Zeitungen aus der Kriegszeit 1914, item 9
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item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat sic), ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind,
werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem
Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren,
das Aeußerste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr,
mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das
Schwert.
An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht
3. Spalte
mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammen-
stehen mit unseren Bundesgenossen, zu verteidigen, was
wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Bei-
spiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich,
demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so ver-
trauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken
und zu gutem Ende lenken wolle!
Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten
und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie
Ihre Entschlüsse einmütig und schnell - das ist mein
inniger Wunsch.
*
Der Kaiser setzte der Thronrede folgendes hinzu:
"Sie haben gelesen, meine Herren, was ich zu meinem
Volk vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich
wiederhole, ich kenne keine Parteien mehr, ich
kenne nur Deutsche (Stürmisches Bravo) und zum
Zeugen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne
Parteiunterschiede, ohne Standes- und
Konfessionsunterschiede zusammenzuhal-
ten, mit mir durch dick und dünn, durch Not
und Tod, fordere ich die Vorstände der Parteien auf,
vorzutreten und mir dies in die Hand zu ge-
loben."
*
Ein russischer Angriff abgewiesen.
Teile der Besatzung von Memel schlugen gestern
einen Vorstoß feindlicher Grenzwachen aus der
Richtung von Krottingen zurück.
Gefangennahme russische Fliegeroffiziere.
Wien, 4. August.
Die "Neue Freie Presse" meldet: An der österreichisch-
russischen Grenze, nördlich von Lemberg, wurde ein Aero-
plan, System Sikorsky, mit einem russischen Piloten, einem
Begleitoffizier und einer Nutzlast von österreichischen Truppen
heruntergeschossen. Die beiden russischen Offiziere,
die verletzt wurden, wurden gefangen genommen.
S p i o n e .
Deutschland ist von russischen Spionen über-
schwemmt. Dank der Wachsamkeit der Behörden sowie
des Publikums ist jedoch bis jetzt jeder größere Schaden ver-
hütet worden. Weil es noch immer gelungen ist, der ver-
dächtigen Personen rechtzeitig habhaft zu werden. Jede Aus-
schreitung ist bei der Festnahme zu vermeiden, denn es
könnte sein, daß sich der Verdacht nicht bestätigt und daß
es sich um einen harmlosen Fremden handelt. Die Unter-
suchung des Falles und die Bestrafung steht der
Behörde zu, es sei denn, daß die Unschädlichmachung des
Täters auf der Stelle durch die besonderen Umstände des
Falles geboten ist. Durch ungerechtfertigte oder über das
Maß des Notwendigen hinausgehende Belästigung der Aus-
länder wird das Los der zahlreichen im Auslande lebenden
Deutschen nicht verbessert. Wir wollen unserer Pflicht,
scharf aufzupassen und fest zuzufassen, ge-
nügen, wir müssen aber alles vermeiden, was
unserer als Kulturvolk unwürdig ist.
Ueber die Festnahme und Bestrafung von Spionen sowie
über behördliche Schutzmaßnahmen liegen uns folgende Be-
richte vor:
Stuttgart, 4. August.
Auf dem Munitionsdepot in Ludwigsburg erschoß
der Militärposten einen Mann, der sich an das Depot herangeschlichen
hatte. Das Generalkommando erläßt eine Bekanntmachung, die be-
sagt, daß an mehreren Stellen des Königreichs Württemberg die
Telegraphendrähte durchschnitten worden seien. Die
Truppen hätten Anweisung, die Verbrecher sofort zu er-
schießen. Die gesamte Bevölkerung wird aufgefordert, an der
Beaufsichtigung der Verkehrseinrichtungen mitzuwirken.
Halberstadt, 4. August.
Die vorgestern verhafteten Spione sind standrechtlich er-
schossen worden. Gestern wurde am hiesigen Bahnhof ein weiterer
russischer Spion verhaftet.
Vohwinkel, 4. August.
Unter dem Verdacht der Spionage wurde hier eine Russe ver-
haftet, der sich dadurch verdächtig machte, daß er sich nach der
Bestimmung der Brücken erkundigte.
Achtung, russisches Auto! Festnehmen!
Naumburg, 4. August.
Mehrere Autos mit Damen und Geld für Rußland be-
stimmt, sind in der Richtung nach Rußland unterwegs. Die
Autos sind anzuhalten und sofort der nächsten Behörde zu-
zuführen.
Der Domprobst von Metz festgenommen.
Köln, 4. August.
In Koblenz wurden gestern 18 Gefangene, darunter auch der
Domprobst von Metz, unter militärischer Begleitung auf die
Festung gebracht. Heute wurden die Frau und die Tochter
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Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat sic), ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind,
werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem
Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren,
das Aeußerste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr,
mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das
Schwert.
An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht
3. Spalte
mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammen-
stehen mit unseren Bundesgenossen, zu verteidigen, was
wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Bei-
spiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich,
demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so ver-
trauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken
und zu gutem Ende lenken wolle!
Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten
und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie
Ihre Entschlüsse einmütig und schnell - das ist mein
inniger Wunsch.
*
Der Kaiser setzte der Thronrede folgendes hinzu:
"Sie haben gelesen, meine Herren, was ich zu meinem
Volk vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich
wiederhole, ich kenne keine Parteien mehr, ich
kenne nur Deutsche (Stürmisches Bravo) und zum
Zeugen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne
Parteiunterschiede, ohne Standes- und
Konfessionsunterschiede zusammenzuhal-
ten, mit mir durch dick und dünn, durch Not
und Tod, fordere ich die Vorstände der Parteien auf,
vorzutreten und mir dies in die Hand zu ge-
loben."
*
Ein russischer Angriff abgewiesen.
Teile der Besatzung von Memel schlugen gestern
einen Vorstoß feindlicher Grenzwachen aus der
Richtung von Krottingen zurück.
Gefangennahme russische Fliegeroffiziere.
Wien, 4. August.
Die "Neue Freie Presse" meldet: An der österreichisch-
russischen Grenze, nördlich von Lemberg, wurde ein Aero-
plan, System Sikorsky, mit einem russischen Piloten, einem
Begleitoffizier und einer Nutzlast von österreichischen Truppen
heruntergeschossen. Die beiden russischen Offiziere,
die verletzt wurden, wurden gefangen genommen.
S p i o n e .
Deutschland ist von russischen Spionen über-
schwemmt. Dank der Wachsamkeit der Behörden sowie
des Publikums ist jedoch bis jetzt jeder größere Schaden ver-
hütet worden. Weil es noch immer gelungen ist, der ver-
dächtigen Personen rechtzeitig habhaft zu werden. Jede Aus-
schreitung ist bei der Festnahme zu vermeiden, denn es
könnte sein, daß sich der Verdacht nicht bestätigt und daß
es sich um einen harmlosen Fremden handelt. Die Unter-
suchung des Falles und die Bestrafung steht der
Behörde zu, es sei denn, daß die Unschädlichmachung des
Täters auf der Stelle durch die besonderen Umstände des
Falles geboten ist. Durch ungerechtfertigte oder über das
Maß des Notwendigen hinausgehende Belästigung der Aus-
länder wird das Los der zahlreichen im Auslande lebenden
Deutschen nicht verbessert. Wir wollen unserer Pflicht,
scharf aufzupassen und fest zuzufassen, ge-
nügen, wir müssen aber alles vermeiden, was
unserer als Kulturvolk unwürdig ist.
Ueber die Festnahme und Bestrafung von Spionen sowie
über behördliche Schutzmaßnahmen liegen uns folgende Be-
richte vor:
Stuttgart, 4. August.
Auf dem Munitionsdepot in Ludwigsburg erschoß
der Militärposten einen Mann, der sich an das Depot herangeschlichen
hatte. Das Generalkommando erläßt eine Bekanntmachung, die be-
sagt, daß an mehreren Stellen des Königreichs Württemberg die
Telegraphendrähte durchschnitten worden seien. Die
Truppen hätten Anweisung, die Verbrecher sofort zu er-
schießen. Die gesamte Bevölkerung wird aufgefordert, an der
Beaufsichtigung der Verkehrseinrichtungen mitzuwirken.
Halberstadt, 4. August.
Die vorgestern verhafteten Spione sind standrechtlich er-
schossen worden. Gestern wurde am hiesigen Bahnhof ein weiterer
russischer Spion verhaftet.
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat sic), ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind,
werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem
Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren,
das Aeußerste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr,
mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das
Schwert.
An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht
3. Spalte
mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammen-
stehen mit unseren Bundesgenossen, zu verteidigen, was
wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Bei-
spiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich,
demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so ver-
trauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken
und zu gutem Ende lenken wolle!
Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten
und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie
Ihre Entschlüsse einmütig und schnell - das ist mein
inniger Wunsch.
*
Der Kaiser setzte der Thronrede folgendes hinzu:
"Sie haben gelesen, meine Herren, was ich zu meinem
Volk vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich
wiederhole, ich kenne keine Parteien mehr, ich
kenne nur Deutsche (Stürmisches Bravo) und zum
Zeugen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne
Parteiunterschiede, ohne Standes- und
Konfessionsunterschiede zusammenzuhal-
ten, mit mir durch dick und dünn, durch Not
und Tod, fordere ich die Vorstände der Parteien auf,
vorzutreten und mir dies in die Hand zu ge-
loben."
*
Ein russischer Angriff abgewiesen.
Teile der Besatzung von Memel schlugen gestern
einen Vorstoß feindlicher Grenzwachen aus der
Richtung von Krottingen zurück.
Gefangennahme russische Fliegeroffiziere.
Wien, 4. August.
Die "Neue Freie Presse" meldet: An der österreichisch-
russischen Grenze, nördlich von Lemberg, wurde ein Aero-
plan, System Sikorsky, mit einem russischen Piloten, einem
Begleitoffizier und einer Nutzlast von österreichischen Truppen
heruntergeschossen. Die beiden russischen Offiziere,
die verletzt wurden, wurden gefangen genommen.
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat sic), ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind,
werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem
Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren,
das Aeußerste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr,
mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das
Schwert.
An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht
3. Spalte
mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammen-
stehen mit unseren Bundesgenossen, zu verteidigen, was
wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Bei-
spiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich,
demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so ver-
trauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken
und zu gutem Ende lenken wolle!
Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten
und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie
Ihre Entschlüsse einmütig und schnell - das ist mein
inniger Wunsch.
*
Der Kaiser setzte der Thronrede folgendes hinzu:
"Sie haben gelesen, meine Herren, was ich zu meinem
Volk vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich
wiederhole, ich kenne keine Parteien mehr, ich
kenne nur Deutsche (Stürmisches Bravo) und zum
Zeugen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne
Parteiunterschiede, ohne Standes- und
Konfessionsunterschiede zusammenzuhal-
ten, mit mir durch dick und dünn, durch Not
und Tod, fordere ich die Vorstände der Parteien auf,
vorzutreten und mir dies in die Hand zu ge-
loben."
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item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat sic), ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind,
werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem
Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren,
das Aeußerste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr,
mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das
Schwert.
An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht
3. Spalte
mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammen-
stehen mit unseren Bundesgenossen, zu verteidigen, was
wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Bei-
spiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich,
demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so ver-
trauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken
und zu gutem Ende lenken wolle!
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat sic), ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind,
werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem
Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren,
das Aeußerste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr,
mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das
Schwert.
An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat, ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomtischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind,
werden Sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem
Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren,
das Aeußerste abzuwenden. Im aufgedrungener Notwehr,
mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das
Schwert.
An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht
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item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen
Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen
Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem
Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund-
schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat
sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach-
gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigungen
verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges ver-
anlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer
Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. zu oft
sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik
zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff-
nungen und alten Groll gestoßen.
Geehrte Herren!
Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um einVolk
für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit
Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeiten,
die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen
hat, ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegen-
wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessen-
konflikten oder diplomtischen Konstellationen hervor, sie
ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebel-
wollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs.
Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der un-
beugsame Wille, den Platz zu ebwahren(sic), auf den Gott uns
gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter.
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item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am
Balkan heraufbeschworen waren, schienen überwunden. Da
tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erz-
herzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher
Verbündeter, der Kaiser und König Franz Josef war ge-
zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines
Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat
zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten
Interessen ist der verbündeten Monarchie das russische Reich
in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft
uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die
gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft
der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm
feindlicher Kräfte zu schirmen.
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. Die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten stehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
Die Eröffnung der außerordentlichen Session des Reichs-
tags vollzog sich nach vorangegangenem Gottesdienst im
Weißen Saal des Königlichen Schlosses mit folgender vom
Kaiser verlesenen
Thronrede:
Geehrte Herren!
In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Ver-
treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein
halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des
Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische
Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt
einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine
Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Ent-
wicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie
unermüdlich wir dem Drang und den Wirren der letzten
Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas
einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen.
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Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
Unter ganz außerordentlichen Umständen ist gestern der
deutsche Reichstag zu einer außerordentlichen
Tagung, zu einer Kriegstagung, zusammen getreten,
um seinerseits mit derselben Opferfreudigkeit und Einmütig-
keit, von der das gesamte deutsche Volk in dieser ernsten Zeit
beseelt ist, alles das zu tun und zu bewilligen, was die
Not der Stunde erheischt. Es gibt keine Parteien mehr, hat
der Deutsche Kaiser gesagt und dies Wort hat sich bereits
in herrlicher Weise erfüllt. die Parteiunterschiede sind ver-
schwunden. Liberale und Konservative, Zentrum und Sozial-
demokraten sttehen zusammen, und sie alle haben sich bereit
erklärt, widerspruchslos den durch die Zeitumstände gebotenen
Forderungen der Regierung zuzustimmen. Einmütig werden, das
hat sich schon aus den Vorbesprechungen ergeben, alle von
der Regierung eingebrachten und an anderer Stelle mit-
geteilten Vorlagen bewilligt werden.
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Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
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item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
2. Spalte
München gestern abends 6 Uhr die Pässe zugestellt
worden.
Ein Appell des Kaisers
an den Reichstag und das deutsche Volk.
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item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer Mitteilung des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
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zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden vertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
Der französische Gesandte verläßt München.
München, 4. August.
Nach einer des Königlichen Staatsministeriums
des Aeußeren sind dem französischen Gesandten in
-
item 9
Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
________________________________________________________________________________________________________________
Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
tragen.
Doch wie sich auch die Dinge wenden, und wenn wir
einer Welt in Waffen gegenüberstehen sollten, wir werden
den Mut nicht sinken lassen, wir werden ertrauen
auf unser gutes deutsches Schwert und auf u
unsere gute, unsere gerechte Sache! x.
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Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
M o r g e n = Z e i t u n g
siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
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Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alIe
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
gemacht.
Auch auf das Ausland müssen diese Veröffentlichungen
einen starken Eindruck machen. Vor allem auf
unseren Bundesgenossen Italien. Dieses hat zu-
nächst die Neutralität proklamiert, da der italienischen
Regierung bisher nur der Krieg gegen Rußland
offiziell notifiziert wurde, und für diesen Kriegsfall die
italienischen Bündnisverpflichtungen nicht in Frage kommen.
Der Inhalt der Verträge zwischen Deutschland und Oester-
reich-Ungarn einerseits und Italien andererseits ist nicht
bekannt, ist nie veröffentlicht worden, allein die Vermutung
spricht dafür, daß die Einmischung Frankreichs in den Krieg
auch die Beteiligung Italiens bedingt, und so dürfte man,
wenn von deutscher und österreichischer Seite auf die Mit-
wirkung Italiens Wert gelegt wird, wohl bald etwas von
dessen Mobilisierung hören. Ueber die Haltung Englands
weiß man noch nichts Sicheres. Nach den Erklärungen Sir
Edward Greys sind die Flotte und das Heer Englands in
der Mobilisierung begriffen, aber es sei keine Verpflichtung
eingegangen worden. Nun, wir werden in Ruhe abwarten,
was England beschließt, ob es die Neutralität wahren oder
demselben Rußland den Rücken stärken will, daß seine Stellung
in Persien und Indien bedroht. Bisher haben sich die
englischen Staatsmänner immer noch als kluge Geschäftsleute
erwiesen, die ihre Haut nicht für fremde Leute zu Markte
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Nr. 181. XXVI. Jahrgang Berliner Mittwoch, 5. August 1914.
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
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Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichten amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alle
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
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siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
Die heute von uns veröffentlichen amtlichen Aktenstücke
stellen ein beweiskräftiges, ein denkwürdiges Dokument dafür
dar, wie Rußland auf diesen Krieg hingearbeitet hat. Der-
selbe Zar, der einst die Komödie der Friedenskonferenz ins
Werk setzte und fast unmittelbar darauf den Krieg gegen
Japan provozierte, hat auch jetzt wieder gezeigt, daß alle
seine Friedensversicherungen eitel Heuchelei und Lüge sind.
Die feierlichen Versicherungen des Zaren haben sich als
ebenso schnöde Lügen erwiesen wie die Ehrenworte des
Kriegsministers und des Generalstabschefs der russischen
Armee. Wer diese amtlichen Veröffentlichungen liest, für den
kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich um
einen heimtückischen, niederträchtigen Ueberfall seitens des
Zarenreiches handelt, und diesem ehrlosen, allem völker-
rechtlichen Anstand Hohn sprechenden Verhalten, hat sich
Frankreich angeschlossen, hat sich damit zum Mitschuldigen
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siehe item 5
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Die Kriegstagung des Reichstags.
Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
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Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
griff gegen uns eröffnet und den Kriegs-
zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein Abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
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Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
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Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
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zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
Deutschland hat den Krieg nicht gewollt, es hat wieder
wie schon so oft die stärksten Beweise seiner Friedensliebe
gegeben, so starke, daß schon manch einer unwillig wurde
und meinte, es sei genug, übergenug der deutschen Langmut.
Aber mögen uns auch Rußland und Frankreich durch ihre
frühere Mobilisierung und ihr eiliges Losschlagen einen kleinen
Vorsprung abgewonnen haben, so ist doch unser Gewinn
dabei das Bewußtsein, daß das Recht auf unserer Seite ist,
daß es ein abwehrkrieg ist, der uns aufgezwungen wurde.
Es ist ein Kreuzzug, s´ist ein heil´ger Krieg!
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Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
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Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
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zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
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lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
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Kriegserklärung an Frankreich-Die Thronrede des Kaisers-Das deutsche Weißbuch- Verhaftete Spione.
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Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
Bisher hatten deutsche Truppen dem erteilten Befehl
gemäß die französische Grenze nicht überschritten.
Dagegen greifen seit gestern französische Truppen ohne
Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie
haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor
wenigen Tagen die Innehaltung einer unbe-
setzten Zone von 10 Kilometern zugesagt
hatte, an verschiedenen Punkten die deutsche Grenze
überschritten. Französische Kompagnien halten seit
gestern nacht deutsche Ortschaften besetzt.
Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern
nach Baden, Bayern und unter Verletzung der
belgischen Neutralität über belgisches Gebiet
in die Rheinprovinz und versuchen, unsere Bahnen zu
zerstören. Frankreich hat damit den An-
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zustand hergestellt. Des Reiches Sicherheit zwingt
uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforder-
lichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in
Paris ist angewiesen, seine Pässe zu fordern.
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1. Spalte
Der Krieg nach zwei Fronten hat begonnen. Wie
vorher Rußland, so hat jetzt auch Frankreich ohne
Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet.
Diese entscheidende Wendung wird durch folgende amtliche
Mitteilung bekannt gegeben:
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Description
Save description- 52.5201126||13.404510699999946||||1
Berlin, Saalfeld, Leipzig
Location(s)
Story location Berlin, Saalfeld, Leipzig
- ID
- 15725 / 166519
- Contributor
- Karl Döbling
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