Heinrich Teut Eberhard berichtet von seinen Erlebnissen an der Westfront, item 12

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9.

Granatlöcher massenweise. Zu sehen ist kein Mensch, und wenn

die Sonne so freundlich darüber scheint, und nicht geschossen

wird, es ist ein Bild des Friedens. An den Anblick der zerschossenen

Häuser hat man sich längst gewöhnt und wundert sich beinahe,

wenn man eine Fensterscheibe heil findet. Wirtschaftlich

ist Norfrankreich ein gesegnetes Land, lauter fruchtbarer

Weizenboden, auhc viele Tabakpflanzungen, weniger Weiden. Man

vermisst hier das anheimelde deutsche Fachwerkhaus. Lauter

Backsteinbauten, und das kleinste Dorf trägt städtisches Gepräge,

hat mherstöckoge Häuser, sogar Villen. Das wunderschöne

einheitliche Dorf, das man besonders in Süddeutschland findet,

wo kein Haus die geschlossenheit des Dorfes stört, und doch

so unendliche Mannigfaltigkeit besitzt, das vermisst man ganz,

man merkt, es fehlt das urwüchsige, bodenständige, die langsame

Entwicklung. Bodenständig sind höchstens die einzelnen Gehöfte

zwischen den Dörfern. In den Dörfern sind meistens

Brennereien, Spinnereien u.s.w. und deren Arbeiterschaft mag

die Einheitlichkeit der Dörfer stören, wie man es ja auch bei

uns zuweilen findet, wo dann jene hässlichen Zwitter zwischen

Dorf und Stadt entstehen, so wie hier in Frankreich. Auch die

Weiber und die Kinder die man hier sieht, machen den Eindruck des

Grossstadtproletariats. Die halbwüchsigen Jungen lungern mit

frechen Blicken herum, einen Sack über den Schultern. "Über

15 Jahre findet man aber keine Männer mehr. Wenn die Weiber

mehr zu futtern hätten, könnten sie sich nicht beklagen, sie

werden von den Deutschen anständig behandelt, nebenbei, sie

sind verflucht hübsch. Sie bekommen Mehl von der Militärverwaltung

gestellt und backen ihre grossen Brote daraus. Viel

mehr werden sie wohl nicht zu fressen haben. Ein Paket, das

vom Vater habe ich mitsamt Brief erhalten. Herzlichen

Dank, hoffe auf weiteres. Schickt bitte Briefpapier und Um-


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9.

Granatlöcher massenweise. Zu sehen ist kein Mensch, und wenn

die Sonne so freundlich darüber scheint, und nicht geschossen

wird, es ist ein Bild des Friedens. An den Anblick der zerschossenen

Häuser hat man sich längst gewöhnt und wundert sich beinahe,

wenn man eine Fensterscheibe heil findet. Wirtschaftlich

ist Norfrankreich ein gesegnetes Land, lauter fruchtbarer

Weizenboden, auhc viele Tabakpflanzungen, weniger Weiden. Man

vermisst hier das anheimelde deutsche Fachwerkhaus. Lauter

Backsteinbauten, und das kleinste Dorf trägt städtisches Gepräge,

hat mherstöckoge Häuser, sogar Villen. Das wunderschöne

einheitliche Dorf, das man besonders in Süddeutschland findet,

wo kein Haus die geschlossenheit des Dorfes stört, und doch

so unendliche Mannigfaltigkeit besitzt, das vermisst man ganz,

man merkt, es fehlt das urwüchsige, bodenständige, die langsame

Entwicklung. Bodenständig sind höchstens die einzelnen Gehöfte

zwischen den Dörfern. In den Dörfern sind meistens

Brennereien, Spinnereien u.s.w. und deren Arbeiterschaft mag

die Einheitlichkeit der Dörfer stören, wie man es ja auch bei

uns zuweilen findet, wo dann jene hässlichen Zwitter zwischen

Dorf und Stadt entstehen, so wie hier in Frankreich. Auch die

Weiber und die Kinder die man hier sieht, machen den Eindruck des

Grossstadtproletariats. Die halbwüchsigen Jungen lungern mit

frechen Blicken herum, einen Sack über den Schultern. "Über

15 Jahre findet man aber keine Männer mehr. Wenn die Weiber

mehr zu futtern hätten, könnten sie sich nicht beklagen, sie

werden von den Deutschen anständig behandelt, nebenbei, sie

sind verflucht hübsch. Sie bekommen Mehl von der Militärverwaltung

gestellt und backen ihre grossen Brote daraus. Viel

mehr werden sie wohl nicht zu fressen haben. Ein Paket, das

vom Vater habe ich mitsamt Brief erhalten. Herzlichen

Dank, hoffe auf weiteres. Schickt bitte Briefpapier und Um-



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  • August 16, 2017 21:48:27 Tina Emm

    9.

    Granatlöcher massenweise. Zu sehen ist kein Mensch, und wenn

    die Sonne so freundlich darüber scheint, und nicht geschossen

    wird, es ist ein Bild des Friedens. An den Anblick der zerschossenen

    Häuser hat man sich längst gewöhnt und wundert sich beinahe,

    wenn man eine Fensterscheibe heil findet. Wirtschaftlich

    ist Norfrankreich ein gesegnetes Land, lauter fruchtbarer

    Weizenboden, auhc viele Tabakpflanzungen, weniger Weiden. Man

    vermisst hier das anheimelde deutsche Fachwerkhaus. Lauter

    Backsteinbauten, und das kleinste Dorf trägt städtisches Gepräge,

    hat mherstöckoge Häuser, sogar Villen. Das wunderschöne

    einheitliche Dorf, das man besonders in Süddeutschland findet,

    wo kein Haus die geschlossenheit des Dorfes stört, und doch

    so unendliche Mannigfaltigkeit besitzt, das vermisst man ganz,

    man merkt, es fehlt das urwüchsige, bodenständige, die langsame

    Entwicklung. Bodenständig sind höchstens die einzelnen Gehöfte

    zwischen den Dörfern. In den Dörfern sind meistens

    Brennereien, Spinnereien u.s.w. und deren Arbeiterschaft mag

    die Einheitlichkeit der Dörfer stören, wie man es ja auch bei

    uns zuweilen findet, wo dann jene hässlichen Zwitter zwischen

    Dorf und Stadt entstehen, so wie hier in Frankreich. Auch die

    Weiber und die Kinder die man hier sieht, machen den Eindruck des

    Grossstadtproletariats. Die halbwüchsigen Jungen lungern mit

    frechen Blicken herum, einen Sack über den Schultern. "Über

    15 Jahre findet man aber keine Männer mehr. Wenn die Weiber

    mehr zu futtern hätten, könnten sie sich nicht beklagen, sie

    werden von den Deutschen anständig behandelt, nebenbei, sie

    sind verflucht hübsch. Sie bekommen Mehl von der Militärverwaltung

    gestellt und backen ihre grossen Brote daraus. Viel

    mehr werden sie wohl nicht zu fressen haben. Ein Paket, das

    vom Vater habe ich mitsamt Brief erhalten. Herzlichen

    Dank, hoffe auf weiteres. Schickt bitte Briefpapier und Um-



  • August 16, 2017 00:37:56 Tina Emm

    9.

    Granatlöcher massenweise. Zu sehen ist kein Mensch, und wenn

    die Sonne so freundlich darüber scheint, und nicht geschossen

    wird, es ist ein Bild des Friedens. An den Anblick der zerschossenen

    Häuser hat man sich längst gewöhnt und wundert sich beinahe,

    wenn man eine Fensterscheibe heil findet. Wirtschaftlich

    ist Norfrankreich ein gesegnetes Land, lauter fruchtbarer

    Weizenboden, auhc viele Tabakpflanzungen, weniger Weiden. Man

    vermisst hier das anheimelde deutsche Fachwerkhaus. Lauter

    Backsteinbauten, und das kleinste Dorf trägt städtisches Gepräge,

    hat mherstöckoge Häuser, sogar Villen. Das wunderschöne

    einheitliche Dorf, das man besonders in Süddeutschland findet,

    wo kein Haus die geschlossenheit des Dorfes stört, und doch

    so unendliche Mannigfaltigkeit besitzt, das vermisst man ganz,

    man merkt, es fehlt das urwüchsige, bodenständige, die langsame

    Entwicklung.



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    Aubers, Frankreich

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10705 / 105153
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Beate Burckardt
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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