Zeitungen aus der Kriegszeit 1914, item 5

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 item 5 


Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                       M o r g e n = Z e i t u n g

mit

Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                 Die Oesterreicher in Belgrad.

                Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

 1. Spalte 

   Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

entsprechende Maßnahmen auf deutscher

Seite zur Folge haben.

                                                   *

                        Einberufung des Reichstags?

   Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

ebenfalls in der Reichshauptstadt.

            Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                               Regensburg, 30. Juli.

   Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

"Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

reise in die Garnison bereit halten."

   Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

ihre Garnisonen zurückkehren.

   Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

gebender Stelle bestätigt.   ½

                                                                      Leipzig, 30. Juli.

   Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                      Dresden, 30. Juli.

   Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

Truppenkörpern eingerückt.

                                                                   Köln, 30. Juli.

   Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

stellen.

               Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                  Saarbrücken, 30. Juli.

   Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


 2. Spalte 

Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                        16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                          London, 30. Juli.

   Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

   Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

von dem aus die Reserven für die Westgrenze

zusammen gezogen werden.

   Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

angeordnet worden.

                                                                          Pleschen, 30. Juli.

   Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

gesperrt.

                                                                         Ostrowo, 30. Juli.

   Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

Wege zu bewachen.

                                     Die Sicherung der Küsten.

                                                                         Petersburg, 30. Juli.

   Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

 verboten.

                                                                        Petersburg, 30. Juli.

   Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

aufzuhalten.

                       Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                        Paris, 30. Juli. 

   Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

Deutschland morgen in Petersburg einen

Schritt unternehmen wird, um die Absichten

der russischen Regierung zu erfahren.

            Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                     London, 30. Juli. 
Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

Draht zwischen der russischen und der österreichischen

Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

verzweifelt angesehen werden.

        Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                     Genf, 30. Juli.

   Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                    Straßburg, 30. Juli.

   An der deutsch-französischen Grenze werden von der

französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


 3. Spalte 

troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                   Paris, 30. Juli.

   Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

die Umstände erforderlich geworden sind.


                       Die Beschießung von Belgrad.

                                                                  Semlin, 30. Juli.

   Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

begann.   

   Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

auch eine Anzahl von Familien auf die

Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 ½ Uhr

fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.

   Der dritte Monitor, der mit den beiden anderen einge-

laufen ist, macht kehrt ohne zu schießen, vielleicht um in

einen anderen Arm der Donau einzulaufen. Abwech-

selnd schießen die beiden kleinen Kriegs-

schiffe, die wie Miniaturkreuzer dunkel auf der sonnen-

überstrahlten Donau unter hellblauem Himmel keine zwei-

hundert Meter von meinem Beobachtungsplatz liegen.

Alle Minuten fällt ein Schuß, manchmal auch etwas

rascher. Neunzig Prozent der Schüsse sind

Treffer, meist gegen die niedrig an der Donau gelegenen

grünumhegten Befestigungen gerichtet. Mancher Schuß geht

in das Wasser, vielleicht absichtlich, um Minen zu zer-

stören. Dann schallt sein Echo noch einmal so laut herüber. 

   Um 11 Uhr vormittags beginnt die Artillerie auf

kroatischem Gebiet hinter unserem Rücken einzu-

greifen. Gleich der zweite Haubitzschuß hat rechts von Top-

schider eingeschlagen. Es brennt bereits an vier

Stellen in der Gegend von Belgrad.

   Um Punkt ½ 4 hat die Beschießung der Bel-

grader Festungswerke wieder begonnen. Die Kanonen

donnern wieder von der kroatischen Seite herüber, aber der

Haupteffekt des Vormittags, die Monitore sind aus-

geblieben. Der Kai ist vollkommen leer. Friedlich

liegt drüben unter dem blaugoldenen Nachmittagshimmel

Belgrad. Ueber dem hier nicht sichtbaren alten Donauarm

schwebt leichter  brauner Rauch, offenbar von einem Kriegs-

fahrzeug. Wäre nicht dieser regelmäßige Donner der Hau-

bitze hinter unserem Rücken, dem ein Zischen über unseren

Häuptern, ein Krach, das Aufschlagen der Geschosse, und an

einer Stelle der Festung bläulich roter Rauch folgen, wir

wüßten nicht, daß wir im Kriege leben. Um Mittag

habe ich den Transport der drei Soldaten begleitet, die bei

der Ueberfahrt mit der Munition für die zwölf Mann auf

der Kriegsinsel verwundet worden. Einer ist bald zur

Stelle; den anderen sieht man im Ried in einem Boot

liegen, das von einem wackeren Eisenbahner gezogen wird.

Langsam gehen wir in guter Deckung gegen die Schüsse der

Serben längs der Eisenbahnlinie zur Save hinunter; dann

eilen vier Mann gegen das Ried hinunter und tragen den

Verwundeten herüber. Inzwischen ist mit einer Lokomotive

eine Draisine herbeigefahren worden, und vorsichtig bringen

wir auf ihr den Schwerverletzten zu einem improvisierten

Krankenwagen; er hat einen doppelten Lungenschuß davon-

getragen, eines der ersten Opfer in dem beginnenden Kriege.

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 item 5 


Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                       M o r g e n = Z e i t u n g

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                                                                 Die Oesterreicher in Belgrad.

                Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

 1. Spalte 

   Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

entsprechende Maßnahmen auf deutscher

Seite zur Folge haben.

                                                   *

                        Einberufung des Reichstags?

   Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

ebenfalls in der Reichshauptstadt.

            Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                               Regensburg, 30. Juli.

   Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

"Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

reise in die Garnison bereit halten."

   Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

ihre Garnisonen zurückkehren.

   Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

gebender Stelle bestätigt.   ½

                                                                      Leipzig, 30. Juli.

   Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                      Dresden, 30. Juli.

   Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

Truppenkörpern eingerückt.

                                                                   Köln, 30. Juli.

   Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

stellen.

               Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                  Saarbrücken, 30. Juli.

   Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


 2. Spalte 

Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                        16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                          London, 30. Juli.

   Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

   Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

von dem aus die Reserven für die Westgrenze

zusammen gezogen werden.

   Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

angeordnet worden.

                                                                          Pleschen, 30. Juli.

   Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

gesperrt.

                                                                         Ostrowo, 30. Juli.

   Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

Wege zu bewachen.

                                     Die Sicherung der Küsten.

                                                                         Petersburg, 30. Juli.

   Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

 verboten.

                                                                        Petersburg, 30. Juli.

   Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

aufzuhalten.

                       Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                        Paris, 30. Juli. 

   Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

Deutschland morgen in Petersburg einen

Schritt unternehmen wird, um die Absichten

der russischen Regierung zu erfahren.

            Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                     London, 30. Juli. 
Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

Draht zwischen der russischen und der österreichischen

Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

verzweifelt angesehen werden.

        Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                     Genf, 30. Juli.

   Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                    Straßburg, 30. Juli.

   An der deutsch-französischen Grenze werden von der

französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


 3. Spalte 

troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                   Paris, 30. Juli.

   Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

die Umstände erforderlich geworden sind.


                       Die Beschießung von Belgrad.

                                                                  Semlin, 30. Juli.

   Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

begann.   

   Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

auch eine Anzahl von Familien auf die

Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 ½ Uhr

fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.

   Der dritte Monitor, der mit den beiden anderen einge-

laufen ist, macht kehrt ohne zu schießen, vielleicht um in

einen anderen Arm der Donau einzulaufen. Abwech-

selnd schießen die beiden kleinen Kriegs-

schiffe, die wie Miniaturkreuzer dunkel auf der sonnen-

überstrahlten Donau unter hellblauem Himmel keine zwei-

hundert Meter von meinem Beobachtungsplatz liegen.

Alle Minuten fällt ein Schuß, manchmal auch etwas

rascher. Neunzig Prozent der Schüsse sind

Treffer, meist gegen die niedrig an der Donau gelegenen

grünumhegten Befestigungen gerichtet. Mancher Schuß geht

in das Wasser, vielleicht absichtlich, um Minen zu zer-

stören. Dann schallt sein Echo noch einmal so laut herüber. 

   Um 11 Uhr vormittags beginnt die Artillerie auf

kroatischem Gebiet hinter unserem Rücken einzu-

greifen. Gleich der zweite Haubitzschuß hat rechts von Top-

schider eingeschlagen. Es brennt bereits an vier

Stellen in der Gegend von Belgrad.

   Um Punkt ½ 4 hat die Beschießung der Bel-

grader Festungswerke wieder begonnen. Die Kanonen

donnern wieder von der kroatischen Seite herüber, aber der

Haupteffekt des Vormittags, die Monitore sind aus-

geblieben. Der Kai ist vollkommen leer. Friedlich

liegt drüben unter dem blaugoldenen Nachmittagshimmel

Belgrad. Ueber dem hier nicht sichtbaren alten Donauarm

schwebt leichter  brauner Rauch, offenbar von einem Kriegs-

fahrzeug. Wäre nicht dieser regelmäßige Donner der Hau-

bitze hinter unserem Rücken, dem ein Zischen über unseren

Häuptern, ein Krach, das Aufschlagen der Geschosse, und an

einer Stelle der Festung bläulich roter Rauch folgen, wir

wüßten nicht, daß wir im Kriege leben. Um Mittag

habe ich den Transport der drei Soldaten begleitet, die bei

der Ueberfahrt mit der Munition für die zwölf Mann auf

der Kriegsinsel verwundet worden. Einer ist bald zur

Stelle; den anderen sieht man im Ried in einem Boot

liegen, das von einem wackeren Eisenbahner gezogen wird.

Langsam gehen wir in guter Deckung gegen die Schüsse der

Serben längs der Eisenbahnlinie zur Save hinunter; dann

eilen vier Mann gegen das Ried hinunter und tragen den

Verwundeten herüber. Inzwischen ist mit einer Lokomotive

eine Draisine herbeigefahren worden, und vorsichtig bringen

wir auf ihr den Schwerverletzten zu einem improvisierten

Krankenwagen; er hat einen doppelten Lungenschuß davon-

getragen, eines der ersten Opfer in dem beginnenden Kriege.


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  • August 9, 2017 19:30:48 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   ½

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.   

       Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

    dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

    Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

    dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

    Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

    gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

    einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

    auch eine Anzahl von Familien auf die

    Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

    schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

    Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

    aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

    fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

    klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

    Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

    klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

    mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

    es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

    der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

    sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 ½ Uhr

    fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

    sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

    feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

    liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.

       Der dritte Monitor, der mit den beiden anderen einge-

    laufen ist, macht kehrt ohne zu schießen, vielleicht um in

    einen anderen Arm der Donau einzulaufen. Abwech-

    selnd schießen die beiden kleinen Kriegs-

    schiffe, die wie Miniaturkreuzer dunkel auf der sonnen-

    überstrahlten Donau unter hellblauem Himmel keine zwei-

    hundert Meter von meinem Beobachtungsplatz liegen.

    Alle Minuten fällt ein Schuß, manchmal auch etwas

    rascher. Neunzig Prozent der Schüsse sind

    Treffer, meist gegen die niedrig an der Donau gelegenen

    grünumhegten Befestigungen gerichtet. Mancher Schuß geht

    in das Wasser, vielleicht absichtlich, um Minen zu zer-

    stören. Dann schallt sein Echo noch einmal so laut herüber. 

       Um 11 Uhr vormittags beginnt die Artillerie auf

    kroatischem Gebiet hinter unserem Rücken einzu-

    greifen. Gleich der zweite Haubitzschuß hat rechts von Top-

    schider eingeschlagen. Es brennt bereits an vier

    Stellen in der Gegend von Belgrad.

       Um Punkt ½ 4 hat die Beschießung der Bel-

    grader Festungswerke wieder begonnen. Die Kanonen

    donnern wieder von der kroatischen Seite herüber, aber der

    Haupteffekt des Vormittags, die Monitore sind aus-

    geblieben. Der Kai ist vollkommen leer. Friedlich

    liegt drüben unter dem blaugoldenen Nachmittagshimmel

    Belgrad. Ueber dem hier nicht sichtbaren alten Donauarm

    schwebt leichter  brauner Rauch, offenbar von einem Kriegs-

    fahrzeug. Wäre nicht dieser regelmäßige Donner der Hau-

    bitze hinter unserem Rücken, dem ein Zischen über unseren

    Häuptern, ein Krach, das Aufschlagen der Geschosse, und an

    einer Stelle der Festung bläulich roter Rauch folgen, wir

    wüßten nicht, daß wir im Kriege leben. Um Mittag

    habe ich den Transport der drei Soldaten begleitet, die bei

    der Ueberfahrt mit der Munition für die zwölf Mann auf

    der Kriegsinsel verwundet worden. Einer ist bald zur

    Stelle; den anderen sieht man im Ried in einem Boot

    liegen, das von einem wackeren Eisenbahner gezogen wird.

    Langsam gehen wir in guter Deckung gegen die Schüsse der

    Serben längs der Eisenbahnlinie zur Save hinunter; dann

    eilen vier Mann gegen das Ried hinunter und tragen den

    Verwundeten herüber. Inzwischen ist mit einer Lokomotive

    eine Draisine herbeigefahren worden, und vorsichtig bringen

    wir auf ihr den Schwerverletzten zu einem improvisierten

    Krankenwagen; er hat einen doppelten Lungenschuß davon-

    getragen, eines der ersten Opfer in dem beginnenden Kriege.

  • August 9, 2017 19:24:16 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.   

       Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

    dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

    Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

    dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

    Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

    gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

    einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

    auch eine Anzahl von Familien auf die

    Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

    schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

    Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

    aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

    fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

    klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

    Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

    klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

    mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

    es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

    der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

    sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 1/4 Uhr

    fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

    sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

    feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

    liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.

       Der dritte Monitor, der mit den beiden anderen einge-

    laufen ist, macht kehrt ohne zu schießen, vielleicht um in

    einen anderen Arm der Donau einzulaufen. Abwech-

    selnd schießen die beiden kleinen Kriegs-

    schiffe, die wie Miniaturkreuzer dunkel auf der sonnen-

    überstrahlten Donau unter hellblauem Himmel keine zwei-

    hundert Meter von meinem Beobachtungsplatz liegen.

    Alle Minuten fällt ein Schuß, manchmal auch etwas

    rascher. Neunzig Prozent der Schüsse sind

    Treffer, meist gegen die niedrig an der Donau gelegenen

    grünumhegten Befestigungen gerichtet. Mancher Schuß geht

    in das Wasser, vielleicht absichtlich, um Minen zu zer-

    stören. Dann schallt sein Echo noch einmal so laut herüber. 

       Um 11 Uhr vormittags beginnt die Artillerie auf

    kroatischem Gebiet hinter unserem Rücken einzu-

    greifen. Gleich der zweite Haubitzschuß hat rechts von Top-

    schider eingeschlagen. Es brennt bereits an vier

    Stellen in der Gegend von Belgrad.

       Um Punkt 1/2 4 hat die Beschießung der Bel-

    grader Festungswerke wieder begonnen. Die Kanonen

    donnern wieder von der kroatischen Seite herüber, aber der

    Haupteffekt des Vormittags, die Monitore sind aus-

    geblieben. Der Kai ist vollkommen leer. Friedlich

    liegt drüben unter dem blaugoldenen Nachmittagshimmel

    Belgrad. Ueber dem hier nicht sichtbaren alten Donauarm

    schwebt leichter  brauner Rauch, offenbar von einem Kriegs-

    fahrzeug. Wäre nicht dieser regelmäßige Donner der Hau-

    bitze hinter unserem Rücken, dem ein Zischen über unseren

    Häuptern, ein Krach, das Aufschlagen der Geschosse, und an

    einer Stelle der Festung bläulich roter Rauch folgen, wir

    wüßten nicht, daß wir im Kriege leben. Um Mittag

    habe ich den Transport der drei Soldaten begleitet, die bei

    der Ueberfahrt mit der Munition für die zwölf Mann auf

    der Kriegsinsel verwundet worden. Einer ist bald zur

    Stelle; den anderen sieht man im Ried in einem Boot

    liegen, das von einem wackeren Eisenbahner gezogen wird.

    Langsam gehen wir in guter Deckung gegen die Schüsse der

    Serben längs der Eisenbahnlinie zur Save hinunter; dann

    eilen vier Mann gegen das Ried hinunter und tragen den

    Verwundeten herüber. Inzwischen ist mit einer Lokomotive

    eine Draisine herbeigefahren worden, und vorsichtig bringen

    wir auf ihr den Schwerverletzten zu einem improvisierten

    Krankenwagen; er hat einen doppelten Lungenschuß davon-

    getragen, eines der ersten Opfer in dem beginnenden Kriege.


  • August 9, 2017 19:20:45 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

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    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.   

       Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

    dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

    Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

    dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

    Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

    gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

    einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

    auch eine Anzahl von Familien auf die

    Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

    schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

    Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

    aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

    fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

    klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

    Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

    klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

    mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

    es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

    der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

    sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 1/4 Uhr

    fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

    sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

    feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

    liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.

       Der dritte Monitor, der mit den beiden anderen einge-

    laufen ist, macht kehrt ohne zu schießen, vielleicht um in

    einen anderen Arm der Donau einzulaufen. Abwech-

    selnd schießen die beiden kleinen Kriegs-

    schiffe, die wie Miniaturkreuzer dunkel auf der sonnen-

    überstrahlten Donau unter hellblauem Himmel keine zwei-

    hundert Meter von meinem Beobachtungsplatz liegen.

    Alle Minuten fällt ein Schuß, manchmal auch etwas

    rascher. Neunzig Prozent der Schüsse sind

    Treffer, meist gegen die niedrig an der Donau gelegenen

    grünumhegten Befestigungen gerichtet. Mancher Schuß geht

    in das Wasser, vielleicht absichtlich, um Minen zu zer-

    stören. Dann schallt sein Echo noch einmal so laut herüber. 

       Um 11 Uhr vormittags beginnt die Artillerie auf

    kroatischem Gebiet hinter unserem Rücken einzu-

    greifen. Gleich der zweite Haubitzschuß hat rechts von Top-

    schider eingeschlagen. Es brennt bereits an vier

    Stellen in der Gegend von Belgrad.

       Um Punkt 1/2 4 hat die Beschießung der Bel-

    grader Festungswerke wieder begonnen. Die Kanonen

    donnern wieder von der kroatischen Seite herüber, aber der

    Haupteffekt des Vormittags, die Monitore sind aus-

    geblieben. Der Kai ist vollkommen leer. Friedlich

    liegt drüben unter dem blaugoldenen Nachmittagshimmel

    Belgrad. Ueber dem hier nicht sichtbaren alten Donauarm

    schwebt leichter  brauner Rauch, offenbar von einem Kriegs-

    fahrzeug. Wäre nicht dieser regelmäßige Donner der Hau-

    bitze hinter unserem Rücken, dem ein Zischen über unseren

    Häuptern, ein Krach, das Aufschlagen der Geschosse, und an

    einer Stelle der Festung bläulich roter Rauch folgen, wir

    wüßten nicht, daß wir im Kriege leben. Um Mittag

    habe ich den Transport der drei Soldaten begleitet, die bei

    der Ueberfahrt mit der Munition für die zwölf Mann auf

    der Kriegsinsel verwundet worden. Einer ist bald zur

    Stelle; den anderen sieht man im Ried in einem Boot

    liegen, das von einem wackeren Eisenbahner gezogen wird.

    Langsam gehen wir in guter Deckung gegen die Schüsse der

    Serben längs der Eisenbahnlinie zur Save hinunter; dann

    eilen vier Mann gegen das Ried hinunter und tragen den

    Verwundeten herüber. Inzwischen ist mit einer Lokomotive

    eine Draisine herbeigefahren worden, und vorsichtig bringen

    wir auf ihr den Schwerverletzten zu einem improvisierten

    Krankenwagen; er hat einen doppelten Lungenschuß davon-

    getragen, eines der ersten Opfer in dem beginnenden Kriege.


  • August 9, 2017 19:18:17 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.   

       Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

    dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

    Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

    dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

    Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

    gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

    einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

    auch eine Anzahl von Familien auf die

    Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

    schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

    Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

    aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

    fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

    klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

    Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

    klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

    mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

    es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

    der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

    sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 1/4 Uhr

    fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

    sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

    feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

    liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.

       Der dritte Monitor, der mit den beiden anderen einge-

    laufen ist, macht kehrt ohne zu schießen, vielleicht um in

    einen anderen Arm der Donau einzulaufen. Abwech-

    selnd schießen die beiden kleinen Kriegs-

    schiffe, die wie Miniaturkreuzer dunkel auf der sonnen-

    überstrahlten Donau unter hellblauem Himmel keine zwei-

    hundert Meter von meinem Beobachtungsplatz liegen.

    Alle Minuten fällt ein Schuß, manchmal auch etwas

    rascher. Neunzig Prozent der Schüsse sind

    Treffer, meist gegen die niedrig an der Donau gelegenen

    grünumhegten Befestigungen gerichtet. Mancher Schuß geht

    in das Wasser, vielleicht absichtlich, um Minen zu zer-

    stören. Dann schallt sein Echo noch einmal so laut herüber. 

       Um 11 Uhr vormittags beginnt die Artillerie auf

    kroatischem Gebiet hinter unserem Rücken einzu-

    greifen. Gleich der zweite Haubitzschuß hat rechts von Top-

    schider eingeschlagen. Es brennt bereits an vier

    Stellen in der Gegend von Belgrad.

       Um Punkt 1/2 4 hat die Beschießung der Bel-

    grader Festungswerke wieder begonnen. Die Kanonen

    donnern wieder von der kroatischen Seite herüber, aber der

    Haupteffekt des Vormittags, die Monitore sind aus-

    geblieben. Der Kai ist vollkommen leer. Friedlich

    liegt drüben unter dem blaugoldenen Nachmittagshimmel

    Belgrad. Ueber dem hier nicht sichtbaren alten Donauarm

    schwebt leichter  brauner Rauch, offenbar von einem Kriegs-

    fahrzeug. Wäre nicht dieser regelmäßige Donner der Hau-

    bitze hinter unserem Rücken, dem ein Zischen über unseren

    Häuptern, ein Krach, das Aufschlagen der Geschosse, und an

    einer Stelle der Festung bläulich roter Rauch folgen, wir

    wüßten nicht, daß wir im Kriege leben. Um Mittag

    habe ich den Transport der drei Soldaten begleitet, die bei

    der Ueberfahrt mit der Munition für die zwölf Mann auf

    der Kriegsinsel verwundet worden. Einer ist bald zur

    Stelle; den anderen sieht man im Ried in einem Boot

    liegen, das von einem wackeren Eisenbahner gezogen wird.

    Langsam gehen wir in guter Deckung gegen die Schüsse der

    Serben längs der Eisenbahnlinie zur Save hinunter; dann

    eilen vier Mann gegen das Ried hinunter und tragen den

    Verwundeten herüber. Inzwischen ist mit einer Lokomotive

    eine Draisine herbeigefahren worden, und vorsichtig bringen

    wir auf ihr den Schwerverletzten zu einem improvisierten

    Krankenwagen; er hat einen doppelten Lungenschuß davon-

    getragen, eines der ersten Opfer in dem beginnenden Kriege.


  • August 9, 2017 18:57:14 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.   

       Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

    dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

    Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

    dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

    Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

    gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

    einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

    auch eine Anzahl von Familien auf die

    Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

    schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

    Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

    aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

    fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

    klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

    Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

    klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

    mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

    es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

    der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

    sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 1/4 Uhr

    fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

    sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

    feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

    liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.

       Der dritte Monitor, der mit den beiden anderen einge-

    laufen ist, macht kehrt ohne zu schießen, vielleicht um in

    einen anderen Arm der Donau einzulaufen. Abwech-

    selnd schießen die beiden kleinen Kriegs-

    schiffe, die wie Miniaturkreuzer dunkel auf der sonnen-

    überstrahlten Donau unter hellblauem Himmel keine zwei-

    hundert Meter von meinem Beobachtungsplatz liegen.

    Alle Minuten fällt ein Schuß, manchmal auch etwas

    rascher. Neunzig Prozent der Schüsse sind

    Treffer, meist gegen die niedrig an der Donau gelegenen

    grünumhegten Befestigungen gerichtet. Mancher Schuß geht

    in das Wasser, vielleicht absichtlich, um Minen zu zer-

    stören. Dann schallt sein Echo noch einmal so laut herüber. 



  • August 9, 2017 18:31:55 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

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    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.   

       Um 6 Uhr legten die drei Monitore am Semliner Lan-

    dungssteg der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft an. Mit

    Tonnen und Körben gehen die meisten Matrosen über die

    dort liegenden Personendampfer an Land, um Wasser und

    Lebensmittel zu fassen. Helle Freude strahlt diesen jungen,

    gebräunten Burschen aus den Augen. Am Ufer haben sich

    einige hundert Menschen versammelt. Hier unten hat sich

    auch eine Anzahl von Familien auf die

    Dampfer geflüchtet oder wenigstens die Kinder mit

    schnell zusammengeraffter Habe an Bord gebracht, um zur

    Fahrt nach Budapest oder Wien gerüstet zu sein. Sonst 

    aber ist von einer Panikstimmung nichts zu bemerken. Ich

    fahre wieder zur Station hinunter, und jetzt in der

    klaren Morgensonne, nachdem sich der Rauch von den

    Schüssen der Monitore verzogen hat, ist mit dem Feldstecher

    klar zu erkennen, daß die schwarzen  Festungs-

    mauern zerschossen sind. Die Stadt selbst ist, wie

    es scheint, vollkommen unversehrt geblieben. Aus 

    der Richtung von Topschider und auch aus Belgrad selbst

    sind einzelne Gewehrschüsse zu hören. Gegen 7 1/4 Uhr

    fahren die Monitore wieder gegen die Festung vor, ziehen

    sich aber wieder zurück. Bald darauf ist auch das Gewehr-

    feuer unterbrochen, und wie im Frieden scheint die unglück-

    liche Stadt im hellen Morgen zu liegen.



  • August 9, 2017 18:02:20 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.




  • August 9, 2017 18:01:33 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

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    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

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    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.


                           Die Beschießung von Belgrad.

                                                                      Semlin, 30. Juli.

       Um fünf Uhr hat gestern früh das Bombardement

    der österreichisch-ungarischen Monitore ge-

    gen die Befestigungen von Belgrad begonnen.

    Das Feuer wurde nach einiger Zeit auch von den Ar-

    tilleriestellungen auf der kroatischen Seite auf-

    genommen, wo das Fort Laudon mit dem Feuern

    begann.




  • August 8, 2017 21:32:34 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach Pontarlier finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.




  • August 8, 2017 21:28:34 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach missing finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.




  • August 8, 2017 21:28:05 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach missing finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.

                                                                       Paris, 30. Juli.

       Die Agence Havas  meldet, daß die Gerüchte, wonach die Regie-

    rung die Einberufung eines oder mehrerer Reservisten-

    jahrgänge beschlossen hat, unrichtig sind. Die Regierung be-

    schränkte sich darauf, die Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die durch

    die Umstände erforderlich geworden sind.




  • August 8, 2017 21:23:39 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach missing finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-


     3. Spalte 

    troffen. Das Telephon im Grenzhotel auf der Schlucht wurde

    heut mittag durch französische Offiziere gesperrt.




  • August 8, 2017 21:22:20 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.

            Die militärischen Vorkehrungen in Ostfrankreich.

                                                                         Genf, 30. Juli.

       Hier eingetroffene  Genfer Ferienreisende, die gestern abend von

    Paris vom Ostbahnhof abfahren wollten, mußten den Lyoner

    Bahnhof benutzen. Der Ostbahnhof war militärisch besetzt,

    für den Personenverkehr gesperrt und für Truppentransporte

    reserviert, für die gegen zwanzig Züge bereit standen.

    Auf der ganzen Linie nach missing finden Transporte statt.

                                                                        Straßburg, 30. Juli.

       An der deutsch-französischen Grenze werden von der

    französischen Armee sämtliche Vorsichtsmaßregeln ge-




  • August 8, 2017 21:13:03 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                           Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.

                Die Besprechungen zwischen Berlin - Petersburg.

                                                                         London, 30. Juli. 
    Die "Times" betonen daß die Besprechungen zwischen

    Berlin und Petersburg fortgesetzt würden. Es sei ein 

    offenes Geheimnis, daß Deutschland sein Bestes tue, um den

    Draht zwischen der russischen und der österreichischen

    Hauptstadt wieder herzustellen. Der "Standard"

    schreibt, man müsse sich darüber klar sein, daß England

    sich unter keinerlei Verpflichtungen befinde. Sir

    Edward Gray habe noch am 12. Juni im Parlament erklärt, daß

    England im Falle eines Bruches zwischen den europäischen

    Mächten vollständig freie Hand habe. "Daily Mail"

    schreibt: Solange der deutsche Kaiser und der Zar, die beide

    in der unmittelbaren Vergangenheit Beweise für ihre

    Friedensliebe gegeben haben, in freundschaftlicher

    Korrespondenz stehen, kann  die Lage nicht als absolut

    verzweifelt angesehen werden.



  • August 8, 2017 20:59:27 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen

    aufzuhalten.

                         Ein deutscher Schritt in Petersburg.

                                                                            Paris, 30. Juli. 

       Der "Matin" meldet aus Wien, man erwartet eine Er-

    klärung der Absichten Rußlands und glaube, daß

    Deutschland morgen in Petersburg einen

    Schritt unternehmen wird, um die Absichten

    der russischen Regierung zu erfahren.




  • August 8, 2017 20:54:37 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen aufzuhalten.


  • August 8, 2017 20:53:44 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.

       Die deutsche und die österreichisch-ungarische Bot-

    schaft werden vonallen Seiten durch verstärkte Polizei-

    truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch ver-

    boten, sich auf den gegenüberliegenden Bürgersteigen aufzuhalten.


  • August 8, 2017 20:51:49 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.

                                                                            Petersburg, 30. Juli.


  • August 8, 2017 20:50:49 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.

                                         Die Sicherung der Küsten.

                                                                             Petersburg, 30. Juli.

       Die Seeverwaltung teilt mit, daß die Feuerschiffe vor

    Libau, Luserort und Sarytschew von ihren Stand-

    orten entfernt worden sind. Der Leuchtturm von

    Renscher und die Leuchtfeuer von Röngrund und

    Smultongrund sind ausgelöscht worden. Bei Sewastopol

    sind alle Feuer und Leuchttürme außerhalb Chersons ausgelöscht

    worden. Die Einfahrt nach Sewastopol ist während der Nacht

     verboten.


  • August 8, 2017 20:40:45 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.


  • August 8, 2017 20:39:25 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.

                                                                              Pleschen, 30. Juli.

       Ein russisches Schützenregiment ist neu in Kalisch eingetroffen und

    hat sich sofort auf Vorposten an die deutsche Grenze be-

    geben. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde halten die ganze Grenze

    gesperrt.

                                                                             Ostrowo, 30. Juli.

       Nach hier aus dem russischen Grenzgebiet angelangten Meldungen

    erhielten die dortigen Militärbehörden gestern nachmittag 3 Uhr die

    drahtliche Aufforderung, das gesamte militärische Auf-

    gebot an der Grenze in Bereitschaft zu halten und vorläufig

    die hauptsächlichsten Brücken und die nach Deutschland führenden

    Wege zu bewachen.


  • August 8, 2017 20:31:03 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen (sic) durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.


  • August 8, 2017 20:27:03 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


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    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

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    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von der russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.


  • August 8, 2017 20:26:07 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.

                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


                            16 russische Armeekorps mobil.

                                                                                              London, 30. Juli.

       Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern abend im

    Süden und Südwesten Rußlands eine teil-

    weise Mobilmachung angeordnet worden ist.

       Die Mobilisierung beschränkt sich auf die militärischen

    Bezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan.

    In jedem Bezirk stehen vier Armeekorps in

    Friedensstärke. Durch die Mobilisation werden

    16 Armeekorps auf die Stärke von 32 Armee-

    korps gebracht. Kasan ist der Zentralbezirk,

    von dem aus die Reserven für die Westgrenze

    zusammen gezogen werden.

       Wie von de russischen Grenze gemeldet wird, ist die Eisen-

    bahnbrücke bei Wirbalen durch russisches Militär

    mit Minen belegt worden. In der Umgebung von Wir-

    ballen (das auf russischer Seite Eydtkuhnen gegenüber

    liegt) liegen jetzt gegen 6000 Mann Militär, um die Rück-

    verbindung aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist auch

    für den Militärbezirk von Libau der Mobilmachungsbefehl

    angeordnet worden.


  • August 7, 2017 21:33:58 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

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    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt. zu werden. Zum


                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlouis Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch französisch

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


  • August 7, 2017 21:30:57 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

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    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt. zu werden. Zum


                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlois Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch franrösische

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort nicht eingetroffen.


  • August 7, 2017 21:30:24 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt. zu werden. Zum


                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlois Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch franrösische

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 

    Weisung erbeten, was mit den Festgenommenen zu geschehen habe.

    Bisher ist Antwort ich eingetroffen.


  • August 7, 2017 21:29:27 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

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    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt. zu werden. Zum


                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.

                   Russische Automobile in Lothringen angehalten.

                                                                      Saarbrücken, 30. Juli.

       Großes Aufsehen erregt in Saarlouis die Sistierung von zwei

    ausländischen Automobilen, deren Führer zwei

    Chauffeure und ein Begleiter, in Saarlois Rast machten und im

    Kaiserhofhotel abgestiegen waren, um zu frühstücken. Dem Besitzer

    des Hotels kamen die Wagen verdächtig vor, weshalb er die

    Polizei benachrichtigte. Diese untersuchte gemeinsam mit einem

    Fahrradhändler die Automobile, und hierbei soll festgestellt worden

    sein, daß es zwei russische Generalstabswagen waren. Der Be-

    gleiter der beiden Chauffeure, der außer russisch auch franrösische

    sprach, gab an, daß die beiden Wagen dem russischen Groß-

    fürsten Nikolaus und einem Fürsten Orlow gehörten,

    die sich mit der Bahn von Frankfurt a. M. nach Paris begeben

    hätten. Die beiden Chauffeure, der Begleiter sowie die Wagen

    wurden angehalten. Man fand darin eine Schreibmaschine,

    einen Feldtisch und Feldstühle. Aus Berlin wurde telegraphische


     2. Spalte 


  • August 7, 2017 21:18:31 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt. zu werden. Zum


                                                                       Köln, 30. Juli.

       Meldungen vom Truppenübungsplatz Senne zufolge

    sind die dort lagernden Truppen plötzlich alamirt (sic) worden, um

    in ihre Garnisonen zurückbefördert zu werden. Zum

    Schutze der Rheinbrücken, die seit einigen Tagen durch die

    mit Karabinern bewaffneten Eisenbahnbeamten bewacht sind, sind

    in der verflossenen Nacht militärische Wachen aufgezogen. Im

    rheinisch-westfälischen Industriegebiet erhielten ein-

    zelne Werke behördlicherseits die Aufforderung, sämtliche Kolli-

    wagen der Eisenbahndirektion zur Verfügung zu

    stellen.


  • August 7, 2017 21:09:01 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

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    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

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    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.

                                                                          Dresden, 30. Juli.

       Die Offiziere des Dresdener Reitvereins sind zu ihren Regi-

    mentern einberufen worden. Auch die beiden Dresdener Grena-

    dierregimenter, die am 17. Juli nach Jüterbog zu Uebungen

    abgegangen waren, sind wieder in Dresden eingetroffen, ebenso das

    Fußartillerieregiment Nr.19, das sich in Thorn zu Schießübungen

    befand. Die Reise des Generalstabs des 19. Armeekorps

    wurde wegen der Unsicherheit der Lage in Waldheim in Sachsen

    unterbrochen. Die Teilnehmer der Reise sind bereits zu ihren

    Truppenkörpern eingerückt.



  • August 7, 2017 21:02:45 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

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    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

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                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen befanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.




  • August 7, 2017 21:01:39 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.   

                                                                          Leipzig, 30. Juli.

       Die Truppen der Leipziger Garnison, die sich auf

    Truppenübungsplätzen b efanden, sind sämtlich nach Leipzig zurück-

    gekehrt. Sämtliche Urlauber der Marine, soweit sie sich

    in Sachsen und Thüringen aufhielten, sind bereits am Montag 

    nach Kiel und Wilhelmshaven zurückbeordert worden und haben

    sich sofort nach ihren Standorten begeben.




  • August 7, 2017 20:58:14 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzug mit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grafenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

    gebender Stelle bestätigt.





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     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

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    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

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                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

    artillerieregiment und das 11. Infanterieregiment werden sogleich in

    ihre Garnisonen zurückkehren.

       Gestern wurde zum Transport von Truppen ein Leerzugmit

    fünfundvierzig Waggons nach dem Truppenübungsplatz

    Grsfenwöhr gesandt. Die Mitteilungen wurden hier von maß-

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     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

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                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

    meldet: Um elf Uhr vormittags wurde gestern auf dem Truppen-

    übungsplatz durch Meldereiter folgender Befehl bekanntgegeben:

    "Uebung sofort abbrechen, einrücken, packen und zur Ab-

    reise in die Garnison bereit halten."

       Das 2. Fußartillerieregiment in Metz ist sofort abgereist. Das

    4. Feldartillerieregiment, das 6. Infanterieregiment, das 9. Feld-

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  • August 7, 2017 20:54:03 Beate Jochem

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     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

       Vom Truppenübungsplatz Grafenwöhr wird ge-

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  • August 7, 2017 20:53:26 Beate Jochem

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     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?

       Geheimrat Jungheim, der Direktor des Reichstages, hat

    einen Urlaub abgebrochen und ist in Berlin einge-

    troffen. Der Reichstagspräsident Dr. Kämpf weilt

    ebenfalls in der Reichshauptstadt.

                Militärische Vorbereitungen in Deutschland.

                                                                   Regensburg, 30. Juli.

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  • August 7, 2017 20:48:47 Beate Jochem

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                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

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    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

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                                                       *

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  • August 7, 2017 20:45:24 Beate Jochem

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    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

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    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

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                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

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    Seite zur Folge haben.

                                                       *

                            Einberufung des Reichstags?





  • August 7, 2017 20:43:45 Beate Jochem

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    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

    Täglichem Unterhaltungs-Blatt . Illustrierter Moden-Zeitung

    Illustrierter Familien-Zeitung .  Illustierter Kinder-Zeitung

    Haus Feld Garten . Technischer Umschau . Lustiger Ecke


    Man abonniert bei allen Reichs-Postanstalten sowie Land-

    briefträgern für 1 M. 65 Pf. viertelj. oder 55 Pf. monatl.;

    Zustellung durch den Briefträger viertelj. 42 Pf. mehr. Unsere

    Agenturen liefern das Blatt für 70 Pf. monatlich frei Haus.


    Erscheint täglich, mit Ausnahme der Tage nach den Sonn-

    und Feiertagen. Insertionspreis für die Zeile 60 Pf. Kleine

    Anzeigen 10 Pf. das Wort; das fette Einleitungswort 20 Pf.

    Redaktion und Expedition Berlin 3 W. Jerusalemer Straße 40-43


                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. Nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.





  • August 7, 2017 20:42:02 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

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                                                                     Die Oesterreicher in Belgrad.

                    Teilweise Mobilmachung in Rußland. - Militärische Maßnahmen Deutschlands.

     1. Spalte 

       Allen Mächten Europas ist es um eine Lokalisierung des

    österreichisch-serbischen Krieges zu tun. Ginge es nach Deutsch-

    land, Italien, England und Frankreich, so würde jeder Staats-

    bürger dieser Länder in aller Seelenruhe seiner friedlichen

    Berufstätigkeit nachgehen können. nur Rußland macht

    die Sache des "kleinen Bruders" zu der seinen, und trifft alle

    Anstalten, um ihm, falls es ihm an den Kragen geht, mit

    seiner Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Rußland hat die

    Mobilmachung von 16 Armeekorps angeordnet.

    Es hat diese Maßregeln ergriffen, obwohl Oesterreich wieder- 

    holt erklärt hat, es gehe nicht auf Territorialerwerb in Serbien

    aus, Rußland macht mobil, obwohl es weiß, daß Deutschland

    kraft des Bündnisvertrages bei einem Angriff Rußlands auf

    Oesterreich sich an die Seite der Doppelmonarchie stellen muß,

    weil ein starkes Oesterreich Deutschlands Lebensinteresse ist.

    Rußland kann nicht einwenden, seine Mobilisierung richte sich

    nur gegen die österreichischen Grenzen und ginge uns nichts

    an. Wir müssen aus dem angeführten Grunde jede gegen

    Oesterreich gerichtete Droh- und Kriegsaktion als eine

    Bedrohung Deutschlands auffassen. Militäri-

    sche Vorbereitungen Rußlands müssen notwendigerweise

    entsprechende Maßnahmen auf deutscher

    Seite zur Folge haben.





  • August 7, 2017 20:12:51 Beate Jochem

     item 5 


    Nr. 177. XXVI. Jahrgang                                        Berliner                                             Freitag, 31. Juli 1914

                                                                           M o r g e n = Z e i t u n g

    mit

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Contributor
Karl Döbling
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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