"Mein Lebensbericht" von Kurt Wilhelm Keßler, item 13

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Aufstellung in Marschkolonne, wir waren gegen 60 Mann und ab ging es in die Quartiere. Aber was brummelte so in der Ferne, wie fernes Gewitter klang es? Was mochte es sein? Bald erhielten wir die Aufklärung. Die Front grollte dumpf. Nach der Verteilung in die Quartiere, saß ich etwas eingeschüchtert mit den "alten Landsern" in der Stube, die mit ihren Heldentaten während des Vormarsches 1914 prahlten. Dabei hatten sie in Wirklichkeit keine Kugel pfeifen gehört. Meine vorläufige Unterkunft war auf dem Dachboden. Im Dämmerlicht kam ich hinauf. Beim spärlichen Schein eines Streichholzes entdeckte ich eine blaue französische Infanterieuniform mit roten Hosen. Vermutlich hatte sich ein Poilu auf der Flucht ausgeschält und war mit Zivilkleidern getürmt. Ein gelindes Gruseln befiel mich doch. Von der Front dröhnte es die ganze Nacht durch.

Aber was erwartete uns - statt eines frisch-fröhlichen Krieges Drill und nochmals Drill. Wir waren ja noch nicht einsatzfähig. Nachrichtenausbildung, Leitungsbau, Blinken am großen Blinkgerät und Heliograph, daneben Parademarsch und EInzelübung, Schwenken in Reihen im Gelände, kurz der ganze Sport des lieben, alten Kommis.

Die große Sommeroffensive im Osten stand bevor. Ein großer Teil meiner Einheit, mit fast allen Kameraden, die mit mir seinerzeit gekommen waren, rückten ab nach Polen. Ich blieb unbegreiflicherweise zurück und war tief geknickt. Aber da ich der Putzer des Herrn Abteilungsspießes, der dablieb, war, dürfte hier die Lösung zu suchen sein. Eines Tages erklärte ich ihm kurzerhand, ich sei als Freiwilliger in den Krieg gezogen und hätte nicht die Absicht, ihn in der Etappe zu beenden. Seine gute Laune sank ersichtlich, er versprach mir aber einen Einsatz bei Gelegenheit.

In der Zwischenzeit probierten wir, ob die Frühkartoffeln des Herrn Generals von Einem gut geraten ware, ernteten bei Tagesanbruch im großen Offiziersgarten die Erd- und Stachelbeeren, später die großen, saftigen Birnen. Ob der Herr Abteilungskommandeur damit einverstanden war, habe ich nicht erfahren.

Das Verhältnis mit den französischen Einwohnern war durchaus nicht schlecht. Soweit die Besitzer der Wohnungen nicht geflohen waren,

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Aufstellung in Marschkolonne, wir waren gegen 60 Mann und ab ging es in die Quartiere. Aber was brummelte so in der Ferne, wie fernes Gewitter klang es? Was mochte es sein? Bald erhielten wir die Aufklärung. Die Front grollte dumpf. Nach der Verteilung in die Quartiere, saß ich etwas eingeschüchtert mit den "alten Landsern" in der Stube, die mit ihren Heldentaten während des Vormarsches 1914 prahlten. Dabei hatten sie in Wirklichkeit keine Kugel pfeifen gehört. Meine vorläufige Unterkunft war auf dem Dachboden. Im Dämmerlicht kam ich hinauf. Beim spärlichen Schein eines Streichholzes entdeckte ich eine blaue französische Infanterieuniform mit roten Hosen. Vermutlich hatte sich ein Poilu auf der Flucht ausgeschält und war mit Zivilkleidern getürmt. Ein gelindes Gruseln befiel mich doch. Von der Front dröhnte es die ganze Nacht durch.

Aber was erwartete uns - statt eines frisch-fröhlichen Krieges Drill und nochmals Drill. Wir waren ja noch nicht einsatzfähig. Nachrichtenausbildung, Leitungsbau, Blinken am großen Blinkgerät und Heliograph, daneben Parademarsch und EInzelübung, Schwenken in Reihen im Gelände, kurz der ganze Sport des lieben, alten Kommis.

Die große Sommeroffensive im Osten stand bevor. Ein großer Teil meiner Einheit, mit fast allen Kameraden, die mit mir seinerzeit gekommen waren, rückten ab nach Polen. Ich blieb unbegreiflicherweise zurück und war tief geknickt. Aber da ich der Putzer des Herrn Abteilungsspießes, der dablieb, war, dürfte hier die Lösung zu suchen sein. Eines Tages erklärte ich ihm kurzerhand, ich sei als Freiwilliger in den Krieg gezogen und hätte nicht die Absicht, ihn in der Etappe zu beenden. Seine gute Laune sank ersichtlich, er versprach mir aber einen Einsatz bei Gelegenheit.

In der Zwischenzeit probierten wir, ob die Frühkartoffeln des Herrn Generals von Einem gut geraten ware, ernteten bei Tagesanbruch im großen Offiziersgarten die Erd- und Stachelbeeren, später die großen, saftigen Birnen. Ob der Herr Abteilungskommandeur damit einverstanden war, habe ich nicht erfahren.

Das Verhältnis mit den französischen Einwohnern war durchaus nicht schlecht. Soweit die Besitzer der Wohnungen nicht geflohen waren,


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  • September 27, 2017 21:35:19 Roberta Toscano

    Aufstellung in Marschkolonne, wir waren gegen 60 Mann und ab ging es in die Quartiere. Aber was brummelte so in der Ferne, wie fernes Gewitter klang es? Was mochte es sein? Bald erhielten wir die Aufklärung. Die Front grollte dumpf. Nach der Verteilung in die Quartiere, saß ich etwas eingeschüchtert mit den "alten Landsern" in der Stube, die mit ihren Heldentaten während des Vormarsches 1914 prahlten. Dabei hatten sie in Wirklichkeit keine Kugel pfeifen gehört. Meine vorläufige Unterkunft war auf dem Dachboden. Im Dämmerlicht kam ich hinauf. Beim spärlichen Schein eines Streichholzes entdeckte ich eine blaue französische Infanterieuniform mit roten Hosen. Vermutlich hatte sich ein Poilu auf der Flucht ausgeschält und war mit Zivilkleidern getürmt. Ein gelindes Gruseln befiel mich doch. Von der Front dröhnte es die ganze Nacht durch.

    Aber was erwartete uns - statt eines frisch-fröhlichen Krieges Drill und nochmals Drill. Wir waren ja noch nicht einsatzfähig. Nachrichtenausbildung, Leitungsbau, Blinken am großen Blinkgerät und Heliograph, daneben Parademarsch und EInzelübung, Schwenken in Reihen im Gelände, kurz der ganze Sport des lieben, alten Kommis.

    Die große Sommeroffensive im Osten stand bevor. Ein großer Teil meiner Einheit, mit fast allen Kameraden, die mit mir seinerzeit gekommen waren, rückten ab nach Polen. Ich blieb unbegreiflicherweise zurück und war tief geknickt. Aber da ich der Putzer des Herrn Abteilungsspießes, der dablieb, war, dürfte hier die Lösung zu suchen sein. Eines Tages erklärte ich ihm kurzerhand, ich sei als Freiwilliger in den Krieg gezogen und hätte nicht die Absicht, ihn in der Etappe zu beenden. Seine gute Laune sank ersichtlich, er versprach mir aber einen Einsatz bei Gelegenheit.

    In der Zwischenzeit probierten wir, ob die Frühkartoffeln des Herrn Generals von Einem gut geraten ware, ernteten bei Tagesanbruch im großen Offiziersgarten die Erd- und Stachelbeeren, später die großen, saftigen Birnen. Ob der Herr Abteilungskommandeur damit einverstanden war, habe ich nicht erfahren.

    Das Verhältnis mit den französischen Einwohnern war durchaus nicht schlecht. Soweit die Besitzer der Wohnungen nicht geflohen waren,


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12545 / 171861
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Christine Sörje
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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