Chronik Franz Sprinz (Band II), item 12

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24.10.1939

größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in 

den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

übergriff.


Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

Hand.  Die Behörden wurden nach und nach machtloser; die Beam-

ten und Gendarmen wurden auch "hungrig" und nahmen, mit wohl

wenig Ausnahmen, auf dem Umweg über die eigene Frau, sehr gerne

die Geschenke an Eiern, Fleisch und Butter entgegen. Gar viele Para-

graphenhäckchen mögen damit aufgebogen worden sein. Es war

eine schlimme Zeit zu Ende des Krieges und die hohen Strafen, die

auf den Kundmachungen drohten, schrekten nur auch wenige.


Wohl ein paar hundert Doppelzentner sind in diesen Kriegs-

jahren an Kartoffeln von den Frauen und Mädchen aus Rieb-

nitz und dem oberen Erlitztal von Kunzendorf weggetragen

worden. Zuerst gruben sich die Weiber die Erdäpfel selbst aus,

dann bekamen sie in der Regel noch etwas zu essen und


 Rechte Seite: 

machten sich dann mit Bürden bis fast 3/4  ..Zentner?.  auf den Weg. Auch

Getreide wurde unter der Hand den Ärmeren gelassen; viele Bauern

gaben es hier nicht höher als zum gesetzlichen Preise ab. Das so erworbe-

ne musste dann wieder zu geheimer Stunde in die Mühle und unter

der Hand gemahlen werden. Dort wurde es vorerst versteckt, dass es nicht

etwa einer unerwarteten Komission in die Hände fiel, dann gelegent-

lich gemahlen, nachdem der Müller erst reichlich die Metze genommen.

 Metze = altes Hohl- oder Getreidemaß, dh, der Müller nahm sich einen Teil des Getreides als "Lohn"  

Auch die Bauern mussten viel auf diese Art mahlen lassen, weil sie

mit der auf die Ausweise ausgestellten Mengen nicht ausreichen

konnten. Denn wie viele kamen ausser den eigenen Leuten noch auf

den Hof, die Brot haben wollten und die doch nicht glattweg abgewiesen

werden konnten. Darum hatten die Müller, damals viel Geld.


Die ärmeren Familien der Eingerückten erhielten hohe Unterhalts-

beiträge, diese wanderten aber zum grössten Teil ins Tschechische hie-

nein, von wo man sich Weizenmehl, das es bald hier nicht gab, um

fabelhafte Preise holte. Die Tschechen, die nur sehr wenig Getreide und

Vieh lieferten wurden auch reich;  man sah es an den schönen Gebäu-

den welche in ihren Dörfern nach dem Kriege entstanden.


Leder, Kleiderstoff, besonders aber Eisen und Schmiedekohle war

mit Hilfe von Butter noch am ehesten zu haben.


Manche von denen, welche einst von hier in die Städte gezogen

waren, kamen nun zurück und hausierten mit verschiedenem Tand,

 = hübsche, aber wertlose Dinge, auch Trödel 

oder auch Gebrauchsgegenständen auf Tausch gegen Lebensmittel

die Dörfer ab.


Das Pasch  eigentlich ein Würfelspiel, hier wird eher der glückhafte Handel gemeint sein  ging lebhaft und brachte viel Gewinn. Nach Deutsch-

land giengen viele Pferde; man nannte es damals "über den Jordan

(Elitz) gehn".  Gemeint: der Fluß Erlitz  Besonders stark aber gieng das Rum paschen, der

musste drüben sehr rar sein.


Da die Rinder und Schweinepreise unter der Hand sehr gestiegen

waren, giengen denn sehr viele Tiere von hier statt zur Liefer-

ung  in nächtlicher Stunde ins Land hinein. Weil dieser Zustand,

ein hohes Lieferkontingent und wenig Vieh im Stall, auf diese Art



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24.10.1939

größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in 

den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

übergriff.


Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

Hand.  Die Behörden wurden nach und nach machtloser; die Beam-

ten und Gendarmen wurden auch "hungrig" und nahmen, mit wohl

wenig Ausnahmen, auf dem Umweg über die eigene Frau, sehr gerne

die Geschenke an Eiern, Fleisch und Butter entgegen. Gar viele Para-

graphenhäckchen mögen damit aufgebogen worden sein. Es war

eine schlimme Zeit zu Ende des Krieges und die hohen Strafen, die

auf den Kundmachungen drohten, schrekten nur auch wenige.


Wohl ein paar hundert Doppelzentner sind in diesen Kriegs-

jahren an Kartoffeln von den Frauen und Mädchen aus Rieb-

nitz und dem oberen Erlitztal von Kunzendorf weggetragen

worden. Zuerst gruben sich die Weiber die Erdäpfel selbst aus,

dann bekamen sie in der Regel noch etwas zu essen und


 Rechte Seite: 

machten sich dann mit Bürden bis fast 3/4  ..Zentner?.  auf den Weg. Auch

Getreide wurde unter der Hand den Ärmeren gelassen; viele Bauern

gaben es hier nicht höher als zum gesetzlichen Preise ab. Das so erworbe-

ne musste dann wieder zu geheimer Stunde in die Mühle und unter

der Hand gemahlen werden. Dort wurde es vorerst versteckt, dass es nicht

etwa einer unerwarteten Komission in die Hände fiel, dann gelegent-

lich gemahlen, nachdem der Müller erst reichlich die Metze genommen.

 Metze = altes Hohl- oder Getreidemaß, dh, der Müller nahm sich einen Teil des Getreides als "Lohn"  

Auch die Bauern mussten viel auf diese Art mahlen lassen, weil sie

mit der auf die Ausweise ausgestellten Mengen nicht ausreichen

konnten. Denn wie viele kamen ausser den eigenen Leuten noch auf

den Hof, die Brot haben wollten und die doch nicht glattweg abgewiesen

werden konnten. Darum hatten die Müller, damals viel Geld.


Die ärmeren Familien der Eingerückten erhielten hohe Unterhalts-

beiträge, diese wanderten aber zum grössten Teil ins Tschechische hie-

nein, von wo man sich Weizenmehl, das es bald hier nicht gab, um

fabelhafte Preise holte. Die Tschechen, die nur sehr wenig Getreide und

Vieh lieferten wurden auch reich;  man sah es an den schönen Gebäu-

den welche in ihren Dörfern nach dem Kriege entstanden.


Leder, Kleiderstoff, besonders aber Eisen und Schmiedekohle war

mit Hilfe von Butter noch am ehesten zu haben.


Manche von denen, welche einst von hier in die Städte gezogen

waren, kamen nun zurück und hausierten mit verschiedenem Tand,

 = hübsche, aber wertlose Dinge, auch Trödel 

oder auch Gebrauchsgegenständen auf Tausch gegen Lebensmittel

die Dörfer ab.


Das Pasch  eigentlich ein Würfelspiel, hier wird eher der glückhafte Handel gemeint sein  ging lebhaft und brachte viel Gewinn. Nach Deutsch-

land giengen viele Pferde; man nannte es damals "über den Jordan

(Elitz) gehn".  Gemeint: der Fluß Erlitz  Besonders stark aber gieng das Rum paschen, der

musste drüben sehr rar sein.


Da die Rinder und Schweinepreise unter der Hand sehr gestiegen

waren, giengen denn sehr viele Tiere von hier statt zur Liefer-

ung  in nächtlicher Stunde ins Land hinein. Weil dieser Zustand,

ein hohes Lieferkontingent und wenig Vieh im Stall, auf diese Art




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  • September 18, 2017 11:41:47 Eva Anna Welles (AUT)

     Linke Seite: 


    24.10.1939

    größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

    zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

    Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

    telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

    Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

    dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

    müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

    perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


    Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in 

    den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

    übergriff.


    Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

    reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

    kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

    würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

    veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

    Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

    Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

    der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

    der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

    Hand.  Die Behörden wurden nach und nach machtloser; die Beam-

    ten und Gendarmen wurden auch "hungrig" und nahmen, mit wohl

    wenig Ausnahmen, auf dem Umweg über die eigene Frau, sehr gerne

    die Geschenke an Eiern, Fleisch und Butter entgegen. Gar viele Para-

    graphenhäckchen mögen damit aufgebogen worden sein. Es war

    eine schlimme Zeit zu Ende des Krieges und die hohen Strafen, die

    auf den Kundmachungen drohten, schrekten nur auch wenige.


    Wohl ein paar hundert Doppelzentner sind in diesen Kriegs-

    jahren an Kartoffeln von den Frauen und Mädchen aus Rieb-

    nitz und dem oberen Erlitztal von Kunzendorf weggetragen

    worden. Zuerst gruben sich die Weiber die Erdäpfel selbst aus,

    dann bekamen sie in der Regel noch etwas zu essen und


     Rechte Seite: 

    machten sich dann mit Bürden bis fast 3/4  ..Zentner?.  auf den Weg. Auch

    Getreide wurde unter der Hand den Ärmeren gelassen; viele Bauern

    gaben es hier nicht höher als zum gesetzlichen Preise ab. Das so erworbe-

    ne musste dann wieder zu geheimer Stunde in die Mühle und unter

    der Hand gemahlen werden. Dort wurde es vorerst versteckt, dass es nicht

    etwa einer unerwarteten Komission in die Hände fiel, dann gelegent-

    lich gemahlen, nachdem der Müller erst reichlich die Metze genommen.

     Metze = altes Hohl- oder Getreidemaß, dh, der Müller nahm sich einen Teil des Getreides als "Lohn"  

    Auch die Bauern mussten viel auf diese Art mahlen lassen, weil sie

    mit der auf die Ausweise ausgestellten Mengen nicht ausreichen

    konnten. Denn wie viele kamen ausser den eigenen Leuten noch auf

    den Hof, die Brot haben wollten und die doch nicht glattweg abgewiesen

    werden konnten. Darum hatten die Müller, damals viel Geld.


    Die ärmeren Familien der Eingerückten erhielten hohe Unterhalts-

    beiträge, diese wanderten aber zum grössten Teil ins Tschechische hie-

    nein, von wo man sich Weizenmehl, das es bald hier nicht gab, um

    fabelhafte Preise holte. Die Tschechen, die nur sehr wenig Getreide und

    Vieh lieferten wurden auch reich;  man sah es an den schönen Gebäu-

    den welche in ihren Dörfern nach dem Kriege entstanden.


    Leder, Kleiderstoff, besonders aber Eisen und Schmiedekohle war

    mit Hilfe von Butter noch am ehesten zu haben.


    Manche von denen, welche einst von hier in die Städte gezogen

    waren, kamen nun zurück und hausierten mit verschiedenem Tand,

     = hübsche, aber wertlose Dinge, auch Trödel 

    oder auch Gebrauchsgegenständen auf Tausch gegen Lebensmittel

    die Dörfer ab.


    Das Pasch  eigentlich ein Würfelspiel, hier wird eher der glückhafte Handel gemeint sein  ging lebhaft und brachte viel Gewinn. Nach Deutsch-

    land giengen viele Pferde; man nannte es damals "über den Jordan

    (Elitz) gehn".  Gemeint: der Fluß Erlitz  Besonders stark aber gieng das Rum paschen, der

    musste drüben sehr rar sein.


    Da die Rinder und Schweinepreise unter der Hand sehr gestiegen

    waren, giengen denn sehr viele Tiere von hier statt zur Liefer-

    ung  in nächtlicher Stunde ins Land hinein. Weil dieser Zustand,

    ein hohes Lieferkontingent und wenig Vieh im Stall, auf diese Art



  • September 18, 2017 11:40:28 Eva Anna Welles (AUT)

     Linke Seite: 

    größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

    zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

    Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

    telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

    Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

    dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

    müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

    perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


    Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in 

    den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

    übergriff.


    Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

    reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

    kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

    würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

    veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

    Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

    Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

    der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

    der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

    Hand.  Die Behörden wurden nach und nach machtloser; die Beam-

    ten und Gendarmen wurden auch "hungrig" und nahmen, mit wohl

    wenig Ausnahmen, auf dem Umweg über die eigene Frau, sehr gerne

    die Geschenke an Eiern, Fleisch und Butter entgegen. Gar viele Para-

    graphenhäckchen mögen damit aufgebogen worden sein. Es war

    eine schlimme Zeit zu Ende des Krieges und die hohen Strafen, die

    auf den Kundmachungen drohten, schrekten nur auch wenige.


    Wohl ein paar hundert Doppelzentner sind in diesen Kriegs-

    jahren an Kartoffeln von den Frauen und Mädchen aus Rieb-

    nitz und dem oberen Erlitztal von Kunzendorf weggetragen

    worden. Zuerst gruben sich die Weiber die Erdäpfel selbst aus,

    dann bekamen sie in der Regel noch etwas zu essen und


     Rechte Seite: 

    machten sich dann mit Bürden bis fast 3/4  ..Zentner?.  auf den Weg. Auch

    Getreide wurde unter der Hand den Ärmeren gelassen; viele Bauern

    gaben es hier nicht höher als zum gesetzlichen Preise ab. Das so erworbe-

    ne musste dann wieder zu geheimer Stunde in die Mühle und unter

    der Hand gemahlen werden. Dort wurde es vorerst versteckt, dass es nicht

    etwa einer unerwarteten Komission in die Hände fiel, dann gelegent-

    lich gemahlen, nachdem der Müller erst reichlich die Metze genommen.

     Metze = altes Hohl- oder Getreidemaß, dh, der Müller nahm sich einen Teil des Getreides als "Lohn"  

    Auch die Bauern mussten viel auf diese Art mahlen lassen, weil sie

    mit der auf die Ausweise ausgestellten Mengen nicht ausreichen

    konnten. Denn wie viele kamen ausser den eigenen Leuten noch auf

    den Hof, die Brot haben wollten und die doch nicht glattweg abgewiesen

    werden konnten. Darum hatten die Müller, damals viel Geld.


    Die ärmeren Familien der Eingerückten erhielten hohe Unterhalts-

    beiträge, diese wanderten aber zum grössten Teil ins Tschechische hie-

    nein, von wo man sich Weizenmehl, das es bald hier nicht gab, um

    fabelhafte Preise holte. Die Tschechen, die nur sehr wenig Getreide und

    Vieh lieferten wurden auch reich;  man sah es an den schönen Gebäu-

    den welche in ihren Dörfern nach dem Kriege entstanden.


    Leder, Kleiderstoff, besonders aber Eisen und Schmiedekohle war

    mit Hilfe von Butter noch am ehesten zu haben.


    Manche von denen, welche einst von hier in die Städte gezogen

    waren, kamen nun zurück und hausierten mit verschiedenem Tand,

     = hübsche, aber wertlose Dinge, auch Trödel 

    oder auch Gebrauchsgegenständen auf Tausch gegen Lebensmittel

    die Dörfer ab.


    Das Pasch  eigentlich ein Würfelspiel, hier wird eher der glückhafte Handel gemeint sein  ging lebhaft und brachte viel Gewinn. Nach Deutsch-

    land giengen viele Pferde; man nannte es damals "über den Jordan

    (Elitz) gehn".  Gemeint: der Fluß Erlitz  Besonders stark aber gieng das Rum paschen, der

    musste drüben sehr rar sein.


    Da die Rinder und Schweinepreise unter der Hand sehr gestiegen

    waren, giengen denn sehr viele Tiere von hier statt zur Liefer-

    ung  in nächtlicher Stunde ins Land hinein. Weil dieser Zustand,

    ein hohes Lieferkontingent und wenig Vieh im Stall, auf diese Art




  • September 18, 2017 11:35:38 Eva Anna Welles (AUT)

     Linke Seite: 

    größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

    zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

    Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

    telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

    Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

    dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

    müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

    perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


    Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in 

    den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

    übergriff.


    Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

    reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

    kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

    würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

    veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

    Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

    Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

    der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

    der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

    Hand.  Die Behörden wurden nach und nach machtloser; die Beam-

    ten und Gendarmen wurden auch "hungrig" und nahmen, mit wohl

    wenig Ausnahmen, auf dem Umweg über die eigene Frau, sehr gerne

    die Geschenke an Eiern, Fleisch und Butter entgegen. Gar viele Para-

    graphenhäckchen mögen damit aufgebogen worden sein. Es war

    eine schlimme Zeit zu Ende des Krieges und die hohen Strafen, die

    auf den Kundmachungen drohten, schrekten nur auch wenige.


    Wohl ein paar hundert Doppelzentner sind in diesen Kriegs-

    jahren an Kartoffeln von den Frauen und Mädchen aus Rieb-

    nitz und dem oberen Erlitztal von Kunzendorf weggetragen

    worden. Zuerst gruben sich die Weiber die Erdäpfel selbst aus,

    dann bekamen sie in der Regel noch etwas zu essen und


     Rechte Seite: 

    machten sich dann mit Bürden bis fast 3/4  ..Zentner?.  auf den Weg. Auch

    Getreide wurde unter der Hand den Ärmeren gelassen; viele Bauern

    gaben es hier nicht höher als zum gesetzlichen Preise ab. Das so erworbe-

    ne musste dann wieder zu geheimer Stunde in die Mühle und unter

    der Hand gemahlen werden. Dort wurde es vorerst versteckt, dass es nicht

    etwa einer unerwarteten Komission in die Hände fiel, dann gelegent-

    lich gemahlen, nachdem der Müller erst reichlich die Metze genommen.

     Metze = altes Hohl- oder Getreidemaß, dh, der Müller nahm sich einen Teil des Getreides als "Lohn"  

    Auch die Bauern mussten viel auf diese Art mahlen lassen, weil sie

    mit der auf die Ausweise ausgestellten Mengen nicht ausreichen

    konnten. Denn wie viele kamen ausser den eigenen Leuten noch auf

    den Hof, die Brot haben wollten und die doch nicht glattweg abgewiesen

    werden konnten. Darum hatten die Müller, damals viel Geld.


    Die ärmeren Familien der Eingerückten erhielten hohe Unterhalts-

    beiträge, diese wanderten aber zum grössten Teil ins Tschechische hie-

    nein, von wo man sich Weizenmehl, das es bald hier nicht gab, um

    fabelhafte Preise holte. Die Tschechen, die nur sehr wenig Getreide und

    Vieh lieferten wurden auch reich;  man sah es an den schönen Gebäu-

    den welche in ihren Dörfern nach dem Kriege entstanden.


    Leder, Kleiderstoff, besonders aber Eisen und Schmiedekohle war

    mit Hilfe von Butter noch am ehesten zu haben.


    Manche von denen, welche einst von hier in die Städte gezogen

    waren, kamen nun zurück und hausierten mit verschiedenem Tand,

     = hübsche, aber wertlose Dinge, auch Trödel 

    oder auch Gebrauchsgegenständen auf Tausch gegen Lebensmittel

    die Dörfer ab.


    Das Pasch  eigentlich ein Würfelspiel, hier wird eher der glückhafte Handel gemeint sein  ging lebhaft und brachte viel Gewinn. Nach Deutsch-

    land giengen viele Pferde; man nannte es damals "über den Jordan

    (Elitz) gehn". Besonders stark aber gieng das Rum paschen, der

    musste drüben sehr rar sein.


    Da die Rinder und Schweinepreise unter der Hand sehr gestiegen

    waren, giengen denn sehr viele Tiere von hier statt zur Liefer-

    ung  in nächtlicher Stunde ins Land hinein. Weil dieser Zustand,

    ein hohes Lieferkontingent und wenig Vieh im Stall, auf diese Art




  • September 18, 2017 11:21:43 Eva Anna Welles (AUT)

     Linke Seite: 

    größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

    zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

    Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

    telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

    Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

    dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

    müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

    perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


    Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in

    den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

    übergriff.


    Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

    reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

    kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

    würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

    veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

    Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

    Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

    der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

    der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

    Hand.  Die Behörden wurden nach und nach machtloser; die Beam-

    ten und Gendarmen wurden auch "hungrig" und nahmen, mit wohl

    wenig Ausnahmen, auf dem Umweg über die eigene Frau, sehr gerne

    die Geschenke an Eiern, Fleisch und Butter entgegen. Gar viele Para-

    graphenhäckchen mögen damit aufgebogen worden sein. Es war

    eine schlimme Zeit zu Ende des Krieges und die hohen Strafen, die

    auf den Kundmachungen drohten, schrekten nur auch wenige.


    Wohl ein paar hundert Doppelzentner sind in diesen Kriegs-

    jahren an Kartoffeln von den Frauen und Mädchen aus Rieb-

    nitz und dem oberen Erlitztal von Kunzendorf weggetragen

    worden. Zuerst gruben sich die Weiber die Erdäpfel selbst aus,

    dann bekamen sie in der Regel noch etwas zu essen und


     Rechte Seite: 

    machten sich dann mit Bürden bis fast 3/4  ..Zentner?.  auf den Weg. Auch

    Getreide wurde unter der Hand den Ärmeren gelassen; viele Bauern

    gaben es hier nicht höher als zum gesetzlichen Preise ab. Das so erworbe-

    ne musste dann wieder zu geheimer Stunde in die Mühle und unter

    der Hand gemahlen werden. Dort wurde es vorerst versteckt, dass es nicht

    etwa einer unerwarteten Komission in die Hände fiel, dann gelegent-

    lich gemahlen, nachdem der Müller erst reichlich die Metze genommen.

    Auch die Bauern mussten viel auf diese Art mahlen lassen, weil sie

    mit der auf die Ausweise ausgestellten Mengen nicht ausreichen

    konnten. Denn wie viele kamen ausser den eigenen Leuten noch auf

    den Hof, die Brot haben wollten und die doch nicht glattweg abgewiesen

    werden konnten. Darum hatten die Müller, damals viel Geld.


    Die ärmeren Familien der Eingerückten erhielten hohe Unterhalts-

    beiträge, diese wanderten aber zum grössten Teil ins Tschechische hie-

    nein, von wo man sich Weizenmehl, das es bald hier nicht gab, um

    fabelhafte Preise holte. Die Tschechen, die nur sehr wenig Getreide und

    Vieh lieferten wurden auch reich;  man sah es an den schönen Gebäu-

    den welche in ihren Dörfern nach dem Kriege entstanden.


    Leder, Kleiderstoff, besonders aber Eisen und Schmiedekohle war

    mit Hilfe von Butter noch am ehesten zu haben.


    Manche von denen, welche einst von hier in die Städte gezogen

    waren, kamen nun zurück und hausierten mit verschiedenem Tand,

    oder auch Gebrauchsgegenständen auf Tausch gegen Lebensmittel

    die Dörfer ab.


    Das Pasch ging lebhaft und brachte viel Gewinn. Nach Deutsch-

    land giengen viele Pferde; man nannte es damals "über den Jordan

    (Elitz) gehn". Besonders stark aber gieng das Rum paschen, der

    musste drüben sehr rar sein.


    Da die Rinder und Schweinepreise unter der Hand sehr gestiegen

    waren, giengen denn sehr viele Tiere von hier statt zur Liefer-

    ung  in nächtlicher Stunde ins Land hinein. Weil dieser Zustand,

    ein hohes Lieferkontingent und wenig Vieh im Stall, auf diese Art




  • September 18, 2017 11:08:57 Eva Anna Welles (AUT)

     Linke Seite: 

    größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

    zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

    Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

    telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

    Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

    dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

    müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

    perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


    Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in

    den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

    übergriff.


    Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

    reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

    kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

    würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

    veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

    Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

    Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

    der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

    der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

    Hand.  Die Behörden wurden nach und nach machtloser; die Beam-

    ten und Gendarmen wurden auch "hungrig" und nahmen, mit wohl

    wenig Ausnahmen, auf dem Umweg über die eigene Frau, sehr gerne

    die Geschenke an Eiern, Fleisch und Butter entgegen. Gar viele Para-

    graphenhäckchen mögen damit aufgebogen worden sein. Es war

    eine schlimme Zeit zu Ende des Krieges und die hohen Strafen, die

    auf den Kundmachungen drohten, schrekten nur auch wenige.


    Wohl ein paar hundert Doppelzentner sind in diesen Kriegs-

    jahren an Kartoffeln von den Frauen und Mädchen aus Rieb-

    nitz und dem oberen Erlitztal von Kunzendorf weggetragen

    worden. Zuerst gruben sich die Weiber die Erdäpfel selbst aus,

    dann bekamen sie in der Regel noch etwas zu essen und


     Rechte Seite: 




  • September 18, 2017 11:03:32 Eva Anna Welles (AUT)

    größere Mengen Kartoffel, 1 oder 2 Waggon, ab Bahnhof Rokitnitz

    zur Ablieferung zu bringen. Es war Dezember und großer Frost.

    Weil unter solchen Umständen dieselben doch zugrunde gehen mussten

    telefonierte der Vorsteher dem Kommissionär nach Rokitnitz ob der

    Termin nicht zum verlegen gehe und erhielt als Bescheid zurück,

    dass die Kartoffel zur genannten Frist dort abgeliefert werden

    müssen und so wurden sie denn geliefert und waren schon klap-

    perig gefroren als sie in Rokitnitz ankamen.


    Was Wunder wenn schon nach wenig Monaten sich die Not in

    den Städten bemerkbar machte und wohl bald auch auf die Dörfer

    übergriff.


    Die Zuteilung auf die Lebensmittelkarten wurden immer  unzu-

    reichender besonders auf den Dörfern, weil man annahm, dass sich die

    kleinen Leute das fehlende unter der Hand bei den Bauern einkaufen

    würden; dieses und die Sorge, dass es noch schlimmer kommen könnte,

    veranlasste die Leute zu einem immermehr über Hand nehmenden

    Schleichhandel und so wurde die Unordnung immer größer.

    Das unter der Hand Gekaufte fehlte dann wieder beim Einkauf

    der  ...  Getreideverkehrsgesellschaft, dadurch wurden die Rationen wie-

    der kleiner, das zwang wieder dringend zum Einkauf unter der

    Hand.


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    Kunzendorf (Adlergebirge, Böhmen), jetzt tschechisch: Kuncina Ves

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  • Story location Kunzendorf (Adlergebirge, Böhmen), jetzt tschechisch: Kuncina Ves
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2575 / 32700
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Dr. Helmut Sprinz
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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