Erinnerungsbuch, item 13
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In der Siegesallee treffen wir ein Regiment in Feldgrau, das
erste, das ich so sah...
Endlich gegen 1/2 11 Uhr Habsburgerstr. 13. Vater hat wenigstens sein
Fenster auf, Licht brennt auch noch. Also: eins -, zwei -, drei -:
"Vaaterr!"- - - "Ja, seid ihr es?" Die Treppe herunter und die Haustür
aufgeschlossen war eins. Niemand war seliger als er.
Wieder daheim.
Dienstag. Kurt wird von seinem Bruder abgeholt; man ahnte
schon, daß er da war. Ich ging auf die Bahn, nach dem Gepäck. Niemand
wird durchgelassen, nur Leute mit Militärpässen. Dann gehts zu Pledaths,
und ich erzähle unsere Erlebnisse. Werner ist nicht da. Nachmittag
natürlich: Unter den Linden. Diese Menschenmassen. Hier konnte
man die Begeisterung des Deutschen Volkes sehen.
Mittag. Mutti und ich gehen auf die Bahn. Nichts zu wollen.
"Bürgermeister Nilpferd" darf durch. Schade, hätten wir das gewußt! Er
hätte uns sicher mitgenommen. Nachmittag. Werner ist zu Hause;
sein Gepäck kommt. "Du, uns ist es so und so gegangen; wollen
wir mal zusammen zum Bahnhof fahren?" Auf den blaugelben Autobus
und hin. "Sehen Sie mal, wir müssen unbedingt unsere Betten
haben, wir bekommen Einquartierung u.s.w." Werners Schnauze
siegt. Jeder Bahnsteig wird abgeklappert; überall mustergültige Ordnung,
alles nach der Endziffer geordnet; aber - unser Gepäck ist
nicht da. Doch halt! Ist da nicht unser Bettsack? Richtig, er ists.
Beinahe wäre er bei einem Riesenhaufen von Bettsäcken zu unterst
geladen. Der Koffer war nicht da. Nach Hause. "Werner, kommst du
morgen früh mit? Dann suchen wir alle zusammen unsern Koffer."
Donnerstag. Nach vielem Hin und Her kommen wir in den Güterschuppen.
Endloses Gepäck, ein Haufen neben dem andern. Nichts!
Zurück zum Bahnhof. Wir erhalten einen Erlaubnisschein, in den Keller
zu dürfen. Unter dem ganzen Bahnhof erstreckt er sich, und alles ist
voll Gepäck. Wo anfangen? Wo aufhören? Und er ist auch da
nicht! Wir gehen eine Treppe hinauf. "Na, nehmen wir doch den solan-
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In der Siegesallee treffen wir ein Regiment in Feldgrau, das
erste, das ich so sah...
Endlich gegen 1/2 11 Uhr Habsburgerstr. 13. Vater hat wenigstens sein
Fenster auf, Licht brennt auch noch. Also: eins -, zwei -, drei -:
"Vaaterr!"- - - "Ja, seid ihr es?" Die Treppe herunter und die Haustür
aufgeschlossen war eins. Niemand war seliger als er.
Wieder daheim.
Dienstag. Kurt wird von seinem Bruder abgeholt; man ahnte
schon, daß er da war. Ich ging auf die Bahn, nach dem Gepäck. Niemand
wird durchgelassen, nur Leute mit Militärpässen. Dann gehts zu Pledaths,
und ich erzähle unsere Erlebnisse. Werner ist nicht da. Nachmittag
natürlich: Unter den Linden. Diese Menschenmassen. Hier konnte
man die Begeisterung des Deutschen Volkes sehen.
Mittag. Mutti und ich gehen auf die Bahn. Nichts zu wollen.
"Bürgermeister Nilpferd" darf durch. Schade, hätten wir das gewußt! Er
hätte uns sicher mitgenommen. Nachmittag. Werner ist zu Hause;
sein Gepäck kommt. "Du, uns ist es so und so gegangen; wollen
wir mal zusammen zum Bahnhof fahren?" Auf den blaugelben Autobus
und hin. "Sehen Sie mal, wir müssen unbedingt unsere Betten
haben, wir bekommen Einquartierung u.s.w." Werners Schnauze
siegt. Jeder Bahnsteig wird abgeklappert; überall mustergültige Ordnung,
alles nach der Endziffer geordnet; aber - unser Gepäck ist
nicht da. Doch halt! Ist da nicht unser Bettsack? Richtig, er ists.
Beinahe wäre er bei einem Riesenhaufen von Bettsäcken zu unterst
geladen. Der Koffer war nicht da. Nach Hause. "Werner, kommst du
morgen früh mit? Dann suchen wir alle zusammen unsern Koffer."
Donnerstag. Nach vielem Hin und Her kommen wir in den Güterschuppen.
Endloses Gepäck, ein Haufen neben dem andern. Nichts!
Zurück zum Bahnhof. Wir erhalten einen Erlaubnisschein, in den Keller
zu dürfen. Unter dem ganzen Bahnhof erstreckt er sich, und alles ist
voll Gepäck. Wo anfangen? Wo aufhören? Und er ist auch da
nicht! Wir gehen eine Treppe hinauf. "Na, nehmen wir doch den solan=
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In der Siegesallee treffen wir ein Regiment in Feldgrau, das
erste, das ich so sah...
Endlich gegen 1/2 11 Uhr Habsburgerstr. 13. Vater hat wenigstens sein
Fenster auf, Licht brennt auch noch. Also: eins -, zwei -, drei -:
"Vaaterr!"- - - "Ja, seid ihr es?" Die Treppe herunter und die Haustür
aufgeschlossen war eins. Niemand war seliger als er.
Wieder daheim.
Dienstag. Kurt wird von seinem Bruder abgeholt; man ahnte
schon, daß er da war. Ich ging auf die Bahn, nach dem Gepäck. Niemand
wird durchgelassen, nur Leute mit Militärpässen. Dann gehts zu Pledaths,
und ich erzähle unsere Erlebnisse. Werner ist nicht da. Nachmittag
natürlich: Unter den Linden. Diese Menschenmassen. Hier konnte
man die Begeisterung des Deutschen Volkes sehen.
Mittag. Mutti und ich gehen auf die Bahn. Nichts zu wollen.
"Bürgermeister Nilpferd" darf durch. Schade, hätten wir das gewußt! Er
hätte uns sicher mitgenommen. Nachmittag. Werner ist zu Hause;
sein Gepäck kommt. "Du, uns ist es so und so gegangen; wollen
wir mal zusammen zum Bahnhof fahren?" Auf den blaugelben Autobus
und hin. "Sehen Sie mal, wir müssen unbedingt unsere Betten
haben, wir bekommen Einquartierung u.s.w." Werners Schnauze
siegt. Jeder Bahnsteig wird abgeklappert; überall mustergültige Ordnung,
alles nach der Endziffer geordnet; aber - unser Gepäck ist
nicht da. Doch halt! Ist da nicht unser Bettsack? Richtig, er ists.
Beinahe wäre er bei einem Riesenhaufen von Bettsäcken zu unterst
geladen. Der Koffer war nicht da. Nach Hause. "Werner, kommst du
morgen früh mit? Dann suchen wir alle zusammen unsern Koffer."
Donnerstag. Nach vielem Hin und Her kommen wir in den Güterschuppen.
Endloses Gepäck, ein Haufen neben dem andern. Nichts!
Zurück zum Bahnhof. Wir erhalten einen Erlaubnisschein, in den Keller
zu dürfen. Unter dem ganzen Bahnhof erstreckt er sich, und alles ist
voll Gepäck. Wo anfangen? Wo aufhören? Und er ist auch da
nicht! Wir gehen eine Treppe hinauf. "Na, nehmen wir doch den solan=
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In der Siegesallee treffen wir ein Regiment in Feldgrau, das
erste, das ich so sah...
Endlich gegen 1/2 11 Uhr Habsburgerstr. 13. Vater hat wenigstens sein
Fenster auf, Licht brennt auch noch. Also: eins -, zwei -, drei -:
"Vaaterr!"- - - "Ja, seid ihr es?" Die Treppe herunter und die Haustür
aufgeschlossen war eins. Niemand war seliger als er.
Wieder daheim.
Dienstag. Kurt wird von seinem Bruder abgeholt; man ahnte
schon, daß er da war. Ich ging auf die Bahn, nach dem Gepäck. Niemand
wird durchgelassen, nur Leute mit Militärpässen. Dann gehts zu Pledaths,
und ich erzähle unsere Erlebnisse. Werner ist nicht da. Nachmittag
natürlich: Unter den Linden. Diese Menschenmassen. Hier konnte
man die Begeisterung des Deutschen Volkes sehen.
Mittag. Mutti und ich gehen auf die Bahn. Nichts zu wollen.
"Bürgermeister Nilpferd" darf durch. Schade, hätten wir das gewußt! Er
hätte uns sicher mitgenommen. Nachmittag. Werner ist zu Hause;
sein Gepäck kommt. "Du, uns ist es so und so gegangen; wollen
wir mal zusammen zum Bahnhof fahren?" Auf den blaugelben Autobus
und hin. "Sehen Sie mal, wir müssen unbedingt unsere Betten
haben, wir bekommen Einquartierung u.s.w." Werners Schnauze
siegt. Jeder Bahnsteig wird abgeklappert; überall mustergültige Ordnung,
alles nach der Endziffer geordnet; aber - unser Gepäck ist
nicht da. Doch halt! Ist da nicht unser Bettsack? Richtig, er ists.
Beinahe wäre er bei einem Riesenhaufen von Bettsäcken zu unterst
geladen. Der Koffer war nicht da. Nach Hause. "Werner, kommst du
morgen früh mit? Dann suchen wir alle zusammen unsern Koffer."
Donnerstag. Nach vielem Hin und Her kommen wir in den Güterschuppen.
Endloses Gepäck, ein Haufen neben dem andern. Nichts!
Zurück zum Bahnhof. Wir erhalten einen Erlaubnisschein, in den Keller
zu dürfen. Unter dem ganzen Bahnhof erstreckt er sich, und alles ist
voll Gepäck. Wo anfangen? Wo aufhören? Und er ist auch da
nicht! Wir gehen eine Treppe hinauf. "Na, nehmen wir doch den solen=
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Save description- 52.4963188||13.3524475||
Habsburgerstr. 13
- 52.5234051||13.4113999||||1
Berlin
Location(s)
Story location Berlin
Document location Habsburgerstr. 13
- ID
- 1285 / 10756
- Contributor
- Rheinboldt, Sigrid
August 3, 1914 – August 4, 1914
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- Deutsch
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- Remembrance
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