Ereignisse im kirchlichen Leben Lendersdorfs während des Weltkrieges, item 8

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8


Da der Vikar des Ortes Bezirkspräses der kath.

Arbeiterveriene für den Bezirk Düren war, wurden ihm in

dieser Eigenschaft für den ganzen Bürgermeistereibezirk,

besonders auch für Lendersdorf, besondere Kriegsaufgaben

übertragen. Er erhielt

1. die Lebensmittelversorgungsstelle;

2. die Abschätzungskommission für die Landwirtschaft

in der Bürgermeisterei;

3. die Goldankaufsstelle und die Kriegsanleihenstelle;

4. die Berufsumbildung der Kriegsbeschädigten.


ad 1. Soweit Lebensmittel im freien Verkehr noch zu haben

waren, zog der Vikar in der Regel mit Herrn Hannotte

in die Eifel hinein, um Kartoffeln, Kohlrabi etc. aufzukaufen

und einzulagern. Es waren meist schwere Gänge, die

auch nicht immer ohne Gefahren waren. Einerseits waren

Höchstpreise festgesetzt. Anderseits wollte und konnte

mancher Landwirt für die Höchstpreise nichts abgeben.

Sowohl derjenige, der die Höchstpreise im Bezahlen wie

im Fordern überschritt, machte sich strafbar. Und doch

stand immer die bange Sorge da:Lebensmittel für die Bevölkerung

zu beschaffen. Und so wurden zwar manchmal Höchstpreise

gezahlt, aber daneben stille Prämien gewährt oder

irgendein 10 Mark-Schein in der Hand des Verkäufers zurückgelassen.

Das alles wurde stillschweigende Abmachung.

Aber die Bevölkerung war immer mit Lebensmitteln bedacht.

 Handwritten name correction in left margin 

Im Saale Josef Hubert Thuir wurde die Verkaufsstelle für Mehl,

Zucker usw. eingerichtet. Jede Woche stand der Vikar mindestens

einen Tag, wenn nicht zwei Tage mit einer Reihe

von Verkäuferinnen (Frau Nöthgen, Geschwister Nella und

Traudchen Thuir) im Saal, wog mit ab und verteilte. Wenn

auch die Bevölkerung angewisen war, zu bestimmten Stunden

je nach dem Anfangsbuchstaben des Namens, zu erscheinen,

so trieb die Sorge die Mütter und Haustöchter doch immer

früher zu dem Ziel hin. Und wenn sie gruppenweise eingelassen

wurden, und dann auf einmal die Saaltür gesperrt

werden mußte, dann ging es manchmal nicht ohne Fußtritte

ab. Der Vikar ist mehr als einmal mit zerschundenen Beinen

durchs Dorf gegangen. Es wäre interessant, wenn man

heute noch feststellen könnte, wieviele Doppelzentner

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8


Da der Vikar des Ortes Bezirkspräses der kath.

Arbeiterveriene für den Bezirk Düren war, wurden ihm in

dieser Eigenschaft für den ganzen Bürgermeistereibezirk,

besonders auch für Lendersdorf, besondere Kriegsaufgaben

übertragen. Er erhielt

1. die Lebensmittelversorgungsstelle;

2. die Abschätzungskommission für die Landwirtschaft

in der Bürgermeisterei;

3. die Goldankaufsstelle und die Kriegsanleihenstelle;

4. die Berufsumbildung der Kriegsbeschädigten.


ad 1. Soweit Lebensmittel im freien Verkehr noch zu haben

waren, zog der Vikar in der Regel mit Herrn Hannotte

in die Eifel hinein, um Kartoffeln, Kohlrabi etc. aufzukaufen

und einzulagern. Es waren meist schwere Gänge, die

auch nicht immer ohne Gefahren waren. Einerseits waren

Höchstpreise festgesetzt. Anderseits wollte und konnte

mancher Landwirt für die Höchstpreise nichts abgeben.

Sowohl derjenige, der die Höchstpreise im Bezahlen wie

im Fordern überschritt, machte sich strafbar. Und doch

stand immer die bange Sorge da:Lebensmittel für die Bevölkerung

zu beschaffen. Und so wurden zwar manchmal Höchstpreise

gezahlt, aber daneben stille Prämien gewährt oder

irgendein 10 Mark-Schein in der Hand des Verkäufers zurückgelassen.

Das alles wurde stillschweigende Abmachung.

Aber die Bevölkerung war immer mit Lebensmitteln bedacht.

 Handwritten name correction in left margin 

Im Saale Josef Hubert Thuir wurde die Verkaufsstelle für Mehl,

Zucker usw. eingerichtet. Jede Woche stand der Vikar mindestens

einen Tag, wenn nicht zwei Tage mit einer Reihe

von Verkäuferinnen (Frau Nöthgen, Geschwister Nella und

Traudchen Thuir) im Saal, wog mit ab und verteilte. Wenn

auch die Bevölkerung angewisen war, zu bestimmten Stunden

je nach dem Anfangsbuchstaben des Namens, zu erscheinen,

so trieb die Sorge die Mütter und Haustöchter doch immer

früher zu dem Ziel hin. Und wenn sie gruppenweise eingelassen

wurden, und dann auf einmal die Saaltür gesperrt

werden mußte, dann ging es manchmal nicht ohne Fußtritte

ab. Der Vikar ist mehr als einmal mit zerschundenen Beinen

durchs Dorf gegangen. Es wäre interessant, wenn man

heute noch feststellen könnte, wieviele Doppelzentner


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  • February 8, 2018 02:10:19 Matthias Sohr

    8


    Da der Vikar des Ortes Bezirkspräses der kath.

    Arbeiterveriene für den Bezirk Düren war, wurden ihm in

    dieser Eigenschaft für den ganzen Bürgermeistereibezirk,

    besonders auch für Lendersdorf, besondere Kriegsaufgaben

    übertragen. Er erhielt

    1. die Lebensmittelversorgungsstelle;

    2. die Abschätzungskommission für die Landwirtschaft

    in der Bürgermeisterei;

    3. die Goldankaufsstelle und die Kriegsanleihenstelle;

    4. die Berufsumbildung der Kriegsbeschädigten.


    ad 1. Soweit Lebensmittel im freien Verkehr noch zu haben

    waren, zog der Vikar in der Regel mit Herrn Hannotte

    in die Eifel hinein, um Kartoffeln, Kohlrabi etc. aufzukaufen

    und einzulagern. Es waren meist schwere Gänge, die

    auch nicht immer ohne Gefahren waren. Einerseits waren

    Höchstpreise festgesetzt. Anderseits wollte und konnte

    mancher Landwirt für die Höchstpreise nichts abgeben.

    Sowohl derjenige, der die Höchstpreise im Bezahlen wie

    im Fordern überschritt, machte sich strafbar. Und doch

    stand immer die bange Sorge da:Lebensmittel für die Bevölkerung

    zu beschaffen. Und so wurden zwar manchmal Höchstpreise

    gezahlt, aber daneben stille Prämien gewährt oder

    irgendein 10 Mark-Schein in der Hand des Verkäufers zurückgelassen.

    Das alles wurde stillschweigende Abmachung.

    Aber die Bevölkerung war immer mit Lebensmitteln bedacht.

     Handwritten name correction in left margin 

    Im Saale Josef Hubert Thuir wurde die Verkaufsstelle für Mehl,

    Zucker usw. eingerichtet. Jede Woche stand der Vikar mindestens

    einen Tag, wenn nicht zwei Tage mit einer Reihe

    von Verkäuferinnen (Frau Nöthgen, Geschwister Nella und

    Traudchen Thuir) im Saal, wog mit ab und verteilte. Wenn

    auch die Bevölkerung angewisen war, zu bestimmten Stunden

    je nach dem Anfangsbuchstaben des Namens, zu erscheinen,

    so trieb die Sorge die Mütter und Haustöchter doch immer

    früher zu dem Ziel hin. Und wenn sie gruppenweise eingelassen

    wurden, und dann auf einmal die Saaltür gesperrt

    werden mußte, dann ging es manchmal nicht ohne Fußtritte

    ab. Der Vikar ist mehr als einmal mit zerschundenen Beinen

    durchs Dorf gegangen. Es wäre interessant, wenn man

    heute noch feststellen könnte, wieviele Doppelzentner


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  • 50.768293||6.47891530000004||

    Düren - Lendersdorf

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  • Story location Düren - Lendersdorf
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7534 / 78912
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Ralf Fackeldey
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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