Zeitungen aus der Kriegszeit 1914, item 27

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  item 27 


Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

___________________________________________________________________________________________________________________

 1. Spalte 

                Textil-Industrie und Kriegszeit.

 (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

 -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

schäftigen können.

     Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

spektive. Für die

                 nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                      August-Versand.

    Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

herrscht vielmehr das Verlangen,

die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                      zu inhibieren.

Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

stand der Kriegszeit. Mit dem

                                           Inkasso

geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

_______________________________________________________________________

 Verlosungsliste  nicht transkribiert 


 2. Spalte 

    Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                           Spinnereien und Färbereien

zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

zu machen.

    Der

                                        Export

im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

über Holland und Italien möglich.

   Das

                            Geschäft mit indischen Schals,

das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

in den meisten Fällen noch gelungen ist.

 Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

wie verloren betrachtet werden muß.

                                    ___________________________


                   Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

(Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

    Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


 Fortsetzung 3. Spalte 

______________________________________________________________________

 Tabelle nicht transkribiert 


 3. Spalte  

wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

    In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                     Textil-Industrie,

hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

    Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

    Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

Recht hat.

__________________________________________________________________________


                              Aus der Geschäftswelt.


    Die Sorge für die Kleidung, die zweckentsprechend, preiswert und der Per-

sönlichkeit angemessen sein soll, wird der Frauenwelt sehr erleichtert durch das

allgemein beliebte Favorit-Modealbum, welches zum Preise von 60 Pfg. im

Verlag Internationale Schnittmanufaktur, Dresden, soeben erschienen ist. Es

bietet eine überaus reiche Zusammensetzung sorgfältig gewählter Kleiderformen,

die mit Hilfe von Favorit-Schnitten bequem und preiswert nachgeschneidert

werden können.  Das beliebte Modenbuch darf als preiswertester Berater in

allen Kleiderfragen angesehen werden. Es ist zu beziehen für 60 Pfg. von der

hiesigen Vertretung, Firma Emil de Beer, Peterstraße 38, Posamenten- und

Spitzenhaus.


    Französische und belgische Original-Dum-Dum-Geschosse in Leipzig.   In

einem ihrer Schaufenster in der Windmühlenstraße hat die Firma Kaufhaus

Gebr. Joske eine Anzahl Geschosse ausgestellt, die unsere verwundeten

Krieger gefangenen und gefallenen Feinden abgenommen haben. Unter diesen

Geschossen französischen, belgischen und russischen Ursprungs befinden sich auch

mehrere belgische und französische Dum-Dum-Geschosse. Bei diesen Geschossen

tritt an der Spitze der Bleikern, der oben abgeplattet ist, deutlich missing

dem Nickelmantel hervor. - Ferner ist ein 42-Zentimeter-Mörser-Geschoß

in Originalgröße abgebildet.


    Eine patriotische Schaustellung bietet das Zigarren-Haus Franz Köhler,

Gewerbestraße 11, in seinen Schaufensterauslagen im Laden und im ersten

Stockwerk. Während es den am Schaufenster Vorübergehenden unter dem Leit-

spruch "Deutsche Helden"  auf geschmackvoll ausgestatteten Kistchen die

Bildnisse unserer jüngsten Heldenführer bringt, gefüllt mit besten Fabrikaten,

zeigt das erste Stockwerk die Germania umgeben von den beiden kronprinzlichen

Siegern.

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 Tabellen nicht transkribiert 



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  item 27 


Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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 1. Spalte 

                Textil-Industrie und Kriegszeit.

 (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

 -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

schäftigen können.

     Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

spektive. Für die

                 nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                      August-Versand.

    Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

herrscht vielmehr das Verlangen,

die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                      zu inhibieren.

Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

stand der Kriegszeit. Mit dem

                                           Inkasso

geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

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 Verlosungsliste  nicht transkribiert 


 2. Spalte 

    Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                           Spinnereien und Färbereien

zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

zu machen.

    Der

                                        Export

im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

über Holland und Italien möglich.

   Das

                            Geschäft mit indischen Schals,

das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

in den meisten Fällen noch gelungen ist.

 Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

wie verloren betrachtet werden muß.

                                    ___________________________


                   Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

(Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

    Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


 Fortsetzung 3. Spalte 

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 Tabelle nicht transkribiert 


 3. Spalte  

wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

    In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                     Textil-Industrie,

hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

    Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

    Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

Recht hat.

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                              Aus der Geschäftswelt.


    Die Sorge für die Kleidung, die zweckentsprechend, preiswert und der Per-

sönlichkeit angemessen sein soll, wird der Frauenwelt sehr erleichtert durch das

allgemein beliebte Favorit-Modealbum, welches zum Preise von 60 Pfg. im

Verlag Internationale Schnittmanufaktur, Dresden, soeben erschienen ist. Es

bietet eine überaus reiche Zusammensetzung sorgfältig gewählter Kleiderformen,

die mit Hilfe von Favorit-Schnitten bequem und preiswert nachgeschneidert

werden können.  Das beliebte Modenbuch darf als preiswertester Berater in

allen Kleiderfragen angesehen werden. Es ist zu beziehen für 60 Pfg. von der

hiesigen Vertretung, Firma Emil de Beer, Peterstraße 38, Posamenten- und

Spitzenhaus.


    Französische und belgische Original-Dum-Dum-Geschosse in Leipzig.   In

einem ihrer Schaufenster in der Windmühlenstraße hat die Firma Kaufhaus

Gebr. Joske eine Anzahl Geschosse ausgestellt, die unsere verwundeten

Krieger gefangenen und gefallenen Feinden abgenommen haben. Unter diesen

Geschossen französischen, belgischen und russischen Ursprungs befinden sich auch

mehrere belgische und französische Dum-Dum-Geschosse. Bei diesen Geschossen

tritt an der Spitze der Bleikern, der oben abgeplattet ist, deutlich missing

dem Nickelmantel hervor. - Ferner ist ein 42-Zentimeter-Mörser-Geschoß

in Originalgröße abgebildet.


    Eine patriotische Schaustellung bietet das Zigarren-Haus Franz Köhler,

Gewerbestraße 11, in seinen Schaufensterauslagen im Laden und im ersten

Stockwerk. Während es den am Schaufenster Vorübergehenden unter dem Leit-

spruch "Deutsche Helden"  auf geschmackvoll ausgestatteten Kistchen die

Bildnisse unserer jüngsten Heldenführer bringt, gefüllt mit besten Fabrikaten,

zeigt das erste Stockwerk die Germania umgeben von den beiden kronprinzlichen

Siegern.

____________________________________________________________________________________

 Tabellen nicht transkribiert 




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  • December 30, 2017 17:45:24 Beate Jochem

      item 27 


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

        In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                         Textil-Industrie,

    hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

    bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

    große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

    ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

    vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

    Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

    und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

        Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

    von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

    ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

    finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

    pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

    bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

    jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

    führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

    der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

        Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

    Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

    Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

    beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

    Recht hat.

    __________________________________________________________________________


                                  Aus der Geschäftswelt.


        Die Sorge für die Kleidung, die zweckentsprechend, preiswert und der Per-

    sönlichkeit angemessen sein soll, wird der Frauenwelt sehr erleichtert durch das

    allgemein beliebte Favorit-Modealbum, welches zum Preise von 60 Pfg. im

    Verlag Internationale Schnittmanufaktur, Dresden, soeben erschienen ist. Es

    bietet eine überaus reiche Zusammensetzung sorgfältig gewählter Kleiderformen,

    die mit Hilfe von Favorit-Schnitten bequem und preiswert nachgeschneidert

    werden können.  Das beliebte Modenbuch darf als preiswertester Berater in

    allen Kleiderfragen angesehen werden. Es ist zu beziehen für 60 Pfg. von der

    hiesigen Vertretung, Firma Emil de Beer, Peterstraße 38, Posamenten- und

    Spitzenhaus.


        Französische und belgische Original-Dum-Dum-Geschosse in Leipzig.   In

    einem ihrer Schaufenster in der Windmühlenstraße hat die Firma Kaufhaus

    Gebr. Joske eine Anzahl Geschosse ausgestellt, die unsere verwundeten

    Krieger gefangenen und gefallenen Feinden abgenommen haben. Unter diesen

    Geschossen französischen, belgischen und russischen Ursprungs befinden sich auch

    mehrere belgische und französische Dum-Dum-Geschosse. Bei diesen Geschossen

    tritt an der Spitze der Bleikern, der oben abgeplattet ist, deutlich missing

    dem Nickelmantel hervor. - Ferner ist ein 42-Zentimeter-Mörser-Geschoß

    in Originalgröße abgebildet.


        Eine patriotische Schaustellung bietet das Zigarren-Haus Franz Köhler,

    Gewerbestraße 11, in seinen Schaufensterauslagen im Laden und im ersten

    Stockwerk. Während es den am Schaufenster Vorübergehenden unter dem Leit-

    spruch "Deutsche Helden"  auf geschmackvoll ausgestatteten Kistchen die

    Bildnisse unserer jüngsten Heldenführer bringt, gefüllt mit besten Fabrikaten,

    zeigt das erste Stockwerk die Germania umgeben von den beiden kronprinzlichen

    Siegern.

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     Tabellen nicht transkribiert 




  • December 29, 2017 20:00:56 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

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                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

        In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                         Textil-Industrie,

    hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

    bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

    große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

    ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

    vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

    Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

    und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

        Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

    von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

    ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

    finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

    pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

    bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

    jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

    führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

    der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

        Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

    Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

    Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

    beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

    Recht hat.

    __________________________________________________________________________


                                  Aus der Geschäftswelt.


        Die Sorge für die Kleidung, die zweckentsprechend, preiswert und der Per-

    sönlichkeit angemessen sein soll, wird der Frauenwelt sehr erleichtert durch das

    allgemein beliebte Favorit-Modealbum, welches zum Preise von 60 Pfg. im

    Verlag Internationale Schnittmanufaktur, Dresden, soeben erschienen ist. Es

    bietet eine überaus reiche Zusammensetzung sorgfältig gewählter Kleiderformen,

    die mit Hilfe von Favorit-Schnitten bequem und preiswert nachgeschneidert

    werden können.  Das beliebte Modenbuch darf als preiswertester Berater in

    allen Kleiderfragen angesehen werden. Es ist zu beziehen für 60 Pfg. von der

    hiesigen Vertretung, Firma Emil de Beer, Peterstraße 38, Posamenten- und

    Spitzenhaus.


        Französische und belgische Original-Dum-Dum-Geschosse in Leipzig.   In

    einem ihrer Schaufenster in der Windmühlenstraße hat die Firma Kaufhaus

    Gebr. Joske eine Anzahl Geschosse ausgestellt, die unsere verwundeten

    Krieger gefangenen und gefallenen Feinden abgenommen haben. Unter diesen

    Geschossen französischen, belgischen und russischen Ursprungs befinden sich auch

    mehrere belgische und französische Dum-Dum-Geschosse. Bei diesen Geschossen

    tritt an der Spitze der Bleikern, der oben abgeplattet ist, deutlich missing

    dem Nickelmantel hervor. - Ferner ist ein 42-Zentimeter-Mörser-Geschoß

    in Originalgröße abgebildet.


        Eine patriotische Schaustellung bietet das Zigarren-Haus Franz Köhler,

    Gewerbestraße 11, in seinen Schaufensterauslagen im Laden und im ersten

    Stockwerk. Während es den am Schaufenster Vorübergehenden unter dem Leit-

    spruch "Deutsche Helden"  auf geschmackvoll ausgestatteten Kistchen die

    Bildnisse unserer jüngsten Heldenführer bringt, gefüllt mit besten Fabrikaten,

    zeigt das erste Stockwerk die Germania umgeben von den beiden kronprinzlichen

    Siegern.

    ____________________________________________________________________________________

     Tabellen nicht transkribiert 




  • December 29, 2017 19:59:39 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

        In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                         Textil-Industrie,

    hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

    bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

    große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

    ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

    vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

    Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

    und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

        Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

    von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

    ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

    finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

    pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

    bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

    jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

    führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

    der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

        Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

    Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

    Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

    beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

    Recht hat.

    __________________________________________________________________________


                                  Aus der Geschäftswelt.


        Die Sorge für die Kleidung, die zweckentsprechend, preiswert und der Per-

    sönlichkeit angemessen sein soll, wird der Frauenwelt sehr erleichtert durch das

    allgemein beliebte Favorit-Modealbum, welches zum Preise von 60 Pfg. im

    Verlag Internationale Schnittmanufaktur, Dresden, soeben erschienen ist. Es

    bietet eine überaus reiche Zusammensetzung sorgfältig gewählter Kleiderformen,

    die mit Hilfe von Favorit-Schnitten bequem und preiswert nachgeschneidert

    werden können.  Das beliebte Modenbuch darf als preiswertester Berater in

    allen Kleiderfragen angesehen werden. Es ist zu beziehen für 60 Pfg. von der

    hiesigen Vertretung, Firma Emil de Beer, Peterstraße 38, Posamenten- und

    Spitzenhaus.


        Französische und belgische Original-Dum-Dum-Geschosse in Leipzig.   In

    einem ihrer Schaufenster in der Windmühlenstraße hat die Firma Kaufhaus

    Gebr. Joske eine Anzahl Geschosse ausgestellt, die unsere verwundeten

    Krieger gefangenen und gefallenen Feinden abgenommen haben. Unter diesen

    Geschossen französischen, belgischen und russischen Ursprungs befinden sich auch

    mehrere belgische und französische Dum-Dum-Geschossen. Bei diesen Geschossen

    tritt an der Spitze der Bleikern, der oben abgeplattet ist, deutlich missing

    dem Nickelmantel hervor. - Ferner ist ein 42-Zentimeter-Mörser-Geschoß

    in Originalgröße abgebildet.


        Eine patriotische Schaustellung bietet das Zigarren-Haus Franz Köhler,

    Gewerbestraße 11, in seinen Schaufensterauslagen im Laden und im ersten

    Stockwerk. Während es den am Schaufenster Vorübergehenden unter dem Leit-

    spruch "Deutsche Helden"  auf geschmackvoll ausgestatteten Kistchen die

    Bildnisse unserer jüngsten Heldenführer bringt, gefüllt mit besten Fabrikaten,

    zeigt das erste Stockwerk die Germania umgeben von den beiden kronprinzlichen

    Siegern.




  • December 29, 2017 19:52:05 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

        In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                         Textil-Industrie,

    hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

    bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

    große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

    ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

    vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

    Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

    und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

        Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

    von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

    ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

    finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

    pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

    bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

    jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

    führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

    der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

        Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

    Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

    Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

    beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

    Recht hat.

    __________________________________________________________________________


                                  Aus der Geschäftswelt.


        Die Sorge für die Kleidung, die zweckentsprechend, preiswert und der Per-

    sönlichkeit angemessen sein soll, wird der Frauenwelt sehr erleichtert durch das

    allgemein beliebte Favorit-Modealbum, welches zum Preise von 60 Pfg. im

    Verlag Internationale Schnittmanufaktur, Dresden, soeben erschienen ist. Es

    bietet eine überaus reiche Zusammensetzung sorgfältig gewählter Kleiderformen,

    die mit Hilfe von Favorit-Schnitten bequem und preiswert nachgeschneidert

    werden können.  Das beliebte Modenbuch darf als preiswertester Berater in

    allen Kleiderfragen angesehen werden. Es ist zu beziehen für 60 Pfg. von der

    hiesigen Vertretung, Firma Emil de Beer, Peterstraße 38, Posamenten- und

    Spitzenhaus.


        Französische und belgische Original-Dum-Dum-Geschosse in Leipzig.   In

    einem ihrer Schaufenster in der Windmühlenstraße hat die Firma Kaufhaus

    Gebr. Joske eine Anzahl Geschosse ausgestellt, die unsere verwundeten

    Krieger gefangenen und gefallenen Feinden abgenommen haben. Unter diesen

    Geschossen französischen, belgischen und russischen Ursprungs befinden sich auch

    mehrere belgische und französische Dum-Dum-Geschossen. Bei diesen Geschossen

    tritt an der Spitze der Bleikern, der oben abgeplattet ist, deutlich missing

    dem Nickelmantel hervor. - Ferner ist ein 42-Zentimeter-Mörser-Geschoß

    in Originalgröße abgebildet.



  • December 29, 2017 19:44:40 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

        In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                         Textil-Industrie,

    hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

    bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

    große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

    ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

    vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

    Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

    und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

        Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

    von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

    ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

    finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

    pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

    bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

    jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

    führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

    der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

        Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

    Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

    Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

    beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

    Recht hat.

    __________________________________________________________________________


                                  Aus der Geschäftswelt.


        Die Sorge für die Kleidung, die zweckentsprechend, preiswert und der Per-

    sönlichkeit angemessen sein soll, wird der Frauenwelt sehr erleichtert durch das

    allegemein beliebte Favorit-Modealbum, welches zum Preise von 60 Pfg. im

    Verlag Internationale Schnittmanufaktur, Dresden, soeben erschienen ist. Es

    bietet eine überaus reiche Zusammensetzung sorgfältig gewählter Kleiderformen,

    die mit Hilfe von Favorit-Schnitten bequem und preiswert nachgeschneidert

    werden können.  Das beliebte Modenbuch darf als preiswertester Berater in

    allen Kleiderfragen angesehen werden. Es ist zu beziehen für 60 Pfg. von der

    hiesigen Vertretung, Firma Emil de Beer, Peterstraße 38, Posamenten- und

    Spitzenhaus.




  • December 29, 2017 19:34:43 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

        In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                         Textil-Industrie,

    hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

    bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

    große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

    ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

    vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

    Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

    und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

        Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die

    von allen Seiten eingehenden Abbestellungen bemerkbar. Gut

    ist für diesen Fall, daß die Lieferanten in dem Gesetz einen Schutz

    finden, nach welchem die Kunden zur Abnahme bestellter Waren ver-

    pflichtet sind, soweit dieselben nicht gerade mit Kriegsklausel bestellt

    bzw. gekauft sind. Da sich diese Bestimmung jedoch aus diesem oder

    jenem Grunde (und Gründe gibt es stets genug!) nicht überall durch-

    führen läßt, wird sich der gegenwärtig schon ganz bedeutende Schaden

    der Elsässer Fabrikanten und Grossisten noch erheblich vergrößern.

        Als Ehrenpflicht sollte es aber die Geschäftswelt im Innern

    Deutschlands betrachten, ihren elsässischen Geschäftsfreunden (seien es

    Abnehmer oder Lieferanten) jedes nur mögliche Entgegenkommen zu

    beweisen, das zu fordern diese Provinz gewiß ein moralisches

    Recht hat.



  • December 29, 2017 19:26:32 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

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     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellte eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.

        In verstärktem Maße gilt das auch für die

                                         Textil-Industrie,

    hauptsächlich aber für die vielen Blusen- und Kleiderstoff-Buntwe-

    bereien, deren Erzeugnisse der Mode unterworfen sind, so daß

    große Vorräte, wie sie jetzt durch den Krieg plötzlich liegen geblieben sind,

    ganz bedeutend an Wert verlieren - Verluste, die natürlich niemand

    vergütet. Dazu gehören besonders die erst vor kurzem so groß in

    Aufnahme gekommenen, farbenprächtigen Schottenstoffe (Karos

    und Streifen), die im übrigen eine uralte Markircher Spezialität sind.

        Die Nähe des Krieges machte sich schon vor Ausbruch durch die




  • December 29, 2017 19:18:47 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellt eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war. (Die Post wäre dafür  nicht das

    einzige Hindernis gewesen, sondern auch die Banken, die nicht mehr

    auszahlen konnten.) Aber das bisher Gesagte ist für die reichslän-

    dische Geschäftswelt noch nicht einmal das Schlimmste, obgleich der

    Krieg bereits so manches Opfer in Geschäftshinsicht gefordert hat.

    Berühmte Industriestädte, wie Mühlhausen und mein Wohnort 

    Markirch, der nur eine halbe Stunde von der französischen Grenze

    entfernt liegt,  sind zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen

    und von Freund und Feind vorher und nachher beschossen worden.

    Große Fabriken mussten dem Feinde als Kasernen dienen, geeignete

    Geschäftslokale waren dem deutschen Militär gleich von  Anbeginn als

    Lazarette zur Verfügung gestellt. Das war auch dringend notwendig,

    denn in diesen Gebirgsgegenden, den Vogesen, haben seit Anfang des

    Krieges scharfe Gefechte stattgefunden. Wie schwer die Kämpfe dort

    waren und wie sehr ein Teil der Reichslande in Mitleidenschaft ge-

    zogen worden ist, muß auch heute  noch späteren Schilderungen vorbe-

    halten bleiben. Nur soviel kann schon gesagt werden, daß selbst bei

    einem weiter so günstigen Vorwärtsdringen unserer Armeen

    wie jetzt nicht so bald wieder an ein Wiederaufleben

    des Geschäftsverkehrs zu denken ist. (U. a . auch schon deswegen, weil

    die Eisenbahn  noch lange für den Güterverkehr gesperrt bleiben

    wird. Aber auch, wenn sich das Geschäfts- und Wirtschaftsleben im

    Reiche nach Beendigung des Krieges zweifellos schnell wieder erholen

    wird, muß man für Elsaß-Lothringen nach Lage der ganzen Verthält-

    nisse leider noch lange mit Stockung rechnen.




  • December 29, 2017 18:59:24 Beate Jochem

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

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     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes,


     Fortsetzung 3. Spalte 

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     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  

    wenn auch bei weitem nicht alle, noch allenfalls aufrecht zu erhalten,

    in den Reichslanden ist es viel schlechter bestellt. Natürlich spielt

    hierbei auch die Militärpflicht eine große Rolle. Von manchen Firmen,

    besser gesagt, fast von allen, sind außer den Prinzipalen sämtliche

    Angestellt eingezogen. Bei dem regen Geschäftsverkehr, der sonst im

    Reiche mit Elsaß-Lothringen herrscht,  wird sich manche Firma anfangs

    gewundert haben, daß von den dortigen Geschäftsfreunden kein Lebens-

    zeichen mehr, also weder Antwort auf Briefe, noch sonstige Sendungen

    und vielleicht in gegenwärtiger Zeit besonders dringend erwartete

    Zahlungen zu erhalten war.




  • December 27, 2017 21:11:41 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte  


  • December 27, 2017 21:11:24 Beate Jochem

     item 27


    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Netzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte 


  • December 27, 2017 21:08:32 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Retzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes


     Fortsetzung 3. Spalte 

    ______________________________________________________________________

     Tabelle nicht transkribiert 


     3. Spalte 


  • December 27, 2017 21:07:11 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Retzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes


     Fortsetzung 3. Spalte 

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     Tabelle nicht transkribiert 


  • December 27, 2017 21:06:00 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Retzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.

                                        ___________________________


                       Die Geschäftslage in Elsaß-Lothringen.

    (Von unserem fachmännischen Mitarbeiter in Markirch i. Elsaß.)

        Zu den vom Kriege zunächst betroffenen Gegenden gehören von

    selbst die Grenzbezirke, und zu diesen besonders das an Industrie

    sehr reiche Elsaß-Lothringen. Seit der Verhängung des Kriegszu-

    standes am 31. Juli stockt dort aller Handel und Wandel. Außer Post-

    karten und offenen Briefen hat die Post in den gesamten Reichslanden

    keinerlei andere Sendungen, also weder geschlossene Briefe, Ein-

    schreibebriefe, noch Postanweisungen per Nachnahme usw.  und Pakete

    angenommen, wodurch der geschäftlimissing    einem Schlage in

    Stockung geraten mußte, der alsmissing die völlige Einstellung

    folgte. Auch die Eisenbahn missing fort allen Güterverkehr auf,

    und zwar dergestalt plötzlich, daß missing verladene Güter wieder aus-

    geladen und ihrem Absender wieder zurückgegeben wurden. Infolge-

    dessen sahen sich alle Fabriken und sonstigen Geschäfte ohne weiteres

    gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Anderwärts im Reiche ist die

    Geschäftswelt in der glücklichen Lage, große Teile ihres Betriebes


     Fortsetzung 3. Spalte 

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     Fortsetzung der Verlosungsliste nicht transkribiert 



  • December 27, 2017 20:50:29 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Retzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.


  • December 27, 2017 20:49:26 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Retzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.

     Wenn es mit unseren Waffenerfolgen weiter vorwärts geht, so

    wird voraussichtlich auch eine gewisse Belebung der industriellen

    Tätigkeit nicht ganz ausbleiben, doch glaubt man allgemein annehmen

    zu müssen, daß für absehbare Zeit mit einer ernsthaften Besserung der

    geschäftlichen Lage nicht zu rechnen ist. Möglicherweise können wir

    uns für die Frühjahrssaison 1915, wenn auch zu einem

    späteren Zeitpunkt als sonst, sowohl von Grossisten als auch Detail-

    listen Aufträge versprechen. Wenn es überhaupt dazu kommt, können

    sich aber diese Bestellungen nur auf Deutschland beziehen, wäh-

    rend das gesamte Ausland und Exportgeschäft vorläufig so gut

    wie verloren betrachtet werden muß.


  • December 27, 2017 20:43:20 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahren einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Retzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworden sind.  Die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.


  • December 27, 2017 20:41:52 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.

       Das

                                Geschäft mit indischen Schals,

    das in der Hauptsache über Hamburg und England gemacht

    wird, wofür September als Hauptversandmonat in Frage

    kommt, bringt für jene Fabrikanten, die darauf seit Jahen einge-

    richtet sind, heuer einen empfindlichen Schaden, da die dafür aus-

    schließlich in Betracht kommenden  Ausfuhrhäfen Hamburg und Triest

    für Verschiffungen nach Ostindien nicht mehr benutzt werden können

    und nur der Weg über Genua, Neapel und Brindisi übrig

    bleiben würde, der aber schon aus dem Grund hinfällig wird, weil

    von den englischen Exportfirmen als den Hauptbestellern keine Dis-

    positionen zu erlangen sind. In den Fabrikplätzen Reichenbach,

    Retzschkau, Mylau, Greiz usw. liegen hunderte von Kisten

    indischer Schals, die einen namhaften Wert repräsentieren, vorläufig

    aber toter Vorratsstock geworrden sind.  die von Hamburger Ex-

    porteuren erteilten Schalsbestellungen sollten ebenfalls redressiert

    oder annuliert werden, welchem Ansinnen die Fabrikanten-Vereini-

    gung der vogtländischen Webereien aber ablehnend begegnet ist. Das

    Geschäft mit dem übrigen neutralen Ausland, insbesondere nach den

    nordischen Ländern, hat ebenfalls gelitten, wenn auch  ver-

    sucht worden ist, die erteilten Aufträge noch zu effektuieren, was auch

    in den meisten Fällen noch gelungen ist.


  • December 27, 2017 20:26:05 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera - Greizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen -

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.



  • December 27, 2017 20:24:28 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.

        Der

                                            Export

    im Textilgewerbe im allgemeinen und in der Gera-Greeizer

    Branche im besonderen hat unter den gegenwärtigen Verhältnissen - 

    wie könnte dies anders sein? - schwer gelitten, da keine Möglichkeit

    besteht, die für transatlantische Länder bestimmten und bereits vor

    3 - 4 Monaten bestellten Posten Waren noch verschiffen zu können. Die

    seitens der Kundschaft in den Vereinigten Staaten erteilten

    Bestellungen, soweit es sich dafür um die Lieferungstermine (Terms

    of delivery) per 1. und 15. Juli sowie 1. August handelte, konnten

    noch rechtzeitig verschifft werden, während die erst später lieferbaren

    Aufträge zum Schaden der Fabrikanten zurückbehalten werden mußten.

    Der geschäftliche Verkehr mit der Union ist bekanntlich zurzeit nur

    über Holland und Italien möglich.



  • December 27, 2017 20:14:33 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiederaufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.


  • December 27, 2017 20:13:55 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

    ___________________________________________________________________________________________________________________

     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.

    _______________________________________________________________________

     Verlosungsliste  nicht transkribiert 


     2. Spalte 

        Infolge der wesentlich verringerten Produktion haben auch

                               Spinnereien und Färbereien

    zu leiden, wenn auch die Lage der Spinnereien nicht in dem

    Maße wie die der Webereien ungünstig angesehen werden kann,

    weil beim Wiedraufleben des Geschäfts, das in absehbarer Zeit

    wohl zu erwarten sein dürfte, zunächst große Quantitäten

    Garne erforderlich sein werden. Allerdings dürfen wir einen

    wichtigen Umstand nicht übersehen, daß nämlich die Vorräte in

    Rohwolle, Kammzug und Kämmlingen in Deutschland be-

    grenzt sind und daß diese durch Zufuhren aus England oder anderen

    dafür in Betracht kommenden Ländern vorläufig nicht ergänzt werden

    können. Verviers und Antwerpen, die in den Jahren des

    Friedens mit Deutschland stets in lebhaften geschäftlichen Beziehungen

    gestanden haben, besitzen freilich nach vorliegenden authentischen Mit-

    teilungen noch große Vorräte, so daß wir bestimmt damit rechnen

    können, diese Quantitäten für unsere deutschen Spinnereien nutzbar

    zu machen.


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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nicht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle hierauf bezüglichen

    Bitten unberücksichtigt bleiben. Die Fabrikanten, die wirklich nur

    aus patriotischen Gründen, um ihre Mitarbeiter vor Hunger zu schützen,

    die Hälfte der Woche arbeiten lassen, befinden sich gegenwärtig in

    einer wenig beneidenswerten Lage, und nur die Hoffnung auf den 

    endgültigen Sieg der deutschen Waffen über unsere Feinde läßt die

    Fabrikanten gern weitere Opfer bringen.



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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem

                                               Inkasso

    geht es  nicht besser. Es ist eine jetzt nivht nur in der Textilindustrie,

    sondern allgemein beobachtete Tatsache, daß trotz aller Ermah-

    nungen die Regulierungsweise selbst seitens finanziell vorzüglich

    situierter Firmen, die bisher außerordentlich prompt zu bezahlen

    pflegten, sehr viel zu wünschen übrig läßt und alle



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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.

                                          August-Versand.

        Der Monat August pflegt sonst die größten Versandziffern von

    den für die Herbst- und Wintersaison bestellten Waren aufzuweisen.

    Heuer ist es angesichts des Krieges leider nur ein relativ  kleiner

    Prozentsatz der Besteller, die sich zur Abnahme der den Fabrikanten

    rechtzeitig erteilten Aufträge verpflichtet fühlen. Allgemein

    herrscht vielmehr das Verlangen,

    die Absendung der bestellten Waren vorläufig und bis auf weiteres

                                          zu inhibieren.

    Dieses Verlangen hat sogar als Kennzeichen der ganzen geschäft-

    lichen Signatur zu gelten, wenn es auch durch das allgemeine

    Auftreten noch keine Berechtigung erlangt. Seitens der Han-

    delskammern und zahlreicher anderer kaufmännischer Korpora-

    tionen ist in öffentlichen Bekanntmachungen wiederholt verwiesen

    worden, daß infolge des Kriegsausbruches ein Recht auf Annul-

    lierung von Aufträgen keineswegs besteht und auch gesetz-

    lich nicht begründet werden kann. Die im geschäftlichen Verkehr

    mit deutschen Bestellern üblichen Gebräuche kennen, soweit es sich um

    den Verkauf von Textilerzeugnissen handelt, auch nur die einfache

    Auftragsbestätigung, in denen irgendwelche Bestimmungen, die das

    Recht der Annullierung in sich schließen, nicht vorgebracht werden.

    Aber die stockende Abnahme ist bei weitem nicht der einzige Miß-

    stand der Kriegszeit. Mit dem



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                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die

                     nächstjährige Frühjahrs- und Sommersaison

    waren von den Webereien der Gera-Greizer und Glauchau-Meerauer

    Branche Musterkollektionen in reicher Auswahl verschafft worden, die

    alle die Artikel und Qualitäten enthalten, die der Moderichtung

    für die nächstjährige Saison als Grundlage für die Neuschöpfungen

    auf diesem Gebiete dienen sollten. Die Uni-Mode hatte, nach den

    in den Kollektionen enthaltenen Artikeln zu urteilen, Aussicht, wieder

    die Vorherrschaft vor allen anderen Erscheinungen zu gewinnen, wenn

    auch bei der Vielseitigkeit der Kombination und Vielseitigkeit der

    Musterung noch alle möglichen anderen Artikel berücksichtigt worden

    sind. Den deutschen Grossisten sind bereits Anfang Juli

    ein Teil der Sortimente vorgelegt worden, aber nach dem plötzlichen

    Umschlag der Dinge konnten diese zunächst lediglich Informations-

    zwecken dienen, wenn auch eine Anzahl Aufträge erteilt wurden.


  • December 27, 2017 19:23:22 Beate Jochem

     item 27

     

    Seite 26                           Leipziger Neueste Nachrichten.               Sonntag, den 20. September 1914

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     1. Spalte 

                    Textil-Industrie und Kriegszeit.

     (Von unserem fachmännischen Sch.-Mitarbeiter.)

     -  Die Hauptbranche in unserem Bezirk Sachsen-Thüringen ist

    bekanntlich die Bekleidungs-Industrie. Nur natürlich, daß auch

    sie wie alle übrigen von der Schwere der Kriegszeit stark mit-

    genommen wird. Wie anderwärts auch, geht es nicht minder hier,

    daß nämlich Angebot und Nachfrage im Grunde nur noch

    zwei problematische Begriffe sind, besonders natürlich die Nach-

    frage. Die Betriebe sind schon froh, wenn sie ihr Personal 3-4

    Tage pro Woche oder wenn voll mit verkürzter Arbeitszeit be-

    schäftigen können.

         Bei alledem trifft diese Geschäftsstockung das Textilgewerbe in

    Sachsen-Thüringen umso unbehaglicher, als dieses ja voriges

    Jahr im Sommer (vom Monat Mai bis Ende August etwa) schon eine

    verfängliche Stagnation zu überstehen hatte, die erst mit Beginn des

    Herbstes nachließ. Im September 1913 kam der Um- und Auf-

    schwung. Durch den Eingang belangreicher Aufträge für die diesjäh-

    rige Frühjahrs- und Sommersaison trat besagter Umschwung ein, der

    in erfreulicher Weise bis kurz vor Kriegsausbruch anhielt und zu den

    besten Hoffnungen betreffs lebhafter Beschäftigung für die nächste

    Zukunft berechtigte. Während aber in früheren Geschäftsperioden

    um jetzige Zeit die Fabrikanten von der Grossokundschaft

    belangreiche Aufträge für die jeweilige Frühjahrs- und Sommer-

    saison anzunehmen pflegten, die den Webereien sowie den damit

    in engsten  Zusammenhange stehenden Spinnereien und Fär-

    bereien genügende Beschäftigung und dem Personal entsprechenden

    Arbeitsverdienst gewährten, eröffnet sich diesmal nicht nur dem säch-

    sisch-thüringischen Textilindustriebezirk, der alle der Greiz-

    Geraer und Glauchau-Meerauer Branche angehörenden

    Betriebe umfaßt, sondern mit verschwindend wenig Ausnahmen allen

    Zweigen der deutschen Textilindustrie eine höchst unbehagliche Per-

    spektive. Für die


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    Berlin, Saalfeld, Leipzig

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  • Story location Berlin, Saalfeld, Leipzig
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ID
15725 / 166539
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Karl Döbling
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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