Tagebuch des Gefreiten Mathias Huber, Teil 2, item 9

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Fügungen, den Befehlen untertan. Und was konnte uns noch helfen oder trösten. Wie lange hielt die

Tröstung auf einen, der hinter die Front kommt, auf baldiges Kriegsende, her. Alles war Täuschung.

Als im Oktober 1914 der erste Feldgeistliche eine Ansprache und Grüße aus der Heimat in Ivoiry

überbrachte und sich ausdrückte, daß wir erst am Anfang des Krieges sind, überfiel uns eine neue

Wehmut und Verlassenheit. Doch in Gottes Namen und mit Mut müßten wir fortmachen und

nehmen wie es kam. In derselben Zeit, da gab es ja fast lauter Gute, alles stürmte so zu sagen nach

den heiligen Sakramenten, wenn dieses im Ruhequartier möglich war, wie gut waren die

Abendrosenkränze besucht und die Feldgottesdienste. Abends wurde im Quartier, in Bereitschaft, im

Unterstand der Rosenkranz gebetet. Ja, auf Gott setzte man sein Vertrauen. Nach dem ersten Jahr

schwächte sich dieser Gebetseifer merklich ab und nachdem wir von Verdun nach Dietz kamen, dann

ging es immer mehr abwärts mit dem Gebet. Und wenn nicht bei Ruhe es Dienst gewesen wäre zur

Kirche zu gehen, so wären viele nicht gegangen. Es gab mal noch vielleicht 15 %, die gut und sehr gut

geblieben und fleißig die Kirche besuchten und die heilige Kommunion empfangen haben. Als ein

besonders ausgezeichnetes Vorbild haben da die Ordensbrüder (Frater) gebetet. Diese beteten in der

Kirche die Rosenkränze vor, sorgten für den Schmuck der Kirchen und waren im Dienste und im

Verkehr die reinsten Engel.


Meiner Wenigkeit war ja zur Ausführung der religiösen Pflicht eine außerordentliche günstige

Gelegenheit geboten, ich war viel in Ortschaften mit Kirchen und hatte alle Tage fast Gelegenheit,

diese zu besuchen. Und wenn ich in der Waldstellung war, konnte ich allein betend spazieren gehen,

ungestört im Walde. Unser Herrgott im Himmel wird es wissen, wie oft ich in der Kirche in Marsal,

Ley, Litzingen (Lezey), Dunningen (Donnelay), Monhofen (Moncourt), Rechicourt, Omerich

(Ommeray) und Dietz, Geistkirch gewesen bin. Vom 1. Jänner 1915 bis Ende hatte ich das Glück, die

heilige Beichte und Kommunion 78-mal zu empfangen. Mein Morgen- und Abendgebet werde ich

selten vergessen haben. Gott sei Dank, bin ich mit diesen Gebetswaffen sehr gut gefahren. Wenn der

Gebetseifer so zugenommen hätte, wie er abgenommen hat, so hätten wir den Krieg kaum verloren.


Es hat zu dieser schlechten Gebetsstimmung hauptsächlich das (Schwindel?) beigetragen.

Leider ist es auch im Krieg manchmal ungerecht zugegangen. Die Ungerechtigkeit stirbt nicht aus.

Wenn der Krieg als eine Zulassung oder Strafe Gottes angesehen worden wäre, so hätte wohl das

Gebet, wenn es stürmisch forgeführt worden wäre und die Ertragung der Leiden und Beschwerden

Gott zu Lieb zum Siege verhelfen können. Was die Feldgeistlichen betrifft, so mussten diese von Ort

zu Ort, um Gottesdienste zu halten und Beichte zu hören; meist täglich zwei Gottesdienste und

Abendandacht; auch mussten sie in den vordersten Ortschaften den Kindern den Religionsunterricht

erteilen.


Anmerkung: in blauer Schrift sind nachträgliche Ergänzungen zur besseren Lesbarkeit des Textes

gekennzeichet.  Hier nicht in den Text aufgenommen 

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Fügungen, den Befehlen untertan. Und was konnte uns noch helfen oder trösten. Wie lange hielt die

Tröstung auf einen, der hinter die Front kommt, auf baldiges Kriegsende, her. Alles war Täuschung.

Als im Oktober 1914 der erste Feldgeistliche eine Ansprache und Grüße aus der Heimat in Ivoiry

überbrachte und sich ausdrückte, daß wir erst am Anfang des Krieges sind, überfiel uns eine neue

Wehmut und Verlassenheit. Doch in Gottes Namen und mit Mut müßten wir fortmachen und

nehmen wie es kam. In derselben Zeit, da gab es ja fast lauter Gute, alles stürmte so zu sagen nach

den heiligen Sakramenten, wenn dieses im Ruhequartier möglich war, wie gut waren die

Abendrosenkränze besucht und die Feldgottesdienste. Abends wurde im Quartier, in Bereitschaft, im

Unterstand der Rosenkranz gebetet. Ja, auf Gott setzte man sein Vertrauen. Nach dem ersten Jahr

schwächte sich dieser Gebetseifer merklich ab und nachdem wir von Verdun nach Dietz kamen, dann

ging es immer mehr abwärts mit dem Gebet. Und wenn nicht bei Ruhe es Dienst gewesen wäre zur

Kirche zu gehen, so wären viele nicht gegangen. Es gab mal noch vielleicht 15 %, die gut und sehr gut

geblieben und fleißig die Kirche besuchten und die heilige Kommunion empfangen haben. Als ein

besonders ausgezeichnetes Vorbild haben da die Ordensbrüder (Frater) gebetet. Diese beteten in der

Kirche die Rosenkränze vor, sorgten für den Schmuck der Kirchen und waren im Dienste und im

Verkehr die reinsten Engel.


Meiner Wenigkeit war ja zur Ausführung der religiösen Pflicht eine außerordentliche günstige

Gelegenheit geboten, ich war viel in Ortschaften mit Kirchen und hatte alle Tage fast Gelegenheit,

diese zu besuchen. Und wenn ich in der Waldstellung war, konnte ich allein betend spazieren gehen,

ungestört im Walde. Unser Herrgott im Himmel wird es wissen, wie oft ich in der Kirche in Marsal,

Ley, Litzingen (Lezey), Dunningen (Donnelay), Monhofen (Moncourt), Rechicourt, Omerich

(Ommeray) und Dietz, Geistkirch gewesen bin. Vom 1. Jänner 1915 bis Ende hatte ich das Glück, die

heilige Beichte und Kommunion 78-mal zu empfangen. Mein Morgen- und Abendgebet werde ich

selten vergessen haben. Gott sei Dank, bin ich mit diesen Gebetswaffen sehr gut gefahren. Wenn der

Gebetseifer so zugenommen hätte, wie er abgenommen hat, so hätten wir den Krieg kaum verloren.


Es hat zu dieser schlechten Gebetsstimmung hauptsächlich das (Schwindel?) beigetragen.

Leider ist es auch im Krieg manchmal ungerecht zugegangen. Die Ungerechtigkeit stirbt nicht aus.

Wenn der Krieg als eine Zulassung oder Strafe Gottes angesehen worden wäre, so hätte wohl das

Gebet, wenn es stürmisch forgeführt worden wäre und die Ertragung der Leiden und Beschwerden

Gott zu Lieb zum Siege verhelfen können. Was die Feldgeistlichen betrifft, so mussten diese von Ort

zu Ort, um Gottesdienste zu halten und Beichte zu hören; meist täglich zwei Gottesdienste und

Abendandacht; auch mussten sie in den vordersten Ortschaften den Kindern den Religionsunterricht

erteilen.


Anmerkung: in blauer Schrift sind nachträgliche Ergänzungen zur besseren Lesbarkeit des Textes

gekennzeichet.  Hier nicht in den Text aufgenommen 


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  • November 11, 2017 22:34:11 Gabriele Kister-Schuler

    Fügungen, den Befehlen untertan. Und was konnte uns noch helfen oder trösten. Wie lange hielt die

    Tröstung auf einen, der hinter die Front kommt, auf baldiges Kriegsende, her. Alles war Täuschung.

    Als im Oktober 1914 der erste Feldgeistliche eine Ansprache und Grüße aus der Heimat in Ivoiry

    überbrachte und sich ausdrückte, daß wir erst am Anfang des Krieges sind, überfiel uns eine neue

    Wehmut und Verlassenheit. Doch in Gottes Namen und mit Mut müßten wir fortmachen und

    nehmen wie es kam. In derselben Zeit, da gab es ja fast lauter Gute, alles stürmte so zu sagen nach

    den heiligen Sakramenten, wenn dieses im Ruhequartier möglich war, wie gut waren die

    Abendrosenkränze besucht und die Feldgottesdienste. Abends wurde im Quartier, in Bereitschaft, im

    Unterstand der Rosenkranz gebetet. Ja, auf Gott setzte man sein Vertrauen. Nach dem ersten Jahr

    schwächte sich dieser Gebetseifer merklich ab und nachdem wir von Verdun nach Dietz kamen, dann

    ging es immer mehr abwärts mit dem Gebet. Und wenn nicht bei Ruhe es Dienst gewesen wäre zur

    Kirche zu gehen, so wären viele nicht gegangen. Es gab mal noch vielleicht 15 %, die gut und sehr gut

    geblieben und fleißig die Kirche besuchten und die heilige Kommunion empfangen haben. Als ein

    besonders ausgezeichnetes Vorbild haben da die Ordensbrüder (Frater) gebetet. Diese beteten in der

    Kirche die Rosenkränze vor, sorgten für den Schmuck der Kirchen und waren im Dienste und im

    Verkehr die reinsten Engel.


    Meiner Wenigkeit war ja zur Ausführung der religiösen Pflicht eine außerordentliche günstige

    Gelegenheit geboten, ich war viel in Ortschaften mit Kirchen und hatte alle Tage fast Gelegenheit,

    diese zu besuchen. Und wenn ich in der Waldstellung war, konnte ich allein betend spazieren gehen,

    ungestört im Walde. Unser Herrgott im Himmel wird es wissen, wie oft ich in der Kirche in Marsal,

    Ley, Litzingen (Lezey), Dunningen (Donnelay), Monhofen (Moncourt), Rechicourt, Omerich

    (Ommeray) und Dietz, Geistkirch gewesen bin. Vom 1. Jänner 1915 bis Ende hatte ich das Glück, die

    heilige Beichte und Kommunion 78-mal zu empfangen. Mein Morgen- und Abendgebet werde ich

    selten vergessen haben. Gott sei Dank, bin ich mit diesen Gebetswaffen sehr gut gefahren. Wenn der

    Gebetseifer so zugenommen hätte, wie er abgenommen hat, so hätten wir den Krieg kaum verloren.


    Es hat zu dieser schlechten Gebetsstimmung hauptsächlich das (Schwindel?) beigetragen.

    Leider ist es auch im Krieg manchmal ungerecht zugegangen. Die Ungerechtigkeit stirbt nicht aus.

    Wenn der Krieg als eine Zulassung oder Strafe Gottes angesehen worden wäre, so hätte wohl das

    Gebet, wenn es stürmisch forgeführt worden wäre und die Ertragung der Leiden und Beschwerden

    Gott zu Lieb zum Siege verhelfen können. Was die Feldgeistlichen betrifft, so mussten diese von Ort

    zu Ort, um Gottesdienste zu halten und Beichte zu hören; meist täglich zwei Gottesdienste und

    Abendandacht; auch mussten sie in den vordersten Ortschaften den Kindern den Religionsunterricht

    erteilen.


    Anmerkung: in blauer Schrift sind nachträgliche Ergänzungen zur besseren Lesbarkeit des Textes

    gekennzeichet.  Hier nicht in den Text aufgenommen 

  • November 11, 2017 22:31:48 Gabriele Kister-Schuler

    Fügungen, den Befehlen untertan. Und was konnte uns noch helfen oder trösten. Wie lange hielt die

    Tröstung auf einen, der hinter die Front kommt, auf baldiges Kriegsende, her. Alles war Täuschung.

    Als im Oktober 1914 der erste Feldgeistliche eine Ansprache und Grüße aus der Heimat in Ivoiry

    überbrachte und sich ausdrückte, daß wir erst am Anfang des Krieges sind, überfiel uns eine neue

    Wehmut und Verlassenheit. Doch in Gottes Namen und mit Mut müßten wir fortmachen und

    nehmen wie es kam. In derselben Zeit, da gab es ja fast lauter Gute, alles stürmte so zu sagen nach

    den heiligen Sakramenten, wenn dieses im Ruhequartier möglich war, wie gut waren die

    Abendrosenkränze besucht und die Feldgottesdienste. Abends wurde im Quartier, in Bereitschaft, im

    Unterstand der Rosenkranz gebetet. Ja, auf Gott setzte man sein Vertrauen. Nach dem ersten Jahr

    schwächte sich dieser Gebetseifer merklich ab und nachdem wir von Verdun nach Dietz kamen, dann

    ging es immer mehr abwärts mit dem Gebet. Und wenn nicht bei Ruhe es Dienst gewesen wäre zur

    Kirche zu gehen, so wären viele nicht gegangen. Es gab mal noch vielleicht 15 %, die gut und sehr gut

    geblieben und fleißig die Kirche besuchten und die heilige Kommunion empfangen haben. Als ein

    besonders ausgezeichnetes Vorbild haben da die Ordensbrüder (Frater) gebetet. Diese beteten in der

    Kirche die Rosenkränze vor, sorgten für den Schmuck der Kirchen und waren im Dienste und im

    Verkehr die reinsten Engel.


    Meiner Wenigkeit war ja zur Ausführung der religiösen Pflicht eine außerordentliche günstige

    Gelegenheit geboten, ich war viel in Ortschaften mit Kirchen und hatte alle Tage fast Gelegenheit,

    diese zu besuchen. Und wenn ich in der Waldstellung war, konnte ich allein betend spazieren gehen,

    ungestört im Walde. Unser Herrgott im Himmel wird es wissen, wie oft ich in der Kirche in Marsal,

    Ley, Litzingen (Lezey), Dunningen (Donnelay), Monhofen (moncourt), Rechicourt, Omerich

    (Ommeray) und Dietz, Geistkirch gewesen bin. Vom 1. Jänner 1915 bis Ende hatte ich das Glück, die

    heilige Beichte und Kommunion 78-mal zu empfangen. Mein Morgen- und Abendgebet werde ich

    selten vergessen haben. Gott sei Dank, bin ich mit diesen Gebetswaffen sehr gut gefahren. Wenn der

    Gebetseifer so zugenommen hätte, wie er abgenommen hat, so hätten wir den Krieg kaum verloren.


    Es hat zu dieser schlechten Gebetsstimmung hauptsächlich das (Schwindel?) beigetragen.

    Leider ist es auch im Krieg manchmal ungerecht zugegangen. Die Ungerechtigkeit stirbt nicht aus.

    Wenn der Krieg als eine Zulassung oder Strafe Gottes angesehen worden wäre, so hätte wohl das

    Gebet, wenn es stürmisch forgeführt worden wäre und die Ertragung der Leiden und Beschwerden

    Gott zu Lieb zum Siege verhelfen können. Was die Feldgeistlichen betrifft, so mussten diese von Ort

    zu Ort, um Gottesdienste zu halten und Beichte zu hören; meist täglich zwei Gottesdienste und

    Abendandacht; auch mussten sie in den vordersten Ortschaften den Kindern den Religionsunterricht

    erteilen.


    Anmerkung: in blauer Schrift sind nachträgliche Ergänzungen zur besseren Lesbarkeit des Textes

    gekennzeichet.  Hier nicht in den Text aufgenommen 


Description

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  • 48.735204||6.65507||

    Ley

  • 48.751647||6.629048||

    Litzingen/Lezey

  • 48.751925||6.682081||

    Dunningen/Donnelay

  • 48.717748||6.637471||

    Monhofen/Moncourt

  • 48.6921502||6.8453944||

    Rechicourt

  • 48.721708||6.684452||

    Omerich/Ommeray

  • 47.247204||2.622811||

    Dietz

  • 49.1598764||5.3844231||

    Verdun

  • 49.2753919||5.097821||

    Ivoiry

  • 48.788551||6.608398||

    Marsal

    ||1
Location(s)
  • Story location Marsal
  • Document location Ley
  • Additional document location Litzingen/Lezey
  • Additional document location Dunningen/Donnelay
  • Additional document location Monhofen/Moncourt
  • Additional document location Rechicourt
  • Additional document location Omerich/Ommeray
  • Additional document location Dietz
  • Additional document location Verdun
  • Additional document location Ivoiry
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ID
1979 / 244975
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Josef Huber
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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