Erinnerungsbuch, item 12
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Stettin, gegen 1/2 6 Uhr. Eine Menschenmauer. Ich schätze auf mindestens
2000 Menschen. "Wollen die etwa zu uns 'rein? Na -, viel Vergnügen!
Hier ist alles voll." Wir ahnten ja noch nicht, was "voll" ist. "Aussteigen,
alles aussteigen; ja, meine Dame bitte beeilen Sie sich etwas, wir haben keine
Zeit." - "Ach wo, hier, halten Sie mal lieber meine Eier; aber vorsichtig,
damit sie nicht kaputt gehen." Über das Gesicht mit den strengen dienstlichen
Falten fliegt ein Lächeln. Geduldig hält er die Eier und wartet, bis
wir unsere Siebensachen und uns selbst 'rausexpediert haben.
Wenigstens bilden wir nun die vorderste Reihe auf dem
Bahnsteig. Frohes Wiedersehn mit Günther Weiß.
Gegen 1/2 7 Uhr. Ein Lehrzug. "Einsteigen. Es muß alles
mit. Es ist möglicherweise der letzte Zug heute nach Berlin." Die Mauer
setzt sich in Bewegung, und zwar in recht heftige. Kurt als erster in
ein Abteil. Alle Plätze belegt. Mit uns Bekannte, nebenan Bekannte.
Verbindung über das Gepäcknetz.
Drangvoll fürchterliche Enge. Im Coupé, wenn ich nicht irre,
19 Personen. Dazu die Sommerhitze. Kinder wimmern. Ein Vergnügen
eigner Art u. s. w. Bummelzug. Auf allen Stationen und Statiönchen reger
Ab-, aber noch regerer Zugang.
Chorinchen. Halten, endlos. Zwei D-Züge, wie behauptet [Chorinchen: heute Chorin]
wird, ziemlich leer fahren vorüber.
Endlich gegen 1/2 10 Uhr: Gesundbrunnen, Stettiner Bhf.
Hm, wo ist denn eigentlich der Bahnsteig? Nur schmale Durchgänge, alles
sonst vollgepfropft mit "Reisekörben, Schirmetuis, Koffern ...", Bettsäcken .....
Wann werden wir unser Gepäck wiedersehen? Bis Stettin
ist es bestimmt mitgekommen, ob schon bis Berlin, ist fraglich; und selbst
wenn...?
Jetzt aber schleunigst nach Hause. "Pst, Sie da, Auto!" -
"Bedaure, ich fahre nicht." Ach ja, Chauffeurstreik. Aber wie nach Hause
kommen; Elektrischen voll? Da kommt eine Droschke. "Werden Sie am
Bahnhof frei?" - "Jawoll." Kurt gleich rauf. Die hätten wir.
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Stettin, gegen 1/2 6 Uhr. Eine Menschenmauer. Ich schätze auf mindestens
2000 Menschen. "Wollen die etwa zu uns 'rein? Na -, viel Vergnügen!
Hier ist alles voll." Wir ahnten ja noch nicht, was "voll" ist. "Aussteigen,
alles aussteigen; ja, meine Dame bitte beeilen Sie sich etwas, wir haben keine
Zeit." - "Ach wo, hier, halten Sie mal lieber meine Eier; aber vorsichtig,
damit sie nicht kaputt gehen." Über das Gesicht mit den strengen dienstlichen
Falten fliegt ein Lächeln. Geduldig hält er die Eier und wartet, bis
wir unsere Siebensachen und uns selbst 'rausexpediert haben.
Wenigstens bilden wir nun die vorderste Reihe auf dem
Bahnsteig. Frohes Wiedersehn mit Günther Weiß.
Gegen 1/2 7 Uhr. Ein Lehrzug. "Einsteigen. Es muß alles
mit. Es ist möglicherweise der letzte Zug heute nach Berlin." Die Mauer
setzt sich in Bewegung, und zwar in recht heftige. Kurt als erster in
ein Abteil. Alle Plätze belegt. Mit uns Bekannte, nebenan Bekannte.
Verbindung über das Gepäcknetz.
Drangvoll fürchterliche Enge. Im Coupé, wenn ich nicht irre,
19 Personen. Dazu die Sommerhitze. Kinder wimmern. Ein Vergnügen
eigner Art u. s. w. Bummelzug. Auf allen Stationen und Statiönchen reger
Ab-, aber noch regerer Zugang.
Chorinchen. Halten, endlos. Zwei D-Züge, wie behauptet [Chorinchen: heute Chorin]
wird, ziemlich leer fahren vorüber.
Endlich gegen 1/2 10 Uhr: Gesundbrunnen, Stettiner Bhf.
Hm, wo ist denn eigentlich der Bahnsteig? Nur schmale Durchgänge, alles
sonst vollgepfropft mit "Reisekörben, Schirmetuis, Koffern ...", Bettsäcken .....
Wann werden wir unser Gepäck wiedersehen? Bis Stettin
ist es bestimmt mitgekommen, ob schon bis Berlin, ist fraglich; und selbst
wenn...?
Jetzt aber schleunigst nach Hause. "Pst, Sie da, Auto!" -
"Bedaure, ich fahre nicht." Ach ja, Chauffeurstreik. Aber wie nach Hause
kommen; Elektrischen voll? Da kommt eine Droschke. "Werden Sie am
Bahnhof frei?" - "Jawoll." Kurt gleich rauf. Die hätten wir.
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Stettin, gegen 1/2 6 Uhr. Eine Menschenmauer. Ich schätze auf mindestens
2000 Menschen. "Wollen die etwa zu uns 'rein? Na -, viel Vergnügen!
Hier ist alles voll." Wir ahnten ja noch nicht, was "voll" ist. "Aussteigen,
alles aussteigen; ja, meine Dame bitte beeilen Sie sich etwas, wir haben keine
Zeit." - "Ach wo, hier, halten Sie mal lieber meine Eier; aber vorsichtig,
damit sie nicht kaputt gehen." Über das Gesicht mit den strengen dienstlichen
Falten fliegt ein Lächeln. Geduldig hält er die Eier und wartet, bis
wir unsere Siebensachen und uns selbst 'rausexpediert haben.
Wenigstens bilden wir nun die vorderste Reihe auf dem
Bahnsteig. Frohes Wiedersehn mit Günther Weiß.
Gegen 1/2 7 Uhr. Ein Lehrzug. "Einsteigen. Es muß alles
mit. Es ist möglicherweise der letzte Zug heute nach Berlin." Die Mauer
setzt sich in Bewegung, und zwar in recht heftige. Kurt als erster in
ein Abteil. Alle Plätze belegt. Mit uns Bekannte, nebenan Bekannte.
Verbindung über das Gepäcknetz.
Drangvoll fürchterliche Enge. Im Coupé, wenn ich nicht irre,
19 Personen. Dazu die Sommerhitze. Kinder wimmern. Ein Vergnügen
eigner Art u. s. w. Bummelzug. Auf allen Stationen und Statiönchen reger
Ab=, aber noch regerer Zugang.
Chorinchen. Halten, endlos. Zwei D=Züge, wie behauptet [Chorinchen: heute Chorin]
wird, ziemlich leer fahren vorüber.
Endlich gegen 1/2 10 Uhr: Gesundbrunnen, Stettiner Bhf.
Hm, wo ist denn eigentlich der Bahnsteig? Nur schmale Durchgänge, alles
sonst vollgepfropft mit "Reisekörben, Schirmetuis, Koffern ...", Bettsäcken .....
Wann werden wir unser Gepäck wiedersehen? Bis Stettin
ist es bestimmt mitgekommen, ob schon bis Berlin, ist fraglich; und selbst
wenn...?
Jetzt aber schleunigst nach Hause. "Pst, Sie da, Auto!" -
"Bedaure, ich fahre nicht." Ach ja, Chauffeurstreik. Aber wie nach Hause
kommen; Elektrischen voll? Da kommt eine Droschke. "Werden Sie
am Bahnhof frei?" - "Jawoll." Kurt gleich rauf. Die hätten wir.
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Stettin, gegen 1/2 6 Uhr. Eine Menschenmauer. Ich schätze auf mindestens
2000 Menschen. "Wollen die etwa zu uns 'rein? Na -, viel Vergnügen!
Hier ist alles voll." Wir ahnten ja noch nicht, was "voll" ist. "Aussteigen,
alles aussteigen; ja, meine Dame bitte beeilen Sie sich etwas, wir haben keine
Zeit." - "Ach wo, hier, halten Sie mal lieber meine Eier; aber vorsichtig,
damit sie nicht kaputt gehen." Über das Gesicht mit den strengen dienstlichen
Falten fliegt ein Lächeln. Geduldig hält er die Eier und wartet, bis
wir unsere Siebensachen und uns selbst 'rausexpediert haben.
Wenigstens bilden wir nun die vorderste Reihe auf dem
Bahnsteig. Frohes Wiedersehn mit Günther Weiß.
Gegen 1/2 7 Uhr. Ein Lehrzug. "Einsteigen. Es muß alles
mit. Es ist möglicherweise der letzte Zug heute nach Berlin." Die Mauer
setzt sich in Bewegung, und zwar in recht heftige. Kurt als erster in
ein Abteil. Alle Plätze belegt. Mit uns Bekannte, nebenan Bekannte.
Verbindung über das Gepäcknetz.
Drangvoll fürchterliche Enge. Im Coupé, wenn ich nicht irre,
19 Personen. Dazu die Sommerhitze. Kinder wimmern. Ein Vergnügen
eigner Art u. s. w. Bummelzug. Auf allen Stationen und Statiönchen reger
Ab=, aber noch regerer Zugang.
Chorinchen. Halten, endlos. Zwei D=Züge, wie behauptet
wird, ziemlich leer fahren vorüber.
Endlich gegen 1/2 10 Uhr: Gesundbrunnen, Stettiner Bhf.
Hm, wo ist denn eigentlich der Bahnsteig? Nur schmale Durchgänge, alles
sonst vollgepfropft mit "Reisekörben, Schirmetuis, Koffern ...", Bettsäcken .....
Wann werden wir unser Gepäck wiedersehen? Bis Stettin
ist es bestimmt mitgekommen, ob schon bis Berlin, ist fraglich; und selbst
wenn...?
Jetzt aber schleunigst nach Hause. "Pst, Sie da, Auto!" -
"Bedaure, ich fahre nicht." Ach ja, Chauffeurstreik. Aber wie nach Hause
kommen; Elektrischen voll? Da kommt eine Droschke. "Werden Sie
am Bahnhof frei?" - "Jawoll." Kurt gleich rauf. Die hätten wir.
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Description
Save description- 53.424722||14.555278||
Stettin/Szczecin
- 52.9||13.866667||
Chorinchen/Chorin
- 52.531944||13.387778||
Stettiner Bahnhof
- 52.5234051||13.4113999||||1
Berlin
Location(s)
Story location Berlin
Document location Stettin/Szczecin
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Additional document location Chorinchen/Chorin
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Additional document location Stettiner Bahnhof
- ID
- 1285 / 10755
- Contributor
- Rheinboldt, Sigrid
Aug, 1914
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- Deutsch
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- Remembrance
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