Rudolf and his letters home, item 22

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Villes 9. Februar 1915

Liebe  Eltern!


Habt herzlichen Dank für Eure schönen, vielen Pakete. Habe

heute 13 Stück empfangen. Ein Paket war von Schorndorf. Ich lasse

Fräulein Giershausen für Ihre Liebenswürdigkeit herzlich danken.

Ihr macht Euch keinen Begriff, wie ich mich über alles gefreut

habe. Ich kann in den nächsten Tagen leben, wie ich lange nicht gelebt

habe. Es waren alles praktische Sachen, die ich gern esse und gut gebrauchen

kann. Wir haben das herrlichste Wetter, wir, von der Schanzkompanie

müssen aber die Lauf- und Schützengräben säubern, und da es oft regnet

stehen wir für gewöhnlich im Wasser. Wir müssen oft stundenweit mar-

schieren, bis wir am Schanzort angekommen sind. Besonders bei Nacht

hat man ein eigenartiges Empfinden, wenn man stundenlang durch

Laufgräben marschiert, fortwährend stösst man rechts und links

an, reisst ganze Lehmbrocken mit, taumelt nach jeden 3. Schritt durch

ein Wasserloch und was das schönste ist: Alle 10 m gibt es nur eine

Schulterwehr. Man  rechnet sich das im Gehen ganz stumpfsinnig aus

10 Schritte gerade aus, dan gibts einen engen Kreisbogen nach rechts herum,

dann wieder gerade aus, so gehts stundenlang, alles im Halbschlaf.

Jetzt schimpfen und fluchen wir darüber, wenn der Krieg aber vorüber

ist, wars schön gewesen. Alle Erinnerung ist schön. Oft schanzen

wir auch bei Tag. Dabei wirds oft brenzlig. Sieht uns ein feindlicher Flie-

ger: schon gibts Artilleriefeuer, Schrapnell. Die französischen Flieger verraten

auf folgende Weise unsere Stellungen. Sie kreisen 3mal direkt über uns

und lassen eine Leuchtkugel fallen. Sofort lässt sich die Artillerie

Hören. Ich wollte Euch etwas die Situation schildern, in der ich mich jetzt

befinde. Eines abends wurden 8 Mann und 1 Unteroffizier von unserer

Kompanie zur Schanzkompanie kommandiert. Die Nacht brauchten wir


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Villes 9. Februar 1915

Liebe  Eltern!


Habt herzlichen Dank für Eure schönen, vielen Pakete. Habe

heute 13 Stück empfangen. Ein Paket war von Schorndorf. Ich lasse

Fräulein Giershausen für Ihre Liebenswürdigkeit herzlich danken.

Ihr macht Euch keinen Begriff, wie ich mich über alles gefreut

habe. Ich kann in den nächsten Tagen leben, wie ich lange nicht gelebt

habe. Es waren alles praktische Sachen, die ich gern esse und gut gebrauchen

kann. Wir haben das herrlichste Wetter, wir, von der Schanzkompanie

müssen aber die Lauf- und Schützengräben säubern, und da es oft regnet

stehen wir für gewöhnlich im Wasser. Wir müssen oft stundenweit mar-

schieren, bis wir am Schanzort angekommen sind. Besonders bei Nacht

hat man ein eigenartiges Empfinden, wenn man stundenlang durch

Laufgräben marschiert, fortwährend stösst man rechts und links

an, reisst ganze Lehmbrocken mit, taumelt nach jeden 3. Schritt durch

ein Wasserloch und was das schönste ist: Alle 10 m gibt es nur eine

Schulterwehr. Man  rechnet sich das im Gehen ganz stumpfsinnig aus

10 Schritte gerade aus, dan gibts einen engen Kreisbogen nach rechts herum,

dann wieder gerade aus, so gehts stundenlang, alles im Halbschlaf.

Jetzt schimpfen und fluchen wir darüber, wenn der Krieg aber vorüber

ist, wars schön gewesen. Alle Erinnerung ist schön. Oft schanzen

wir auch bei Tag. Dabei wirds oft brenzlig. Sieht uns ein feindlicher Flie-

ger: schon gibts Artilleriefeuer, Schrapnell. Die französischen Flieger verraten

auf folgende Weise unsere Stellungen. Sie kreisen 3mal direkt über uns

und lassen eine Leuchtkugel fallen. Sofort lässt sich die Artillerie

Hören. Ich wollte Euch etwas die Situation schildern, in der ich mich jetzt

befinde. Eines abends wurden 8 Mann und 1 Unteroffizier von unserer

Kompanie zur Schanzkompanie kommandiert. Die Nacht brauchten wir



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  • May 22, 2017 11:29:45 Eva Anna Welles (AUT)

    Villes 9. Februar 1915

    Liebe  Eltern!


    Habt herzlichen Dank für Eure schönen, vielen Pakete. Habe

    heute 13 Stück empfangen. Ein Paket war von Schorndorf. Ich lasse

    Fräulein Giershausen für Ihre Liebenswürdigkeit herzlich danken.

    Ihr macht Euch keinen Begriff, wie ich mich über alles gefreut

    habe. Ich kann in den nächsten Tagen leben, wie ich lange nicht gelebt

    habe. Es waren alles praktische Sachen, die ich gern esse und gut gebrauchen

    kann. Wir haben das herrlichste Wetter, wir, von der Schanzkompanie

    müssen aber die Lauf- und Schützengräben säubern, und da es oft regnet

    stehen wir für gewöhnlich im Wasser. Wir müssen oft stundenweit mar-

    schieren, bis wir am Schanzort angekommen sind. Besonders bei Nacht

    hat man ein eigenartiges Empfinden, wenn man stundenlang durch

    Laufgräben marschiert, fortwährend stösst man rechts und links

    an, reisst ganze Lehmbrocken mit, taumelt nach jeden 3. Schritt durch

    ein Wasserloch und was das schönste ist: Alle 10 m gibt es nur eine

    Schulterwehr. Man  rechnet sich das im Gehen ganz stumpfsinnig aus

    10 Schritte gerade aus, dan gibts einen engen Kreisbogen nach rechts herum,

    dann wieder gerade aus, so gehts stundenlang, alles im Halbschlaf.

    Jetzt schimpfen und fluchen wir darüber, wenn der Krieg aber vorüber

    ist, wars schön gewesen. Alle Erinnerung ist schön. Oft schanzen

    wir auch bei Tag. Dabei wirds oft brenzlig. Sieht uns ein feindlicher Flie-

    ger: schon gibts Artilleriefeuer, Schrapnell. Die französischen Flieger verraten

    auf folgende Weise unsere Stellungen. Sie kreisen 3mal direkt über uns

    und lassen eine Leuchtkugel fallen. Sofort lässt sich die Artillerie

    Hören. Ich wollte Euch etwas die Situation schildern, in der ich mich jetzt

    befinde. Eines abends wurden 8 Mann und 1 Unteroffizier von unserer

    Kompanie zur Schanzkompanie kommandiert. Die Nacht brauchten wir


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    Villers France

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19904 / 244997
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Mrs Beryl Eichmann
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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