Feldpostbriefe und Feldpostkarten von Hauptmann Eugen Hahn aus Bösingen, item 119

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21.2.17 Liebe Ellern und Geschwister! Diesen ersten ruhigen Abend heute will ieh nun gleich benützen, um Euch ausführlich zu schreiben. Ihr werdet wohl meinen, ich hätte Euch ganz vergessen und Hedwig sei an Eure Stelle getreten. Das ist natürlich nicht so. Sie ist unter Euch getreten und ich bin so froh, das zu wissen.. Ich schrieb ihr. so oft es irgend ging, und Ihr werdet wohl auf Umwegen erfahren haben, dass es Hermann und mir soweit gut geht, dass wir aber keine einfache Zeit hatten.

Ich will Euch nun schildern, wie alles war. soweit ich es in den 4 Wochen im Kopf behielt bei den sich überstürzenden Ereignissen.

Nach den schönen, mir jetzt noch wie ein Traum erscheinenden l agen mit Hedw ig zusammen in Dornhan. kamen wir glücklich in Stuttgart an. In Herrenberg stieg noch Onkel Eugen ein und stieg auf der nächsten Station wieder aus. Wir haben uns gegenseitig ganz außerordentlich über das Wiedersehen gefreut.. Als wir in die Heidehofstraße kamen, hatte Mutter und Elisabeth einen sehr netten, sinnigen Empfang uns bereitet. Unsere Blumen, die in großer Zahl inzwischen angekommen waren, waren aufgestellt, davor nett geschmückt, unsere Ringe. Der Abend war schön, unvergesslich. - Am ändern Nachmittag (26.1.) fuhr ich von Stuttgart ab. Hedwig begleitete mich zur Bahn, sie hat sich tapfer gehalten und mir den Abschied nicht schwer gemacht. Die Fahrt ging über Karlsruhe - Straßburg (Schlafwagen) Brüssel nach Douai. wo ich mit 3-stündigcr Verspätung ankam. Ich fuhr im Auto, ich kann wohl sagen. nichts Böses ahnend, die Stunde durch die schöne Winterlandschaft und war etwa '/i 5 Uhr in unserem Heft <schwäbisch pejorativ:Ort> Villers Pionich. Kurz vor dem Stabsgebäude hält der 1. Adjutant das Auto an und ruft mich rasch zu sich in sein Büro, wo er mir sagte, er hätte mich aufgehalten, um mich vorzubereiten, dass in der letzten Nacht eine Mordsschweinerei passiert sei. die Engländer seien in die erste Linie eingedrungen, wie weit sie in der 2. seien, sei noch nicht bekannt. Da dachte ich unw illkürlich, wie jener Mörder auf dem Schafott am Montag: "Die Woche fängt ja gut an!“ Auf dem Büro drüben w aren der Chef vom AOK und vom Gen.Kdo.. eben war Sitzung: da war ich arg froh, dass ich ahnungslos nicht da hinein platzte. Ich konnte mich von meinem Erstaunen etwas erholen, mich fassen, hab ein bissel was gegessen und ging dann in mein Büro. Dort war 1 lochbetrieb. Der General war dauernd anscheinend da. Ein Haufen von Ordonnanzoffizieren hockte rum. Ich meldete mich zurück. Gen. v.Hofacker empfing mich sehr nell. sagte aber gleich, dass das passiert sei und noch jegliche Nachrichten fehlten. Ich zog meinen Mantel aus und setzte mich, wie ich war und von der Reise kam. an den Schreibtisch und nun ging das Geschäft los. Allmählich klärte sich die Lage dahin, dass die Engländer (2 Batl.) überraschend morgens 6 Uhr 30 in die erste Linie eingedrungen waren und. weil sie keinen Widerstand gefunden hatten, noch weiter vorgedrungen waren. Der Geländeverlust war der geringere Schaden, das Üble war, dass etwa 12 Offiziere und 500 Mann gefangen genommen worden waren. Die Engländer hatten neue Nebelgeschosse verwandt und die Besatzung in den Unterständen großenteils unverwundet gelangen genommen. Es war schon eine sehr üble Sache. Wenn ich nun die letzten 3 Wochen überblicke, so kann ich ruhig sagen, es waren die schlimmsten, die ich je in meinem Leben durchmachte. Die Tag und Nacht nahezu unaufhörlich fortgehende Arbeit war es nicht allein, als insbesondere Schwierigkeiten, die von dem Armeeoberkdo. und der Gruppe ausgingen, kolossale Untersuchungen bei den Infant.regimentem, die Sorge, das Loch zu schließen, die Verantwortung, alles wieder in leidliche Ordnung zu bringen. Es war oft geradezu trostlos. Tag und Nacht das Telefonieren, eine endlose Berichtschreiberei, allein 4 Angriffsentwürfe mussten wir aufstellen, die immer kurz vor der Ausführung wieder über den Haufen geworfen wurden Einmal waren die zum Gegenstoß bestimmten Truppen besichtigt und verabschiedet und alles parat, da kam vom AOK der Befehl, es müsse alles unterbleiben. Ich musste noch in der Nacht mit Artilleristen zum Gen.Kdo. zu einer Sitzung. Ich war oft ganz kaputt und glaubte mich von meinem Glück verlassen. Gen. v.Hofacker war in der ganzen Zeit sehr nett gegen mich nie aufgeregt oder ungut. Er wusste, dass an mir die Hauptarbeit hing. Auch die Herrn
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21.2.17 Liebe Ellern und Geschwister! Diesen ersten ruhigen Abend heute will ieh nun gleich benützen, um Euch ausführlich zu schreiben. Ihr werdet wohl meinen, ich hätte Euch ganz vergessen und Hedwig sei an Eure Stelle getreten. Das ist natürlich nicht so. Sie ist unter Euch getreten und ich bin so froh, das zu wissen.. Ich schrieb ihr. so oft es irgend ging, und Ihr werdet wohl auf Umwegen erfahren haben, dass es Hermann und mir soweit gut geht, dass wir aber keine einfache Zeit hatten.

Ich will Euch nun schildern, wie alles war. soweit ich es in den 4 Wochen im Kopf behielt bei den sich überstürzenden Ereignissen.

Nach den schönen, mir jetzt noch wie ein Traum erscheinenden l agen mit Hedw ig zusammen in Dornhan. kamen wir glücklich in Stuttgart an. In Herrenberg stieg noch Onkel Eugen ein und stieg auf der nächsten Station wieder aus. Wir haben uns gegenseitig ganz außerordentlich über das Wiedersehen gefreut.. Als wir in die Heidehofstraße kamen, hatte Mutter und Elisabeth einen sehr netten, sinnigen Empfang uns bereitet. Unsere Blumen, die in großer Zahl inzwischen angekommen waren, waren aufgestellt, davor nett geschmückt, unsere Ringe. Der Abend war schön, unvergesslich. - Am ändern Nachmittag (26.1.) fuhr ich von Stuttgart ab. Hedwig begleitete mich zur Bahn, sie hat sich tapfer gehalten und mir den Abschied nicht schwer gemacht. Die Fahrt ging über Karlsruhe - Straßburg (Schlafwagen) Brüssel nach Douai. wo ich mit 3-stündigcr Verspätung ankam. Ich fuhr im Auto, ich kann wohl sagen. nichts Böses ahnend, die Stunde durch die schöne Winterlandschaft und war etwa '/i 5 Uhr in unserem Heft <schwäbisch pejorativ:Ort> Villers Pionich. Kurz vor dem Stabsgebäude hält der 1. Adjutant das Auto an und ruft mich rasch zu sich in sein Büro, wo er mir sagte, er hätte mich aufgehalten, um mich vorzubereiten, dass in der letzten Nacht eine Mordsschweinerei passiert sei. die Engländer seien in die erste Linie eingedrungen, wie weit sie in der 2. seien, sei noch nicht bekannt. Da dachte ich unw illkürlich, wie jener Mörder auf dem Schafott am Montag: "Die Woche fängt ja gut an!“ Auf dem Büro drüben w aren der Chef vom AOK und vom Gen.Kdo.. eben war Sitzung: da war ich arg froh, dass ich ahnungslos nicht da hinein platzte. Ich konnte mich von meinem Erstaunen etwas erholen, mich fassen, hab ein bissel was gegessen und ging dann in mein Büro. Dort war 1 lochbetrieb. Der General war dauernd anscheinend da. Ein Haufen von Ordonnanzoffizieren hockte rum. Ich meldete mich zurück. Gen. v.Hofacker empfing mich sehr nell. sagte aber gleich, dass das passiert sei und noch jegliche Nachrichten fehlten. Ich zog meinen Mantel aus und setzte mich, wie ich war und von der Reise kam. an den Schreibtisch und nun ging das Geschäft los. Allmählich klärte sich die Lage dahin, dass die Engländer (2 Batl.) überraschend morgens 6 Uhr 30 in die erste Linie eingedrungen waren und. weil sie keinen Widerstand gefunden hatten, noch weiter vorgedrungen waren. Der Geländeverlust war der geringere Schaden, das Üble war, dass etwa 12 Offiziere und 500 Mann gefangen genommen worden waren. Die Engländer hatten neue Nebelgeschosse verwandt und die Besatzung in den Unterständen großenteils unverwundet gelangen genommen. Es war schon eine sehr üble Sache. Wenn ich nun die letzten 3 Wochen überblicke, so kann ich ruhig sagen, es waren die schlimmsten, die ich je in meinem Leben durchmachte. Die Tag und Nacht nahezu unaufhörlich fortgehende Arbeit war es nicht allein, als insbesondere Schwierigkeiten, die von dem Armeeoberkdo. und der Gruppe ausgingen, kolossale Untersuchungen bei den Infant.regimentem, die Sorge, das Loch zu schließen, die Verantwortung, alles wieder in leidliche Ordnung zu bringen. Es war oft geradezu trostlos. Tag und Nacht das Telefonieren, eine endlose Berichtschreiberei, allein 4 Angriffsentwürfe mussten wir aufstellen, die immer kurz vor der Ausführung wieder über den Haufen geworfen wurden Einmal waren die zum Gegenstoß bestimmten Truppen besichtigt und verabschiedet und alles parat, da kam vom AOK der Befehl, es müsse alles unterbleiben. Ich musste noch in der Nacht mit Artilleristen zum Gen.Kdo. zu einer Sitzung. Ich war oft ganz kaputt und glaubte mich von meinem Glück verlassen. Gen. v.Hofacker war in der ganzen Zeit sehr nett gegen mich nie aufgeregt oder ungut. Er wusste, dass an mir die Hauptarbeit hing. Auch die Herrn
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  • November 2, 2018 06:22:10 Zafiro Marti

    21.2.17 Liebe Ellern und Geschwister! Diesen ersten ruhigen Abend heute will ieh nun gleich benützen, um Euch ausführlich zu schreiben. Ihr werdet wohl meinen, ich hätte Euch ganz vergessen und Hedwig sei an Eure Stelle getreten. Das ist natürlich nicht so. Sie ist unter Euch getreten und ich bin so froh, das zu wissen.. Ich schrieb ihr. so oft es irgend ging, und Ihr werdet wohl auf Umwegen erfahren haben, dass es Hermann und mir soweit gut geht, dass wir aber keine einfache Zeit hatten.

    Ich will Euch nun schildern, wie alles war. soweit ich es in den 4 Wochen im Kopf behielt bei den sich überstürzenden Ereignissen.

    Nach den schönen, mir jetzt noch wie ein Traum erscheinenden l agen mit Hedw ig zusammen in Dornhan. kamen wir glücklich in Stuttgart an. In Herrenberg stieg noch Onkel Eugen ein und stieg auf der nächsten Station wieder aus. Wir haben uns gegenseitig ganz außerordentlich über das Wiedersehen gefreut.. Als wir in die Heidehofstraße kamen, hatte Mutter und Elisabeth einen sehr netten, sinnigen Empfang uns bereitet. Unsere Blumen, die in großer Zahl inzwischen angekommen waren, waren aufgestellt, davor nett geschmückt, unsere Ringe. Der Abend war schön, unvergesslich. - Am ändern Nachmittag (26.1.) fuhr ich von Stuttgart ab. Hedwig begleitete mich zur Bahn, sie hat sich tapfer gehalten und mir den Abschied nicht schwer gemacht. Die Fahrt ging über Karlsruhe - Straßburg (Schlafwagen) Brüssel nach Douai. wo ich mit 3-stündigcr Verspätung ankam. Ich fuhr im Auto, ich kann wohl sagen. nichts Böses ahnend, die Stunde durch die schöne Winterlandschaft und war etwa '/i 5 Uhr in unserem Heft <schwäbisch pejorativ:Ort> Villers Pionich. Kurz vor dem Stabsgebäude hält der 1. Adjutant das Auto an und ruft mich rasch zu sich in sein Büro, wo er mir sagte, er hätte mich aufgehalten, um mich vorzubereiten, dass in der letzten Nacht eine Mordsschweinerei passiert sei. die Engländer seien in die erste Linie eingedrungen, wie weit sie in der 2. seien, sei noch nicht bekannt. Da dachte ich unw illkürlich, wie jener Mörder auf dem Schafott am Montag: "Die Woche fängt ja gut an!“ Auf dem Büro drüben w aren der Chef vom AOK und vom Gen.Kdo.. eben war Sitzung: da war ich arg froh, dass ich ahnungslos nicht da hinein platzte. Ich konnte mich von meinem Erstaunen etwas erholen, mich fassen, hab ein bissel was gegessen und ging dann in mein Büro. Dort war 1 lochbetrieb. Der General war dauernd anscheinend da. Ein Haufen von Ordonnanzoffizieren hockte rum. Ich meldete mich zurück. Gen. v.Hofacker empfing mich sehr nell. sagte aber gleich, dass das passiert sei und noch jegliche Nachrichten fehlten. Ich zog meinen Mantel aus und setzte mich, wie ich war und von der Reise kam. an den Schreibtisch und nun ging das Geschäft los. Allmählich klärte sich die Lage dahin, dass die Engländer (2 Batl.) überraschend morgens 6 Uhr 30 in die erste Linie eingedrungen waren und. weil sie keinen Widerstand gefunden hatten, noch weiter vorgedrungen waren. Der Geländeverlust war der geringere Schaden, das Üble war, dass etwa 12 Offiziere und 500 Mann gefangen genommen worden waren. Die Engländer hatten neue Nebelgeschosse verwandt und die Besatzung in den Unterständen großenteils unverwundet gelangen genommen. Es war schon eine sehr üble Sache. Wenn ich nun die letzten 3 Wochen überblicke, so kann ich ruhig sagen, es waren die schlimmsten, die ich je in meinem Leben durchmachte. Die Tag und Nacht nahezu unaufhörlich fortgehende Arbeit war es nicht allein, als insbesondere Schwierigkeiten, die von dem Armeeoberkdo. und der Gruppe ausgingen, kolossale Untersuchungen bei den Infant.regimentem, die Sorge, das Loch zu schließen, die Verantwortung, alles wieder in leidliche Ordnung zu bringen. Es war oft geradezu trostlos. Tag und Nacht das Telefonieren, eine endlose Berichtschreiberei, allein 4 Angriffsentwürfe mussten wir aufstellen, die immer kurz vor der Ausführung wieder über den Haufen geworfen wurden Einmal waren die zum Gegenstoß bestimmten Truppen besichtigt und verabschiedet und alles parat, da kam vom AOK der Befehl, es müsse alles unterbleiben. Ich musste noch in der Nacht mit Artilleristen zum Gen.Kdo. zu einer Sitzung. Ich war oft ganz kaputt und glaubte mich von meinem Glück verlassen. Gen. v.Hofacker war in der ganzen Zeit sehr nett gegen mich nie aufgeregt oder ungut. Er wusste, dass an mir die Hauptarbeit hing. Auch die Herrn
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Sibylle Schreiber
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