Liebesbriefe zwischen Fritz Kreisel und Trudel Joseger, item 61

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61

 linke Seite 

Kälte, die ich je erlebt und ein Schneewetter, daß man bald nur bloß bis zum letzten ersten Flügelmann sehen konnte. Um 4 Uhr sind wir auf, um 6 waren wir fix und fertig und von 8 bis 11 Uhr ging es. In Zivil wäre ich natürlich in dem Wetter und Kälte elend umgekommen. Aber hier konnte uns das gar nicht stören, man achtete kaum darauf. Herz, mein liebes Herz, es hing ja alles, so Vieles von diesem Tag heute ab. Wehe, wenn er schlecht ausgefallen wäre. Es wäre uns  noch schlechter ergangen wie früher, alle nächsten  Wochen  weiter. Ich konnte vor Aufregung fast  nicht schlafen. Ich hatte geahnt, was kommen würde. Am Schlusse sagte uns der Höchstkommandierende, daß er freudig überrascht gewesen sei. Alles, Gewehrgriffe  1a. Man sähe gleich, welche strenge stramme Schule die 3 Kompagnie genossen. Das war ein Lob. Eine Freude für unseren Hauptmann und für uns Alle.  Die Bataillonskapelle holte uns ab und mit schneidiger Musik, wie z.B. unter den Klängen von "... und wenn das Kind kein Vater hat... Das ist vom K.u.S. Infanterieregiment 152... also,  ging es durch die Straßen  Zittaus im strammen Paradeschritt, das Alles guckte und staunte. Ja, Leute, wie wir, das heißt 3. Kompagnie. Und den ganzen Mittag und Nachmittag bis abends 10 Uhr natürlich frei.  Frei! Ja frei, einmal nach einem 1/4 Jahr reichlich. Der erste allgemeine Ausgang. Na, ich bin mit Erich mal Zittau angucken gangen bei Hundewetter kaum eine Stunde, dann sofort nach Haus, Briefe schreiben, Dir mein Lieb, Mutter, Brüdern, Schwägerin. Molly konnte nicht mitgehen, der war schon 2mal im Lazarett. morgen muß er nochmal rein. Der hat sich die Ohren erkältet, daß sie inwendig drinnen eitern.

    Na, das Ende vom Lied. Ich freute mich nur, daß doch nun all der schwere Dienst von früh bis abend Tag für Tag Woche für Woche seinen Zweck erfüllt hat. Also die 3. die beste, strammste Kompagnie und ist tipptopp ausgebildet. Der Dienst soll nun ein leichterer werden. 1 Stunde später aufstehen. Bloß noch Märsche, bischen mal mit Exerzieren, Schießen, Felddienst, Schützengraben. Und die Hauptsache, mehr freie Zeit. Zeit mal für Dich, mehr

 

 rechte Seite 

Zeit zum Nachdenken, zum Insichhineinversenken in Dich, in unsere große schöne, dauernde, fast ungetrübte Liebe, ja Liebe. Daß nicht wieder Tage kommen, wo man  überhaupt  an Nichts denken kann, auch nicht zum Schreiben einer Zeile Zeit hat.

    Na, Und jetzt wo ich gesehen, daß Alles seinen Zweck erfüllt, nun bin ich wieder so, daß ich mir sage, alle Kälte für alles Wetter, Schnee, Eis, Regen, Matsch usw. Alles läßt sich leicht ertragen, und bezüglich des Hungern, na dafür bin ich ja auch nicht mehr Zivilist und das gehört zum Soldatenleben jetzt im Kriege.

    In Deinem Brief vom 14.2. :/Montag/: schreibst Du, daß Du traurig bist und Du grämst und härmst, daß es mir so geht. Ja, Lieb, das läßt sich nicht ändern. Ich bitte Dich aber um Alles in der Welt,  bedauere mich nicht. Das kann  ich nicht erleiden. Deshalb habe ich Dir dies nicht  gern geschrieben und auch meinen Eltern nicht. Ich will nicht, daß man mich bedauert. ach, pfeife darauf, wofür bin ich ja Soldat.

    Natürlich hatten wir nichts tagsüber manchmal zu  beißen , aber abends wenn ich neben Erich wir zusammen die Augen schon fast zu und schnell Alles überdachten, da gab es uns Spaß und wenn es vorüber, es war doch schön, trotz Allem Bims. Aber die Wahrheit über uns hier mit dem Dienst mußte ich Dir mal schreiben. Daß Du krank gewesen, kränkt mich und mein jetzt so rauhes Herz. Meine Sehnsucht kennst Du auch nicht. Ja, wenn ich Dich ans Herz drücken könnte, ich glaubte, das fehlt Dir, meine Liebe, unsere Liebe, wie ich schon gestern schrieb, Auge-Auge, Hand-Hand, Herz an Herz. Denke auch nicht an das Letzte.  Lebe für mich, wenn es so weit ist, daß ich in wenigen Wochen für die Heimat draußen kämpfe in Todesumwehen und mit der Heimat kämpfe ich Für Dich, Dich und alle Lieben, Gottvertrauen

 

 

 

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 linke Seite 

Kälte, die ich je erlebt und ein Schneewetter, daß man bald nur bloß bis zum letzten ersten Flügelmann sehen konnte. Um 4 Uhr sind wir auf, um 6 waren wir fix und fertig und von 8 bis 11 Uhr ging es. In Zivil wäre ich natürlich in dem Wetter und Kälte elend umgekommen. Aber hier konnte uns das gar nicht stören, man achtete kaum darauf. Herz, mein liebes Herz, es hing ja alles, so Vieles von diesem Tag heute ab. Wehe, wenn er schlecht ausgefallen wäre. Es wäre uns  noch schlechter ergangen wie früher, alle nächsten  Wochen  weiter. Ich konnte vor Aufregung fast  nicht schlafen. Ich hatte geahnt, was kommen würde. Am Schlusse sagte uns der Höchstkommandierende, daß er freudig überrascht gewesen sei. Alles, Gewehrgriffe  1a. Man sähe gleich, welche strenge stramme Schule die 3 Kompagnie genossen. Das war ein Lob. Eine Freude für unseren Hauptmann und für uns Alle.  Die Bataillonskapelle holte uns ab und mit schneidiger Musik, wie z.B. unter den Klängen von "... und wenn das Kind kein Vater hat... Das ist vom K.u.S. Infanterieregiment 152... also,  ging es durch die Straßen  Zittaus im strammen Paradeschritt, das Alles guckte und staunte. Ja, Leute, wie wir, das heißt 3. Kompagnie. Und den ganzen Mittag und Nachmittag bis abends 10 Uhr natürlich frei.  Frei! Ja frei, einmal nach einem 1/4 Jahr reichlich. Der erste allgemeine Ausgang. Na, ich bin mit Erich mal Zittau angucken gangen bei Hundewetter kaum eine Stunde, dann sofort nach Haus, Briefe schreiben, Dir mein Lieb, Mutter, Brüdern, Schwägerin. Molly konnte nicht mitgehen, der war schon 2mal im Lazarett. morgen muß er nochmal rein. Der hat sich die Ohren erkältet, daß sie inwendig drinnen eitern.

    Na, das Ende vom Lied. Ich freute mich nur, daß doch nun all der schwere Dienst von früh bis abend Tag für Tag Woche für Woche seinen Zweck erfüllt hat. Also die 3. die beste, strammste Kompagnie und ist tipptopp ausgebildet. Der Dienst soll nun ein leichterer werden. 1 Stunde später aufstehen. Bloß noch Märsche, bischen mal mit Exerzieren, Schießen, Felddienst, Schützengraben. Und die Hauptsache, mehr freie Zeit. Zeit mal für Dich, mehr

 

 rechte Seite 

Zeit zum Nachdenken, zum Insichhineinversenken in Dich, in unsere große schöne, dauernde, fast ungetrübte Liebe, ja Liebe. Daß nicht wieder Tage kommen, wo man  überhaupt  an Nichts denken kann, auch nicht zum Schreiben einer Zeile Zeit hat.

    Na, Und jetzt wo ich gesehen, daß Alles seinen Zweck erfüllt, nun bin ich wieder so, daß ich mir sage, alle Kälte für alles Wetter, Schnee, Eis, Regen, Matsch usw. Alles läßt sich leicht ertragen, und bezüglich des Hungern, na dafür bin ich ja auch nicht mehr Zivilist und das gehört zum Soldatenleben jetzt im Kriege.

    In Deinem Brief vom 14.2. :/Montag/: schreibst Du, daß Du traurig bist und Du grämst und härmst, daß es mir so geht. Ja, Lieb, das läßt sich nicht ändern. Ich bitte Dich aber um Alles in der Welt,  bedauere mich nicht. Das kann  ich nicht erleiden. Deshalb habe ich Dir dies nicht  gern geschrieben und auch meinen Eltern nicht. Ich will nicht, daß man mich bedauert. ach, pfeife darauf, wofür bin ich ja Soldat.

    Natürlich hatten wir nichts tagsüber manchmal zu  beißen , aber abends wenn ich neben Erich wir zusammen die Augen schon fast zu und schnell Alles überdachten, da gab es uns Spaß und wenn es vorüber, es war doch schön, trotz Allem Bims. Aber die Wahrheit über uns hier mit dem Dienst mußte ich Dir mal schreiben. Daß Du krank gewesen, kränkt mich und mein jetzt so rauhes Herz. Meine Sehnsucht kennst Du auch nicht. Ja, wenn ich Dich ans Herz drücken könnte, ich glaubte, das fehlt Dir, meine Liebe, unsere Liebe, wie ich schon gestern schrieb, Auge-Auge, Hand-Hand, Herz an Herz. Denke auch nicht an das Letzte.  Lebe für mich, wenn es so weit ist, daß ich in wenigen Wochen für die Heimat draußen kämpfe in Todesumwehen und mit der Heimat kämpfe ich Für Dich, Dich und alle Lieben, Gottvertrauen

 

 

 

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Reinhard Nestler
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