Abschrift der Kriegstagebücher von Sergeant Fritz Apsel, item 11

Edit transcription:
...
Transcription saved
Enhance your transcribing experience by using full-screen mode

Transcription

You have to be logged in to transcribe. Please login or register and click the pencil-button again

...linke Seite


sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu

fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuchkleid

und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

Ein Hut mit einem Fudner ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den Anzug.

Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mitbringen.

Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zugedacht,

der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


28.7.17.

Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg.

29.7.

Kurz vor dem

Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

(Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jedenfalls

ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

setzen sich zu mir.

31.7.17.

Ich konnte es mir nie so recht


...rechte Seite

vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber erfahren.

Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staatsfuhrwerk

vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so etwas

muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorgespannt,

die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unaufhörlich

einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegenstück:

darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

Blätter [Satirezeitschrift] ein Schlager ist.

1. 8. 17.

Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen verplaudern.

Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feldbahn

Leordina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

Von diesen Bergen kann man späteren Geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

tränkt u. darum heilig."




Transcription saved

...linke Seite


sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu

fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuchkleid

und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

Ein Hut mit einem Fudner ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den Anzug.

Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mitbringen.

Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zugedacht,

der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


28.7.17.

Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg.

29.7.

Kurz vor dem

Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

(Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jedenfalls

ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

setzen sich zu mir.

31.7.17.

Ich konnte es mir nie so recht


...rechte Seite

vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber erfahren.

Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staatsfuhrwerk

vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so etwas

muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorgespannt,

die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unaufhörlich

einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegenstück:

darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

Blätter [Satirezeitschrift] ein Schlager ist.

1. 8. 17.

Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen verplaudern.

Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feldbahn

Leordina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

Von diesen Bergen kann man späteren Geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

tränkt u. darum heilig."





Transcription history
  • January 1, 2017 09:51:21 Rolf Kranz

    ...linke Seite


    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuchkleid

    und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem Fudner ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den Anzug.

    Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mitbringen.

    Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

    Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

    auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zugedacht,

    der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


    28.7.17.

    Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

    zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

    schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg.

    29.7.

    Kurz vor dem

    Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

    meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

    Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

    (Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

    an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

    Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

    ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

    mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

    kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

    Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

    weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

    u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

    Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jedenfalls

    ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

    setzen sich zu mir.

    31.7.17.

    Ich konnte es mir nie so recht


    ...rechte Seite

    vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

    wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber erfahren.

    Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

    Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

    will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

    Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

    sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staatsfuhrwerk

    vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

    mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

    drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so etwas

    muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorgespannt,

    die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unaufhörlich

    einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

    Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegenstück:

    darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

    großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

    Blätter [Satirezeitschrift] ein Schlager ist.

    1. 8. 17.

    Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

    meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

    mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

    und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

    denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

    sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen verplaudern.

    Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

    Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

    die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

    Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

    Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

    mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

    ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feldbahn

    Leordina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

    Von diesen Bergen kann man späteren Geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

    Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

    tränkt u. darum heilig."





  • January 1, 2017 09:48:16 Rolf Kranz

    ...linke Seite


    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuchkleid

    und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem Fudner ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den Anzug.

    Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mitbringen.

    Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

    Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

    auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zugedacht,

    der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


    28.7.17.

    Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

    zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

    schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg.

    29.7.

    Kurz vor dem

    Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

    meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

    Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

    (Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

    an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

    Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

    ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

    mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

    kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

    Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

    weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

    u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

    Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jedenfalls

    ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

    setzen sich zu mir.

    31.7.17.

    Ich konnte es mir nie so recht


    ...rechte Seite

    vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

    wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber erfahren.

    Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

    Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

    will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

    Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

    sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staatsfuhrwerk

    vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

    mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

    drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so etwas

    muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorgespannt,

    die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unaufhörlich

    einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

    Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegenstück:

    darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

    großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

    Blätter ein Schlager ist.

    1. 8. 17.

    Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

    meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

    mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

    und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

    denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

    sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen verplaudern.

    Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

    Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

    die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

    Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

    Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

    mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

    ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feldbahn

    Leordina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

    Von diesen Bergen kann man späteren Geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

    Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

    tränkt u. darum heilig."





  • January 1, 2017 07:43:46 Rolf Kranz

    ...linke Seite


    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuchkleid

    und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den Anzug.

    Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mitbringen.

    Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

    Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

    auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zugedacht,

    der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


    28.7.17.

    Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

    zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

    schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg.

    29.7.

    Kurz vor dem

    Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

    meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

    Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

    (Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

    an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

    Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

    ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

    mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

    kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

    Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

    weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

    u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

    Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jedenfalls

    ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

    setzen sich zu mir.

    31.7.17.

    Ich konnte es mir nie so recht


    ...rechte Seite

    vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

    wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber erfahren.

    Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

    Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

    will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

    Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

    sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staatsfuhrwerk

    vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

    mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

    drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so etwas

    muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorgespannt,

    die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unaufhörlich

    einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

    Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegenstück:

    darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

    großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

    Blätter ein Schlager ist.

    1. 8. 17.

    Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

    meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

    mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

    und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

    denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

    sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen verplaudern.

    Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

    Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

    die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

    Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

    Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

    mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

    ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feldbahn

    Leordina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

    Von diesen Bergen kann man späteren Geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

    Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

    tränkt u. darum heilig."





  • December 27, 2016 21:14:53 Rolf Kranz

    ...linke Seite


    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuchkleid

    und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den Anzug.

    Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mitbringen.

    Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

    Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

    auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zugedacht,

    der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


    28.7.17. Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

    zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

    schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg. 29.7. Kurz vor dem

    Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

    meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

    Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

    (Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

    an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

    Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

    ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

    mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

    kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

    Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

    weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

    u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

    Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jedenfalls

    ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

    setzen sich zum mir. 31.7.17. Ich konnte es mir nie so recht


    ...rechte Seite

    vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

    wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber erfahren.

    Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

    Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

    will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

    Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

    sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staatsfuhrwerk

    vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

    mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

    drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so etwas

    muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorgespannt,

    die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unaufhörlich

    einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

    Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegenstück:

    darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

    großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

    Blätter ein Schlager ist.   1. 8. 17. Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

    meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

    mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

    und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

    denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

    sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen verplaudern.

    Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

    Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

    die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

    Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

    Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

    mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

    ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feldbahn

    Leordina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

    Von diesen Bergen kann man späteren Geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

    Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

    tränkt u. darum heilig."





  • December 20, 2016 07:05:20 Rolf Kranz

    ...linke Seite


    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu ...

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuch-

    kleid und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den An-

    zug. Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mit-

    bringen. Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

    Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

    auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zuge-

    dacht, der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


    28.7.17. Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

    zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

    schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg. 29.7. Kurz vor dem

    Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

    meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

    Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

    (Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

    an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

    Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

    ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

    mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

    kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

    Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

    weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

    u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

    Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jeden-

    falls ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

    setzen sich zum mir. 31.7.17. Ich konnte es mir nie so recht


    ...rechte Seite

    vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

    wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber er-

    fahren. Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

    Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

    will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

    Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

    sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staats-

    fuhrwerk vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

    mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

    drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so et-

    was muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorge-

    spannt, die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unauf-

    hörlich einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

    Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegen-

    stück: darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

    großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

    Blätter ein Schlager ist.   1. 8. 17. Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

    meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

    mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

    und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

    denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

    sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen ver-

    plaudern. Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

    Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

    die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

    Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

    Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

    mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

    ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feld-

    bahn Leordina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

    Von diesen Bergen kann man späteren Geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

    Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

    tränkt u. darum heilig."





  • December 19, 2016 23:08:12 Rolf Kranz

    ...linke Seite


    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu ...

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuch-

    kleid und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den An-

    zug. Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mit-

    bringen. Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

    Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

    auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zuge-

    dacht, der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


    28.7.17. Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

    zur Truppe in Marsch zu setzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

    schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg. 29.7. Kurz vor dem

    Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

    meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

    Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

    (Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

    an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

    Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

    ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

    mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

    kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

    Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

    weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

    u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

    Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jeden-

    falls ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

    setzen sich zum mir. 31.7.17. Ich konnte es mir nie so recht


    ...rechte Seite

    vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

    wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber er-

    fahren. Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

    Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

    will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

    Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

    sonst lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staats-

    fuhrwerk vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

    mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

    drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so et-

    was muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorge-

    spannt, die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unauf-

    hörlich einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

    Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegen-

    stück: darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

    großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

    Blätter ein Schlager ist.   1. 8. 17. Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

    meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

    mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

    und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

    denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

    sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen ver-

    plaudern. Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

    Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

    die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

    Natürlich hat man hier keinen Wocken wie bei uns, sondern ein Stück

    Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

    mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

    ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mit der Feld-

    bahn Lawdina u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

    Von diesen Bergen kann man späteren geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

    Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

    tränkt u. darum heilig."





  • December 19, 2016 21:45:13 Rolf Kranz

    ...linke Seite


    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu ...

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuch-

    kleid und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen Mode vervollständigten den An-

    zug. Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mit-

    bringen. Von den Kerlen schleppt jeder so ein Ding mit. Einen Bayern ohne

    Krügel kann ich mir nicht denken. Die Rauflust dieser Brüder konnte man

    auch hier sehen. Ein fliegendes Krügel war des Nebenmannes Schädel zuge-

    dacht, der aber gewandt den Kopf zur Seite bog.


    28.7.17. Heute kam ein Melder vom Batl. und tat mir kund, daß ich mich

    zur Truppe in Marsch zu stzen hätte. Ich will aber erst Mittwoch mein Bündel

    schnüren. Die ganzen Etappen kommen auch von hier weg. 29.7. Kurz vor dem

    Schlafengehen. Heute nach einem heißen Tag ein wunderbarer Abend. Bin nach

    meinem gewohnten Gang durchs Dorf noch eine Stunde vor der Tür auf der

    Bank geblieben und habe von vergangenen Zeiten geträumt, - Simsertal

    (Heilsberg), Kermuschienen, Katzenteich, Kleszowen u. Goldap- zogen

    an mir vorbei. Man möchte manchmal heulen, so ist es einem zu Mute.

    Ich war auch bald soweit, da fiel mir glücklicher Weise das schöne Lied

    ein: "Warum sitzt du denn so traurig auf der Banke" und sofort war

    mein Galgenhumor wieder da. Es war auch gerade Zeit; denn es

    kamen die Einwohner des Hauses als da sind, eine Frau, die garnichts vom

    Typus des Juden hat, 2 Jünglinge, denen man den Abraham schon von

    weitem ansieht, 2 kleine Mädchen, die in Ungezogenheiten wetteifern

    u. wovon eine oft stundenlang brüllt und dann noch ein 16-jähr.

    Mädchen, das wohl eine Verwandte in dienender Stellung ist. Jeden-

    falls ist das Mädel die vernünftigste der ganzen Gesellschaft, und

    setzen sich zum mir. 31.7.17. Ich konnte es mir nie so recht


    ...rechte Seite

    vorstellen, daß es in südlichen Gegenden im Sommer noch

    wärmer sein kann, als bei uns. Das kann man jetzt aber er-

    fahren. Solch eine sengende Glut ist mir noch nicht vorgekommen.

    Würde man ohne Rock gehen, so wäre man bald gebraten. Heute abend

    will ich mal fürstlich speisen. Habe nämlich Eier erstanden und will

    Rührei machen. - Es ist doch sehr gut, daß ich bald wegkomme; denn

    heute lach ich mich noch halb krank. Kommt eben wieder so ein Staats-

    fuhrwerk vorbeigefahren. Der Wagen gebaut nach Art der Deutschen

    mit Verdeck. Die Polsterung ist in Fetzen u. fliegt umher. Bank ist mal

    drangewesen usw. Man kann das Ding garnicht beschreiben so et-

    was muß man gesehen haben. Davor sind zwei "schöne" Pferde vorge-

    spannt, die sogar Scheuklappen haben, auf die aber der Kutscher unauf-

    hörlich einhauen muß, wenn sie sich vorwärtsbewegen sollen. Der

    Kutscher, ein Rumäne, paßt ganz zum Fuhrwerk. Dann das Gegen-

    stück: darin sitzen meistens österreichische Offiziere oder Damen mit

    großen Hüten, Sonnenschirm u. verschleiert. Ein Bild, das für die lustigen

    Blätter ein Schlager ist.   1. 8. 17. Über Weiberschlauheit kommt nichts. Hier sind

    meiner Meinung nach die Weiber noch gewitzter als bei uns. Will bei uns

    mal ein Frauchen mit den andern plaudern, so nimmt es eine Milchkanne

    und geht Milch holen. Wehe dem Mann, der auf die Milch zum Kaffee wartet;

    denn unterwegs trifft sich immer Bekanntschaft und es wäre doch wirklich

    sehr unhöflich wollt man nicht mit alten Bekannten ein Stündchen ver-

    plaudern. Natürlich heißt es dann zu Hause, daß man zu lange auf der

    Straße herumgestanden hat. Das kann hier garnicht vorkommen; denn

    die Frauen gehen oder stehen ´rum und spinnen. Ja man höre u. staune.

    Natürlich hat man hier keinen ... wie bei uns, sondern ein Stück

    Holz, das einfach gedreht wird. Unter dem linken Arm ist ein Stock

    mit einem Büschel Flachs oder Wolle geklemmt. Die Fertigkeit

    ist zu bewundern. Heute nachm. um 4 Uhr verlasse ich mi der Feld-

    bahn  ...    u. werde dann bald aus den Karpathen heraus sein.

    Von diesen Bergen kann man späteren geschlechtern aufsagen: "Ziehe deine

    Schuhe aus, denn das Land darauf du stehst ist mit Blut u. Schweiß ge-

    tränkt u. darum heilig."





  • December 18, 2016 23:28:57 Rolf Kranz

    ...linke Seite

    sich (wie immer) die Eitelkeit. Die gehen schon ganz modern gekleidet.

    Nur über die geschmackvolle Zusammenstellung muß ich immer lachen.

    Eben ging so ein Schickchen (Mädchen) vorbei. Sie hatte schöne gelbe Schuhe

    an, die aber zu groß waren und zerrissene Schnürsenkel hatten, weiße

    Strümpfe, einen weißen Unterrock mit schönen Spitzen, der aber schon zu ...

    fehlte, (ich weiß es daher, weil er eine Handbreit vorkam) ein blaues Tuch-

    kleid und eine weiße Bluse, die hinten nicht ganz zugeknöpft war, an.

    Ein Hut mit einem ... futter, ein Sonnenschirm und ein elegantes

    Handtäschchen aus der vorsintflutlichen ... vervollständigten den An-

    zug. Das ist hier die reichste oder vornehmste Gesellschaft oder die oberen

    10 000 wie man bei uns sagt. - Eben aus der Bahnkantine zurückge-

    kommen. Jeder der da Bier haben will muß sich einen Maßkrug mit-

    bringen.


Description

Save description
  • 47.777477253239276||24.28208417734379||

    Leordina

  • 54.705269214461346||20.513154188818362||

    Königsberg / Ostpreußen

    ||1
Location(s)
  • Story location Königsberg / Ostpreußen
  • Document location Leordina
Login and add location




Login to edit the languages

Login to edit the fronts
  • Eastern Front
  • Western Front

Login to add keywords
  • Recruitment and Conscription
  • Remembrance
  • Trench Life

Login and add links

Notes and questions

Login to leave a note