Erinnerungsbuch, item 27
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Überblick über meine Erlebnisse in der folgenden Zeit bis zum
Waffenstillstand an der Hand meiner Briefe:
Nachdem wir Opferlämmer auf Papestraße, Bezirkskommando,
von 8 h Morgens bis mittags 12 h gewartet hatten -
eine kleine Einleitung für das Kommende! -, ging es los
zum Schles. Bhf. Um 3 Uhr fuhr der Zug. In Liegnitz um 10 Uhr
nachts gelandet, hieß es raus und warten, bis uns gegen 4 Uhr morgens
ein Zug endlich weiterbrachte, dem Ziele entgegen. 10 Uhr Ankunft.
3. Batterie. Verhältnismäßig gut untergebracht - alle Einjährigen
zusammen - lernten wir das Soldatenleben schon in den ersten
Tagen so recht kennen und wußten das garnicht! Wir armen Unschuldslämmer! Wir
schoben alles auf unsere zivilistische Ungeschicklichkeit, und glaubten
tatsächlich, nach der ersten Rekrutenzeit würde sich das ändern!
Wohl! Solange ich bei der Ersatzbatterie gewesen bin, kann ich
mich wirklich nicht über schlechte Behandlung beklagen. Nein, keineswegs;
im Gegenteil! Ließ man uns doch zu jeder Zeit
vom Dienst fort, wenn wir drum baten, zum Rodeln oder
sonstigem Frudingen. Wers Militär kennt, weiß, daß die
Ursachen hierfür nicht in der persönlichen Liebenswürdigkeit der
unteren Vorgesetzten zu suchen sind, nein, aber der elterliche
Geldbeutel hat's vollbracht! Hier wie überall, wo ich bisher
zweizeilige Markierung am linken Rand: I.
beim preußischen Militär hineingeguckt habe: Bestechlichkeit
eine Haupttugend der unteren Organe. - Es kam auch noch anders!
Doch zur Sache zurück. Am 1.12.16 wurden
wir vereidigt. Von Feierlichkeit keine Spur. Es waren
so viele, daß ich kaum das Geschütz, auf das ich schwören sollte,
berühren konnte. Am selben Tage hieß es: Raus aus der Kaserne,
wer die Genehmigung hat und in der Stadt schon eine
Wohnung hat. Ich zog nach "Liebichs Volksgarten."
Weihnachten war ich auf Gesuch meiner Eltern
zu Hause, 5 Tage.
Am 17.1.17 fand unsere Besichtigung
statt. Am Abend veranstalteten wir Einjährigen ein kleines
Fest, für dessen Ausdehnung über Zapfenstreich unser Depotführer,
Herr Leutnant Reimitz, die Verantwortung übernehmen zu können
geglaubt, aber nicht gekonnt hatte. Erfolg: wir mußten
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Überblick über meine Erlebnisse in der folgenden Zeit bis zum
Waffenstillstand an der Hand meiner Briefe:
Nachdem wir Opferlämmer auf Papestraße, Bezirkskommando,
von 8 h Morgens bis mittags 12 h gewartet hatten -
eine kleine Einleitung für das Kommende! -, ging es los
zum Schles. Bhf. Um 3 Uhr fuhr der Zug. In Liegnitz um 10 Uhr
nachts gelandet, hieß es raus und warten, bis uns gegen 4 Uhr morgens
ein Zug endlich weiterbrachte, dem Ziele entgegen. 10 Uhr Ankunft.
3. Batterie. Verhältnismäßig gut untergebracht - alle Einjährigen
zusammen - lernten wir das Soldatenleben schon in den ersten
Tagen so recht kennen und wußten das garnicht! Wir armen Unschuldslämmer! Wir
schoben alles auf unsere zivilistische Ungeschicklichkeit, und glaubten
tatsächlich, nach der ersten Rekrutenzeit würde sich das ändern!
Wohl! Solange ich bei der Ersatzbatterie gewesen bin, kann ich
mich wirklich nicht über schlechte Behandlung beklagen. Nein, keineswegs;
im Gegenteil! Ließ man uns doch zu jeder Zeit
vom Dienst fort, wenn wir drum baten, zum Rodeln oder
sonstigem Frutengen. Wers Militär kennt, weiß, daß die
Ursachen hierfür nicht in der persönlichen Liebenswürdigkeit der
unteren Vorgesetzten zu suchen sind, nein, aber der elterliche
Geldbeutel hat's vollbracht! Hier wie überall, wo ich bisher
zweizeilige Markierung am linken Rand: I.
beim preußischen Militär hineingeguckt habe: Bestechlichkeit
eine Haupttugend der unteren Organe. - Es kam auch noch anders!
Doch zur Sache zurück. Am 1.12.16 wurden
wir vereidigt. Von Feierlichkeit keine Spur. Es waren
so viele, daß ich kaum das Geschütz, auf das ich schwören sollte,
berühren konnte. Am selben Tage hieß es: Raus aus der Kaserne,
wer die Genehmigung hat und in der Stadt schon eine
Wohnung hat. Ich zog nach "Liebichs Volksgarten."
Weihnachten war ich auf Gesuch meiner Eltern
zu Hause, 5 Tage.
Am 17.1.17 fand unsere Besichtigung
statt. Am Abend veranstalteten wir Einjährigen ein kleines
Fest, für dessen Ausdehnung über Zapfenstreich unser Depotführer,
Herr Leutnant Reimitz, die Verantwortung übernehmen zu können
geglaubt, aber nicht gekonnt hatte. Erfolg: wir mußten
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Überblick über meine Erlebnisse in der folgenden Zeit bis zum
Waffenstillstand an der Hand meiner Briefe:
Nachdem mir Opferlämmer auf Papestraße, Bezirkskommando,
von 8 h Morgens bis mittags 12 h gewartet hatten -
eine kleine Einleitung für das Kommende! -, ging es los
zum Schles. Bhf. Um 3 Uhr fuhr der Zug. In Liegnitz um 10 Uhr
nachts gelandet, hieß es raus und warten, bis uns gegen 4 Uhr morgens
ein Zug endlich weiterbrachte, dem Ziele entgegen. 10 Uhr Ankunft.
3. Batterie. Verhältnismäßig gut untergebracht - alle Einjährigen
zusammen - lernten wir das Soldatenleben schon in den ersten
Tagen so recht kennen und wußten das garnicht! Wir armen Unschuldslämmer! Wir
schoben alles auf unsere zivilistische Ungeschicklichkeit, und glaubten
tatsächlich, nach der ersten Rekrutenzeit würde sich das ändern!
Wohl! Solange ich bei der Ersatzbatterie gewesen bin, kann ich
mich wirklich nicht über schlechte Behandlung beklagen. Nein, keineswegs;
im Gegenteil! Ließ man uns doch zu jeder Zeit
vom Dienst fort, wenn wir drum baten, zum Rodeln oder
sonstigem Frutengen. Wers Militär kennt, weiß, daß die
Ursachen hierfür nicht in der persönlichen Liebenswürdigkeit der
unteren Vorgesetzten zu suchen sind, nein, aber der elterliche
Geldbeutel hat's vollbracht! Hier wie überall, wo ich bisher
zweizeilige Markierung am linken Rand: I.
beim preußischen Militär hineingeguckt habe: Bestechlichkeit
eine Haupttugend der unteren Organe. - Es kam auch noch anders!
Doch zur Sache zurück. Am 1. 12. 16 wurden
wir vereidigt. Von Feierlichkeit keine Spur. Es waren
so viele, daß ich kaum das Geschütz, auf das ich schwören sollte,
berühren konnte. Am selben Tage hieß es: Raus aus der Kaserne,
wer die Genehmigung hat und in der Stadt sehen eine
Wohnung hat. Ich zog nach "Liebichs Volksgarten."
Weihnachten war ich auf Gesuch meiner Eltern
zu Hause, 5 Tage.
Am 17. 1. 17 fand unsere Besichtigung
statt. Am Abend veranstalteten wir Einjährigen ein kleines
Fest, für dessen Ausdehnung über Zapfenstreich unser Depotführer,
Herr Leutnant Reimitz, die Verantwortung übernehmen zu können
geglaubt, aber nicht gekonnt hatte. Erfolg: wir mußten
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Überblick über meine Erlebnisse in der folgenden Zeit bis zum
Waffenstillstand an der Hand meiner Briefe:
Nachdem mir Opferlämmer auf Papestraße, Bezirkskommando,
von 8 h Morgens bis mittags 12 h gewartet hatten -
eine kleine Einleitung für das Kommende! -, ging es los
zum Schles. Bhf. Um 3 Uhr fuhr der Zug. In Liegnitz um 10 Uhr
nachts gelandet, hieß es raus und warten, bis uns gegen 4 Uhr morgens
ein Zug endlich weiterbrachte, dem Ziele entgegen. 10 Uhr Ankunft.
3. Batterie. Verhältnismäßig gut untergebracht - alle Einjährigen
zusammen - lernten wir das Soldatenleben schon in den ersten
Tagen so recht kennen und wußten das garnicht! Wir armen Unschuldslämmer! Wir
schoben alles auf unsere zivilistische Ungeschicklichkeit, und glaubten
tatsächlich, nach der ersten Rekrutenzeit würde sich das ändern!
Wohl! Solange ich bei der Ersatzbatterie gewesen bin, kann ich
mich wirklich nicht über schlechte Behandlung beklagen. Nein, keineswegs;
im Gegenteil! Ließ man uns doch zu jeder Zeit
vom Dienst fort, wenn wir drum baten, zum Rodeln oder
sonstigem Frutengen. Wers Militär kennt, weiß, daß die
Ursachen hierfür nicht in der persönlichen Liebenswürdigkeit der
unteren Vorgesetzten zu suchen sind, nein, aber der elterliche
Geldbeutel hat's vollbracht! Hier wie überall, wo ich bisher
zweizeilige Markierung am linken Rand: I.
beim preußischen Militär hineingeguckt habe: Bestechlichkeit
eine Haupttugend der unteren Organe. - Es kam auch noch anders!
Doch zur Sache zurück. Am 1. 12. 16 wurden
wir vereidigt. Von Feierlichkeit keine Spur. Es waren
so viele, daß ich kaum das Geschütz, auf das ich schwören sollte,
berühren konnte. Am selben Tage hieß es: Raus aus der Kaserne,
wer die Genehmigung hat und in der Stadt sehen eine
Wohnung hat. Ich zog nach "Liebichs Volksgarten."
Weihnachten war ich auf Gesuch meiner Eltern
zu Hause, 5 Tage.
Am 17. 1. 17 fand unsere Besichtigung
statt. Am Abend veranstalteten wir Einjährigen ein kleines
Fest, für dessen Ausdehnung über Zapfenstreich unser Depotführer,
Herr Leutnant Reimitz, die Verantwortung übernehmen zu können
geglaubt, aber nicht gekonnt hatte. Erfolg: wir mußten
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Überblick über meine Erlebnisse in der folgenden Zeit bis zum
Waffenstillstand an der Hand meiner Briefe:
Nachdem mir Opferlämmer auf Papestraße, Bezirkskommando,
von 8 h Morgens bis mittags 12 h gewartet hatten -
eine kleine Einleitung für das Kommende! -, ging es los
zum Schles. Bhf. Um 3 Uhr fuhr der Zug. In Liegnitz um 10 Uhr
nachts gelandet, hieß es raus und warten, bis uns gegen 4 Uhr morgens
ein Zug endlich weiterbrachte, dem Ziele entgegen. 10 Uhr Ankunft.
3. Batterie. Verhältnismäßig gut untergebracht - alle Einjährigen
zusammen - lernten wir das Soldatenleben schon in den ersten
Tagen so recht kennen und wußten das garnicht! Wir armen Unschuldslämmer! Wir
schoben alles auf unsere zivilistische Ungeschicklichkeit, und glaubten
tatsächlich, nach der ersten Rekrutenzeit würde sich das ändern!
Wohl! Solange ich bei der Ersatzbatterie gewesen bin, kann ich
mich wirklich nicht über schlechte Behandlung beklagen. Nein, keineswegs;
im Gegenteil! Ließ man uns doch zu jeder Zeit
vom Dienst fort, wenn wir drum baten, zum Rodeln oder
sonstigen Frutragen. Wers Militär kennt, weiß, daß die
Ursachen hierfür nicht in der persönlichen Liebenswürdigkeit der
unteren Vorgesetzten zu suchen sind, nein, aber der elterliche
Geldbeutel hat's vollbracht! Hier wie überall, wo ich bisher
zweizeilige Markierung am linken Rand: I.
beim preußischen Militär hineingeguckt habe: Bestechlichkeit
eine Haupttugend der unteren Organe. - Es kam auch noch anders!
Doch zur Sache zurück. Am 1. 12. 16 wurden
wir vereidigt. Von Feierlichkeit keine Spur. Es waren
so viele, daß ich kaum das Geschütz, auf das ich schwören sollte,
berühren konnte. Am selben Tage hieß es: Raus aus der Kaserne,
wer die Genehmigung hat und in der Stadt sehen eine
Wohnung hat. Ich zog nach "Liebichs Volksgarten."
Weihnachten war ich auf Gesuch meiner Eltern
zu Hause, 5 Tage.
Am 17. 1. 17 fand unsere Besichtigung
stadt. Am Abend veranstalteten wir Einjährigen ein kleines
Fest, für dessen Ausdehnung über Zapfenstreich unser Depotführer,
Herr Leutnant Reimitz, die Verantwortung übernehmen zu können
geglaubt, aber nicht gekonnt hatte. Erfolg: wir mußten
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General-Pape-Straße
- 52.51||13.434722||
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- 51.208333||16.160278||
Liegnitz/Legnica
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Berlin
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- ID
- 1285 / 10770
- Contributor
- Rheinboldt, Sigrid
Nov, 1916 – January 17, 1917
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- Eastern Front
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- Remembrance
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