Kriegstagebuch von Hans-Joachim Röhr aus Görlitz - Band 1, item 116
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die Granaten. Die Strassen selbst waren zerwühlt, zerfetzt und
zerfahren, grundlos stand der Schlamm überall, zerspellte
Baumstümpfe waren die Reste stolzer Pappeln, deren Stämme
oft den Weg versperrten. Die Gärten sahen wüst aus, überall
Schutthaufen, Granatlöcher, dazwischen Konservenbüchsen, Draht,
zerknickte Obstbäume, zerfallene Zäune. Mehremals waren
wir dort hindurchgewandert heute zum letzten male.
Wir lagen gerade im Standquartier und hatten unsere
Sachen wieder in Ordnung gebracht von den vorhergegangenen
Tagen. Auch konnten bzw. wollten wir uns ausschlafen für
kommende Tage. Ich hatte es mir gerade bequem gemacht, mich
völlig ausgezogen und in die Decken gehüllt, als wir alarmiert
wurden. Die Unteroffiziere wurden zum Feldwebel befohlen, unter
lautem Gefluche holte man seine "Klamotten" hervor und hoste
sich an. Feldmarschmässig, dass heisst für mich Wickelgamaschen
über die Stiefel, dadurch war ich geschützt, dass mir das Wasser nicht oben
in die Schäfte lief. - Wir sollten aber nicht in Stellung gehen,
sondern nur mit helfen, den Grevillers Graben, der nunmehr völlig
zerschossen und unhaltbar wurde zu räumen. Im Galopp rasten
die Fahrzeue um Mitternacht los. Schon um 2.00 waren die einzelnen
Träger an Ort und Stelle. Ein Kamerad und ich am äussersten
rechten Flügel bei Gefr. Stamm, dessen Gewehr im Leipziger Graben lag,
der nun mehr nur noch Sappe war, indess er kurz vor dem
Drahtverhau abgeriegelt war. Ich traf die ganze Bedienung äusserst
verstört an, ohne dass man mir meinem Gruss erwiderte.
Auf meine Erklärung über mein Hiersein und Fragen nach dem
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Gerät zeigte Gefr. Stamm nur nach unten. Ich sah das
Stollenende eingestüzt und erfuhr, dass vor wenigen Minuten ein
schwerer Einschlag, die letzten Rahmen, in cr 20 Stufen Tiefe,
eingedrückt hatte, unter den Trümmern lagen die Patronen - zum
Glück war niemand zu schaden gekommen. Es war ein schwerer
Feuerüberfall gewesen, dessen Wirkungen allenthalben sichtbar
waren. Wir hatten keine Zeit aus dem Chaos von Erde, Balken,
Mänteln, Steinen, etc die Kästen zu bergen. Um 2.30 türmten
wir mit dem ebenfalls durch Treffer unbrauchbar gewordenem
M.G. über die Grabenreste. Nichts mehr war zu sehen von
einstiger Herrlichkeit, nur noch stellenweise war der Graben knietief,
aber fort, kein Blick zurück, wo die Pioniere die Stollenreste
in die Luft jagten. Unbeschadet kamen wir durch das
wiederauflebende engl. Minenfeuer zum Sammelplatz, am
Sanitätsstollen in Grevillers. Die neue Stellung lag im Avesnesriegel, die
Trägerkolonnen trennten sich um zurückzukehren. Bald darauf
fing es an zu regnen. Ich traf eine Munitionskolonne eines
21cm Mörsers, welche Munition zurückfuhr, erkletterte den Wagen
und liess gleichzeitig den Guss über mich ergehen. Um 5.00
waren wir in der Baracke, aber niemand hatte trockene
Streichhölzer, nach langem Suchen fanden wir endlich
welche, beim bedürftigen Lichte der Hindenburgbrenner, hingen
wir die nassen Kleider an die Öfen, hüllten uns in Decken,
und erwachten erst, als zu Mittag der dampfende Reis auf
dem Tische stand.
Wie gut hatten wir es vor unseren Kameraden, die ohne
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die Granaten. Die Strassen selbst waren zerwühlt, zerfetzt und
zerfahren, grundlos stand der Schlamm überall, zerspellte
Baumstümpfe waren die Reste stolzer Pappeln, deren Stämme
oft den Weg versperrten. Die Gärten sahen wüst aus, überall
Schutthaufen, Granatlöcher, dazwischen Konservenbüchsen, Draht,
zerknickte Obstbäume, zerfallene Zäune. Mehremals waren
wir dort hindurchgewandert heute zum letzten male.
Wir lagen gerade im Standquartier und hatten unsere
Sachen wieder in Ordnung gebracht von den vorher gegangenen
Tagen. Auch konnten bzw. wollten wir uns ausschlafen für
kommende Tage. Ich hatte es mir gerade bequem gemacht, mich
völlig ausgezogen und in die Decken gehüllt, als wir alarmiert
wurden. Die Unteroffiziere wurden zum Feldwebel befohlen, unter
lautem Gefluche holte man seine "Klamotten" hervor und hoste
sich an. Feldmarschmässig, dass heisst für mich Wickelgamaschen
über die Stiefel, dadurch war ich geschützt, dass mir das Wasser nicht oben
in die Schäfte lief. - Wir sollten aber nicht in Stellung gehen,
sondern nur mit helfen, den Grevillers Graben, der nunmehr völlig
zerschossen und unhaltbar wurde zu räumen. Im Galopp rasten
die Fahrzeue um Mitternacht los. Schon um 2.00 waren die einzelnen
Träger an Ort und Stelle. Ein Kamerad und ich am äussersten
rechten Flügel bei Gefr. Stamm, dessen Gewehr im Leipziger Graben lag,
der nun mehr nur noch Sappe war, indess er kurz vor dem
Drahtverhau abgeriegelt war. Ich traf die ganze Bedienung äusserst
verstört an, ohne dass man mir meinem Gruss erwiderte.
Auf meine Erklärung über mein Hiersein und Fragen nach dem
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Gerät zeigte Gefr. Stamm nur nach unten. Ich sah das
Stollenende eingestüzt und erfuhr, dass vor wenigen Minuten ein
schwerer Einschlag, die letzten Rahmen, in cr 20 Stufen Tiefe,
eingedrückt hatte, unter den Trümmern lagen die Patronen - zum
Glück war niemand zu schaden gekommen. Es war ein schwerer
Feuerüberfall gewesen, dessen Wirkungen allenthalben sichtbar
waren. Wir hatten keine Zeit aus dem Chaos von Erde, Balken,
Mänteln, Steinen, etc die Kästen zu bergen. Um 2.30 türmten
wir mit dem ebenfalls durch Treffer unbrauchbar gewordenem
M.G. über die Grabenreste. Nichts mehr war zu sehen von
einstiger Herrlichkeit, nur noch stellenweise war der Graben knietief,
aber fort, kein Blick zurück, wo die Pioniere die Stollenreste
in die Luft jagten. Unbeschadet kamen wir durch das
wiederauflebende engl. Minenfeuer zum Sammelplatz, am
Sanitätsstollen in Grevillers. Die neue Stellung lag im Avesnesriegel, die
Trägerkolonnen trennten sich um zurückzukehren. Bald darauf
fing es an zu regnen. Ich traf eine Munitionskolonne eines
21cm Mörsers, welche Munition zurückfuhr, erkletterte den Wagen
und liess gleichzeitig den Guss über mich ergehen, Um 5.00
waren wir in der Baracke, aber niemand hatte trockene
Streichhölzer, nach langem Suchen fanden wir endlich
welche, beim bedürftigen Lichte der Hindenburgbrenner, hingen
wir die nassen Kleider an die Öfen, hüllten uns in Decken,
und erwachten erst, als zu Mittag der dampfende Reis auf
dem Tische stand.
Wie gut hatten wir es vor unseren Kameraden, die ohne
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die Granaten. Die Strassen selbst waren zerwühlt, zerfetzt und
zerfahren, grundlos stand der Schlamm überall, zerspellte
Baumstümpfe waren die Reste stolzer Pappln, deren Stämme
oft den Weg versperrten. Die Gärten sahen wüst aus, überall
Schutthaufen, Granatlöcher, dazwsichen Konservenbüchsen, Draht,
zerknickte Obstbäume, zerfallene Zäune. mehremals waren
wir dort hindurchgewandert heute zum letzten male.
Wir lagen gerade im Standquartier und hatten unsere
Sachen wieder in Ordnung gebracht von den vorher gegangenen
Tagen. Auch konnten bzw. wollten wir uns ausschlafen für
kommende Tage. Ich hatte es mir gerade bequem gemacht, mich
völlig ausgezogen und in die Decken gehüllt, als wir alarmiert
wurden. Die Unteroffiziere wurden zum Feldwebel befohlen, unter
lautem Gefluche holte man seine "Klamotten" hervor und hoste
sich an. Feldmarschmässig, dass heisst für mich Wickelgamaschen
über die Stiefel, dadurch war ich geschützt, dass mir das Wasser nicht oben
in die Schäfte lief. - Wir sollten aber nicht in Stellung gehen,
sondern nur mit helfen, den Grevillers Graben, der nunmehr völlig
zerschssen und unhaltbar wurde zu räumen. Im Galopp rasten
die Fahrzeue um Mitternacht los. Schon um 2.00 waren die einzelnen
Träger an Ort und Stelle. Ein Kamerad und ich am äussersten
rechten Flügel bei Gefr. Starmm, dessen Gewehr in Leipziger Graben lag,
der nun mehr nur noch Pappe war, indess er kurz vor dem
Drahtverhau abgeriegelt war. Ich traf die ganze Bedienung äusserst
verstört an, ohne dass man mir meinem Gruss erwiderte.
Auf meine Erklärung über mein Hiersein und Fragen nach dem
S. 197
Gerät zeigte Gefr. Stmm nur nach unten. Ich sah das
Stollenende eingestüzt und erfuhr, dass vor wenigen Minuten ein
schwerer Einschlag, die letzten Rahmen, in cr 20 Stufen Tiefe,
eingedrückt hatte, unter den Trümmern lagen die Patronen - zum
Glück war niemand zu schaden gekommen. Es war ein schwerer
Feuerüberfall gewesen, dessen Wirkungen allenthaltber sichtbar
waren. Wir hatten keine Zeit aus dem Chaos von Erde, Balken,
Mänteln, Steinen, etc die Kästen zu bergen. Um 2.30 türmten
wir mit dem ebenfalls durch Treffer unbrauchbar gewordenem
M.G. über die Grabenreste. Nichts mehr war zu sehen von
einstiger Herrlichkeit, nur noch stellenweise war der Graben knietief,
aber fort, kein Blick zurück, wo die Pioniere die Stollenreste
in die Luft jagten. Unbeschadet kamen wir durch das
wiederauflebende engl. Minenfeuer zum Sammelplatz, am
Sanitätsstollen in Grevillers. Die neue Stellung lag im Aresnesriegel, die
Trägerkolonnen trennten sich um zurückzukehren. Bald darauf
find es an zu regnen. ich traf eine Munitionskolonne eines
21cm Mössess, welche Munition zurückfuhr, erkletterte den Wagen
und liess gleichzeitig den Gruss über mich ergehen, Um 5.00
waren wir in der Baracke, aber niemand hatte trockene
Streichhölzer, nach langem Suchen fanden wir endlich
welche, beim bedürftigen Lichte der Hindenbugbrenner, hingen
wir die nassen Kleider an die Ofen, hüllten uns in Dekcen,
und erwachten erst, als zu Mittag der dampfende Reis auf
dem Tische stand.
Wie gut hatten wir es vor unseren Kameraden, die ohne
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S. 196
die Granaten. Die Strassen selbst waren zerwühlt, zerfetzt und
zerfahren, grundlos stand der Schlamm überall, zerspellte
Baumstümpfe waren die Reste stolzer Pappln, deren Stämme
oft den Weg versperrten. Die Gärten sahen wüst aus, überall
Schutthaufen, Granatlöcher, dazwsichen Konservenbüchsen, Draht,
zerknickte Obstbäume, zerfallene Zäune. mehremals waren
wir dort hindurchgewandert heute zum letzten male.
Wir lagen gerade im Standquartier und hatten unsere
Sachen wieder in Ordnung gebracht von den vorher gegangenen
Tagen. Auch konnten bzw. wollten wir uns ausschlafen für
kommende Tage. Ich hatte es mir gerade bequem gemacht, mich
völlig ausgezogen und in die Decken gehüllt, als wir alarmiert
wurden. Die Unteroffiziere wurden zum Feldwebel befohlen, unter
lautem Gefluche holte man seine "Klamotten" hervor und hoste
sich an. Feldmarschmässig, dass heisst für mich Wickelgamaschen
über die Stiefel, dadurch war ich geschützt, dass mir das Wasser nicht oben
in die Schäfte lief. - Wir sollten aber nicht in Stellung gehen,
sondern nur mit helfen, den Grevillers Graben, der nunmehr völlig
zerschssen und unhaltbar wurde zu räumen. Im Galopp rasten
die Fahrzeue um Mitternacht los. Schon um 2.00 waren die einzelnen
Träger an Ort und Stelle. Ein Kamerad und ich am äussersten
rechten Flügel bei Gefr. Starmm, dessen Gewehr in Leipziger Graben lag,
der nun mehr nur noch Pappe war, indess er kurz vor dem
Drahtverhau abgeriegelt war. Ich traf die ganze Bedienung äusserst
verstört an, ohne dass man mir meinem Gruss erwiderte.
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Grévillers
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Görlitz
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- 12796 / 168667
- Contributor
- Heike Knothe
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