in bezug auf die Neutralität

Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

zu entsenden.

    Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

               Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

    Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von französischen

Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

    Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

Untertanen.

                         Amerika macht sein Geschäft.

                                                            Washington, 4. August.

    Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu ermächtigen,

Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförderung

von Post, Passagieren und Frachten nach Südamerika

und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Repräsentantenhaus.

                   Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                           Kopenhagen, 4. August.

    Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde eingestellt.

                           Alles geht wie am Schnürchen.

    Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammenziehung

der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Bevölkerung

in unsere militärische Organisation ist glänzend gerechtfertigt.

    Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Gestellungsorder

gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ordnung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                   _______________________

                                            Theater.

    "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen Anknüpfungen

an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders lebhaft

wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten Anspielungen

auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

aufgenommen.

    250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspielhaus

feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

-Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die temperamentvolle

Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

will.

                                  ________________________              

                                          Letzte Post

                       Nottrauung des Prinzen Adalbert.

    Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

Verlobten  statt.

                                    _____________________

    Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donnerstag

abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtverordnetenversammlung

einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Beschaffung

 von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

Stellung zu nehmen.

                                  _______________________

    Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zugunsten

einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

bewilligt.

    Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Entwürfe an.

    Stockholm, 4. August. Die schwedische Regierung hat Schwedens

absolute Neutralität während der gegenwärtigen

Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.


Berliner Produktenbörse.

 siehe oben 


Witterungsbeobachtungen in Berlin. 4. August 1914.                                                         

                                 Luftdruck           Temp.          Windrichtung           Bewölk.          Luft-    

August                       in 55 m             Cels.                  und                       0-10            feuchtigkeit

                                  Seehöhe                                  Stärke 0-12                                    in %               

3. 9 Uhr abends       755,1                20,8                  O 1                           6                   56

4. 7 Uhr vorm.          751,2                16,8                  O 2                           9                   79

4. 2 Uhr nachm.       750,5                17,7                  W 3                           9                   88

3. August: Höchste Temperatur 24,4° C.        Niedrigste Temperatur 17,6° C.

Tagesmittel 20,6° C.       Normales Tagesmittel 18,4° C.

Morgen voraussichtliches Wetter in Berlin und Umgegend.

Ein wenig kühler, veränderlich, vielfach wolkig mit Regenfällen und

ziemlich frischen südwestlichen Winden. 

Allgemeine Wetteraussichten für Deutschland.  In Nordwest- und

Mitteldeutschland sehr windig und vielfach starke, im Osten und Süden

schwächere Regenfälle, strichweise Gewitter.

Wetter in Deutschland. Unter dem Einflusse eines bei Schottland

gelegenen tiefen barometrischen Minimums, das sein Gebiet auf ganz

Nordwest-und Mitteleuropa ausgedehnt zu haben scheint, herrscht jetzt im

größten Teile Deutschlands trübes Wetter. Im Nordwesten und Süden

haben seit gestern nachmittag wieder vielfach Regenfälle stattgefunden, die

am Morgen bei mäßigen südwestlichen Winden fortdauern. Auch im mittleren

Norddeutschland ist nach vorübergehender Aufheiterung in der Nacht

neuerdings Regen eingetreten. Nur im Nordosten, bis etwa zur Oder

hin, ist das Wetter in den letzen 24 Stunden größtenteils trocken und

teilweise heiter geblieben. Die Temperaturen sind in Ostpreußen und

Oberbayern etwas gestiegen, sonst meist ein wenig gesunken.

Sonnenaufgang    4 Uhr 32 Min.    Mondaufgang  8 Uhr - Min abds.

Sonnenuntergang  7 Uhr 51 Min.  Monduntergang   3 Uhr 10 Min. nachts.

                                      _____________________________

 Impressum siehe item 7 


Transcription history
  • September 8, 2017 20:11:30 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vorgehen

    nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oesterreich-Ungarn

    weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des österreichischen

    Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territorialen

    Eroberungen auf Kosten Serbiens beabsichtige.

    Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auf

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mitteilung

    der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freundschaftlicher

    Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung

    für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. 

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich entsende

    heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen beschlossen

    worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Botschafter

    in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Antwort

    auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht gewesen,

    sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu übernehmen,

    als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mobilisation

    seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutschlands

    begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Gefahr. 

     Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und betrachtet

    sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    Botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Generalsuniform

    das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichstagsabgeordneten,

    die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubelrufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, insofern

    er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unterhalts

    nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und geschiedenen

    Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeordnete

    Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird daher

    der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Erklärung

    des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutralität

    zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neutralität

    verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflichtende

    Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von französischen

    Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu ermächtigen,

    Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförderung

    von Post, Passagieren und Frachten nach Südamerika

    und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Repräsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde eingestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammenziehung

    der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Bevölkerung

    in unsere militärische Organisation ist glänzend gerechtfertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Gestellungsorder

    gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ordnung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen Anknüpfungen

    an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders lebhaft

    wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten Anspielungen

    auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspielhaus

    feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    -Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die temperamentvolle

    Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________              

                                              Letzte Post

                           Nottrauung des Prinzen Adalbert.

        Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

    Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

    Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

    bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

    vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

    hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

    aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

    Verlobten  statt.

                                        _____________________

        Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

    Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donnerstag

    abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtverordnetenversammlung

    einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

    über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Beschaffung

     von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

    Stellung zu nehmen.

                                      _______________________

        Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

    gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zugunsten

    einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

    bewilligt.

        Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

    alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Entwürfe an.

        Stockholm, 4. August. Die schwedische Regierung hat Schwedens

    absolute Neutralität während der gegenwärtigen

    Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.


    Berliner Produktenbörse.

     siehe oben 


    Witterungsbeobachtungen in Berlin. 4. August 1914.                                                         

                                     Luftdruck           Temp.          Windrichtung           Bewölk.          Luft-    

    August                       in 55 m             Cels.                  und                       0-10            feuchtigkeit

                                      Seehöhe                                  Stärke 0-12                                    in %               

    3. 9 Uhr abends       755,1                20,8                  O 1                           6                   56

    4. 7 Uhr vorm.          751,2                16,8                  O 2                           9                   79

    4. 2 Uhr nachm.       750,5                17,7                  W 3                           9                   88

    3. August: Höchste Temperatur 24,4° C.        Niedrigste Temperatur 17,6° C.

    Tagesmittel 20,6° C.       Normales Tagesmittel 18,4° C.

    Morgen voraussichtliches Wetter in Berlin und Umgegend.

    Ein wenig kühler, veränderlich, vielfach wolkig mit Regenfällen und

    ziemlich frischen südwestlichen Winden. 

    Allgemeine Wetteraussichten für Deutschland.  In Nordwest- und

    Mitteldeutschland sehr windig und vielfach starke, im Osten und Süden

    schwächere Regenfälle, strichweise Gewitter.

    Wetter in Deutschland. Unter dem Einflusse eines bei Schottland

    gelegenen tiefen barometrischen Minimums, das sein Gebiet auf ganz

    Nordwest-und Mitteleuropa ausgedehnt zu haben scheint, herrscht jetzt im

    größten Teile Deutschlands trübes Wetter. Im Nordwesten und Süden

    haben seit gestern nachmittag wieder vielfach Regenfälle stattgefunden, die

    am Morgen bei mäßigen südwestlichen Winden fortdauern. Auch im mittleren

    Norddeutschland ist nach vorübergehender Aufheiterung in der Nacht

    neuerdings Regen eingetreten. Nur im Nordosten, bis etwa zur Oder

    hin, ist das Wetter in den letzen 24 Stunden größtenteils trocken und

    teilweise heiter geblieben. Die Temperaturen sind in Ostpreußen und

    Oberbayern etwas gestiegen, sonst meist ein wenig gesunken.

    Sonnenaufgang    4 Uhr 32 Min.    Mondaufgang  8 Uhr - Min abds.

    Sonnenuntergang  7 Uhr 51 Min.  Monduntergang   3 Uhr 10 Min. nachts.

                                          _____________________________

     Impressum siehe item 7 

  • September 8, 2017 20:05:35 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vorgehen

    nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oesterreich-Ungarn

    weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des österreichischen

    Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territorialen

    Eroberungen auf Kosten Serbiens beabsichtige.

    Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auf

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mitteilung

    der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freundschaftlicher

    Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung

    für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. 

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich entsende

    heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen beschlossen

    worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Botschafter

    in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Antwort

    auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht gewesen,

    sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu übernehmen,

    als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mobilisation

    seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutschlands

    begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Gefahr. 

     Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und betrachtet

    sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    Botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Ge-

    stellungsorder gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ord-

    nung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen An-

    knüpfungen an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders leb-

    haft wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten An-

    spielungen auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspiel-

    haus feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die tempera-

    mentvolle Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________              

                                              Letzte Post

                           Nottrauung des Prinzen Adalbert.

        Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

    Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

    Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

    bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

    vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

    hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

    aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

    Verlobten  statt.

                                        _____________________

        Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

    Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donners-

    tag abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtver-

    ordnetenversammlung einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

    über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Be-

    schaffung  von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

    Stellung zu nehmen.

                                      _______________________

        Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

    gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zu-

    gunsten einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

    bewilligt.

        Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

    alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Ent-

    würfe an.

        Stockholm, 4. August. Die schwedische Regierung hat Schwe-

    dens absolute Neutralität während der gegenwärtigen

    Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.


    Berliner Produktenbörse.

     siehe oben 


    Witterungsbeobachtungen in Berlin. 4. August 1914.                                                         

                                     Luftdruck           Temp.          Windrichtung           Bewölk.          Luft-    

    August                       in 55 m             Cels.                  und                       0-10            feuchtigkeit

                                      Seehöhe                                  Stärke 0-12                                    in %               

    3. 9 Uhr abends       755,1                20,8                  O 1                           6                   56

    4. 7 Uhr vorm.          751,2                16,8                  O 2                           9                   79

    4. 2 Uhr nachm.       750,5                17,7                  W 3                           9                   88

    3. August: Höchste Temperatur 24,4° C.        Niedrigste Temperatur 17,6° C.

    Tagesmittel 20,6° C.       Normales Tagesmittel 18,4° C.

    Morgen voraussichtliches Wetter in Berlin und Umgegend.

    Ein wenig kühler, veränderlich, vielfach wolkig mit Regenfällen und

    ziemlich frischen südwestlichen Winden. 

    Allgemeine Wetteraussichten für Deutschland.  In Nordwest- und

    Mitteldeutschland sehr windig und vielfach starke, im Osten und Süden

    schwächere Regenfälle, strichweise Gewitter.

    Wetter in Deutschland. Unter dem Einflusse eines bei Schottland

    gelegenen tiefen barometrischen Minimums, das sein Gebiet auf ganz

    Nordwest-und Mitteleuropa ausgedehnt zu haben scheint, herrscht jetzt im

    größten Teile Deutschlands trübes Wetter. Im Nordwesten und Süden

    haben seit gestern nachmittag wieder vielfach Regenfälle stattgefunden, die

    am Morgen bei mäßigen südwestlichen Winden fortdauern. Auch im mitt-

    leren Norddeutschland ist nach vorübergehender Aufheiterung in der Nacht

    neuerdings Regen eingetreten. Nur im Nordosten, bis etwa zur Oder

    hin, ist das Wetter in den letzen 24 Stunden größtenteils trocken und

    teilweise heiter geblieben. Die Temperaturen sind in Ostpreußen und

    Oberbayern etwas gestiegen, sonst meist ein wenig gesunken.

    Sonnenaufgang    4 Uhr 32 Min.    Mondaufgang  8 Uhr - Min abds.

    Sonnenuntergang  7 Uhr 51 Min.  Monduntergang   3 Uhr 10 Min. nachts.

                                          _____________________________

     Impressum siehe item 7 


  • August 26, 2017 18:39:11 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Ge-

    stellungsorder gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ord-

    nung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen An-

    knüpfungen an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders leb-

    haft wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten An-

    spielungen auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspiel-

    haus feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die tempera-

    mentvolle Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________              

                                              Letzte Post

                           Nottrauung des Prinzen Adalbert.

        Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

    Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

    Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

    bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

    vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

    hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

    aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

    Verlobten  statt.

                                        _____________________

        Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

    Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donners-

    tag abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtver-

    ordnetenversammlung einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

    über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Be-

    schaffung  von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

    Stellung zu nehmen.

                                      _______________________

        Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

    gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zu-

    gunsten einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

    bewilligt.

        Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

    alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Ent-

    würfe an.

        Stockholm, 4. August. Die schwedische Regierung hat Schwe-

    dens absolute Neutralität während der gegenwärtigen

    Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.


    Berliner Produktenbörse.

     siehe oben 


    Witterungsbeobachtungen in Berlin. 4. August 1914.                                                         

                                     Luftdruck           Temp.          Windrichtung           Bewölk.          Luft-    

    August                       in 55 m             Cels.                  und                       0-10            feuchtigkeit

                                      Seehöhe                                  Stärke 0-12                                    in %               

    3. 9 Uhr abends       755,1                20,8                  O 1                           6                   56

    4. 7 Uhr vorm.          751,2                16,8                  O 2                           9                   79

    4. 2 Uhr nachm.       750,5                17,7                  W 3                           9                   88

    3. August: Höchste Temperatur 24,4° C.        Niedrigste Temperatur 17,6° C.

    Tagesmittel 20,6° C.       Normales Tagesmittel 18,4° C.

    Morgen voraussichtliches Wetter in Berlin und Umgegend.

    Ein wenig kühler, veränderlich, vielfach wolkig mit Regenfällen und

    ziemlich frischen südwestlichen Winden. 

    Allgemeine Wetteraussichten für Deutschland.  In Nordwest- und

    Mitteldeutschland sehr windig und vielfach starke, im Osten und Süden

    schwächere Regenfälle, strichweise Gewitter.

    Wetter in Deutschland. Unter dem Einflusse eines bei Schottland

    gelegenen tiefen barometrischen Minimums, das sein Gebiet auf ganz

    Nordwest-und Mitteleuropa ausgedehnt zu haben scheint, herrscht jetzt im

    größten Teile Deutschlands trübes Wetter. Im Nordwesten und Süden

    haben seit gestern nachmittag wieder vielfach Regenfälle stattgefunden, die

    am Morgen bei mäßigen südwestlichen Winden fortdauern. Auch im mitt-

    leren Norddeutschland ist nach vorübergehender Aufheiterung in der Nacht

    neuerdings Regen eingetreten. Nur im Nordosten, bis etwa zur Oder

    hin, ist das Wetter in den letzen 24 Stunden größtenteils trocken und

    teilweise heiter geblieben. Die Temperaturen sind in Ostpreußen und

    Oberbayern etwas gestiegen, sonst meist ein wenig gesunken.

    Sonnenaufgang    4 Uhr 32 Min.    Mondaufgang  8 Uhr - Min abds.

    Sonnenuntergang  7 Uhr 51 Min.  Monduntergang   3 Uhr 10 Min. nachts.

                                          _____________________________

     Impressum siehe item 7 


  • August 22, 2017 18:28:07 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Ge-

    stellungsorder gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ord-

    nung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen An-

    knüpfungen an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders leb-

    haft wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten An-

    spielungen auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspiel-

    haus feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die tempera-

    mentvolle Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________              

                                              Letzte Post

                           Nottrauung des Prinzen Adalbert.

        Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

    Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

    Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

    bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

    vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

    hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

    aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

    Verlobten  statt.

                                        _____________________

        Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

    Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donners-

    tag abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtver-

    ordnetenversammlung einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

    über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Be-

    schaffung  von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

    Stellung zu nehmen.

                                      _______________________

        Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

    gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zu-

    gunsten einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

    bewilligt.

        Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

    alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Ent-

    würfe an.

        Stockholm, 4. August. Die schwedische Regierung hat Schwe-

    dens absolute Neutralität während der gegenwärtigen

    Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.


    Berliner Produktenbörse.

     siehe oben 


  • August 22, 2017 18:26:45 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Ge-

    stellungsorder gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ord-

    nung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen An-

    knüpfungen an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders leb-

    haft wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten An-

    spielungen auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspiel-

    haus feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die tempera-

    mentvolle Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________              

                                              Letzte Post

                           Nottrauung des Prinzen Adalbert.

        Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

    Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

    Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

    bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

    vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

    hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

    aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

    Verlobten  statt.

                                        _____________________

        Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

    Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donners-

    tag abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtver-

    ordnetenversammlung einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

    über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Be-

    schaffung  von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

    Stellung zu nehmen.

                                      _______________________

        Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

    gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zu-

    gunsten einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

    bewilligt.

        Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

    alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Ent-

    würfe an.

        Stockholm, 4. August. Die schwedische Regierung hat Schwe-

    dens absolute Neutralität während der gegenwärtigen

    Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.


  • August 22, 2017 18:24:43 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Ge-

    stellungsorder gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ord-

    nung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen An-

    knüpfungen an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders leb-

    haft wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten An-

    spielungen auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspiel-

    haus feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die tempera-

    mentvolle Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________              

                                              Letzte Post

                           Nottrauung des Prinzen Adalbert.

        Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

    Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

    Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

    bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

    vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

    hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

    aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

    Verlobten  statt.

                                        _____________________

        Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in

    Berlin. Stadtverordnetenvorsteher Michelet hat zu Donners-

    tag abend eine außerordentliche Sitzung der Berliner Stadtver-

    ordnetenversammlung einberufen, um zu der Vorlage des Magistrats

    über die Bewilligung von 6 Millionen Mark zur Be-

    schaffung  von Mehl, Brot und anderen Nahrungsmitteln

    Stellung zu nehmen.

                                      _______________________

        Bergedorf, 4. August. Magistrat und Bürgervertretung haben

    gestern abend in dringender Sitzung vorläufig 100 000 Mark zu-

    gunsten einer Hilfsaktion für Angehörige von Kriegsteilnehmern

    bewilligt.

        Haag, 4. August. Die zweite Kammer nahm ohne Debatte

    alle auf den Krieg bezüglichen dringlichen Ent-

    würfe an.


  • August 22, 2017 18:16:39 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Ge-

    stellungsorder gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ord-

    nung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen An-

    knüpfungen an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders leb-

    haft wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten An-

    spielungen auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspiel-

    haus feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die tempera-

    mentvolle Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________              

                                              Letzte Post

                           Nottrauung des Prinzen Adalbert.

        Gleichzeitig mit der Nottrauung des Prinzen Oskar und der Gräfin

    Bassewitz wurden am vergangenen Freitag die Verlobung des Prinzen

    Adalbert mit der Prinzessin Adelheid von Meiningen

    bekannt gegeben. Der Brautstand des prinzlichen Paares fiel in eine

    vom ehernen Schritt weltbewegender Ereignisse erfüllte Zeit, und er

    hat eine kurze Weile gewährt. Gestern fand, wie uns ein Telegramm

    aus Wilhelmshaven meldet, in aller Stille die Nottrauung der

    Verlobten  statt.


  • August 22, 2017 18:10:13 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegangenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.

        Besondere Hervorhebung  verdient die Stimmung unter

    den Einberufenen. Voller Hingabe und Begeisterung, aber

    auch von dem Ernst der Stunde durchdrungen sind alle der Ge-

    stellungsorder gefolgt. Das deutsche Volk darf die Zuversicht hegen,

    daß auch die weiteren militärischen Maßnahmen in gleicher Ord-

    nung und Planmäßigkeit ausgeführt werden.

                                       _______________________

                                                Theater.

        "Wie einst im Mai" zum 300. Male. Eine Rekordzahl von

    Aufführungen hat die Posse "Wie einst im Mai" im Berliner Theater

    mit der dreihundertsten Aufführung erreicht, und wie beim ersten

    Male erfreute sie das Publikum nicht allein durch eine unvermindert

    frische Wiedergabe, sondern das alte Berlin und die vielen An-

    knüpfungen an die historischen Ereignisse Berlins begegneten gerade

    in diesen denkwürdigen Tagen doppeltem Interesse. Besonders leb-

    haft wurden selbstverständlich die von den Autoren damals noch

    nicht vorgesehenen, von den Darstellern geschickt extemporierten An-

    spielungen auf die Biederkeit unserer russischen feindlichen Nachbarn

    aufgenommen.

        250. Jubiläum der "Spanischen Fliege". Im Lustspiel-

    haus feierte der lustige Schwank "Die spanische Fliege"  von Bach-

    Arnold bereits das Jubiläum der 250. Aufführung. Die tempera-

    mentvolle Darstellung brachte das Stück zur besten Wirkung, so daß

    es auch weiterhin seine Zugkraft auf das Publikum bewähren dürfte,

    wenn es einmal für einige Stunden den Ernst der Zeiten vergessen

    will.

                                      ________________________

                                                Letzte Post



  • August 22, 2017 17:55:03 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.

                             Amerika macht sein Geschäft.

                                                                Washington, 4. August.

        Der Senat hat den Beschluß gefaßt, den  Marinesekretär zu er-

    mächtigen, Schiffahrtslinien zu errichten zur Beförde-

    rung von Post, Passagieren und Frachten nach Süd-

    amerika und Europa. Der Gesetzentwurf geht an das Re-

    präsentantenhaus.

                       Die letzte Fähre Gedser - Warnemünde.

                                                               Kopenhagen, 4. August.

        Der gestern vormittag 11 Uhr von Kopenhagen abgegangene Zug

    ist der letzte Zug, der nach Warnemünde übergeführt wird.

    Die Fähre geht darauf sofort nach Gedser zurück. Hiermit werden

    die Fahrten zwischen Gedser und Warnemünde ein-

    gestellt.

                               Alles geht wie am Schnürchen.

        Nach den bei den militärischen Zentralbehörden eingegngenen

    amtlichen Nachrichten ist die Mobilmachung unseres

    Heeres und unserer Flotte bisher ganz vorzüglich

    verlaufen. Alles ging wie am Schnürchen. Die Zuusammen-

    ziehung der Einberufenen, ihre Beförderung an die angewiesenen

    Plätze, kurz alles hat tadellos geklappt. Das Vertrauen der Be-

    völkerung in unsere militärische Organisation ist glänzend gerecht-

    fertigt.








  • August 22, 2017 17:42:27 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.

                   Deutschland respektiert Hollands Neutralität.

        Haag, 4. August.  Der deutsche Gesandte hat die positive

    Versicherung abgegeben, Deutschland werde an die

    Niederlande kein Ultimatum stellen und die niederländische

    Neutralität respektieren, vorausgesetzt, daß diese von

    den Niederlanden auf das Genaueste beobachtet

    würde. (Die Holländer werden also vor allem dafür zu sorgen

    haben, daß das Ueberfliegen ihres Staatsgebietes von fran-

    zösischen Luftfahrzeugen aufhört. D. Red.)

        Wien, 4. August.  Die amerikanische Botschaft in

    Wien übernahm den Schutz der französischen Untertanen,

    die spanische Botschaft in Wien den Schutz der russischen

    Untertanen.










  • August 22, 2017 17:33:24 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.

                            Englands Bedingungen.

            Keine Verletzung der Neutralität Belgiens!

                                                                          London, 4. August.

        Im Verlaufe seiner gestrigen Rede sagte Sir Edward

    Grey: Er höre, daß, wenn England sich zur Neu-

    tralität verpflichte, Deutschland bereit sei, die

    Nordküste Frankreichs nicht anzugreifen

    Dies sei eine zu eng begrenzte Verpflichtung. Die Frage

    der Neutralität Belgiens werde jede Minute

    wichtiger. Deutschland könne seine verpflich-

    tende Zusicherung in bezug auf die Neutralität

    Belgiens abgeben, da es dadurch seinen Feldzugsplan

    enthüllen würde. Wenn aber die Neutralität Belgiens

    verletzt werde, so sei die Situation klar. Grey

    sagte dann, die englische Flotte und das Heer seien in der

    Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflich-

    tung eingegangen worden, ein Expeditionskorps

    zu entsenden.

        Ein weiteres Telegramm besagt: Greys Rede war sehr lang.

    Grey sprach sich nicht direkt gegen die Neutralität

    Englands aus und hielt sich alle Möglichkeiten offen.

    Ueber die weiteren Ausführungen Greys ist infolge der Einschränkung 

    des telegraphischen Verkehrs nichts bekannt geworden.









  • August 21, 2017 18:26:39 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.


                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

        Diese Erklärung muß wohl so aufgefaßt werden, als ob

    Italien unter allen Umständen neutral bleiben wird. Die

    politische Bedeutung dieser Haltung, die doch wohl mit den

    Verträgen zu vereinbaren sein dürfte, läßt sich noch nicht

    übersehen.









  • August 21, 2017 18:24:07 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.


                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.









  • August 21, 2017 18:23:13 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.


                                       Italien bleibt neutral.

                       Einberufung einzelner Jahresklassen.

                                                                                         Rom, 4. August.

        Die offiziöse Agenzia Stefani veröffentlicht eine Er-

    klärung des Ministerrats, die hervorhebt, daß,

    da einige Mächte Europas sich im Kriegszustand

    befinden, Italien aber sich im Zustande des

    Friedens mit allen Kriegführenden befinde,

    die -regierung, sowohl wie die Bürger und die Untertanen

    des Königs verpflichtet seien, die Pflichten der Neutra-

    lität zu beobachten. 

        Die Agenzia Stefani kündigt die Einberufung der

    ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 

    1890 der Armee für den 8. August und der Jahrgänge

    1889 und 1890 der Mannschaften der königlichen Marine

    an.  Außerdem werden unter die Fahnen gerufen

    sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar

    Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine

    sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Personal.








  • August 21, 2017 18:12:26 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

                     Ein deutscher Reichstagsabgeordneter in Rußland.

        Wie verlautet, befindet sich der fortschrittliche Reichstagsabgeord-

    nete Dr. Ablaß auf einer Reise in Rußland. Er wird da-

    her der Eröffnung des Reichstages nicht beiwohnen können und, da

    Eisenbahnverbindungen mit Deutschland nicht mehr bestehen, auf

    Umwegen nach Deutschland zurückzukehren versuchen müssen.

     









  • August 21, 2017 18:07:45 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 


                       Der Entwurf über die Familienunterstützung

                                      der Kriegsteilnehmer.

        § 1.       In dem Gesetz betreffend  die Unterstützung von Familien in

    den Dienst eingetretener Mannschaften vom 28. Februar 1888 erhält:

        1.  § 1 Satz 2 folgende Fassung: Das gleiche gilt bezüglich der

    Familien derjenigen Mannschaften, welche zur Disposition der

    Truppen- (Marine-) Teile beurlaubt sind, derjenigen Mannschaften,

    welche das wehrpflichtige Alter überschritten haben und freiwillig in

    den Dienst eintreten, sowie des Unterpersonals der freiwilligen

    Krankenpflege. 

         2.  §  2 Abs. 1 folgenden Zusatz:  c) dessen uneheliche Kinder, inso-

    fern er als Vater seiner Verpflichtung zur Gewährung des Unter-

    halts nachgekommen ist.

        3.  § 2  Abs. 3 folgende Fassung:  Entfernteren Verwandten und ge-

    schiedenen Ehefrauen steht ein solcher Unterstützungsanspruch nicht zu.

        4.  § 5  Abs. 1 folgende Fassung:  "Die Unterstützungen

    sollen mindestens betragen:

        a) für die Ehefrau im Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober 

       monatlich neun Mark, in den übrigen Monaten 12 Mark,

        b) für jedes Kind unter 15 Jahren sowie für jede der im § 2 unter

    b und c bezeichneten Personen monatlich sechs Mark."

        §  2.  Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

     









  • August 21, 2017 17:49:53 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.

        Hierauf erklärte der Reichskanzler auf Befehl des Kaisers den 

    Reichstag für eröffnet. Das zweite Hoch auf den Kaiser brachte der

    bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld aus. 









  • August 21, 2017 17:48:34 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.

        Als  der Kaiser im Saale erschien, brachte der Reichstagspräsident

    Dr. Kaempf ein Hoch auf den Kaiser aus, das dreimal mächtig im

    Saale wiederhallte. Dem Kaiser folgten der Kronprinz und die Prinzen.

    Die Rede des Kaisers wurde wiederholt von Beifall unterbrochen.

        Die schwungvolle Ansprache des Kaisers wurde von den Reichs-

    tagsabgeordneten, die bis auf die Sozialdemokraten nahezu vollzählig

    anwesend waren, mit feierlicher Ergriffenheit entgegengenommen. Als

    der Kaiser an seine Rede die improvisierten Worte knüpfte und den

    Parteiführern die Hand reichte, ertönten stürmische Hochs und Jubel-

    rufe.









  • August 21, 2017 17:38:05 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________


     2. Spalte 

                                                 Zur Reichstagseröffnung.

        Kurz vor 12 Uhr läuteten die Glocken des Doms den Gottesdienst

    ein, der der Reichstagseröffnung voranging.  Von der

    Schloßbrückenecke aus sah man den Kaiser und die Kaiserin mit

    Gefolge zum Dom gehen. Der Kaiser trug über der feldgrauen Ge-

    neralsuniform das Band des Schwarzen Adlerordens.









  • August 21, 2017 17:33:58 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort des Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.

                                                _____________________________








  • August 21, 2017 17:33:30 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:

        Seine Majestät, mein erhabener Souverän, nimmt im

    Namen des Reiches die Herausforderung an und be-

    trachtet sich als mit Rußland im Kriegszustand befindlich.

        Bitte um Eingang und Zeitpunkt der Ausführungen dieser

    Instruktion nach russische Zeit dringend drahten.

        Bitte Ihre Pässe fordern und Schutz und Geschäfte amerikanischer

    botschaft übergeben."

        Die geforderte dringende Antwort xdes Botschafters ist nicht ein-

    getroffen. Auch ein Kapitel, das noch aufzuklären sein wird.








  • August 21, 2017 17:27:28 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:

        Die Kaiserliche Regierung ist seit Beginn der Krise bemüht ge-

    wesen, sie einer friedlichen Lösung zuzuführen. Entsprechend

    einem ausdrücklichen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Rußland

    hat Seine Majestät der Deutsche Kaiser es sich im Verein mit

    Großbritannien angelegen sein lassen, die Vermittlerrolle

    zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg zu über-

    nehmen, als Rußland, ohne das Resultat abzuwarten, zur Mo-

    bilisation seiner gesamten Macht zu Lande und zu

    Wasser schritt.

        Infolge dieser, durch keinerlei militärische Vorkehrungen Deutsch-

    lands begründeten bedrohlichen Maßnahme befand sich das Deutsche

    Reich gegenüber einer schweren und unmittelbaren Ge-

    fahr, Falls die Kaiserliche Regierung es unterlassen hätte, zu dieser

    gefährlichen Lage Stellung zu nehmen, so hätte sie die Sicherheit

    und die Existenz Deutschlands aufs Spiel gesetzt. 

    Deshalb sah sich die deutsche Regierung gezwungen, bei der Regierung

    Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen auf Einstellung der genannten

    militärischen Maßnahmen zu bestehen. Indem Rußland sich geweigert

    hat, diesem Ansuchen nachzukommen, und indem es dadurch dargetan

    hat, daß es seine Aktion gegen Deutschland gerichtet hatte, habe ich die

    Ehre, im Auftrage meiner Regierung Euerer Exzellenz von

    Nachstehendem in Kenntnis zu setzen:









  • August 21, 2017 17:14:06 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 

                               Die Kriegserklärung an Rußland.

        Den Beschluß des Weißbuchs bildet ein Telegramm des

    Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in

    Petersburg vom 1. August folgenden Inhalts:

        "Falls die russische Regierung keine befriedigende Ant-

    wort auf unsere Forderung erteilt, so wollen Euere Exzellenz Ihr

    heute nachmittag 5 Uhr (mitteleuropäische Zeit)

    folgende Erklärung überreichen:









  • August 21, 2017 17:09:40 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                      gez. Wilhelm.

                                  V. Der Zar an den Kaiser. Gründn

                                                   Peterhof, 30. Juli 1914, 1,20 nachm. 

        Ich danke Dir von Herzen für Deine rasche Antwort.  Ich ent-

    sende heute abend Tatisheff mit Instruktionen. Die jetzt in Kraft

    tretenden militärischen Maßnahmen sind schon vor fünf Tagen be-

    schlossen worden, und zwar aus Gründen der Verteidigung gegen

    die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe, von ganzem Herzen,

    daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine

    Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die

    ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken

    Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Verständigung mit

    uns kommt.

                                                                                         gez. Nikolaus.

                                                        *

        Es folgt nun eine Reihe interessanter Dokumente, von denen

    ein vertrauliches Rundschreiben des Reichkanzlers an

    die Bundesregierungen, die Instruktionen für den deutschen Bot-

    schafter in Paris und dessen lakonisches Antworttelegramm

    vom 1. August, 1 Uhr 5 Minuten nachmittags, genannt seien. Die

    inhaltsschwere Depesche, die den

                                           Krieg mit Frankreich

    im Gefolge gehabt hat, lautet:

        Auf meine wiederholte bestimmte Frage, ob Frankreich

    im Falle eines deutsch-russischen Krieges

    neutral bleibe, erklärte der Ministerpräsident mir, daß

    Frankreich das tun werde, was seine Interessen im

    geböten. 









  • August 20, 2017 21:05:11 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm.

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus.

                            III. Der Kaiser an den Zaren.

                                                                       29. Juli, 6.30 nachm.

        Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch

    nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich - wie ich Dir

    in meinem ersten Telegramm sagte - Oesterreich-Ungarns Vor-

    gehen nicht als "schmählichen Krieg" betrachten. Oester-

    reich-Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen,

    wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind.

    Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehen als ein

    Versuch zu betrachten, volle Garantie zu erhalten, daß

    Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden.

    In dieser Hinsicht werde ich bestärkt durch die Erklärung des öster-

    reichischen Kabinetts, daß Oesterreich-Ungarn keine territo-

    rialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beab-

    sichtige. Ich meine daher, daß es für Rußland durchaus

    möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der

    Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den

    schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich

    glaube, daß eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung

    und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständigung, die

     - wie ich Dir schon telegraphierte, - meine Regierung

    mit allen Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich

    würden militärische Maßnahmen Rußlands, welche

    Oesterreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück

    beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden 

    auch meine Stellung als Vermittler, die ich - auft-

    wortung für Krieg und Frieden zu trgen.

    Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe - bereitwillig

    angenommen habe, untergraben.

                                                                                          gez. Wilhelm.

                                   IV. Der Kaiser an den Zaren.

        Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Ge-

    fahren und schweren Konsequenzen einer Mobili-

    sation hinzuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten

    Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Ser-

    bien mobilisiert,  und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn

    Rußland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mit-

    teilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht,  so wird

    die Vermittlerrolle, mit der Du mich in freund-

    schaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine

    ausdrückliche Bitte angenommen habe, gefährdet,

    wenn nicht unmöglich gemacht. Die ganze Schwere der

    Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verant-

    wortung für Krieg und Frieden zu tragen.

                                                                                           gez. Wilhelm.







  • August 20, 2017 20:02:22 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer

    Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen

    unserer alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu

    tun, um Deinem Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu

    weit zu gehen.

                                                                                gez. Nikolaus



  • August 20, 2017 19:55:35 Beate Jochem

     item 11 

    lichen Freundschaft, die uns beide fest seit langer

    Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher

    meinen  ganzen Einfluß ein, um Oesterreich-Ungarn

    dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verständigung

    mit Rußland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich

    in meinen Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen 

    können, zu beseitigen, unterstützen wirst.

        Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

                                                                                           gez. Wilhelm

                                        II. Der Zar an den Kaiser.

                                                    Peterhof, Palais 29. Juli, 1 Uhr nachm.

        Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist.

    In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich inständig,

    mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg ist an ein schwaches

    Land erklärt worden; die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile,

    ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald

    dem Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr

    werde widerstehen können und gezwungen sein

    werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege

    führen werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer



Description

Save description
  • 52.5201126||13.404510699999946||

    Berlin, Saalfeld, Leipzig

    ||1
Location(s)
  • Story location Berlin, Saalfeld, Leipzig
Login and add location


ID
15725 / 166521
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Karl Döbling
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


Login to edit the languages

Login to edit the fronts

Login to add keywords
  • Home Front

Login and add links

Notes and questions

Login to leave a note