"Mein Lebensbericht" von Kurt Wilhelm Keßler, item 17

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Sieger handelt in solchem Fall aus Notwendigkeit, der Unterlegene ist

dann aber Kriegsverbrecher, eine Moral, die uns jetzt wieder mit aller

Deutlichkeit vor Augen geführt wird. Der Soldat im Kampfe stellt

keine Überlegungen dieser Art an.


Unsere Infanterie, die die Spitze mit der Kavallerie bildete, fand

keinen nennenswerten  Widerstand mehr. In großen und kleinen Trupps

ergab sich der Gegner. Die Männer der Dörfer kamen uns mit weißen

Fahnen entgegen. Unbeschreiblich das Elend, der oft am Straßenrand

liegenden geflüchteten Bevölkerung, die wir überrollten. Freudig

begrüßten wir die erste Kavalleriespitze unserer bulgarischen Bundes-

genossen. Eine Einladung, an ihrer Abendverpflegung teilzunehmen,

wurde von uns dankend angenommen. Mit ihren Holzlöffeln schöpften

wir die Suppe, weiße Bohnen mit Schaf- und Ziegenfleisch, viel Lauch,

Tomaten und dergleichen. Aber nach den ersten Bissen fing ein all-

gemeines Husten und Räuspern an. Wir wußten ja nicht, daß im Süden

alles mit Paprika in uns unvorstellbaren Mengen gewürzt wird. Die

Bulgaren lachten uns aus und später hatten wir uns an diese Kost

so gewöhnt, daß uns nach Jahren in der Heimat anfänglich das Essen

fad vorkam.


Nisch, die zweite Hauptstadt des damaligen Serbien, bot wenig Interes-

santes. Leskowatz (heute Leskovac), das Eingangstor zum Engpaß von

Predejane, wurde  erreicht. Hier erwartete uns das Schlimmste an

Schlamm und Mühe. In 12-stündigem Marsch kamen wir nur gegen 8 km

vorwärts.


Dahinter änderte sich das Landschaftsbild. Mazedonien nahm uns auf.

Die Berge kahl, die wenigen Dörfer noch ärmlicher als in Serbien.

Große Trümmerstätten in den Dörfern zeugten davon, daß hier einstmals

blühende Gemeinwesen gestanden haben mußten. Die ersten Moscheen und

schlanken Minarette erinnerten uns darn, daß dieses Gebiet noch drei

Jahre vorher türkisch gewesen wae. Aber überall Armut und Rückschritt

Die Kleidung der Bevölkerung wich von der serbischen stark ab. Die

Männer trugen eigenartige, nach unten spitz zulaufende Hosen, ähnlich

den Reithosen, aus weißem Flanell und mit Borten in netten Mustern

verziert, dazu ein enges Jäckchen aus rauhem, braunen stoff, im Schnitt

ähnlich wie unsere Kletterwesten, aber mit Borten und ein weißes

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Sieger handelt in solchem Fall aus Notwendigkeit, der Unterlegene ist

dann aber Kriegsverbrecher, eine Moral, die uns jetzt wieder mit aller

Deutlichkeit vor Augen geführt wird. Der Soldat im Kampfe stellt

keine Überlegungen dieser Art an.


Unsere Infanterie, die die Spitze mit der Kavallerie bildete, fand

keinen nennenswerten  Widerstand mehr. In großen und kleinen Trupps

ergab sich der Gegner. Die Männer der Dörfer kamen uns mit weißen

Fahnen entgegen. Unbeschreiblich das Elend, der oft am Straßenrand

liegenden geflüchteten Bevölkerung, die wir überrollten. Freudig

begrüßten wir die erste Kavalleriespitze unserer bulgarischen Bundes-

genossen. Eine Einladung, an ihrer Abendverpflegung teilzunehmen,

wurde von uns dankend angenommen. Mit ihren Holzlöffeln schöpften

wir die Suppe, weiße Bohnen mit Schaf- und Ziegenfleisch, viel Lauch,

Tomaten und dergleichen. Aber nach den ersten Bissen fing ein all-

gemeines Husten und Räuspern an. Wir wußten ja nicht, daß im Süden

alles mit Paprika in uns unvorstellbaren Mengen gewürzt wird. Die

Bulgaren lachten uns aus und später hatten wir uns an diese Kost

so gewöhnt, daß uns nach Jahren in der Heimat anfänglich das Essen

fad vorkam.


Nisch, die zweite Hauptstadt des damaligen Serbien, bot wenig Interes-

santes. Leskowatz (heute Leskovac), das Eingangstor zum Engpaß von

Predejane, wurde  erreicht. Hier erwartete uns das Schlimmste an

Schlamm und Mühe. In 12-stündigem Marsch kamen wir nur gegen 8 km

vorwärts.


Dahinter änderte sich das Landschaftsbild. Mazedonien nahm uns auf.

Die Berge kahl, die wenigen Dörfer noch ärmlicher als in Serbien.

Große Trümmerstätten in den Dörfern zeugten davon, daß hier einstmals

blühende Gemeinwesen gestanden haben mußten. Die ersten Moscheen und

schlanken Minarette erinnerten uns darn, daß dieses Gebiet noch drei

Jahre vorher türkisch gewesen wae. Aber überall Armut und Rückschritt

Die Kleidung der Bevölkerung wich von der serbischen stark ab. Die

Männer trugen eigenartige, nach unten spitz zulaufende Hosen, ähnlich

den Reithosen, aus weißem Flanell und mit Borten in netten Mustern

verziert, dazu ein enges Jäckchen aus rauhem, braunen stoff, im Schnitt

ähnlich wie unsere Kletterwesten, aber mit Borten und ein weißes


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  • October 8, 2018 12:42:33 Lars Böckelmann

    Sieger handelt in solchem Fall aus Notwendigkeit, der Unterlegene ist

    dann aber Kriegsverbrecher, eine Moral, die uns jetzt wieder mit aller

    Deutlichkeit vor Augen geführt wird. Der Soldat im Kampfe stellt

    keine Überlegungen dieser Art an.


    Unsere Infanterie, die die Spitze mit der Kavallerie bildete, fand

    keinen nennenswerten  Widerstand mehr. In großen und kleinen Trupps

    ergab sich der Gegner. Die Männer der Dörfer kamen uns mit weißen

    Fahnen entgegen. Unbeschreiblich das Elend, der oft am Straßenrand

    liegenden geflüchteten Bevölkerung, die wir überrollten. Freudig

    begrüßten wir die erste Kavalleriespitze unserer bulgarischen Bundes-

    genossen. Eine Einladung, an ihrer Abendverpflegung teilzunehmen,

    wurde von uns dankend angenommen. Mit ihren Holzlöffeln schöpften

    wir die Suppe, weiße Bohnen mit Schaf- und Ziegenfleisch, viel Lauch,

    Tomaten und dergleichen. Aber nach den ersten Bissen fing ein all-

    gemeines Husten und Räuspern an. Wir wußten ja nicht, daß im Süden

    alles mit Paprika in uns unvorstellbaren Mengen gewürzt wird. Die

    Bulgaren lachten uns aus und später hatten wir uns an diese Kost

    so gewöhnt, daß uns nach Jahren in der Heimat anfänglich das Essen

    fad vorkam.


    Nisch, die zweite Hauptstadt des damaligen Serbien, bot wenig Interes-

    santes. Leskowatz (heute Leskovac), das Eingangstor zum Engpaß von

    Predejane, wurde  erreicht. Hier erwartete uns das Schlimmste an

    Schlamm und Mühe. In 12-stündigem Marsch kamen wir nur gegen 8 km

    vorwärts.


    Dahinter änderte sich das Landschaftsbild. Mazedonien nahm uns auf.

    Die Berge kahl, die wenigen Dörfer noch ärmlicher als in Serbien.

    Große Trümmerstätten in den Dörfern zeugten davon, daß hier einstmals

    blühende Gemeinwesen gestanden haben mußten. Die ersten Moscheen und

    schlanken Minarette erinnerten uns darn, daß dieses Gebiet noch drei

    Jahre vorher türkisch gewesen wae. Aber überall Armut und Rückschritt

    Die Kleidung der Bevölkerung wich von der serbischen stark ab. Die

    Männer trugen eigenartige, nach unten spitz zulaufende Hosen, ähnlich

    den Reithosen, aus weißem Flanell und mit Borten in netten Mustern

    verziert, dazu ein enges Jäckchen aus rauhem, braunen stoff, im Schnitt

    ähnlich wie unsere Kletterwesten, aber mit Borten und ein weißes

  • July 10, 2018 13:23:57 Lars Böckelmann

    Sieger handelt in solchem Fall aus Notwendigkeit, der Unterlegene ist

    dann aber Kriegsverbrecher, eine Moral, die uns jetzt wieder mit aller

    Deutlichkeit vor Augen geführt wird. Der Soldat im Kampfe stellt

    keine Überlegungen dieser Art an.


    Unsere Infanterie, die die Spitze mit der Kavallerie bildete, fand

    keinen nennenswerten  Widerstand mehr. In großen und kleinen Trupps

    ergab sich der Gegner. Die Männer der Dörfer kamen uns mit weißen

    Fahnen entgegen. Unbeschreiblich das Elend, der oft am Straßenrand

    liegenden geflüchteten Bevölkerung, die wir überrollten. Freudig

    begrüßten wir die erste Kavalleriespitze unserer bulgarischen Bundes-

    genossen. Eine Einladung, an ihrer Abendverpflegung teilzunehmen,

    wurde von uns dankend angenommen. Mit ihren Holzlöffeln schöpften

    wir die Suppe, weiße Bohnen mit Schaf- und Ziegenfleisch, viel Lauch,

    Tomaten und dergleichen. Aber nach den ersten Bissen fing ein all-

    gemeines Husten und Räuspern an. Wir wußten ja nicht, daß im Süden

    alles mit Paprika in uns unvorstellbaren Mengen gewürzt wird. Die

    Bulgaren lachten uns aus und später hatten wir uns an diese Kost

    so gewöhnt, daß uns nach Jahren in der Heimat anfänglich das Essen

    fad vorkam.


    Nisch, die zweite Hauptstadt des damaligen Serbien, bot wenig Interes-

    santes. Leskowatz (heute Leskovac), das Eingangstor zum Engpaß von

    Predejane, wurde  erreicht. Hier erwartete uns das Schlimmste an

    Schlamm und Mühe. In 12-stündigem Marsch kamen wir nur gegen 8 km

    vorwärts.




  • July 10, 2018 13:12:09 Lars Böckelmann

    Sieger handelt in solchem Fall aus Notwendigkeit, der Unterlegene ist

    dann aber Kriegsverbrecher, eine Moral, die uns jetzt wieder mit aller

    Deutlichkeit vor Augen geführt wird. Der Soldat im Kampfe stellt

    keine Überlegungen dieser Art an.


    Unsere Infanterie, die die Spitze mit der Kavallerie bildete, fand

    keinen nennenswerten  Widerstand mehr. In großen und kleinen Trupps

    ergab sich der Gegner. Die Männer der Dörfer kamen uns mit weißen

    Fahnen entgegen. Unbeschreiblich das Elend, der oft am Straßenrand

    liegenden geflüchteten Bevölkerung, die wir überrollten. Freudig

    begrüßten wir die erste Kavalleriespitze unserer bulgarischen Bundes-

    genossen. Eine Einladung, an ihrer Abendverpflegung teilzunehmen,

    wurde von uns dankend angenommen. Mit ihren Holzlöffeln schöpften

    wir die Suppe, weiße Bohnen mit Schaf- und Ziegenfleisch, viel Lauch,

    Tomaten und dergleichen. Aber nach den ersten Bissen fing ein all-

    gemeines Husten und Räuspern an. Wir wußten ja nicht, daß im Süden

    alles mit Paprika in uns unvorstellbaren Mengen gewürzt wird. Die

    Bulgaren lachten uns aus und später hatten wir uns an diese Kost

    so gewöhnt, daß uns nach Jahren in der Heimat anfänglich das Essen

    fad vorkam.


    Nisch, die zweite Hauptstadt des damaligen Serbien, bot wenig Interes-

    santes. Leskowatz (heute Leskovac), das Eingangstor zum Engpaß von

    Predejane, wurde  erreicht. Hier erwartete uns das Schlimmste an

    Schlamm und Mühe. In 12-stündigem Marsch kamen wir nur gegen 8 km

    vorwärts.



Description

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  • 43.31776202384033||21.896677683203166||

    Nisch, Serbien

  • 42.99483187048206||21.944804858131647||

    Leskovac, Serbien

  • 42.830738233835675||22.130823801367228||

    Predejane, Serbien

  • 44.6664036||20.9331095||

    Smederevo, Serbien

    ||1
Location(s)
  • Story location Smederevo, Serbien
  • Document location Nisch, Serbien
  • Additional document location Leskovac, Serbien
  • Additional document location Predejane, Serbien
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ID
12545 / 171866
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Christine Sörje
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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