Hedwig Nehlsen schreibt ihrem Mann Wilhelm an die Ostfront - 1914, item 17

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 .Linke Seite des Briefes:

froh ich bin, dass du auf deutschem Boden

im Lazarett bist, denn in Rußl.[and] solls den

armen Verwundeten herzlich schlecht gehen,

da die Bande vor nichts Achtung hat und

nichts scheut. Ach, Schatzel, ich möcht dir

so viel erzählen, und ich weiß bald nicht

wo ich anfangen soll. Seit dem 2. September

hast du keine Post mehr bekommen, da

da wird also auch ein großer Teil meiner Briefe

und Karten in den Papierkorb gewandert

sein. Und die vielen kleinen Paketchen,

die wir schickten, werden in andere Hände

kommen. Wenn sie an ein paar Kameraden

kommen, die die Sachen gebrauchen können,

so will ichs ihnen gerne gönnen und [...]

nicht böse sein, nur den Schw...h..., den

Russen gönn ichs nicht. Nun will ich mal mög-

lichst der Reihe nach erzählen. Also seit 8 Tagen

bin ich wieder in Görlitz, in Lubosch ist bis jetzt

alles wohl, Toni, Mutter, und die beiden kl.[einen]

Jungens. Ich hatte in L.[ubosch] keine Ruhe mehr, ich

hielt’s nicht aus, ich mußte heim. Toni hätte

mich gern noch länger behalten, aber als sie

wieder so weit hergestellt war, daß sie alles

besorgen konnte, dampfte ich mit Erich ab.

Und ich kam heim! Aber nur still ists daheim!

  

  Rechte Seite des Briefes:

 

Wenn ich abends bei der Lampe sitze und muß

allein meine Mahlzeiten nehmen, dann kommt

so ein Heimweh über mich, und ich muss denken

wie elend du u.[nd] all die Soldaten draußen im

Felde es habt. Ich hatte auch tagsüber keine

Lust zur Arbeit. Ich glaube, du kannst mir

das nachfühlen. Ich will dir kein Klagelied

singen, Schatzel, aber ich denke, du wirst dich

ebenso nach haus sehnen. Und deshalb,

Schatzel, geht mit gleicher Post ein Gesuch von

mir an deine Lazarett-Verwaltung ab,

dass sie dich nach G.[örlitz] schicken. Und zwar denke

ich mir die Sache so: du wohnst zu haus,

und bist in militärärztlicher Behandlung.

Die Sache läßt sich sicher einrichten, denn

Architekt Beyer machts ebenso. Ja, was sagst

du nun, Schatzel? Lecher ist seit gestern

abend zu Haus bei seiner Frau. Als Paul

gestern deine Karte V bekam, stürzte er

gleich zu Frau Beyer u.[nd] wollte ihr sagen, daß

Herr Beyer im Lazarett liege und da sitzt

der schon ganz gemütlich in der warmen

Stube mit der ganzen rechten Körperseite

voll Rheumatismus und einem Herz-

fehler. Da brachte Paul mir gleich die Nach-

richt. Und Schatzel, so hab ich mich noch nie

über eine Karte gefreut wie über die

wenigen Zeilen: Gruß aus Deutschland

  

V aus gr. [...][1]

 


[1] Die Ergänzung fügt Hedwig Nehlsen in der Mitte zwischen den beiden Spalten des Briefes neben der entsprechenden, im Text mit demselben Symbol markierten, Stelle  hinzu

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 .Linke Seite des Briefes:

froh ich bin, dass du auf deutschem Boden

im Lazarett bist, denn in Rußl.[and] solls den

armen Verwundeten herzlich schlecht gehen,

da die Bande vor nichts Achtung hat und

nichts scheut. Ach, Schatzel, ich möcht dir

so viel erzählen, und ich weiß bald nicht

wo ich anfangen soll. Seit dem 2. September

hast du keine Post mehr bekommen, da

da wird also auch ein großer Teil meiner Briefe

und Karten in den Papierkorb gewandert

sein. Und die vielen kleinen Paketchen,

die wir schickten, werden in andere Hände

kommen. Wenn sie an ein paar Kameraden

kommen, die die Sachen gebrauchen können,

so will ichs ihnen gerne gönnen und [...]

nicht böse sein, nur den Schw...h..., den

Russen gönn ichs nicht. Nun will ich mal mög-

lichst der Reihe nach erzählen. Also seit 8 Tagen

bin ich wieder in Görlitz, in Lubosch ist bis jetzt

alles wohl, Toni, Mutter, und die beiden kl.[einen]

Jungens. Ich hatte in L.[ubosch] keine Ruhe mehr, ich

hielt’s nicht aus, ich mußte heim. Toni hätte

mich gern noch länger behalten, aber als sie

wieder so weit hergestellt war, daß sie alles

besorgen konnte, dampfte ich mit Erich ab.

Und ich kam heim! Aber nur still ists daheim!

  

  Rechte Seite des Briefes:

 

Wenn ich abends bei der Lampe sitze und muß

allein meine Mahlzeiten nehmen, dann kommt

so ein Heimweh über mich, und ich muss denken

wie elend du u.[nd] all die Soldaten draußen im

Felde es habt. Ich hatte auch tagsüber keine

Lust zur Arbeit. Ich glaube, du kannst mir

das nachfühlen. Ich will dir kein Klagelied

singen, Schatzel, aber ich denke, du wirst dich

ebenso nach haus sehnen. Und deshalb,

Schatzel, geht mit gleicher Post ein Gesuch von

mir an deine Lazarett-Verwaltung ab,

dass sie dich nach G.[örlitz] schicken. Und zwar denke

ich mir die Sache so: du wohnst zu haus,

und bist in militärärztlicher Behandlung.

Die Sache läßt sich sicher einrichten, denn

Architekt Beyer machts ebenso. Ja, was sagst

du nun, Schatzel? Lecher ist seit gestern

abend zu Haus bei seiner Frau. Als Paul

gestern deine Karte V bekam, stürzte er

gleich zu Frau Beyer u.[nd] wollte ihr sagen, daß

Herr Beyer im Lazarett liege und da sitzt

der schon ganz gemütlich in der warmen

Stube mit der ganzen rechten Körperseite

voll Rheumatismus und einem Herz-

fehler. Da brachte Paul mir gleich die Nach-

richt. Und Schatzel, so hab ich mich noch nie

über eine Karte gefreut wie über die

wenigen Zeilen: Gruß aus Deutschland

  

V aus gr. [...][1]

 


[1] Die Ergänzung fügt Hedwig Nehlsen in der Mitte zwischen den beiden Spalten des Briefes neben der entsprechenden, im Text mit demselben Symbol markierten, Stelle  hinzu


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  • May 15, 2017 08:08:19 Eva Anna Welles (AUT)

     .Linke Seite des Briefes:

    froh ich bin, dass du auf deutschem Boden

    im Lazarett bist, denn in Rußl.[and] solls den

    armen Verwundeten herzlich schlecht gehen,

    da die Bande vor nichts Achtung hat und

    nichts scheut. Ach, Schatzel, ich möcht dir

    so viel erzählen, und ich weiß bald nicht

    wo ich anfangen soll. Seit dem 2. September

    hast du keine Post mehr bekommen, da

    da wird also auch ein großer Teil meiner Briefe

    und Karten in den Papierkorb gewandert

    sein. Und die vielen kleinen Paketchen,

    die wir schickten, werden in andere Hände

    kommen. Wenn sie an ein paar Kameraden

    kommen, die die Sachen gebrauchen können,

    so will ichs ihnen gerne gönnen und [...]

    nicht böse sein, nur den Schw...h..., den

    Russen gönn ichs nicht. Nun will ich mal mög-

    lichst der Reihe nach erzählen. Also seit 8 Tagen

    bin ich wieder in Görlitz, in Lubosch ist bis jetzt

    alles wohl, Toni, Mutter, und die beiden kl.[einen]

    Jungens. Ich hatte in L.[ubosch] keine Ruhe mehr, ich

    hielt’s nicht aus, ich mußte heim. Toni hätte

    mich gern noch länger behalten, aber als sie

    wieder so weit hergestellt war, daß sie alles

    besorgen konnte, dampfte ich mit Erich ab.

    Und ich kam heim! Aber nur still ists daheim!

      

      Rechte Seite des Briefes:

     

    Wenn ich abends bei der Lampe sitze und muß

    allein meine Mahlzeiten nehmen, dann kommt

    so ein Heimweh über mich, und ich muss denken

    wie elend du u.[nd] all die Soldaten draußen im

    Felde es habt. Ich hatte auch tagsüber keine

    Lust zur Arbeit. Ich glaube, du kannst mir

    das nachfühlen. Ich will dir kein Klagelied

    singen, Schatzel, aber ich denke, du wirst dich

    ebenso nach haus sehnen. Und deshalb,

    Schatzel, geht mit gleicher Post ein Gesuch von

    mir an deine Lazarett-Verwaltung ab,

    dass sie dich nach G.[örlitz] schicken. Und zwar denke

    ich mir die Sache so: du wohnst zu haus,

    und bist in militärärztlicher Behandlung.

    Die Sache läßt sich sicher einrichten, denn

    Architekt Beyer machts ebenso. Ja, was sagst

    du nun, Schatzel? Lecher ist seit gestern

    abend zu Haus bei seiner Frau. Als Paul

    gestern deine Karte V bekam, stürzte er

    gleich zu Frau Beyer u.[nd] wollte ihr sagen, daß

    Herr Beyer im Lazarett liege und da sitzt

    der schon ganz gemütlich in der warmen

    Stube mit der ganzen rechten Körperseite

    voll Rheumatismus und einem Herz-

    fehler. Da brachte Paul mir gleich die Nach-

    richt. Und Schatzel, so hab ich mich noch nie

    über eine Karte gefreut wie über die

    wenigen Zeilen: Gruß aus Deutschland

      

    V aus gr. [...][1]

     


    [1] Die Ergänzung fügt Hedwig Nehlsen in der Mitte zwischen den beiden Spalten des Briefes neben der entsprechenden, im Text mit demselben Symbol markierten, Stelle  hinzu

  • April 9, 2017 13:23:33 Emilie Sitter

    froh ich bin, dass du auf deutschem Boden

    im Lazarett bist, denn in Rußl.[and] solls den

    armen Verwundeten herzlich schlecht gehen,

    da die Bande vor nichts Achtung hat und

    nichts scheut. Ach, Schatzel, ich möchte dir

    so viel erzählen, und ich weiß bald nicht

    wo ich anfangen soll. Seit dem 2. September

    hast du keine Post mehr bekommen, da

    da wird also auch ein großer Teil meiner Briefe

    und Karten in den Papierkorb gewandert

    sein. Und die vielen kleinen Paketchen,

    die wir schickten, werden in andere Hände

    kommen. Wenn sie an ein paar Kammeraden

    kommen, die die Sachen gebrauchen können,

    so will ichs ihnen gerne gönnen und [...]

    nicht böse sein, nur den Schw...h..., den

    Russen gönn ichs nicht. Nun will ich mal mög-

    lichst der Reihe nach erzählen. Also seit 8 Tagen

    bin ich wieder in Görlitz, in Lubosch ist bis jetzt

    alles wohl, Toni, Mutter, und die beiden kl.[einen]

    Jungens. Ich hatte in L.[ubosch] keine Ruhe mehr, ich

    hielt’s nicht aus, ich mußte heim. Toni hätte

    mich gern noch länger behalten, aber als sie

    wieder so weit hergestellt war, daß sie alles

    besorgen konnte, dampfte ich Erich ab.

    Und ich kann heim! Aber nur still ists daheim!

     

    Wenn ich abends bei der Lampe sitze und muß

    allein meine Mahlzeiten nehmen, dann kommt

    so ein Heimweh über mich, und ich muss denken

    wie elend du u.[nd] all die Soldaten draußen im

    Felde es habt. Ich hatte auch tagsüber keine

    Lust zur Arbeit. Ich glaube, du kannst mir

    das nachfühlen. Ich will dir kein Klagelied

    singen, Schatzel, aber ich denke, du wirst dich

    ebenso nach haus sehnen. Und deshalb,

    Schatzel, geht mit gleicher Post ein Gesuch von

    mir an deine Lazarett-Verwaltung ab,

    dass sie dich nach G.[örlitz] schicken. Und [...] denke

    ich mir die Sache so: du wohnst zu haus,

    und bist in militärärztlicher Behandlung.

    Die Sache läßt sich sicher einrichten, denn

    Architekt Lecher machts ebenso. Ja, was sagst

    du nun, Schatzel? Lecher ist seit gestern

    abend zu haus bei seiner Frau. Als Paul

    gestern deine Karte V bekam, stürzte er

    gleich zu Frau Lecher u.[nd] wollte ihr sagen, daß

    Herr Lecher im Lazarett liege und da sitzt

    der schon ganz gemütlich in der warmen

    Stube mit der ganzen rechten [...]seite

    voll Rheumatismus und einem Herz-

    fehler. Da brachte Paul mir gleich die Nach-

    richt. Und Schatzel, so hab ich mich noch nie

    über eine Karte gefreut wie über die

    wenigen Zeilen: Gruß aus Deutschland

     

    V aus gr. [...][1]



    [1] Die Ergänzung fügt Hedwig Nehlsen in der Mitte zwischen den beiden Spalten des Briefes neben der entsprechenden, im Text mit demselben Symbol markierten, Stelle  hinzu


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http://europeana1914-1918.eu/...
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Eberhard Nehlsen
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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