Kriegserinnerungen der Lazarettschwester Marie Delius, geb. Schiele, item 14

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gesunden und kranken Soldaten, Lebensmitteln, Verbandsachen, munition,

Liebesgaben, Schwestern etc. In den Länden trifft man meist auf Offiziere,

die sich Lebensmittel besorgen, alles grüßt und wenns geht, spricht

man zusammen. Es ist beinah wie auf dem Dorf. die alten Damen in Pensionat

unterhalten sich gern mit uns, ich glaube, sie wollen uns aushorchen.

Ich habe einen Stien bei ihnen im Brett, weil ich sie um Gebetsbücher für

franz. Verwundete gebeten habe. Sie haben mir allerlei geschenkt. Gestern

bin ich viel herumgelaufen. Zuerst im Hospital Notre Dame sonst ein Jesuiten-

college, ein Riesending. Es liegt voller Schwerkranker und ist nicht

zu vergleichen mit unseren Krankenhäusern in der Heimat, aber ich glaube

doch, daß alles geschieht, was möglich ist. Ich habe mir angesehen,

wie man sich behelfen muß. Nachher ging es in eine Kaserne in unserer

Nähe, die gemütlichen Bayern, die davor Posten standenm luden uns ein.

Auch sie ist ein Jesuitenkolleg, die schöne große Kirche aber schon seit

Jahren als Magazin der Militärverwaltung benutzt. Jetzt war sie in

einem schauderhaften Zustand, der Fußboden bedeckt mit Uniformstücken,

Stiefeln, Patronenhülsen und alles voll Gestank, daß man nichts an-

rühren möchte. Das ist das religionslose Frankreich, (In unserem

Pensionat wohnt ein Abe, der uns heute früh begegnete und auf deutsch

eine wunderhübsche kleine Predigt hielt von dem geliebten Christus,

um dessentwillen wir alles tun sollten. Es tat einem ordentlich gut.

Die Bayern in der Kaserne haben heute geschlachtet, sie luden uns zur

Metzelsuppe ein, wir sind auch hingegangen, es war sehr amüsant.

Es sind Landstrumleute, die gern bald heim möchten. Heute ist der Bescheid

gekommen, daß 20 von uns ins Etappengebiet bei Lille kommen sollen,

morgen früh um 7 soll es mit Auto hingehen. Ich gehöre mit dazu, soll

eventuell einen trupp leiten, wenn wir getrennt werden. Nun wirds ernst !

Die Schwestern suchen in vielen Dingen Halt bei mir, Gott gebe, daß ich

stark genug für die Aufgabe bien. Gleich darauf wurden die letzten 10

von uns für ein Typhuslazarett in Cambrai gefordert, so sind wir

Bethanier alle untergebracht.

den 26. Lillie.   Was habe ich alles erlebt, seit ich zuletzt schrieb ? !

Zuerst eine wundervolle Autofahrt von Cambrai nach Lille, ich allein

vorn beim chauffeur auf dem Packwagen, und mit einer Geschwindigkeit, die

ich mir unter anderen Umständen verbeten hätte, aber so war es schön !

Das Wetter war Herrlich. Unterwegs sahen wir einen Flieger, der be-

schossen wurde. Deutlich sah man noch eine halbe stunde lang die

Schrapnellwölkchen am Himmel, in Duoy waren zerschossene Häuser, wie Muni-

tionskolonnen ohne Pferde hielten am Wege, und erst in Lillie !

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gesunden und kranken Soldaten, Lebensmitteln, Verbandsachen, munition,

Liebesgaben, Schwestern etc. In den Länden trifft man meist auf Offiziere,

die sich Lebensmittel besorgen, alles grüßt und wenns geht, spricht

man zusammen. Es ist beinah wie auf dem Dorf. die alten Damen in Pensionat

unterhalten sich gern mit uns, ich glaube, sie wollen uns aushorchen.

Ich habe einen Stien bei ihnen im Brett, weil ich sie um Gebetsbücher für

franz. Verwundete gebeten habe. Sie haben mir allerlei geschenkt. Gestern

bin ich viel herumgelaufen. Zuerst im Hospital Notre Dame sonst ein Jesuiten-

college, ein Riesending. Es liegt voller Schwerkranker und ist nicht

zu vergleichen mit unseren Krankenhäusern in der Heimat, aber ich glaube

doch, daß alles geschieht, was möglich ist. Ich habe mir angesehen,

wie man sich behelfen muß. Nachher ging es in eine Kaserne in unserer

Nähe, die gemütlichen Bayern, die davor Posten standenm luden uns ein.

Auch sie ist ein Jesuitenkolleg, die schöne große Kirche aber schon seit

Jahren als Magazin der Militärverwaltung benutzt. Jetzt war sie in

einem schauderhaften Zustand, der Fußboden bedeckt mit Uniformstücken,

Stiefeln, Patronenhülsen und alles voll Gestank, daß man nichts an-

rühren möchte. Das ist das religionslose Frankreich, (In unserem

Pensionat wohnt ein Abe, der uns heute früh begegnete und auf deutsch

eine wunderhübsche kleine Predigt hielt von dem geliebten Christus,

um dessentwillen wir alles tun sollten. Es tat einem ordentlich gut.

Die Bayern in der Kaserne haben heute geschlachtet, sie luden uns zur

Metzelsuppe ein, wir sind auch hingegangen, es war sehr amüsant.

Es sind Landstrumleute, die gern bald heim möchten. Heute ist der Bescheid

gekommen, daß 20 von uns ins Etappengebiet bei Lille kommen sollen,

morgen früh um 7 soll es mit Auto hingehen. Ich gehöre mit dazu, soll

eventuell einen trupp leiten, wenn wir getrennt werden. Nun wirds ernst !

Die Schwestern suchen in vielen Dingen Halt bei mir, Gott gebe, daß ich

stark genug für die Aufgabe bien. Gleich darauf wurden die letzten 10

von uns für ein Typhuslazarett in Cambrai gefordert, so sind wir

Bethanier alle untergebracht.

den 26. Lillie.   Was habe ich alles erlebt, seit ich zuletzt schrieb ? !

Zuerst eine wundervolle Autofahrt von Cambrai nach Lille, ich allein

vorn beim chauffeur auf dem Packwagen, und mit einer Geschwindigkeit, die

ich mir unter anderen Umständen verbeten hätte, aber so war es schön !

Das Wetter war Herrlich. Unterwegs sahen wir einen Flieger, der be-

schossen wurde. Deutlich sah man noch eine halbe stunde lang die

Schrapnellwölkchen am Himmel, in Duoy waren zerschossene Häuser, wie Muni-

tionskolonnen ohne Pferde hielten am Wege, und erst in Lillie !


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  • June 23, 2017 12:39:52 Ines Davila Mendez

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    gesunden und kranken Soldaten, Lebensmitteln, Verbandsachen, munition,

    Liebesgaben, Schwestern etc. In den Länden trifft man meist auf Offiziere,

    die sich Lebensmittel besorgen, alles grüßt und wenns geht, spricht

    man zusammen. Es ist beinah wie auf dem Dorf. die alten Damen in Pensionat

    unterhalten sich gern mit uns, ich glaube, sie wollen uns aushorchen.

    Ich habe einen Stien bei ihnen im Brett, weil ich sie um Gebetsbücher für

    franz. Verwundete gebeten habe. Sie haben mir allerlei geschenkt. Gestern

    bin ich viel herumgelaufen. Zuerst im Hospital Notre Dame sonst ein Jesuiten-

    college, ein Riesending. Es liegt voller Schwerkranker und ist nicht

    zu vergleichen mit unseren Krankenhäusern in der Heimat, aber ich glaube

    doch, daß alles geschieht, was möglich ist. Ich habe mir angesehen,

    wie man sich behelfen muß. Nachher ging es in eine Kaserne in unserer

    Nähe, die gemütlichen Bayern, die davor Posten standenm luden uns ein.

    Auch sie ist ein Jesuitenkolleg, die schöne große Kirche aber schon seit

    Jahren als Magazin der Militärverwaltung benutzt. Jetzt war sie in

    einem schauderhaften Zustand, der Fußboden bedeckt mit Uniformstücken,

    Stiefeln, Patronenhülsen und alles voll Gestank, daß man nichts an-

    rühren möchte. Das ist das religionslose Frankreich, (In unserem

    Pensionat wohnt ein Abe, der uns heute früh begegnete und auf deutsch

    eine wunderhübsche kleine Predigt hielt von dem geliebten Christus,

    um dessentwillen wir alles tun sollten. Es tat einem ordentlich gut.

    Die Bayern in der Kaserne haben heute geschlachtet, sie luden uns zur

    Metzelsuppe ein, wir sind auch hingegangen, es war sehr amüsant.

    Es sind Landstrumleute, die gern bald heim möchten. Heute ist der Bescheid

    gekommen, daß 20 von uns ins Etappengebiet bei Lille kommen sollen,

    morgen früh um 7 soll es mit Auto hingehen. Ich gehöre mit dazu, soll

    eventuell einen trupp leiten, wenn wir getrennt werden. Nun wirds ernst !

    Die Schwestern suchen in vielen Dingen Halt bei mir, Gott gebe, daß ich

    stark genug für die Aufgabe bien. Gleich darauf wurden die letzten 10

    von uns für ein Typhuslazarett in Cambrai gefordert, so sind wir

    Bethanier alle untergebracht.

    den 26. Lillie.   Was habe ich alles erlebt, seit ich zuletzt schrieb ? !

    Zuerst eine wundervolle Autofahrt von Cambrai nach Lille, ich allein

    vorn beim chauffeur auf dem Packwagen, und mit einer Geschwindigkeit, die

    ich mir unter anderen Umständen verbeten hätte, aber so war es schön !

    Das Wetter war Herrlich. Unterwegs sahen wir einen Flieger, der be-

    schossen wurde. Deutlich sah man noch eine halbe stunde lang die

    Schrapnellwölkchen am Himmel, in Duoy waren zerschossene Häuser, wie Muni-

    tionskolonnen ohne Pferde hielten am Wege, und erst in Lillie !


  • June 23, 2017 12:37:17 Ines Davila Mendez

    --4--

    gesunden und kranken Soldaten, Lebensmitteln, Verbandsachen, munition,

    Liebesgaben, Schwestern etc. In den Länden trifft man meist auf Offiziere,

    die sich Lebensmittel besorgen, alles grüßt und wenns geht, spricht

    man zusammen. Es ist beinah wie auf dem Dorf. die alten Damen in Pensionat

    unterhalten sich gern mit uns, ich glaube, sie wollen uns aushorchen.

    Ich habe einen Stien bei ihnen im Brett, weil ich sie um Gebetsbücher für

    franz. Verwundete gebeten habe. Sie haben mir allerlei geschenkt. Gestern

    bin ich viel herumgelaufen. Zuerst im Hospital Notre Dame sonst ein Jesuiten-

    college, ein Riesending. Es liegt voller Schwerkranker und ist nicht

    zu vergleichen mit unseren Krankenhäusern in der Heimat, aber ich glaube

    doch, daß alles geschieht, was möglich ist. Ich habe mir angesehen,

    wie man sich behelfen muß. Nachher ging es in eine Kaserne in unserer

    Nähe, die gemütlichen Bayern, die davor Posten standenm luden uns ein.

    Auch sie ist ein Jesuitenkolleg, die schöne große Kirche aber schon seit

    Jahren als Magazin der Militärverwaltung benutzt. Jetzt war sie in

    einem schauderhaften Zustand, der Fußboden bedeckt mit Uniformstücken,

    Stiefeln, Patronenhülsen und alles voll Gestank, daß man nichts an-

    rühren möchte. Das ist das religionslose Frankreich, (In unserem

    Pensionat wohnt ein Abe, der uns heute früh begegnete und auf deutsch

    eine wunderhübsche kleine Predigt hielt von dem geliebten Christus,

    um dessentwillen wir alles tun sollten. Es tat einem ordentlich gut.

    Die Bayern in der Kaserne haben heute geschlachtet, sie luden uns zur

    Metzelsuppe ein, wir sind auch hingegangen, es war sehr amüsant.

    Es sind Landstrumleute, die gern bald heim möchten. Heute ist der Bescheid

    gekommen, daß 20 von uns ins Etappengebiet bei Lille kommen sollen,

    morgen früh um 7 soll es mit Auto hingehen. Ich gehöre mit dazu, soll

    eventuell einen trupp leiten, wenn wir getrennt werden. Nun wirds ernst !

    Die Schwestern suchen in vielen Dingen Halt bei mir, Gott gebe, daß ich

    stark genug für die Aufgabe bien. Gleich darauf wurden die letzten 10

    von uns für ein Typhuslazarett in Cambrai gefordert, so sind wir

    Bethanier alle untergebracht.

    den 26. Lillie.   Was habe ich alles erlebt, seit ich zuletzt schrieb ? !

    Zuerst eine wundervolle Autofahrt von Cambrai nach Lille, ich allein

    vorn beim chauffeur auf dem Packwagen, und mit einer Geschwindigkeit, die

    ich mir unter anderen Umständen verbeten hätte, aber so war es schön !




Description

Save description
  • 48.7904472||11.4978895||

    Bayern

  • 50.173538||3.236633||

    Cambrai

  • 48.8539831||2.3484028||

    Hospital Notre Dame

  • 48.035579||1.272272||

    Duoy

  • 50.62932559999999||3.0568347999999332||

    Lille, Neu Sandec

    ||1
Location(s)
  • Story location Lille, Neu Sandec
  • Document location Bayern
  • Additional document location Cambrai
  • Additional document location Hospital Notre Dame
  • Additional document location Duoy
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ID
12644 / 148874
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Friedrich Delius
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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