Erinnerungsbuch, item 25
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In den Weihnachtsferien war ich "auf Hoffmanns Wunsch" im Märkischen Museum.
1916.
Jetzt nahte sich mir das Examen, ich mußte also auch mal arbeiten.
Anfangen zu arbeiten wollte, ich sage "wollte", ich schon in Weihnachtsferien.
Aber da sie merkwürdiger Weise nur aus Feiertagen bestanden - ich weiß eigentlich
selbst nicht, wie das kam -, so ließ ichs lieber bleiben. Auch als die Schule kam,
keine Veränderung meiner bisherigen Gewohnheiten; mein Geburtstag kam, gefeiert
wie früher im Freundeskreis, - ich arbeitete noch nicht, auch am 7. Februar
noch nicht. Am 8. Februar nachmittags 6 Uhr sagt uns Küchling, das Examen,
das Anfang März erst hatte anfangen sollen, finge schon am 18. Februar an,
das mündliche sei am 2. März. Jetzt war aber Holland in Not. Bis zum
schriftlichen habe ich von Mittag, wenn ich nach Hause kam, bis zum Abend gegen
9, 1/2 10 Uhr geochst. Dann schränkte ich den Betrieb etwas ein, weil
ich sonst beim mündlichen gänzlich unzurechnungsfähig gewesen wäre. So
kam der 2. März. Am Tage vorher gabs noch eine Dusche: nachdem ich in
Griechisch eine recht schlaue Antwort gegeben hatte, sagte Heustadt: "Nä,
wissen Sie, hoffentlich brauche ich Se morgen nich zu prüfen. Das wäre
entsetzlich. Ich sage Ihnen, wenn Se da auch so 'ne Antwort geben, fängt
der ganze Tisch, mit dem Herrn Oberregierungsrat und dem Herrn Stadtschulrat
an der Spitze, an zu rotieren, immer so rum ..." Doch ich hatte Glück.
Nur geprüft in Latein und Religion bestand ich das Examen.
Am 9. März wurden wir entlassen. Nun kamen die Abschiedsbesuche.
Schmerzlich, sehr schmerzlich, aber ich traf wenigstens fast
niemand zu Hause. Öffentlicher Kommers am 14. 3.; Rückkehr 3 Uhr.
Privater am 25.3; Rückkehr um 1/2 6 Uhr morgens.
Doch was nun? An Eintritt ins Heer war nicht zu denken.
Meine Ansicht: Jura - nein; Baufach ja. Vaters: umgekehrt. Da teile
ich mit, ehe ich Jura studiere, werde ich Oberlehrer: Mutti erklärt mich für
verrückt. Und doch habe ich schließlich den stud. phil. gewählt, mehr aus
Rücksicht auf unsere privaten Verhältnisse, aber mir auch kein unsympathischer Gedanke. Man
braucht ja nicht ein "Schulmeister" zu werden!
Am Freitag, den 7. April, am 50jährigen Dienstjubiläum Hindenburgs,
habe ich den eisernen Hindenburg genagelt.
Am 8. April findet nach vielem Hin und Her die erste Zusammenkunft
unserer Klasse im Paulanerbräu statt.
Die alten Schulbänke üben in diesem Jahr eine starke Anziehungskraft
aus!
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In den Weihnachtsferien war ich "auf Hoffmanns Wunsch" im Märkischen Museum.
1916.
Jetzt nahte sich mir das Examen, ich mußte also auch mal arbeiten.
Anfangen zu arbeiten wollte, ich sage "wollte", ich schon in Weihnachtsferien.
Aber da sie merkwürdiger Weise nur aus Feiertagen bestanden - ich weiß eigentlich
selbst nicht, wie das kam -, so ließ ichs lieber bleiben. Auch als die Schule kam,
keine Veränderung meiner bisherigen Gewohnheiten; mein Geburtstag kam, gefeiert
wie früher im Freundeskreis, - ich arbeitete noch nicht, auch am 7. Februar
noch nicht. Am 8. Februar nachmittags 6 Uhr sagt uns Küchling, das Examen,
das Anfang März erst hatte anfangen sollen, finge schon am 18. Februar an,
das mündliche sei am 2. März. Jetzt war aber Holland in Not. Bis zum
schriftlichen habe ich von Mittag, wenn ich nach Hause kam, bis zum Abend gegen
9, 1/2 10 Uhr geochst. Dann schränkte ich den Betrieb etwas ein, weil
ich sonst beim mündlichen gänzlich unzurechnungsfähig gewesen wäre. So
kam der 2. März. Am Tage vorher gabs noch eine Dusche: nachdem ich in
Griechisch eine recht schlaue Antwort gegeben hatte, sagte Heustadt: "Nä,
wissen Sie, hoffentlich brauche ich Se morgen nich zu prüfen. Das wäre
entsetzlich. Ich sage Ihnen, wenn Se da auch so 'ne Antwort geben, fängt
der ganze Tisch, mit dem Herrn Oberregierungsrat und dem Herrn Stadtschulrat
an der Spitze an zu rotieren, immer so rum ..." Doch ich hatte Glück.
Nur geprüft in Latein und Religion bestand ich das Examen.
Am 9. März wurden wir entlassen. Nun kamen die Abschiedsbesuche.
Schmerzlich, sehr schmerzlich, aber ich traf wenigstens fast
niemand zu Hause. Öffentlicher Kommers am 14. 3.; Rückkehr 3 Uhr.
Privater am 25. 3; Rückkehr um 1/2 6 Uhr morgens.
Doch was nun? An Eintritt ins Heer war nicht zu denken.
Meine Ansicht: Jura - nein; Baufach ja. Vaters: umgekehrt. Da teile
ich mit, ehe ich Jura studiere, werde ich Oberlehrer: Mutti erklärt mich für
verrückt. Und doch habe ich schlißelich den stud. phil. gewählt, mehr aus
Rücksicht auf unsere privaten Verhältnisse, aber mir auch kein unsympathischer Gedanke. Man
braucht ja nicht ein "Schulmeister" zu werden!
Am Freitag, den 7. April, am 50jährigen Dienstjubiläum Hindenburgs,
habe ich den eisernen Hindenburg genagelt.
Am 8. April findet nach vielem Hin und Her die erste Zusammenkunft
unserer Klasse im Paulanerbräu statt.
Die alten Schulbänke üben in diesem Jahr eine starke Anziehungskraft
aus!
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In den Weihnachtsferien war ich "auf Hoffmanns Wunsch" im Märkischen Museum.
1916.
Jetzt nahte sich mir das Examen, ich mußte also auch mal arbeiten.
Anfangen zu arbeiten wollte, ich sage "wollte", ich schon in Weihnachtsferien.
Aber da sie merkwürdiger Weise nur aus Feiertagen bestanden - ich weiß eigentlich
selbst nicht, wie das kam -, so ließ ichs lieber bleiben. Auch als die Schule kam,
keine Veränderung meiner bisherigen Gewohnheiten; mein Geburtstag kam, gefeiert
wie früher im Freundeskreis, - ich arbeitete noch nicht, auch am 7. Februar
noch nicht. Am 8. Februar nachmittags 6 Uhr sagt uns Küchling, das Examen,
das Anfang März erst hatte anfangen sollen, finge schon am 18. Februar an,
das mündliche sei am 2. März. Jetzt war aber Holland in Not. Bis zum
schriftlichen habe ich von Mittag, wenn ich nach Hause kam, bis zum Abend gegen
9, 1/2 10 Uhr geochst. Dann schränkte ich den Betrieb etwas ein, weil
ich sonst beim Arundlichen gänzlich unzurechnungsfähig gewesen wäre. So
kam der 2. März. Am Tage vorher gabs noch eine Dusche: nachdem ich in
Griechisch eine recht schlaue Antwort gegeben hatte, sagte Heustadt: "Nä,
wissen Sie, hoffentlich brauche ich Se morgen nich zu prüfen. Das wäre
entsetzlich. Ich sage Ihnen, wenn Se da auch so 'ne Antwort geben, fängt
der ganze Tisch, mit dem Herrn Oberregierungsrat und dem Herrn Stadtschulrat
an der Spitze an zu rotieren, immer so rum ..." Doch ich hatte Glück.
Nur geprüft in Latein und Religion bestand ich das Examen.
Am 9. März wurden wir entlassen. Nun kamen die Abschiedsbesuche.
Schmerzlich, sehr schmerzlich, aber ich traf wenigstens fast
niemand zu Hause. Öffentlicher Kommers am 14. 3.; Rückkehr 3 Uhr.
Privater am 25. 3; Rückkehr um 1/2 6 Uhr morgens.
Doch was nun? An Eintritt ins Heer war nicht zu denken.
Meine Ansicht: Jura - nein; Baufach ja. Vaters: umgekehrt. Da teile
ich mit, ehe ich Jura studiere, werde ich Abilehrer: Mutti erklärt mich für
verrückt. Und doch habe ich schlißelich den stud. phil. gewählt, mehr aus
Rücksicht auf unsere privaten Verhältnisse, aber mir auch kein unsympathischer Gedanke. Man
braucht ja nicht ein "Schulmeister" zu werden!
Am Freitag, den 7. April, am 50jährigen Dienstjubiläum Hindenburgs,
habe ich den eisernen Hindenburg genagelt.
Am 8. April findet nach vielem Hin und Her die erste Zusammenkunft
unserer Klasse im Paulanerbräu statt.
Die alten Schulbänke üben in diesem Jahr eine starke Anziehungskraft
aus!
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Berlin
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- Contributor
- Rheinboldt, Sigrid
Jan, 1916 – April 8, 1916
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