Feldpostbriefe und Feldpostkarten von Hauptmann Eugen Hahn aus Bösingen, item 128

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10.7.17 Liebe Eltern und Geschwister! Heute Mittag fahrt ein Urlauber nach Stuttgart. Diese Gelegenheit möchte ich benützen, um Euch ein paar Zeilen zu schicken, die rascher laufen, als sonst. Gestern kam Vaters lieber Brief mit der beunruhigenden Nachricht von der schweren Erkrankung der kleinen Ruth. Ich hoffe doch sehr, dass inzwischen etwas Besserung eingetreten und ganz besonders Helle um die größten Sorgen fur das liebe Kind hinum ist Denn gerade dieser Monat wird mit dem Umzug nach Reichenau viel Arbeit bringen. Wir wollen hoffen, dass bald bessere Nachricht kommt und die kleine Ruth wieder gesund Euer aller Sonnenschein sein kann. Unsere besten Wünsche sind immer um die Gesundheit und Wiedergenesung der Kleinen. - Dann brachte ja Vaters Brief noch die Nachricht, dass er eine Pensionierung auf 1. November erbitten will. Das ist aber doch entschieden sehr spät im Jahr. Ich kenne ja die Gründe nicht, die ihn dazu bewogen haben, ich möchte aber doch noch mal sehr dafür eintreten. den Umzug und die Amtsniederlegung früher zu machen aus folgenden Gründen: Der Oktober, der also lur den Umzug in Betracht käme, kann doch schon ein recht unfreundlicher Monat sein. Und nach dem Grundsatz: „Dreimal umzöge, isch eimal abbrennt!” ist es doch praktischer, gerade bei diesem Oberlandzug „Dornhan - Oberndorf -Ulm" einen Monat zu wählen, wo Mutter nicht den ganzen Tag im zugigen Öhrn steht, während draußen es gießt wie aus Kübeln, sondern deshalb den August, spätestens den September zu wählen. Für den letzteren Monat möchte ich ganz bestimmt eintreten. Vater hat des Amtes Last nun lange genug getragen, dass er ruhig diesen kleinen Vorteil für sich in Anspruch nehmen kann, zu sicher anständiger Jahreszeit umzuziehen. Denn, ob der Vertreter am 1 .Nov. kommt, oder am 1 .September, kann so viel gar nicht ausmachen. Dazu kommt noch, dass wir Geschwister alle wünschen, dass Ihr zu einer Zeit nach Ulm kommt, wo Ihr auch von diesem Jahr. Eurer Freiheit, noch etwas habt und die Natur sich Euch lieblicher darbietet, als wenn Ihr am l.November in Ulm aufzieht und vor Donaunebel vor Mai 1918 die Spitze des Münsters überhaupt nie seht. Gerade, weil wir alle so erfreut sind, dass Ihr nach Ulm zieht, wäre es nett, wenn Ihr schon heuer etwas davon genießen könnt, was Ulm Euch Schönes bieten kann. Nun ist ja leider der böse Krieg dran schuld, dass wir mit Aufbietung all unserer Beredsamkeit Euch von der Richtigkeit vorstehender Ausführungen nicht überzeugen können, aber ich hoffe, dass die heimatlichen Schwäger nichts unversucht lassen, sei es in stundenlangen Raitspaziergängen oder in nächtlichen Debatten bis morgens 7 Uhr. wie damals, wo dann Trudel den so guten Kaffee in ihrem so netten Nachtkimono gemacht hat. - Vater noch herzlichen Dank für die Übersendung der Gemeindeblätter und ehrende Erwähnung. Ich vermisse zwar das sonst verhängte ..Wir gratulieren!" Schwarzw. Bote. Aber das kleine, allerdings 6 Monate alte Anzeigle unter der pompösen Ehrentafel ist mir mehr wert als das ganze andere Zeug zusammen, liier möchte ich auch gleich noch meinen Dank anschließen für die lieben Briefe von Maria und Trudel.

Ich bin sehr froh, dass meine liebe Schwägerin Elisabeth in Grafenberg ist. ganz besonders deshalb dass Maria nun in diesen nicht einfachen Wochen jemand Gebildetes um sich hat. der nicht bloß Haushaltung und Kinder versteht, sondern auch Maria selbst ein bissel was sein kann. Und der Trudel geht's ja so gut in Wiblingen. Das freut mich recht. Ich gönne ja meiner lieben kleinsten Schwester alles Glück von Herzen, ganz besonders, dass sie nun bald die I. Ellern in ihrer Nähe haben und sie recht verwöhnen darf. Es wäre sehr nett. wenn es mir noch in diesem Jahr vergönnt wäre, mit Hedwig zusammen Euch in Wiblingen zu besuchen und zu

sehen, wie fein Ihr es dort getroffen habt.

Nun noch ein paar Nachrichten über Hermann und mich. Es geht uns beiden gesundheitlich sehr gut Wir haben seit etwa 14 Tagen ziemlich ruhige Zeit. Das feindliche Art.feuer hat erheblich nachgelassen, sodass es keinerlei Bedenken hat. dass die Division, obwohl schon seit 16 Mai wieder vor Arras an der Scarpe in Stellung, sie noch länger eingesetzt zu lassen. Die Stimmung der Leute ist gut. Es ist alles in Ordnung, sowohl Munitionsnachschub, wie Ver-pflegung Überhaupt habe ich den Eindruck, dass über die militärische Lage alles beruhigt sein kann Die deutsche innenpolitische Lage ist die einzige, die etwas Bedenken erregt. Wir
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10.7.17 Liebe Eltern und Geschwister! Heute Mittag fahrt ein Urlauber nach Stuttgart. Diese Gelegenheit möchte ich benützen, um Euch ein paar Zeilen zu schicken, die rascher laufen, als sonst. Gestern kam Vaters lieber Brief mit der beunruhigenden Nachricht von der schweren Erkrankung der kleinen Ruth. Ich hoffe doch sehr, dass inzwischen etwas Besserung eingetreten und ganz besonders Helle um die größten Sorgen fur das liebe Kind hinum ist Denn gerade dieser Monat wird mit dem Umzug nach Reichenau viel Arbeit bringen. Wir wollen hoffen, dass bald bessere Nachricht kommt und die kleine Ruth wieder gesund Euer aller Sonnenschein sein kann. Unsere besten Wünsche sind immer um die Gesundheit und Wiedergenesung der Kleinen. - Dann brachte ja Vaters Brief noch die Nachricht, dass er eine Pensionierung auf 1. November erbitten will. Das ist aber doch entschieden sehr spät im Jahr. Ich kenne ja die Gründe nicht, die ihn dazu bewogen haben, ich möchte aber doch noch mal sehr dafür eintreten. den Umzug und die Amtsniederlegung früher zu machen aus folgenden Gründen: Der Oktober, der also lur den Umzug in Betracht käme, kann doch schon ein recht unfreundlicher Monat sein. Und nach dem Grundsatz: „Dreimal umzöge, isch eimal abbrennt!” ist es doch praktischer, gerade bei diesem Oberlandzug „Dornhan - Oberndorf -Ulm" einen Monat zu wählen, wo Mutter nicht den ganzen Tag im zugigen Öhrn steht, während draußen es gießt wie aus Kübeln, sondern deshalb den August, spätestens den September zu wählen. Für den letzteren Monat möchte ich ganz bestimmt eintreten. Vater hat des Amtes Last nun lange genug getragen, dass er ruhig diesen kleinen Vorteil für sich in Anspruch nehmen kann, zu sicher anständiger Jahreszeit umzuziehen. Denn, ob der Vertreter am 1 .Nov. kommt, oder am 1 .September, kann so viel gar nicht ausmachen. Dazu kommt noch, dass wir Geschwister alle wünschen, dass Ihr zu einer Zeit nach Ulm kommt, wo Ihr auch von diesem Jahr. Eurer Freiheit, noch etwas habt und die Natur sich Euch lieblicher darbietet, als wenn Ihr am l.November in Ulm aufzieht und vor Donaunebel vor Mai 1918 die Spitze des Münsters überhaupt nie seht. Gerade, weil wir alle so erfreut sind, dass Ihr nach Ulm zieht, wäre es nett, wenn Ihr schon heuer etwas davon genießen könnt, was Ulm Euch Schönes bieten kann. Nun ist ja leider der böse Krieg dran schuld, dass wir mit Aufbietung all unserer Beredsamkeit Euch von der Richtigkeit vorstehender Ausführungen nicht überzeugen können, aber ich hoffe, dass die heimatlichen Schwäger nichts unversucht lassen, sei es in stundenlangen Raitspaziergängen oder in nächtlichen Debatten bis morgens 7 Uhr. wie damals, wo dann Trudel den so guten Kaffee in ihrem so netten Nachtkimono gemacht hat. - Vater noch herzlichen Dank für die Übersendung der Gemeindeblätter und ehrende Erwähnung. Ich vermisse zwar das sonst verhängte ..Wir gratulieren!" Schwarzw. Bote. Aber das kleine, allerdings 6 Monate alte Anzeigle unter der pompösen Ehrentafel ist mir mehr wert als das ganze andere Zeug zusammen, liier möchte ich auch gleich noch meinen Dank anschließen für die lieben Briefe von Maria und Trudel.

Ich bin sehr froh, dass meine liebe Schwägerin Elisabeth in Grafenberg ist. ganz besonders deshalb dass Maria nun in diesen nicht einfachen Wochen jemand Gebildetes um sich hat. der nicht bloß Haushaltung und Kinder versteht, sondern auch Maria selbst ein bissel was sein kann. Und der Trudel geht's ja so gut in Wiblingen. Das freut mich recht. Ich gönne ja meiner lieben kleinsten Schwester alles Glück von Herzen, ganz besonders, dass sie nun bald die I. Ellern in ihrer Nähe haben und sie recht verwöhnen darf. Es wäre sehr nett. wenn es mir noch in diesem Jahr vergönnt wäre, mit Hedwig zusammen Euch in Wiblingen zu besuchen und zu

sehen, wie fein Ihr es dort getroffen habt.

Nun noch ein paar Nachrichten über Hermann und mich. Es geht uns beiden gesundheitlich sehr gut Wir haben seit etwa 14 Tagen ziemlich ruhige Zeit. Das feindliche Art.feuer hat erheblich nachgelassen, sodass es keinerlei Bedenken hat. dass die Division, obwohl schon seit 16 Mai wieder vor Arras an der Scarpe in Stellung, sie noch länger eingesetzt zu lassen. Die Stimmung der Leute ist gut. Es ist alles in Ordnung, sowohl Munitionsnachschub, wie Ver-pflegung Überhaupt habe ich den Eindruck, dass über die militärische Lage alles beruhigt sein kann Die deutsche innenpolitische Lage ist die einzige, die etwas Bedenken erregt. Wir
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  • November 2, 2018 06:45:31 Zafiro Marti

    10.7.17 Liebe Eltern und Geschwister! Heute Mittag fahrt ein Urlauber nach Stuttgart. Diese Gelegenheit möchte ich benützen, um Euch ein paar Zeilen zu schicken, die rascher laufen, als sonst. Gestern kam Vaters lieber Brief mit der beunruhigenden Nachricht von der schweren Erkrankung der kleinen Ruth. Ich hoffe doch sehr, dass inzwischen etwas Besserung eingetreten und ganz besonders Helle um die größten Sorgen fur das liebe Kind hinum ist Denn gerade dieser Monat wird mit dem Umzug nach Reichenau viel Arbeit bringen. Wir wollen hoffen, dass bald bessere Nachricht kommt und die kleine Ruth wieder gesund Euer aller Sonnenschein sein kann. Unsere besten Wünsche sind immer um die Gesundheit und Wiedergenesung der Kleinen. - Dann brachte ja Vaters Brief noch die Nachricht, dass er eine Pensionierung auf 1. November erbitten will. Das ist aber doch entschieden sehr spät im Jahr. Ich kenne ja die Gründe nicht, die ihn dazu bewogen haben, ich möchte aber doch noch mal sehr dafür eintreten. den Umzug und die Amtsniederlegung früher zu machen aus folgenden Gründen: Der Oktober, der also lur den Umzug in Betracht käme, kann doch schon ein recht unfreundlicher Monat sein. Und nach dem Grundsatz: „Dreimal umzöge, isch eimal abbrennt!” ist es doch praktischer, gerade bei diesem Oberlandzug „Dornhan - Oberndorf -Ulm" einen Monat zu wählen, wo Mutter nicht den ganzen Tag im zugigen Öhrn steht, während draußen es gießt wie aus Kübeln, sondern deshalb den August, spätestens den September zu wählen. Für den letzteren Monat möchte ich ganz bestimmt eintreten. Vater hat des Amtes Last nun lange genug getragen, dass er ruhig diesen kleinen Vorteil für sich in Anspruch nehmen kann, zu sicher anständiger Jahreszeit umzuziehen. Denn, ob der Vertreter am 1 .Nov. kommt, oder am 1 .September, kann so viel gar nicht ausmachen. Dazu kommt noch, dass wir Geschwister alle wünschen, dass Ihr zu einer Zeit nach Ulm kommt, wo Ihr auch von diesem Jahr. Eurer Freiheit, noch etwas habt und die Natur sich Euch lieblicher darbietet, als wenn Ihr am l.November in Ulm aufzieht und vor Donaunebel vor Mai 1918 die Spitze des Münsters überhaupt nie seht. Gerade, weil wir alle so erfreut sind, dass Ihr nach Ulm zieht, wäre es nett, wenn Ihr schon heuer etwas davon genießen könnt, was Ulm Euch Schönes bieten kann. Nun ist ja leider der böse Krieg dran schuld, dass wir mit Aufbietung all unserer Beredsamkeit Euch von der Richtigkeit vorstehender Ausführungen nicht überzeugen können, aber ich hoffe, dass die heimatlichen Schwäger nichts unversucht lassen, sei es in stundenlangen Raitspaziergängen oder in nächtlichen Debatten bis morgens 7 Uhr. wie damals, wo dann Trudel den so guten Kaffee in ihrem so netten Nachtkimono gemacht hat. - Vater noch herzlichen Dank für die Übersendung der Gemeindeblätter und ehrende Erwähnung. Ich vermisse zwar das sonst verhängte ..Wir gratulieren!" Schwarzw. Bote. Aber das kleine, allerdings 6 Monate alte Anzeigle unter der pompösen Ehrentafel ist mir mehr wert als das ganze andere Zeug zusammen, liier möchte ich auch gleich noch meinen Dank anschließen für die lieben Briefe von Maria und Trudel.

    Ich bin sehr froh, dass meine liebe Schwägerin Elisabeth in Grafenberg ist. ganz besonders deshalb dass Maria nun in diesen nicht einfachen Wochen jemand Gebildetes um sich hat. der nicht bloß Haushaltung und Kinder versteht, sondern auch Maria selbst ein bissel was sein kann. Und der Trudel geht's ja so gut in Wiblingen. Das freut mich recht. Ich gönne ja meiner lieben kleinsten Schwester alles Glück von Herzen, ganz besonders, dass sie nun bald die I. Ellern in ihrer Nähe haben und sie recht verwöhnen darf. Es wäre sehr nett. wenn es mir noch in diesem Jahr vergönnt wäre, mit Hedwig zusammen Euch in Wiblingen zu besuchen und zu

    sehen, wie fein Ihr es dort getroffen habt.

    Nun noch ein paar Nachrichten über Hermann und mich. Es geht uns beiden gesundheitlich sehr gut Wir haben seit etwa 14 Tagen ziemlich ruhige Zeit. Das feindliche Art.feuer hat erheblich nachgelassen, sodass es keinerlei Bedenken hat. dass die Division, obwohl schon seit 16 Mai wieder vor Arras an der Scarpe in Stellung, sie noch länger eingesetzt zu lassen. Die Stimmung der Leute ist gut. Es ist alles in Ordnung, sowohl Munitionsnachschub, wie Ver-pflegung Überhaupt habe ich den Eindruck, dass über die militärische Lage alles beruhigt sein kann Die deutsche innenpolitische Lage ist die einzige, die etwas Bedenken erregt. Wir
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Sibylle Schreiber
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