Chronik Franz Sprinz (Band II), item 19
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Wie die Kriegswirtschaft endete.
Das Ende des Weltkrieges vermochte keineswegs die Nahrungs-
sorgen bald zu beheben, denn im ausgehungerten Lande fehlte es an
allem und jedem und so musste die zwangsweise Aufbringung der Nahrungs
mittel und ihre Verteilung durch Karten, noch lange fortgesetzt werden und
erst mit Ende 1920 wurde aller Handel wieder frei.
Die Vorschreibungen für die Getreide und Viehablieferungen wurden vor-
erst noch strenge fortgesetzt und auf deren Erfüllung gedrungen. Erst als die
Zufuhren aus den Ver.(einigten) Staat.(en) v. N.(ord) Am.(erika) spürbarer wurden, konnten die Gemein-
den von den Kontingenten etwas abhandeln.
Für das Wirtschaftsjahr 1919-20 x Erklärung x siehe am Ende der Seite wurden am 23./9. 19 der Gemeinde: 500 kg Wei-
zen, 10500 kg Korn, 18000 kg Hafer zur Lieferung vorgeschrieben und zugleich be-
fohlen, dass am 14. 10. 19 bei allen Landwirten ausgedroschen sein muss.
Dieser Befehl ist nur von den Wenigsten
ausgebefolgt worden; denn es warnicht üblich und der vielen anderen, drängenden Arbeiten damals wie heute
nicht möglich. Kartoffeln wurden für das gleiche Jahr am 9. 11. 1919 600 Mtz. (Metzen)
vorgeschrieben.
Die vorgeschriebene Menge an Getreide und Kartoffeln wurden bei den mei-
stens nicht ganz und erst recht nicht freiwillig aufgebracht. Denn erstens
gaben die während des Krieges nur mangelhaft betreuten Äcker, bei
fehlendem Kunstdünger nur schwache Ernten und zweitens war die Spanne
zwischen amtlichen und Schleichhandelspreis zu groß. Z.Bsp. (Zum Beispiel) Im Sommer und
Herbst 1920: Amtlich Korn 180 Kr f.d.Mtz. (Kronen für die Metze), Hafer 170 K, unter der Hand für
ersteres 700 K, für Hafer 260 K.
Zur Aufbringung der Vorschreibung giengen zwei oder dreimal im Jah-
re amtliche Aufkäufer, oft waren es Tschechen, von Haus zu Haus und brach-
ten sich zum besseren Nachdruck ein paar Soldaten mit, welche bei etwa
nötigen Durchsuchungen hätten behilflich sein müssen. In Kunzendorf kam
es nicht dazu. Diese Soldaten machten sich daraus in ihrer jungen Republik
einen rechten Spass und schossen mitunter mit ihren Gewehren ins Ziel -
eine Freiheit die wir alten österr.(eichischen) Soldaten uns niemals erlaubt hätten.
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Erklärung x:
für 1920 - 21 wurde mit 10. 9. 20 vorgeschrieben: 5 Zentner? Weizen, 5 Gerste, 10 Halbfrucht (Gemeinge),
70 Roggen u 246 Hafer. Dieses wurde dann folgend umgeändert: 85 Zentner Korn und 251 Hafer.
Rechte Seite:
Den Selbstversorgern an Getreide wurden Mahlausweise ausgestellt.
Dieses dauerte ebenfalls bis Ende 1920. Die Ausstellung derselben war
mir aufgetragen.
Die Viehlieferungen hörten im Jänner 1920 auf. In diesem Monat
lieferte Ferd. Sprinz Nr 47 als letzter in der Gemeinde; er gab einen über
700 kg schweren Ochsen. Wir hatten regelmässig monatlich 800 kg Lebend-
gewicht zu liefern vorgeschrieben. Diess Kontigent wurde selten überschrit-
ten, meist war es nicht erreicht. In der Regel giengen allmonatlich 2 - 3 Stück
zur gemeinsamen Lieferungen von hier nach Rokitnitz.
Zur Streckung von Fleisch und Fett wurde amerikanischer Speck verteilt. Die
Gemeinden mussten ihre diessbezüglichen Anforderungen an die polit.(ische) Bez.(irks) Behörde
richten; diese Speckbestellungen dauerten ebenfalls bis Ende 1920.
Als Geschenk für Arme und deren Kinder kam besonders aus den V. St. v.
N.Am. viel Fleisch, auch Fische und eingedikte Milch zur Verteilung. Die Amer-
ikaner spielten nun nach dem sie im Kriege so viel verdient Wohltäter.
Brot, Mehl, Zucker u. anderes wurde bis Ende 1920 auf Karten monatlich
zugeteilt. So erhielten wir z. Bsp. im März 1920 an Zucker 353 kg, im April 46? - gemeint 460?
im Juli 352 kg; das reichte gut aus. Die Zuckermenge wohl für die ganze Gemeinde? Mit dem Zucker wurden immer auch
Kerzen ausgeteilt, gewöhnlich für alle zusammen 4 kg. Die Petroleum-
zuweisung hörte mit Jänner 1921 auf.
Auch der Kunstdünger wurde an die Gemeinden aufgeteilt, von diesen wie-
der an die einzelnen Landwirte. Mit 30. 3. 1920 erhielt die Gemeinde
2376 kg Phosphordünger (
Thomasmehl) und 325 Stickstoffdünger zuge-
teilt. Im Herbst dieses Jahres dann 6000 kg Thomasmehl u 200 kg Stikstoff-
dünger. 1921 war auch dieses alles frei.
Von Oktober 1918 bis Anfang 1921 dauerte es, bis sich das ausgezehrte Land
wieder einigermassen gefüllt hatte und man wieder frei kaufen und ver-
kaufen konnte. In dieser Zeit konnte vieles noch am leichtesten im Tausch=
oder Schleichhandel erworben werden wie: Eisenwaren, Theer, Petroleum.
Leder, Kleidung udgl. So musste ich der Fma. Firma Reinhold in Reichenau für ein
drehbares Vorgelege 1920, 1300 K und für eine Sämaschinenausbesserung gar
3200 K zahlen; als ich mich dieser ungerechten Forderung wegen empörte
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Wie die Kriegswirtschaft endete.
Das Ende des Weltkrieges vermochte keineswegs die Nahrungs-
sorgen bald zu beheben, denn im ausgehungerten Lande fehlte es an
allem und jedem und so musste die zwangsweise Aufbringung der Nahrungs
mittel und ihre Verteilung durch Karten, noch lange fortgesetzt werden und
erst mit Ende 1920 wurde aller Handel wieder frei.
Die Vorschreibungen für die Getreide und Viehablieferungen wurden vor-
erst noch strenge fortgesetzt und auf deren Erfüllung gedrungen. Erst als die
Zufuhren aus den Ver.(einigten) Staat.(en) v. N.(ord) Am.(erika) spürbarer wurden, konnten die Gemein-
den von den Kontingenten etwas abhandeln.
Für das Wirtschaftsjahr 1919-20 x Erklärung x siehe am Ende der Seite wurden am 23./9. 19 der Gemeinde: 500 kg Wei-
zen, 10500 kg Korn, 18000 kg Hafer zur Lieferung vorgeschrieben und zugleich be-
fohlen, dass am 14. 10. 19 bei allen Landwirten ausgedroschen sein muss.
Dieser Befehl ist nur von den Wenigsten
ausgebefolgt worden; denn es warnicht üblich und der vielen anderen, drängenden Arbeiten damals wie heute
nicht möglich. Kartoffeln wurden für das gleiche Jahr am 9. 11. 1919 600 Mtz. (Metzen)
vorgeschrieben.
Die vorgeschriebene Menge an Getreide und Kartoffeln wurden bei den mei-
stens nicht ganz und erst recht nicht freiwillig aufgebracht. Denn erstens
gaben die während des Krieges nur mangelhaft betreuten Äcker, bei
fehlendem Kunstdünger nur schwache Ernten und zweitens war die Spanne
zwischen amtlichen und Schleichhandelspreis zu groß. Z.Bsp. (Zum Beispiel) Im Sommer und
Herbst 1920: Amtlich Korn 180 Kr f.d.Mtz. (Kronen für die Metze), Hafer 170 K, unter der Hand für
ersteres 700 K, für Hafer 260 K.
Zur Aufbringung der Vorschreibung giengen zwei oder dreimal im Jah-
re amtliche Aufkäufer, oft waren es Tschechen, von Haus zu Haus und brach-
ten sich zum besseren Nachdruck ein paar Soldaten mit, welche bei etwa
nötigen Durchsuchungen hätten behilflich sein müssen. In Kunzendorf kam
es nicht dazu. Diese Soldaten machten sich daraus in ihrer jungen Republik
einen rechten Spass und schossen mitunter mit ihren Gewehren ins Ziel -
eine Freiheit die wir alten österr.(eichischen) Soldaten uns niemals erlaubt hätten.
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Erklärung x:
für 1920 - 21 wurde mit 10. 9. 20 vorgeschrieben: 5 Zentner? Weizen, 5 Gerste, 10 Halbfrucht (Gemeinge),
70 Roggen u 246 Hafer. Dieses wurde dann folgend umgeändert: 85 Zentner Korn und 251 Hafer.
Rechte Seite:
Den Selbstversorgern an Getreide wurden Mahlausweise ausgestellt.
Dieses dauerte ebenfalls bis Ende 1920. Die Ausstellung derselben war
mir aufgetragen.
Die Viehlieferungen hörten im Jänner 1920 auf. In diesem Monat
lieferte Ferd. Sprinz Nr 47 als letzter in der Gemeinde; er gab einen über
700 kg schweren Ochsen. Wir hatten regelmässig monatlich 800 kg Lebend-
gewicht zu liefern vorgeschrieben. Diess Kontigent wurde selten überschrit-
ten, meist war es nicht erreicht. In der Regel giengen allmonatlich 2 - 3 Stück
zur gemeinsamen Lieferungen von hier nach Rokitnitz.
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Wie die Kriegswirtschaft endete.
Das Ende des Weltkrieges vermochte keineswegs die Nahrungs-
sorgen bald zu beheben, denn im ausgehungerten Lande fehlte es an
allem und jedem und so musste die zwangsweise Aufbringung der Nahrungs
mittel und ihre Verteilung durch Karten, noch lange fortgesetzt werden und
erst mit Ende 1920 wurde aller Handel wieder frei.
Die Vorschreibungen für die Getreide und Viehablieferungen wurden vor-
erst noch strenge fortgesetzt und auf deren Erfüllung gedrungen. Erst als die
Zufuhren aus den Ver.(einigten) Staat.(en) v. N.(ord) Am.(erika) spürbarer wurden, konnten die Gemein-
den von den Kontingenten etwas abhandeln.
Für das Wirtschaftsjahr 1919-20 x Erklärung x siehe am Ende der Seite wurden am 23./9. 19 der Gemeinde: 500 kg Wei-
zen, 10500 kg Korn, 18000 kg Hafer zur Lieferung vorgeschrieben und zugleich be-
fohlen, dass am 14. 10. 19 bei allen Landwirten ausgedroschen sein muss.
Dieser Befehl ist nur von den Wenigsten
ausgebefolgt worden; denn es warnicht üblich und der vielen anderen, drängenden Arbeiten damals wie heute
nicht möglich. Kartoffeln wurden für das gleiche Jahr am 9. 11. 1919 600 Mtz. (Metzen)
vorgeschrieben.
Die vorgeschriebene Menge an Getreide und Kartoffeln wurden bei den mei-
stens nicht ganz und erst recht nicht freiwillig aufgebracht. Denn erstens
gaben die während des Krieges nur mangelhaft betreuten Äcker, bei
fehlendem Kunstdünger nur schwache Ernten und zweitens war die Spanne
zwischen amtlichen und Schleichhandelspreis zu groß. Z.Bsp. (Zum Beispiel) Im Sommer und
Herbst 1920: Amtlich Korn 180 Kr f.d.Mtz. (Kronen für die Metze), Hafer 170 K, unter der Hand für
ersteres 700 K, für Hafer 260 K.
Zur Aufbringung der Vorschreibung giengen zwei oder dreimal im Jah-
re amtliche Aufkäufer, oft waren es Tschechen, von Haus zu Haus und brach-
ten sich zum besseren Nachdruck ein paar Soldaten mit, welche bei etwa
nötigen Durchsuchungen hätten behilflich sein müssen. In Kunzendorf kam
es nicht dazu. Diese Soldaten machten sich daraus in ihrer jungen Republik
einen rechten Spass und schossen mitunter mit ihren Gewehren ins Ziel -
eine Freiheit die wir alten österr.(eichischen) Soldaten uns niemals erlaubt hätten.
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für 1920 - 21 wurde mit 10. 9. 20 vorgeschrieben: 5 Zentner? Weizen, 5 Gerste, 10 Halbfrucht (Gemeinge),
70 Roggen u 246 Hafer. Dieses wurde dann folgend umgeändert: 85 Zentner Korn und 251 Hafer.
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Wie die Kriegswirtschaft endete.
Das Ende des Weltkrieges vermochte keineswegs die Nahrungs-
sorgen bald zu beheben, denn im ausgehungerten Lande fehlte es an
allem und jedem und so musste die zwangsweise Aufbringung der Nahrungs
mittel und ihre Verteilung durch Karten, noch lange fortgesetzt werden und
erst mit Ende 1920 wurde aller Handel wieder frei.
Die Vorschreibungen für die Getreide und Viehablieferungen wurden vor-
erst noch strenge fortgesetzt und auf deren Erfüllung gedrungen. Erst als die
Zufuhren aus den Ver.(einigten) Staat.(en) v. N.(ord) Am.(erika) spürbarer wurden, konnten die Gemein-
den von den Kontingenten etwas abhandeln.
Für das Wirtschaftsjahr 1919-20 x Erklärung x siehe am Ende der Seite wurden am 23./9. 19 der Gemeinde: 500 kg Wei-
zen, 10500 kg Korn, 18000 kg Hafer zur Lieferung vorgeschrieben und zugleich be-
fohlen, dass am 14. 10. 19 bei allen Landwirten ausgedroschen sein muss.
Dieser Befehl ist nur von den Wenigsten
ausgebefolgt worden; denn es warnicht üblich und der vielen anderen, drängenden Arbeiten damals wie heute
nicht möglich. Kartoffeln wurden für das gleiche Jahr am 9. 11. 1919 600 Mtz. (Metzen)
vorgeschrieben.
Die vorgeschriebene Menge an Getreide und Kartoffeln wurden bei den mei-
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Description
Save description- 50.2203664||16.385328399999935||||1
Kunzendorf (Adlergebirge, Böhmen), jetzt tschechisch: Kuncina Ves
Location(s)
Story location Kunzendorf (Adlergebirge, Böhmen), jetzt tschechisch: Kuncina Ves
- ID
- 2575 / 32707
- Contributor
- Dr. Helmut Sprinz
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