"Mein Lebensbericht" von Kurt Wilhelm Keßler, item 4

Edit transcription:
...
Transcription saved
Enhance your transcribing experience by using full-screen mode

Transcription

You have to be logged in to transcribe. Please login or register and click the pencil-button again

sitzungen lieferten das kostbare Kopra. in dem gewaltigen chinesischen

Reich hatte sich der deutsche Kaufmann, der deutsche Techniker,

kurz die deute Intelligenz, durchgesetzt. Die gesamte Küsten-

und Flußschiffahrt war in deutschen Händen oder zum mindesten mit

deutschem Personal in den Führungsstellen besetzt. Es war ein Zustand,

der den damaligen englichen Ministerpräsidenten 1881 zu dem Ausspruch

veranlaßte: "Gäbe es keine Deutschen auf der Welt, wäre jeder Engländer

um 100 Pfund reicher". Grund genug, um den Konkurrenten zu erschlagen.

In Frankreich wurde der Revanchegedanke, wegen des verlorenen

Krieges 1870/71 eifrig geschürt. Rußland, einst deutschfreundlich

gesinnt und mit viel deutschem Blut in den Führungsstellen, geriet

durch ungeschickte deutsche Diplomatie in das Panslawistische

Fahrwasser und wurde von Englang [sic!] und Frankreich in die Reihen unserer

Gegner gebracht. Die Einkreisung war vollendet. Ringsum nur Feinde.

1912 kam es auf dem Balkan zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen

Türken, Bulgaren, Serben und Griechen. Die Waffenschieber der Welt

verdienten am Blute der Völker Millionen. Aber das interessierte uns

wenig, "wenn hinten in der Türkei die Völker aufeinanderschlugen".


Da wurde als Folge der panslawistischen Verhetzung der österreichische

Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin bei einem Besuch

in Serajewo ermordet. Er verfolgte eine Versöhnungspolitik zwischen

Slawen und Deutschen und stand dadurch den Gegnern im Wege. Die Welt

hielt den Atem an. Es war ein Samstagabend, als ich die Schreckens-

nachricht nach Hause brachte. Vater war, wie fast alle, ein Gegner

des Krieges. Wohl schwätzten hier und da manche blöd heraus: "Es

muß einmal Krieg geben, es sind zuviele Menschen auf der Welt. Alles

ist übervölkert, der Raum reicht nicht aus". Aber es war sinnloses

Geschwätz. Die Lage wurde ernster. Auf der einen Seite der Gegner

bereit und der Augenblick für günstig gehalten, den Angriff zu beginnen,

und zum andern ein Deutschland mit einem Kaiser an der Spitze,

das auch nicht abgeneigt ar, den Ring der Umklammerung zu sprengen,

solange es noch nicht zu spät war.


So nahm das Verhängnis seinen Lauf. Wieder war es ein Samstag, als

ich die Nachricht von der bevorstehenden Mobilmachung mit nach Hause

Transcription saved

sitzungen lieferten das kostbare Kopra. in dem gewaltigen chinesischen

Reich hatte sich der deutsche Kaufmann, der deutsche Techniker,

kurz die deute Intelligenz, durchgesetzt. Die gesamte Küsten-

und Flußschiffahrt war in deutschen Händen oder zum mindesten mit

deutschem Personal in den Führungsstellen besetzt. Es war ein Zustand,

der den damaligen englichen Ministerpräsidenten 1881 zu dem Ausspruch

veranlaßte: "Gäbe es keine Deutschen auf der Welt, wäre jeder Engländer

um 100 Pfund reicher". Grund genug, um den Konkurrenten zu erschlagen.

In Frankreich wurde der Revanchegedanke, wegen des verlorenen

Krieges 1870/71 eifrig geschürt. Rußland, einst deutschfreundlich

gesinnt und mit viel deutschem Blut in den Führungsstellen, geriet

durch ungeschickte deutsche Diplomatie in das Panslawistische

Fahrwasser und wurde von Englang [sic!] und Frankreich in die Reihen unserer

Gegner gebracht. Die Einkreisung war vollendet. Ringsum nur Feinde.

1912 kam es auf dem Balkan zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen

Türken, Bulgaren, Serben und Griechen. Die Waffenschieber der Welt

verdienten am Blute der Völker Millionen. Aber das interessierte uns

wenig, "wenn hinten in der Türkei die Völker aufeinanderschlugen".


Da wurde als Folge der panslawistischen Verhetzung der österreichische

Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin bei einem Besuch

in Serajewo ermordet. Er verfolgte eine Versöhnungspolitik zwischen

Slawen und Deutschen und stand dadurch den Gegnern im Wege. Die Welt

hielt den Atem an. Es war ein Samstagabend, als ich die Schreckens-

nachricht nach Hause brachte. Vater war, wie fast alle, ein Gegner

des Krieges. Wohl schwätzten hier und da manche blöd heraus: "Es

muß einmal Krieg geben, es sind zuviele Menschen auf der Welt. Alles

ist übervölkert, der Raum reicht nicht aus". Aber es war sinnloses

Geschwätz. Die Lage wurde ernster. Auf der einen Seite der Gegner

bereit und der Augenblick für günstig gehalten, den Angriff zu beginnen,

und zum andern ein Deutschland mit einem Kaiser an der Spitze,

das auch nicht abgeneigt ar, den Ring der Umklammerung zu sprengen,

solange es noch nicht zu spät war.


So nahm das Verhängnis seinen Lauf. Wieder war es ein Samstag, als

ich die Nachricht von der bevorstehenden Mobilmachung mit nach Hause


Transcription history
  • May 24, 2018 16:58:54 Eva Anna Welles (AUT)

    sitzungen lieferten das kostbare Kopra. in dem gewaltigen chinesischen

    Reich hatte sich der deutsche Kaufmann, der deutsche Techniker,

    kurz die deute Intelligenz, durchgesetzt. Die gesamte Küsten-

    und Flußschiffahrt war in deutschen Händen oder zum mindesten mit

    deutschem Personal in den Führungsstellen besetzt. Es war ein Zustand,

    der den damaligen englichen Ministerpräsidenten 1881 zu dem Ausspruch

    veranlaßte: "Gäbe es keine Deutschen auf der Welt, wäre jeder Engländer

    um 100 Pfund reicher". Grund genug, um den Konkurrenten zu erschlagen.

    In Frankreich wurde der Revanchegedanke, wegen des verlorenen

    Krieges 1870/71 eifrig geschürt. Rußland, einst deutschfreundlich

    gesinnt und mit viel deutschem Blut in den Führungsstellen, geriet

    durch ungeschickte deutsche Diplomatie in das Panslawistische

    Fahrwasser und wurde von Englang [sic!] und Frankreich in die Reihen unserer

    Gegner gebracht. Die Einkreisung war vollendet. Ringsum nur Feinde.

    1912 kam es auf dem Balkan zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen

    Türken, Bulgaren, Serben und Griechen. Die Waffenschieber der Welt

    verdienten am Blute der Völker Millionen. Aber das interessierte uns

    wenig, "wenn hinten in der Türkei die Völker aufeinanderschlugen".


    Da wurde als Folge der panslawistischen Verhetzung der österreichische

    Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin bei einem Besuch

    in Serajewo ermordet. Er verfolgte eine Versöhnungspolitik zwischen

    Slawen und Deutschen und stand dadurch den Gegnern im Wege. Die Welt

    hielt den Atem an. Es war ein Samstagabend, als ich die Schreckens-

    nachricht nach Hause brachte. Vater war, wie fast alle, ein Gegner

    des Krieges. Wohl schwätzten hier und da manche blöd heraus: "Es

    muß einmal Krieg geben, es sind zuviele Menschen auf der Welt. Alles

    ist übervölkert, der Raum reicht nicht aus". Aber es war sinnloses

    Geschwätz. Die Lage wurde ernster. Auf der einen Seite der Gegner

    bereit und der Augenblick für günstig gehalten, den Angriff zu beginnen,

    und zum andern ein Deutschland mit einem Kaiser an der Spitze,

    das auch nicht abgeneigt ar, den Ring der Umklammerung zu sprengen,

    solange es noch nicht zu spät war.


    So nahm das Verhängnis seinen Lauf. Wieder war es ein Samstag, als

    ich die Nachricht von der bevorstehenden Mobilmachung mit nach Hause

  • September 20, 2017 14:06:23 Jonas Johannes Waack

    sitzungen lieferten das kostbare Kopra. in dem gewaltigen chinesichen Reich hatte sich der deutsche Kaufmann, der deutsche Techniker, kurz die deute Intelligenz, durchgesetzt. Die gesamte Küsten- und Flußschiffahrt war in deutschen Händen oder zum mindesten mit deutschem Personal in den Führungsstellen besetzt. Es war ein Zustand, der den damaligen englischen Ministerpräsidenten 1881 zu de, Ausspruch veranlaßte: "Gäbe es keine Deutschen auf der Welt, wäre jeder Engländer um 100 Pfund reicher". Grund genug, um den Konkurrenten zu erschlagen. In Frankreich wurde der Revanchegedanke, wegen des verlorenen Krieges 1870/71 eifrig geschürt. Rußland, einst deutschfreundlich gesinnt und mit viel deutschem Blut in den Führungsstellen, geriet durch ungeschickte deutsche Diplomatie in das Panslawistische Fahrwasser und wurde von Englang [sic!] und Frankreich in die Reihen unserer Gegner gebracht. Die Einkreisung war vollendet. Ringsum nur Feinde. 1912 kam es auf dem Balkan zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Türken, Bulgaren, Serben und Griechen. Die Waffenschieber der Welt verdienten am Blute der Völker Millionen. Aber das interessierte uns wenig, "wenn hinten in der Türkei die Völker aufeinanderschlugen".


Description

Save description
  • 44.6664036||20.9331095||

    Smederevo, Serbien

    ||1
Location(s)
  • Story location Smederevo, Serbien
Login and add location


ID
12545 / 171852
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Christine Sörje
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


Login to edit the languages
  • Deutsch

Login to edit the fronts
  • Balkans
  • Western Front

Login to add keywords
  • Trench Life

Login and add links

Notes and questions

Login to leave a note