Feldpostbriefe und Feldpostkarten von Hauptmann Eugen Hahn aus Bösingen, item 129

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rechnen nach wie vor mii einer großen Schlacht in Flandern zu Lande und zu Wasser. In wieweit Landungsversuche von feindlicher Seite in Holland sich verwirklichen lassen, lasst sich nicht voraussehen. Die nötigen deutschen Abwehrmaßnahmen sind getroffen und nach menschlichem Ermessen so. dass der Gegner über Anfangserfolge, die sich infolge seiner großen Überlegenheit an Maschinen und Munition nie vermeiden lassen, nicht hinauskommen wird. Also wird auch in Flandern eine militärische Entscheidungsschlacht nur insofern bevor-stehen. als die Feinde konstatieren müssen, dass der strategische Durchbruch und damit die militärische Niederwerfung Deutschlands nie gelingen wird. Weshalb die Franzosen so auf-fallend untätig sind, mag mit Vorgängen in ihrem Heer Zusammenhängen. Wir rechneten mit Angriffen im Sundgau und weiteren in der Champagne. Die Anzeichen verschwinden wieder. Es gibt doch zahlreiche französische Divisionen, die den Angriff von neuem verweigern. Aber mehr lässt sich auch nicht sagen. Ob die Engländer bei Ypern noch aul größere russi-sche Erfolge rechnen, bevor sie anfangen wollen, ist wahrscheinlich. Dass das morsche russi-sche Heer von der englischen Diplomatie zum Angriff gebracht wurde, ist die Glanzleistung in diesem Krieg. Diese Tatsache muss man sich immer vergegenwärtigen, um zu wissen, wie tief und nachhaltig England alle seine Bundesgenossen beeinflusst. Die russische Offensive wird natürlich unter großen russischen Blutopfern scheitern. Ob die Regierung Kerenski die-sen Schlag aushalten kann, ist wichtig für die ganze Weiterentwicklung der Dinge im Osten. Außerdem macht England in Palästina. Ägypten und Mesopotamien erneute Anstrengungen, um seine Erfolge auszudehnen. Wir wollen hoffen, dass die deutsche militärische Gegenwir-kung richtig einsetzt und gelingt. Unsre militärische Lage ist insofern auf allen Fronten sehr günstig, als wir überall standhalten können und werden. Die Entscheidung lässt sich natürlich auf diese Weise nicht erringen. Dass die U-Boote, wie manche falscherweise glauben. Eng-land in diesem Jahr zum Frieden zwingen werden, ist nicht richtig. Gegen diese Auffassung muss Front gemacht werden, wo man sie hört. Leider hat für mein Gefühl die Regierung das Volk darüber nicht genügend aufgeklärt. England wird im Herbst dieses Jahres außerordent-lich geschädigt, aber nicht auf die Knie gezwungen sein. Im Frühjahr 1918 wird diese Schädi-gung natürlich einen noch höheren Grad erreicht haben. Aber es spielen bei der Wirkung ge-gen die Erfolge des U-Bootkriegs Faktoren mit. die schwer sicher in Rechnung zu stellen sind.

Wir Italien keine Angst vor Amerika und rechnen bestimmt und kühl mit ihm als unserem Feinde (in) an Front von Frühjahr 1918. Schon jetzt kommen die ersten Anzeichen amerikani-scher Unterstützung. Vor unsrer Front steht ein Fesselballon mit Sternenbanner. Aber so rasch geht das alles nicht. Bis größere Truppentransporte das europäische Festland erreicht haben und uns ebenbürtig ausgebildet sind, vergehen Monate. Und dann wollen wir erst mal sehen. Also von militärischem Standpunkt aus bringt uns Amerikas Eingreifen absolut nicht aus der Fassung. - Dass unsre Regierung alles tut. um im Herbst dieses Jahrs Frieden zu schließen und das Elend des Kriegs von der Heimat zu nehmen, bin ich überzeugt. Sie darf meiner An-sicht nach Frieden schließen mit den Grenzen des Augusts 1914 und Rückgabe sämtlicher Schiffe und Kolonien oder eines entsprechenden Ersatzes an überseeischem Land oder an

England wird darauf wohl nicht eingehen. Deshalb müssen wir ruhig an den 3.<? 4.!> Kriegswinter gehen und hoffen, dass unser Herrgott uns auch im nächsten Jahr weiterhelfen wird Ich mache mit diesen Darlegungen keinerlei Ansprüche auf Richtigkeit, da ich sie aus keinen anderen Quellen habe, als sie ändern Menschen auch zur Vertilgung stehen: eine offe-ne Beurteilung der F.reignisse und Schlüsse auf die Zukunft auf Grund von Vergangenem. Ich weiß auch dass Vater und besonders die Schwäger sich lur vorstehende Gedanken interessie-ren denn sic betreffen das. was uns an) nächsten liegt: das Wohl unsres deutschen Vaterlan-des' - Aber schließen kann ich diesen Brief nicht, ohne meine liebe Hedwig erwähnt zu ha-ben die so lieb und treulich mit ihren Briefen mir mein Dasein erhellt und mir täglich zum
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rechnen nach wie vor mii einer großen Schlacht in Flandern zu Lande und zu Wasser. In wieweit Landungsversuche von feindlicher Seite in Holland sich verwirklichen lassen, lasst sich nicht voraussehen. Die nötigen deutschen Abwehrmaßnahmen sind getroffen und nach menschlichem Ermessen so. dass der Gegner über Anfangserfolge, die sich infolge seiner großen Überlegenheit an Maschinen und Munition nie vermeiden lassen, nicht hinauskommen wird. Also wird auch in Flandern eine militärische Entscheidungsschlacht nur insofern bevor-stehen. als die Feinde konstatieren müssen, dass der strategische Durchbruch und damit die militärische Niederwerfung Deutschlands nie gelingen wird. Weshalb die Franzosen so auf-fallend untätig sind, mag mit Vorgängen in ihrem Heer Zusammenhängen. Wir rechneten mit Angriffen im Sundgau und weiteren in der Champagne. Die Anzeichen verschwinden wieder. Es gibt doch zahlreiche französische Divisionen, die den Angriff von neuem verweigern. Aber mehr lässt sich auch nicht sagen. Ob die Engländer bei Ypern noch aul größere russi-sche Erfolge rechnen, bevor sie anfangen wollen, ist wahrscheinlich. Dass das morsche russi-sche Heer von der englischen Diplomatie zum Angriff gebracht wurde, ist die Glanzleistung in diesem Krieg. Diese Tatsache muss man sich immer vergegenwärtigen, um zu wissen, wie tief und nachhaltig England alle seine Bundesgenossen beeinflusst. Die russische Offensive wird natürlich unter großen russischen Blutopfern scheitern. Ob die Regierung Kerenski die-sen Schlag aushalten kann, ist wichtig für die ganze Weiterentwicklung der Dinge im Osten. Außerdem macht England in Palästina. Ägypten und Mesopotamien erneute Anstrengungen, um seine Erfolge auszudehnen. Wir wollen hoffen, dass die deutsche militärische Gegenwir-kung richtig einsetzt und gelingt. Unsre militärische Lage ist insofern auf allen Fronten sehr günstig, als wir überall standhalten können und werden. Die Entscheidung lässt sich natürlich auf diese Weise nicht erringen. Dass die U-Boote, wie manche falscherweise glauben. Eng-land in diesem Jahr zum Frieden zwingen werden, ist nicht richtig. Gegen diese Auffassung muss Front gemacht werden, wo man sie hört. Leider hat für mein Gefühl die Regierung das Volk darüber nicht genügend aufgeklärt. England wird im Herbst dieses Jahres außerordent-lich geschädigt, aber nicht auf die Knie gezwungen sein. Im Frühjahr 1918 wird diese Schädi-gung natürlich einen noch höheren Grad erreicht haben. Aber es spielen bei der Wirkung ge-gen die Erfolge des U-Bootkriegs Faktoren mit. die schwer sicher in Rechnung zu stellen sind.

Wir Italien keine Angst vor Amerika und rechnen bestimmt und kühl mit ihm als unserem Feinde (in) an Front von Frühjahr 1918. Schon jetzt kommen die ersten Anzeichen amerikani-scher Unterstützung. Vor unsrer Front steht ein Fesselballon mit Sternenbanner. Aber so rasch geht das alles nicht. Bis größere Truppentransporte das europäische Festland erreicht haben und uns ebenbürtig ausgebildet sind, vergehen Monate. Und dann wollen wir erst mal sehen. Also von militärischem Standpunkt aus bringt uns Amerikas Eingreifen absolut nicht aus der Fassung. - Dass unsre Regierung alles tut. um im Herbst dieses Jahrs Frieden zu schließen und das Elend des Kriegs von der Heimat zu nehmen, bin ich überzeugt. Sie darf meiner An-sicht nach Frieden schließen mit den Grenzen des Augusts 1914 und Rückgabe sämtlicher Schiffe und Kolonien oder eines entsprechenden Ersatzes an überseeischem Land oder an

England wird darauf wohl nicht eingehen. Deshalb müssen wir ruhig an den 3.<? 4.!> Kriegswinter gehen und hoffen, dass unser Herrgott uns auch im nächsten Jahr weiterhelfen wird Ich mache mit diesen Darlegungen keinerlei Ansprüche auf Richtigkeit, da ich sie aus keinen anderen Quellen habe, als sie ändern Menschen auch zur Vertilgung stehen: eine offe-ne Beurteilung der F.reignisse und Schlüsse auf die Zukunft auf Grund von Vergangenem. Ich weiß auch dass Vater und besonders die Schwäger sich lur vorstehende Gedanken interessie-ren denn sic betreffen das. was uns an) nächsten liegt: das Wohl unsres deutschen Vaterlan-des' - Aber schließen kann ich diesen Brief nicht, ohne meine liebe Hedwig erwähnt zu ha-ben die so lieb und treulich mit ihren Briefen mir mein Dasein erhellt und mir täglich zum
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  • November 2, 2018 06:47:26 Zafiro Marti

    rechnen nach wie vor mii einer großen Schlacht in Flandern zu Lande und zu Wasser. In wieweit Landungsversuche von feindlicher Seite in Holland sich verwirklichen lassen, lasst sich nicht voraussehen. Die nötigen deutschen Abwehrmaßnahmen sind getroffen und nach menschlichem Ermessen so. dass der Gegner über Anfangserfolge, die sich infolge seiner großen Überlegenheit an Maschinen und Munition nie vermeiden lassen, nicht hinauskommen wird. Also wird auch in Flandern eine militärische Entscheidungsschlacht nur insofern bevor-stehen. als die Feinde konstatieren müssen, dass der strategische Durchbruch und damit die militärische Niederwerfung Deutschlands nie gelingen wird. Weshalb die Franzosen so auf-fallend untätig sind, mag mit Vorgängen in ihrem Heer Zusammenhängen. Wir rechneten mit Angriffen im Sundgau und weiteren in der Champagne. Die Anzeichen verschwinden wieder. Es gibt doch zahlreiche französische Divisionen, die den Angriff von neuem verweigern. Aber mehr lässt sich auch nicht sagen. Ob die Engländer bei Ypern noch aul größere russi-sche Erfolge rechnen, bevor sie anfangen wollen, ist wahrscheinlich. Dass das morsche russi-sche Heer von der englischen Diplomatie zum Angriff gebracht wurde, ist die Glanzleistung in diesem Krieg. Diese Tatsache muss man sich immer vergegenwärtigen, um zu wissen, wie tief und nachhaltig England alle seine Bundesgenossen beeinflusst. Die russische Offensive wird natürlich unter großen russischen Blutopfern scheitern. Ob die Regierung Kerenski die-sen Schlag aushalten kann, ist wichtig für die ganze Weiterentwicklung der Dinge im Osten. Außerdem macht England in Palästina. Ägypten und Mesopotamien erneute Anstrengungen, um seine Erfolge auszudehnen. Wir wollen hoffen, dass die deutsche militärische Gegenwir-kung richtig einsetzt und gelingt. Unsre militärische Lage ist insofern auf allen Fronten sehr günstig, als wir überall standhalten können und werden. Die Entscheidung lässt sich natürlich auf diese Weise nicht erringen. Dass die U-Boote, wie manche falscherweise glauben. Eng-land in diesem Jahr zum Frieden zwingen werden, ist nicht richtig. Gegen diese Auffassung muss Front gemacht werden, wo man sie hört. Leider hat für mein Gefühl die Regierung das Volk darüber nicht genügend aufgeklärt. England wird im Herbst dieses Jahres außerordent-lich geschädigt, aber nicht auf die Knie gezwungen sein. Im Frühjahr 1918 wird diese Schädi-gung natürlich einen noch höheren Grad erreicht haben. Aber es spielen bei der Wirkung ge-gen die Erfolge des U-Bootkriegs Faktoren mit. die schwer sicher in Rechnung zu stellen sind.

    Wir Italien keine Angst vor Amerika und rechnen bestimmt und kühl mit ihm als unserem Feinde (in) an Front von Frühjahr 1918. Schon jetzt kommen die ersten Anzeichen amerikani-scher Unterstützung. Vor unsrer Front steht ein Fesselballon mit Sternenbanner. Aber so rasch geht das alles nicht. Bis größere Truppentransporte das europäische Festland erreicht haben und uns ebenbürtig ausgebildet sind, vergehen Monate. Und dann wollen wir erst mal sehen. Also von militärischem Standpunkt aus bringt uns Amerikas Eingreifen absolut nicht aus der Fassung. - Dass unsre Regierung alles tut. um im Herbst dieses Jahrs Frieden zu schließen und das Elend des Kriegs von der Heimat zu nehmen, bin ich überzeugt. Sie darf meiner An-sicht nach Frieden schließen mit den Grenzen des Augusts 1914 und Rückgabe sämtlicher Schiffe und Kolonien oder eines entsprechenden Ersatzes an überseeischem Land oder an

    England wird darauf wohl nicht eingehen. Deshalb müssen wir ruhig an den 3.<? 4.!> Kriegswinter gehen und hoffen, dass unser Herrgott uns auch im nächsten Jahr weiterhelfen wird Ich mache mit diesen Darlegungen keinerlei Ansprüche auf Richtigkeit, da ich sie aus keinen anderen Quellen habe, als sie ändern Menschen auch zur Vertilgung stehen: eine offe-ne Beurteilung der F.reignisse und Schlüsse auf die Zukunft auf Grund von Vergangenem. Ich weiß auch dass Vater und besonders die Schwäger sich lur vorstehende Gedanken interessie-ren denn sic betreffen das. was uns an) nächsten liegt: das Wohl unsres deutschen Vaterlan-des' - Aber schließen kann ich diesen Brief nicht, ohne meine liebe Hedwig erwähnt zu ha-ben die so lieb und treulich mit ihren Briefen mir mein Dasein erhellt und mir täglich zum
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6555 / 78022
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Sibylle Schreiber
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