Zeitungen aus der Kriegszeit 1914, item 7
Transcription
Transcription history
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
Die Beamten wollen sich mit diesem ablehnenden Bescheid nicht ab-
speisen lassen. Sie wollen sich an den Reichstag wenden, um die
Einrichtung eines Beamtenausschusses durchzusetzen, der diesen Namen
wirklich verdient.
_____________________________
Der Post- und Bahnverkehr nach Oesterreich.
Während der Eisenbahnverkehr nach Oesterreich und nach Ungarn
infolge der Kriegswirren in der Nachbarmonarchie gegenwärtig
größeren Störungen unterworfen und der Güterverkehr zum Teil
gänzlich gesperrt ist, hat, wie der Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische
Wirtschaftsverband in Berlin mitteilt, der Postverkehr bisher
geringe Störungen erfahren. Postpakete, Telegramme,
sowie Briefe können nach wie vor sowohl nach Oesterreich wie
nach Ungarn ausgeliefert werden. Die Zustellung der Sendungen er-
folgt allerdings, insbesondere nach Böhmen und Ungarn, mit einiger
Verzögerung, namentlich treffen Telegramme infolge des starken
Verkehrs mit bedeutenden, etwa vierstündigen Verspätungen am Be-
stimmungsorte ein. Hinsichtlich des Güterverkehrs macht der
Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische Wirtschaftsverband darauf aufmerk-
sam, daß die Strecken Oderberg - Ruttka und Eger (Staatsbahn) -
Pilsen, ausschließlich Pilsen-Ort, desgleichen die Strecke Eger
(Buschtehrader Eisenbahn) bis Prag - Bubna vorläufig auch für den
Güterverkehr noch frei sind. Die Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft
hat den Verkehr unterhalb Semlin eingestellt. Interessenten er-
fahren näheres über die Beförderungsverhältnisse durch die Geschäfts-
stelle des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarischen Wirtschaftsverbandes,
Berlin W., Am Karlsbad 16.
_______________________________
N e u e s t e H a n d e l s n a c h r i c h t e n.
Die Börse gelähmt.
siehe oben
3. Spalte
siehe oben
Letzte Post
Wegen eines Gattenmordversuches wurde von der Lichten-
berger Kriminalpolizei der 28 Jahre alte Arbeiter Paul Bräuer
aus Dresden verhaftet. Es steht im dringenden Verdacht, an
seiner Ehefrau einen Mordversuch verübt zu haben. Nachts fiel er
über die ahnungslos im Bett liegende Frau her und suchte sie
zu erwürgen. Die Bedrohte vermochte den Täter jedoch von sich
abzuschütteln. Bräuer aber holte ein Beil aus der Küche und ver-
setzte ihr damit mehrere wuchtige Hiebe über den Kopf. Hierauf
flüchtete der Täter. Die Ueberfallene wurde später in schwer-
verletzem Zustande aufgefunden; sie wird wohl kaum mit dem
Leben davonkommen. Bräuer suchte zunächst in Berlin Zuflucht,
und dann wandte er sich nach Lichtenberg. Dort wurde er von der
Kriminalpolizei erkannt, festgenommen und nach Dresden trans-
portiert.
________________________________
Witterungsbeobachtungen in Berlin, 30. Juli 1914.
____________________________________________________________________________________________________________________________
Juli Luftdruck Temp. Windrichtung Bewölk. Luft-
in 55 m Cels. und 0 - 10 feuchtigkeit
Seehöhe Stärke 0 - 12 in %
___________________________________________________________________________________________________________________
29. 9 Uhr abends 746,4 14,2 NW 3 10 95
30. 7 Uhr vorm. 750,0 13,8 NNO 1 10 97
30. 2 Uhr nachm. 752,8 18,9 SW 2 7 68
29. Juli: Höchste Temperatur 17,6 ° C. Niedrigste Temperatur 12,0° CC.
Tagesmittel: 14,2 ° C Normales Tagesmittel 18,9 C.
Allgemeine Wetteraussichten für Deutschland. Im östlichen
Binnenlande und im Süden noch an den meisten Orten etwas Regen, im
Nordwesten und längs der Küste größtenteils trocken, überall langsame
Erwärmung.
Wetter in Deutschland. Beim Vorübergange des von Nordwest- nach
Ostdeutschland gelangten, nur noch mäßig tiefen barometrischen Mini-
mums haben wiederum in den meisten Gegenden Deutschlands lange
anhaltende Regenfälle stattgefunden, die besonders zwischen der mittleren
Elbe und unteren Oder sehr ergiebig waren. In Berlin und ver-
schiedenen Orten der Provinz Brandenburg sind in den letzten
24 Stunden über 30 Millimeter Regen gefallen. Im Küstengebiete haben
sich die Winde nach Nordost gedreht und ist über Nacht vielfach heiteres,
etwas wärmeres Wetter eingetreten. Dagegen dauert im größten Teile
des Binnenlandes die trübe, kühle, stellenweise regnerische Witterung bei
mäßigen West- bis Nordwestwinden noch fort; Borkum, Keitum und
Swinemünde haben heute früh schon 18, Metz nur 12 Grad Celsius.
Sonnenaufgang 4 Uhr 24 Min. Mondaufgang 3 Uhr 48 Min. nachm.
Sonnenuntergang 7 Uhr 59 Min. Monduntergang 10 Uhr 50 Min. abds.
_____________________________
Verantwortliche Redakteure: Für Politik: Dr. Alfred Krüger in
Tempelhof, für den übrigen redaktionellen Teil: Friedrich Wulle in
Mariendorf-Südende; verantwortlich für Inserate: Hans Schröder
in Berlin. Druck und Verlag von Rudolf Wosse in Berlin
__________________________
Hierzu 1 Beiblatt mit dem Täglichen Unterhaltungsblatt.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
Die Beamten wollen sich mit diesem ablehnenden Bescheid nicht ab-
speisen lassen. Sie wollen sich an den Reichstag wenden, um die
Einrichtung eines Beamtenausschusses durchzusetzen, der diesen Namen
wirklich verdient.
_____________________________
Der Post- und Bahnverkehr nach Oesterreich.
Während der Eisenbahnverkehr nach Oesterreich und nach Ungarn
infolge der Kriegswirren in der Nachbarmonarchie gegenwärtig
größeren Störungen unterworfen und der Güterverkehr zum Teil
gänzlich gesperrt ist, hat, wie der Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische
Wirtschaftsverband in Berlin mitteilt, der Postverkehr bisher
geringe Störungen erfahren. Postpakete, Telegramme,
sowie Briefe können nach wie vor sowohl nach Oesterreich wie
nach Ungarn ausgeliefert werden. Die Zustellung der Sendungen er-
folgt allerdings, insbesondere nach Böhmen und Ungarn, mit einiger
Verzögerung, namentlich treffen Telegramme infolge des starken
Verkehrs mit bedeutenden, etwa vierstündigen Verspätungen am Be-
stimmungsorte ein. Hinsichtlich des Güterverkehrs macht der
Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische Wirtschaftsverband darauf aufmerk-
sam, daß die Strecken Oderberg - Ruttka und Eger (Staatsbahn) -
Pilsen, ausschließlich Pilsen-Ort, desgleichen die Strecke Eger
(Buschtehrader Eisenbahn) bis Prag - Bubna vorläufig auch für den
Güterverkehr noch frei sind. Die Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft
hat den Verkehr unterhalb Semlin eingestellt. Interessenten er-
fahren näheres über die Beförderungsverhältnisse durch die Geschäfts-
stelle des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarischen Wirtschaftsverbandes,
Berlin W., Am Karlsbad 16.
_______________________________
N e u e s t e H a n d e l s n a c h r i c h t e n.
Die Börse gelähmt.
siehe oben
3. Spalte
siehe oben
Letzte Post
Wegen eines Gattenmordversuches wurde von der Lichten-
berger Kriminalpolizei der 28 Jahre alte Arbeiter Paul Bräuer
aus Dresden verhaftet. Es steht im dringenden Verdacht, an
seiner Ehefrau einen Mordversuch verübt zu haben. Nachts fiel er
über die ahnungslos im Bett liegende Frau her und suchte sie
zu erwürgen. Die Bedrohte vermochte den Täter jedoch von sich
abzuschütteln. Bräuer aber holte ein Beil aus der Küche und ver-
setzte ihr damit mehrere wuchtige Hiebe über den Kopf. Hierauf
flüchtete der Täter. Die Ueberfallene wurde später in schwer-
verletzem Zustande aufgefunden; sie wird wohl kaum mit dem
Leben davonkommen. Bräuer suchte zunächst in Berlin Zuflucht,
und dann wandte er sich nach Lichtenberg. Dort wurde er von der
Kriminalpolizei erkannt, festgenommen und nach Dresden trans-
portiert.
________________________________
Witterungsbeobachtungen in Berlin, 30. Juli 1914.
____________________________________________________________________________________________________________________________
Juli Luftdruck Temp. Windrichtung Bewölk. Luft-
in 55 m Cels. und 0 - 10 feuchtigkeit
Seehöhe Stärke 0 - 12 in %
___________________________________________________________________________________________________________________
29. 9 Uhr abends 746,4 14,2 NW 3 10 95
30. 7 Uhr vorm. 750,0 13,8 NNO 1 10 97
30. 2 Uhr nachm. 752,8 18,9 SW 2 7 68
29. Juli: Höchste Temperatur 17,6 ° C. Niedrigste Temperatur 12,0° CC.
Tagesmittel: 14,2 ° C Normales Tagesmittel 18,9 C.
Allgemeine Wetteraussichten für Deutschland: Im östlichen
Binnenlande und im Süden noch an den meisten Orten etwas Regen, im
Nordwesten und längs der Küste größtenteils trocken, überrall langsame
Erwärmung.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
Die Beamten wollen sich mit diesem ablehnenden Bescheid nicht ab-
speisen lassen. Sie wollen sich an den Reichstag wenden, um die
Einrichtung eines Beamtenausschusses durchzusetzen, der diesen Namen
wirklich verdient.
_____________________________
Der Post- und Bahnverkehr nach Oesterreich.
Während der Eisenbahnverkehr nach Oesterreich und nach Ungarn
infolge der Kriegswirren in der Nachbarmonarchie gegenwärtig
größeren Störungen unterworfen und der Güterverkehr zum Teil
gänzlich gesperrt ist, hat, wie der Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische
Wirtschaftsverband in Berlin mitteilt, der Postverkehr bisher
geringe Störungen erfahren. Postpakete, Telegramme,
sowie Briefe können nach wie vor sowohl nach Oesterreich wie
nach Ungarn ausgeliefert werden. Die Zustellung der Sendungen er-
folgt allerdings, insbesondere nach Böhmen und Ungarn, mit einiger
Verzögerung, namentlich treffen Telegramme infolge des starken
Verkehrs mit bedeutenden, etwa vierstündigen Verspätungen am Be-
stimmungsorte ein. Hinsichtlich des Güterverkehrs macht der
Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische Wirtschaftsverband darauf aufmerk-
sam, daß die Strecken Oderberg - Ruttka und Eger (Staatsbahn) -
Pilsen, ausschließlich Pilsen-Ort, desgleichen die Strecke Eger
(Buschtehrader Eisenbahn) bis Prag - Bubna vorläufig auch für den
Güterverkehr noch frei sind. Die Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft
hat den Verkehr unterhalb Semlin eingestellt. Interessenten er-
fahren näheres über die Beförderungsverhältnisse durch die Geschäfts-
stelle des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarischen Wirtschaftsverbandes,
Berlin W., Am Karlsbad 16.
_______________________________
N e u e s t e H a n d e l s n a c h r i c h t e n.
Die Börse gelähmt.
siehe oben
3. Spalte
siehe oben
Letzte Post
Wegen eines Gattenmordversuches wurde von der Lichten-
berger Kriminalpolizei der 28 Jahre alte Arbeiter Paul Bräuer
aus Dresden verhaftet. Es steht im dringenden Verdacht, an
seiner Ehefrau einen Mordversuch verübt zu haben. Nachts fiel er
über die ahnungslos im Bett liegende Frau her und suchte sie
zu erwürgen. Die Bedrohte vermochte den Täter jedoch von sich
abzuschütteln. Bräuer aber holte ein Beil aus der Küche und ver-
setzte ihr damit mehrere wuchtige Hiebe über den Kopf. Hierauf
flüchtete der Täter. Die Ueberfallene wurde später in schwer-
verletzem Zustande aufgefunden; sie wird wohl kaum mit dem
Leben davonkommen. Bräuer suchte zunächst in Berlin Zuflucht,
und dann wandte er sich nach Lichtenberg. Dort wurde er von der
Kriminalpolizei erkannt, festgenommen und nach Dresden trans-
portiert.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
Die Beamten wollen sich mit diesem ablehnenden Bescheid nicht ab-
speisen lassen. Sie wollen sich an den Reichstag wenden, um die
Einrichtung eines Beamtenausschusses durchzusetzen, der diesen Namen
wirklich verdient.
_____________________________
Der Post- und Bahnverkehr nach Oesterreich.
Während der Eisenbahnverkehr nach Oesterreich und nach Ungarn
infolge der Kriegswirren in der Nachbarmonarchie gegenwärtig
größeren Störungen unterworfen und der Güterverkehr zum Teil
gänzlich gesperrt ist, hat, wie der Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische
Wirtschaftsverband in Berlin mitteilt, der Postverkehr bisher
geringe Störungen erfahren. Postpakete, Telegramme,
sowie Briefe können nach wie vor sowohl nach Oesterreich wie
nach Ungarn ausgeliefert werden. Die Zustellung der Sendungen er-
folgt allerdings, insbesondere nach Böhmen und Ungarn, mit einiger
Verzögerung, namentlich treffen Telegramme infolge des starken
Verkehrs mit bedeutenden, etwa vierstündigen Verspätungen am Be-
stimmungsorte ein. Hinsichtlich des Güterverkehrs macht der
Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische Wirtschaftsverband darauf aufmerk-
sam, daß die Strecken Oderberg - Ruttka und Eger (Staatsbahn) -
Pilsen, ausschließlich Pilsen-Ort, desgleichen die Strecke Eger
(Buschtehrader Eisenbahn) bis Prag - Bubna vorläufig auch für den
Güterverkehr noch frei sind. Die Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft
hat den Verkehr unterhalb Semlin eingestellt. Interessenten er-
fahren näheres über die Beförderungsverhältnisse durch die Geschäfts-
stelle des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarischen Wirtschaftsverbandes,
Berlin W., Am Karlsbad 16.
_______________________________
N e u e s t e H a n d e l s n a c h r i c h t e n.
Die Börse gelähmt.
siehe oben
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
Die Beamten wollen sich mit diesem ablehnenden Bescheid nicht ab-
speisen lassen. Sie wollen sich an den Reichstag wenden, um die
Einrichtung eines Beamtenausschusses durchzusetzen, der diesen Namen
wirklich verdient.
_____________________________
Der Post- und Bahnverkehr nach Oesterreich.
Während der Eisenbahnverkehr nach Oesterreich und nach Ungarn
infolge der Kriegswirren in der Nachbarmonarchie gegenwärtig
größeren Störungen unterworfen und der Güterverkehr zum Teil
gänzlich gesperrt ist, hat, wie der Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische
Wirtschaftsverband in Berlin mitteilt, der Postverkehr bisher
geringe Störungen erfahren. Postpakete, Telegramme,
sowie Briefe können nach wie vor sowohl nach Oesterreich wie
nach Ungarn ausgeliefert werden. Die Zustellung der Sendungen er-
folgt allerdings, insbesondere nach Böhmen und Ungarn, mit einiger
Verzögerung, namentlich treffen Telegramme infolge des starken
Verkehrs mit bedeutenden, etwa vierstündigen Verspätungen am Be-
stimmungsorte ein. Hinsichtlich des Güterverkehrs macht der
Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische Wirtschaftsverband darauf aufmerk-
sam, daß die Strecken Oderberg - Ruttka und Eger (Staatsbahn) -
Pilsen, ausschließlich Pilsen-Ort, desgleichen die Strecke Eger
(Buschtehrader Eisenbahn) bis Prag - Bubna vorläufig auch für den
Güterverkehr noch frei sind. Die Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft
hat den Verkehr unterhalb Semlin eingestellt. Interessenten er-
fahren näheres über die Beförderungsverhältnisse durch die Geschäfts-
stelle des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarischen Wirtschaftsverbandes,
Berlin W., Am Karlsbad 16.
_______________________________
N e u e s t e H a n d e l s n a c h r i c h t e n.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
Die Beamten wollen sich mit diesem ablehnenden Bescheid nicht ab-
speisen lassen. Sie wollen sich an den Reichstag wenden, um die
Einrichtung eines Beamtenausschusses durchzusetzen, der diesen Namen
wirklich verdient.
_____________________________
Der Post- und Bahnverkehr nach Oesterreich.
Während der Eisenbahnverkehr nach Oesterreich und nach Ungarn
infolge der Kriegswirren in der Nachbarmonarchie gegenwärtig
größeren Störungen unterworfen und der Güterverkehr zum Teil
gänzlich gesperrt ist, hat, wie der Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische
Wirtschaftsverband in Berlin mitteilt, der Postverkehr bisher
geringe Störungen erfahren. Postpakete, Telegramme,
sowie Briefe können nach wie vor sowohl nach Oesterreich wie
nach Ungarn ausgeliefert werden. Die Zustellung der Sendungen er-
folgt allerdings, insbesondere nach Böhmen und Ungarn, mit einiger
Verzögerung, namentlich treffen Telegramme infolge des starken
Verkehrs mit bedeutenden, etwa vierstündigen Verspätungen am Be-
stimmungsorte ein. Hinsichtlich des Güterverkehrs macht der
Deutsch-Oesterreichisch-Ungarische Wirtschaftsverband darauf aufmerk-
sam, daß die Strecken Oderberg - Ruttka und Eger (Staatsbahn) -
Pilsen, ausschließlich Pilsen-Ort, desgleichen die Strecke Eger
(Buschtehrader Eisenbahn) bis Prag - Bubna vorläufig auch für den
Güterverkehr noch frei sind. Die Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft
hat den Verkehr unterhalb Semlin eingestellt. Interessenten er-
fahren näheres über die Beförderungsverhältnisse durch die Geschäfts-
stelle des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarischen Wirtschaftsverbandes,
Berlin W., Am Karlsbad 16.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
Die Beamten wollen sich mit diesem ablehnenden Bescheid nicht ab-
speisen lassen. Sie wollen sich an den Reichstag wenden, um die
Einrichtung eines Beamtenausschusses durchzusetzen, der diesen Namen
wirklich verdient.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenvereini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
Die Beamtenvereinigung begründete ihren Standpunkt ausführ-
lich in einer Eingabe, in der sie ihre Wünsche auf Ausstattung des
Beamtenausschusses mit größeren Machtbefugnissen aussprach. Auf
diese Eingabe haben jetzt das Direktorium und der Verwaltungsrat
einen ablehnenden Bescheid erteilt mit der Begründung:
"Solange die Beamten von dem ihnen gegebenen Recht, sich eine
Vertretung zu schaffen, keinen Gebrauch machen, muß es der Verwal-
tungsrat ablehnen, zu irgendwelchen Eingaben von Beamtenveeini-
gungen Stellung zu nehmen; er geht daher über die vorliegende Ein-
gabe zur Tagesordnung weiter."
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
nur ein Dekorationsstück,
nicht aber ein Organ zur Vertretung der Beamtenwünsche sein
würde. Im Gegenteil würde die Existenz des Ausschusses dem
Direktorium nur die Möglichkeit geben, jede Verhandlung mit den
einzelnen Beamten oder mit ihrer Organisation abzulehnen.
Aus diesen Gründen lehnten die Beamten die Betei-
ligung an der Wahl des Beamtenausschusses ab
und so ist dieser Ausschuß praktisch nicht zustande ge-
kommen.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde. Die Versicherungs-
anstalt beschäftigt etwa 200 Beamte, die sich eine Organisation in der
"Vereinigung der mittleren Beamten der Reichs-
versicherungsanstalt für Angestellte" geschaffen haben.
Vor wenigen Monaten wurde vom Verwaltungsrat und von der Direk-
tion der Versicherungsanstalt die Schaffung eines Beamtenaus-
schusses beschlossen. Die Satzungen des Ausschusses erregen aber
den lebhaften Widerspruch der Beamten.Vor allem wird die geringe
Machtbefugnis des Beamtenausschusses bemängelt.
Nach den Satzungen kann das Direktorium nach eigenem
Ermessen bestimmen, ob es den Ausschuß in einer Sache hören
will. In Gehaltsfragen und Angelegenheiten einzelner Beamter
darf der Ausschuß überhaupt nicht mitreden. Unter diesen Um-
ständen haben sich die Beamten auf den Standpunkt gestellt, daß der
Beamtenausschuß
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
_____________________________
Ein Konflikt in der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte.
Zu tief gehenden Differenzen ist es in der Reichsversicherungs-
anstalt für Angestellte gekommen, die mit dem Inkrafttreten der staat-
lichen Angestelltenversicherung errichtet wurde.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In der darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
Mittelpunkt des Etats stand die viel erörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
Die Bayerische Kammer fühlt sich durch die Weltlage in ihren
Arbeiten beengt und hält sich zu ihrem Abbruch bereit. Der Prä-
sident v. Orterer begann die gestrige Sitzung mit der Erklärung,
daß der Seniorenkonvent zu dem Beschluß gekommen sei, die Be-
ratungen in möglichst raschem Tempo durchzuführen. Sollte der
Tag aber etwas wesentlich Neues bringen, so müßte morgen
vom Ministerpräsidenten eine Erklärung über die all-
gemeine Lage erwartet werden. In de darauf folgenden Be-
ratung des Eisenbahnetats kam es zu heftigen Szenen. Im
mittelpunkt des Etats stand die vielerörterte Reversfrage,
also das Streikverbot für Eisenbahner und das Verbot, dem Süd-
deutschen Eisenbahnerverband anzugehören. Das Zentrum erklärt
sich mit diesem Revers des Verkehrsministers einverstanden,
ebenso die Konservativen. Der Sozialdemokrat Roßhaupter
polemisiert heftig gegen den Revers. Der Verkehrsminister v. Seid-
lein erwiderte, er stelle an die bürgerlichen Parteien die eine Frage:
Wollen wir uns die Herrschaft über unser Perso-
sonal und damit über den Betrieb entreißen lassen?
Wollen wir unser Wohl und Wehe einem Dr. Süßheim, einem
Roßhaupter und sonstigen führenden Genossen überlassen? Die
Antwort muß lauten: "Niemals!" Daher der Schmerz Roß-
haupters und seiner Freunde, daher seine Angriffe. Auf die Worte
des Verkehrsministers erhebt sich Lärm und Schreien bei den
Sozialdemokraten, man hört die Worte "Frechheit",
"Unverschämtheit", "Unfähigkeit" und "Feigheit".
In dem allgemeinen Lärm bleibt der Präsident unverständ-
lich. Er scheint die Störer zur Ordnung zu rufen. Dr. Süß-
heim erhebt sich, um gegen den Verkehrsminister im Namen der
Fraktion zu erklären, ein Minister Seidlein könne die Sozialdemokraten
überhaupt nicht beleidigen.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
2. Spalte
Sturm in der Bayerischen Kammer.
München, 30.Juli.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
Eine Vertrauenskundgebung für Caillaux. Einem Tele-
gramm aus Paris zufolge, hat er Vorstand des Vollzugsausschusses der
sozialistisch-radikalen Partei beschlossen, dem ehe-
maligen Ministerpräsidenten Caillaux im Namen aller Partei-
mitglieder eine Adresse zu überreichen, in dem ihm die lebhafteste
Sympathie und gleichzeitig der Wunsch ausgesprochen wird, er
möge nach der Zurückhaltung, welche er sich freiwillig auferlegt
habe, die tatsächliche Leitung des Vollzugausschusses
der Partei wieder übernehmen.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
_______________________
Wegen Beleidigung des Kronprinzen verurteilte die
Strafkammer in Waldenburg laut einem Telegramm den
Gewerkschaftssekretär Osterroth aus Hamm in Westfalen zu
sechs Monaten Gefängnis.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsregierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsegierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden. Auch wenn die Einbringung eines Ent-
wurfs für die Altpensionäre und Althinterbliebenen des Reichs,
der im Herbst im Reichstage eingebracht wird, im Reichsparlament
Zustimmung finden wird, dürfte die Staatsegierung nicht
ihre Zustimmung zu einer solchen Vorlage geben. Gegen sie
werden sowohl staatsrechtliche wie vor allem finanzielle
Gründe geltent (sic) gemacht. Nach Erhebungen, die über die Bezüge
der Altpensionäre einschließlich der Lehrer sowie der Althinterbliebe-
nen angestellt wurden, würden fast 50 Millionen notwendig
sein, um die Bezüge gesetzlich festzulegen. Es soll sich weiter heraus-
gestellt haben, daß die Altpensionäre von Preußen bei Gewährung
gesetzlicher Bezüge tatsächlich schlechter wegkommen als
bei Auszahlung der Ausgleichsbeihilfen (?).
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
Die Altpensionäre gehen leer aus.
Der im Landtage wiederholt geforderten gesetz-
lichen Regelung der Bezüge der Altpensionäre in
Preußen wird, wie wir hören, unter keinen Umständen
stattgegeben werden.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
___________________________
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wäre, die geeignete Schritte bei
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
Jetzt zeigte sich wie nützlich es wäre, wenn wir einen solchen
Generalstab wirtschaftlicher Art hätten. Die Börsenpaniken
der letzten Tage hätten erheblich abgeschwächt werden
können, wenn rechtzeitig eine Organisation von Fach-
leuten vorhanden gewesen wär die geeignete Schritte beu
Behörden und Banken hätte durchsetzen können und die auch eine
großzügige Beruhigungsaufklärung des Publi-
kums hätte veranlassen können. Eine Mobilisierung
wird sich natürlich für das militärische Leben tadellos
funktionierend vollziehen, für das übrige Leben der Nation,
für Verkehr, Nahrungsmittelversorgung usw.
muß aber notgedrungen eine Mobilisierung große Hem-
mungen und auch Verluste mit sich bringen. Vielleicht
ließen sie sich wenigstens mildern, wenn es auch für diese
Dinge einen "Feldzugsplan" gäbe, den ein wirtschaftlicher
Generalstab hätte vorbereiten müssen. Sollte es jetzt bereits
zu spät sein, das Versäumte nachzuholen, so wäre doch zu
wünschen, daß die einzelnen Stadtverwaltungen
in Deutschland für ihre Bezirke schnell noch für alle
Eventualitäten solche wirtschaftlichen Generalstäbe
bilden, die sich mit den gekennzeichneten Problemen zu befassen
hätten.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
_______________
Wo bleibt der wirtschaftliche Generalstab?
Als vor zwei Jahren der Ausbruch des Balkankrieges
schwere Krisenzustände über die deutschen Börsen und das
übrige Handelsleben mit sich brachte, regte der Präsident
des Hansabundes Geheimrat Niesser die Grün-
dung eines wirtschaftlichen Generalstabes an, der
für solche Kriegszeiten die geeigneten Maßnahmen vorbereiten
könnte, um die schwersten Schädigungen des Wirtschaftslebens
nach Kräften zu verhindern. Die Anregung wurde in den
weitesten Kreisen beifällig begrüßt. Die Reichsregierung nahm
wohlwollend Notiz davon, der neue preußische Kriegsminister
Herr von Falkenhayn stellte die Einberufung eines solchen
Generalstabs, der aus erfahrenen Autoritäten des Wirtschafts-
lebens bestehen sollte, in Aussicht und es hat dann auch einmal
in Berlin unter Mitwirkung amtlicher Stellen eine Vor-
besprechung stattgefunden. Dabei ist es aber geblieben . . .
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
Man sollte vor der Erklärung des Kriegs- und Be-
lagerungszustandes nicht zurückschrecken. Eine
außerordentliche Lage verlangt auch außerordentliche
Mittel.
Der Belagerungszustand würde auf die Massen, gegen die
er gerichtet ist, auch eine ganz außerordentliche, gewiß
nicht erwünschte Wirkung ausüben. Wie lautet doch
Cavours Wort? "Mit dem Belagerungszustand
kann jeder Esel regieren."
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jedes verant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
Diese Ausführungen sind erfreulich. Denn in ernsten
Zeiten ist es für Volk und Vaterland dringend nötig, daß wir
nach außen hin als geschlossenes Volksganzes
wirken. Schafft die Sozialdemokratie durch ihre
Politik Unterschiede, so ist es nicht richtig, wenn diese
behördlicherseits durch zweierlei Recht noch
vergrößert werden. Wenn Deutschland zur Verteidigung
seiner Lebensinteressen das Schwert ziehen müßte, so kann es
keinen Volksteil entbehren. Es ist also Pflicht jexdes veant-
wortlichen Politikers, in diesen kritischen Tagen alles
Trennende beiseite zu lassen; das sollte besonders Pflicht der-
jenigen Kreise sein, die sonst gerne mit dem "nationalen"
Mäntelchen paradieren. Das Organ der preußischen Junker
kann aber auch jetzt die Scharfmacherei nicht lassen; es schreit
nach dem Belagerungszustand:
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind."
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe, ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
Die Regierung scheint das Bedenkliche dieser unterschiedlichen
Behandlung der Kundgebungen auch erkannt zu haben, denn sie
erläßt folgende Warnung:
"Wie bekannt, werden vom Berliner Polizeipräsidium die
öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage Unter
den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht
mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
dieser Maßregel hat sich Dienstag abend erwiesen, wo die beab-
sichtigten sozialdemokratischen Straßendemonstrationen durch recht-
zeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden.
Es ist selbstverständlich. daß sich das durch Verkehrsrück-
sichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patrio-
tischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich
diese Äußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
Es ist am Dienstag abend in Berlin zu zweierlei
Kundgebungen gekommen. Gegen die sozialdemo-
kratischen Versammlungsbesucher schritt die Polizei, zum
Teil mit blanker Waffe ein. Andererseits wurden An-
sammlungen, bei denen patriotische Lieder gesungen und Hoch-
rufe auf Deutschland und Oesterreich ausgebracht wurden, un-
behelligt gelassen. Beide Arten von Kundgebungen aber
verstießen gegen das ausdrückliche Verbot des Polizei-
präsidenten, das an gleichem Tage erlassen worden war. Hinzu
tritt noch, daß den nationalen Demonstrationen an den drei
vorhergehenden Tagen in keiner Weise entgegengetreten wurde.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Es geht nicht an, in einem Augenblick, wo unter Umständen
das Volk in Kürze zu den Waffen gerufen werden könnte,
zweierlei Recht für die Bürger zu proklamieren. Völlig
hat sich die Berliner Polizei noch nicht von dem Standpunkt
der Ausnahmebehandlung einer gewissen Schicht der
Bevölkerung freizumachen gewußt.
-
item 7
1. Spalte
Die Straßenkundgebungen.
Description
Save description- 52.5201126||13.404510699999946||||1
Berlin, Saalfeld, Leipzig
Location(s)
Story location Berlin, Saalfeld, Leipzig
- ID
- 15725 / 166517
- Contributor
- Karl Döbling
Login to edit the languages
Login to edit the fronts
Login to add keywords
- Home Front
Login to leave a note