"Mein Lebensbericht" von Kurt Wilhelm Keßler, item 18

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Hemd mit hübschen Stickereien. Um den Bauch ein meterlanges rotes

Tuch gewickelt und auf dem Kopf entweder ein kleines, eng anliegendes

Käppchen aus dünnem, weißem Filz oder, wenn sie türkischer Abstammung

waren, den roten Fez . Wer mit offenen Augen diese Landschaft passierte,

konnte viel Neues und Interessantes in sich aufnehmen


Das Marschtempo verlangsamte sich etwas, die Bulgaren übernahmen die

Verfolgung und die deutsche Armee marschierte ab Nisch als Heeresre-

serve.


Üsküb, dass heutige Skolpje (jetzt Skopje), wurde erreicht. Für dortige

Verhältnisse eine Großstadt, für unsere Begriffe doch klein, aber

schon mitvielen modernen Bauten. In der Ferne blauten die hohen

Gebirgswälle des Rhodope-Gebirges und des Balkans, die Bergspitzen

weißschimmernd mit ihren Schneehauben. Die Hauptregenzeit war vor-

über und mildes Winterwetter der dortigen Breiten, ließ auch nächtliche

Biwaks am flackernden Lagerfeuer angenehm vorübergehen. Man muß

einmal ein solches Lagerleben mitgemacht haben, um den eigentüm-

lichen Reiz einer solchen Nacht zu verstehen.


Weiter ging´s, am Katlanovo-See entlang, der die Straßen weithin über-

schwemmt hatte. Was half´s, teilweise durch Wasser und Schlamm

bauten wir als Heeresspitze unverdrossen unsere Leitungen. Katlanovo

war das Ziel, ein armseliges Dorf, fast nur Ruinen von den Kämpfen

von 1912 und 1913 her. Hier feierten wir Weihnachten am Fuß des

Balkangebirges. Lustige und ernste Erlebnisse aus diesen Tagen könn-

te ich berichten, aber der Raum reicht nicht mehr hierfür.


Nach den Festtagen ging es weiter, das Gebirge wurde auf einer 30 km

langen Paßstraße überschritten. Von der Höhe schweifte der Blick

in die wilden Schluchten des steil zerklüfteten Gebirges.


Weles (heute Titov Velves), die alte Türkenstadt Köprülü, wurde er-

reicht.Welch verändertes Bild bot sich uns. Wir glaubten im Orient

zu sein. Ein Meervon alten Ziegeldächern, die Häuser mehr Hütten und

nur mit Hohlpfannen gedeckt, die Läden und Werkstätten nur offene

Schaufenster, in denen sich der gesamte Handel und die Produktion

selbst vor den Augen der Passanten abspielte. Handwerksarbeit mit

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Hemd mit hübschen Stickereien. Um den Bauch ein meterlanges rotes

Tuch gewickelt und auf dem Kopf entweder ein kleines, eng anliegendes

Käppchen aus dünnem, weißem Filz oder, wenn sie türkischer Abstammung

waren, den roten Fez . Wer mit offenen Augen diese Landschaft passierte,

konnte viel Neues und Interessantes in sich aufnehmen


Das Marschtempo verlangsamte sich etwas, die Bulgaren übernahmen die

Verfolgung und die deutsche Armee marschierte ab Nisch als Heeresre-

serve.


Üsküb, dass heutige Skolpje (jetzt Skopje), wurde erreicht. Für dortige

Verhältnisse eine Großstadt, für unsere Begriffe doch klein, aber

schon mitvielen modernen Bauten. In der Ferne blauten die hohen

Gebirgswälle des Rhodope-Gebirges und des Balkans, die Bergspitzen

weißschimmernd mit ihren Schneehauben. Die Hauptregenzeit war vor-

über und mildes Winterwetter der dortigen Breiten, ließ auch nächtliche

Biwaks am flackernden Lagerfeuer angenehm vorübergehen. Man muß

einmal ein solches Lagerleben mitgemacht haben, um den eigentüm-

lichen Reiz einer solchen Nacht zu verstehen.


Weiter ging´s, am Katlanovo-See entlang, der die Straßen weithin über-

schwemmt hatte. Was half´s, teilweise durch Wasser und Schlamm

bauten wir als Heeresspitze unverdrossen unsere Leitungen. Katlanovo

war das Ziel, ein armseliges Dorf, fast nur Ruinen von den Kämpfen

von 1912 und 1913 her. Hier feierten wir Weihnachten am Fuß des

Balkangebirges. Lustige und ernste Erlebnisse aus diesen Tagen könn-

te ich berichten, aber der Raum reicht nicht mehr hierfür.


Nach den Festtagen ging es weiter, das Gebirge wurde auf einer 30 km

langen Paßstraße überschritten. Von der Höhe schweifte der Blick

in die wilden Schluchten des steil zerklüfteten Gebirges.


Weles (heute Titov Velves), die alte Türkenstadt Köprülü, wurde er-

reicht.Welch verändertes Bild bot sich uns. Wir glaubten im Orient

zu sein. Ein Meervon alten Ziegeldächern, die Häuser mehr Hütten und

nur mit Hohlpfannen gedeckt, die Läden und Werkstätten nur offene

Schaufenster, in denen sich der gesamte Handel und die Produktion

selbst vor den Augen der Passanten abspielte. Handwerksarbeit mit


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  • October 8, 2018 13:10:38 Lars Böckelmann

    Hemd mit hübschen Stickereien. Um den Bauch ein meterlanges rotes

    Tuch gewickelt und auf dem Kopf entweder ein kleines, eng anliegendes

    Käppchen aus dünnem, weißem Filz oder, wenn sie türkischer Abstammung

    waren, den roten Fez . Wer mit offenen Augen diese Landschaft passierte,

    konnte viel Neues und Interessantes in sich aufnehmen


    Das Marschtempo verlangsamte sich etwas, die Bulgaren übernahmen die

    Verfolgung und die deutsche Armee marschierte ab Nisch als Heeresre-

    serve.


    Üsküb, dass heutige Skolpje (jetzt Skopje), wurde erreicht. Für dortige

    Verhältnisse eine Großstadt, für unsere Begriffe doch klein, aber

    schon mitvielen modernen Bauten. In der Ferne blauten die hohen

    Gebirgswälle des Rhodope-Gebirges und des Balkans, die Bergspitzen

    weißschimmernd mit ihren Schneehauben. Die Hauptregenzeit war vor-

    über und mildes Winterwetter der dortigen Breiten, ließ auch nächtliche

    Biwaks am flackernden Lagerfeuer angenehm vorübergehen. Man muß

    einmal ein solches Lagerleben mitgemacht haben, um den eigentüm-

    lichen Reiz einer solchen Nacht zu verstehen.


    Weiter ging´s, am Katlanovo-See entlang, der die Straßen weithin über-

    schwemmt hatte. Was half´s, teilweise durch Wasser und Schlamm

    bauten wir als Heeresspitze unverdrossen unsere Leitungen. Katlanovo

    war das Ziel, ein armseliges Dorf, fast nur Ruinen von den Kämpfen

    von 1912 und 1913 her. Hier feierten wir Weihnachten am Fuß des

    Balkangebirges. Lustige und ernste Erlebnisse aus diesen Tagen könn-

    te ich berichten, aber der Raum reicht nicht mehr hierfür.


    Nach den Festtagen ging es weiter, das Gebirge wurde auf einer 30 km

    langen Paßstraße überschritten. Von der Höhe schweifte der Blick

    in die wilden Schluchten des steil zerklüfteten Gebirges.


    Weles (heute Titov Velves), die alte Türkenstadt Köprülü, wurde er-

    reicht.Welch verändertes Bild bot sich uns. Wir glaubten im Orient

    zu sein. Ein Meervon alten Ziegeldächern, die Häuser mehr Hütten und

    nur mit Hohlpfannen gedeckt, die Läden und Werkstätten nur offene

    Schaufenster, in denen sich der gesamte Handel und die Produktion

    selbst vor den Augen der Passanten abspielte. Handwerksarbeit mit


  • October 8, 2018 13:06:39 Lars Böckelmann

    Hemd mit hübschen Stickereien. Um den Bauch ein meterlanges rotes

    Tuch gewickelt und auf dem Kopf entweder ein kleines, eng anliegendes

    Käppchen aus dünnem, weißem Filz oder, wenn sie türkischer Abstammung

    waren, den roten Fez . Wer mit offenen Augen diese Landschaft passierte,

    konnte viel Neues und Interessantes in sich aufnehmen


    Das Marschtempo verlangsmate sich etwas, die Bulgaren übernahmen die

    Verfolgung und die deutsche Armee marschierte ab Nisch als Heeresre-

    serve.


    Üsküb, dass heutige Skolpje (jetzt Skopje), wurde erreicht. Für dortige

    Verhältnisse eine Großstadt, für unsere Begriffe doch klein, aber

    schon mitvielen modernen Bauten. In der Ferne blauten die hohen

    Gebirgswälle des Rhodope-Gebirges und des Balkans, die Bergspitzen

    weißschimmernd mit ihren Schneehauben. Die Hauptregenzeit war vor-

    über und mildes Winterwetter der dortigen Breiten, ließ auch nächtliche

    Biwaks am flackernden Lagerfeuer angenehm vorübergehen. Man muß

    einmal ein solches Lagerleben mitgemacht haben, um den eigentüm-

    lichen Reiz einer solchen Nacht zu verstehen.


    Weiter ging´s, am Katlanovo-See entlang, der die Straßen weithin über-

    schwemmt hatte. Was half´s, teilweise durch Wasser und Schlamm

    bauten wir als Heeresspitze unverdrossen unsere Leitungen. Katlanovo

    war das Ziel, ein armseliges Dorf, fast nur Ruinen von den Kämpfen

    von 1912 und 1913 her. Hier feierten wir Weihnachten am Fuß des

    Balkangebirges. Lustige und ernste Erlebnisse aus diesen Tagen könn-

    te ich berichten, aber der Raum reicht nicht mehr hierfür.


    Nach den Festtagen ging es weiter, das Gebirge wurde auf einer 30 km

    langen Paßstraße überschritten. Von der Höhe schweifte der Blick

    in die wilden Schluchten des steil zerklüfteten Gebirges.


    Weles (heute Titov Velves), die alte Türkenstadt Köprülü, wurde er-

    reicht.Welch verändertes Bild bot sich uns. Wir glaubten im Orient

    zu sein. Ein Meervon alten Ziegeldächern, die Häuser mehr Hütten und

    nur mit Hohlpfannen gedeckt, die Läden und Werkstätten nur offene

    Schaufenster, in denen sich der gesamte Handel und die Produktion

    selbst vor den Augen der Passanten abspielte. Handwerksarbeit mit


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    Nisch

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    Skopje

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    Weles

  • 44.6664036||20.9331095||

    Smederevo, Serbien

    ||1
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  • Story location Smederevo, Serbien
  • Document location Nisch
  • Additional document location Skopje
  • Additional document location Katlanovo
  • Additional document location Weles
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ID
12545 / 171867
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Christine Sörje
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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