"Mein Lebensbericht" von Kurt Wilhelm Keßler, item 12

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Die übliche tägliche Paroleausgabe. Der Wachtmeister mit einer langen Liste: "Wer meldet sich freiwillig als Ersatz zur Armeetelegraphenabteilung III nach Frankreich"? Wie auf Kommando traten alle Mann vor. Wir brannten darauf, an den Feind zu kommen. Ich gehört zu den Glücklichen ,die ausgewählt wurden. Einkleidung, ein kurzer Urlaub bei den Eltern und dann ging es ab nach dem Westen. Ein leichtes Herzklopfen war doch dabei. Fulda die erste Übernachtungsstelle. Dann kam der große Augenblick, der Zug rollte über den gewaltigen Rheinstrom bei Koblenz. Das alte Kampflied "Es braust ein Ruf wie Donnerhall", klang auf. Wir wollten alle Hüter sein! Ein kurzer Aufenthalt in Koblenz führte uns ans Rheinufer und auf die Feste Franz. Von der Fahrt moselaufwärts ist mir wenig in Erinnerung. Trier war Übernachtungsziel. Wir schliefen in der Palastkaserne neben dem ehrwürdigen Dom. Am nächsten Morgen besichtigten wir mit ehrfürchtigem Staunen die Kaisertreppe mit den roten Teppichläufern und die Porta Nigra, das Wahrzeichen der alten Stadt. Heute wird vermutlich alles ein Schutthaufen sein. Die Fahrt ging weiter nach Luxemburg. Von der hohen Brücke beim Schloß erblickten wir das schöne Stadtbild. Die breiten Napoleonshüte, die "Dreimaster" der luxemburgischen Soldaten erweckten unser Staunen.

Weiter ging`s, dem Westen zu. Die französische Grenze wurde überschritten, die alte Granzfestung Maubeuge passiert. Deutlich sah man vom Zug her noch die Zerstörungen der Kämpfe aus den Augusttagen 1914. Die ersten Häuserruinen zeugten von den Straßenkämpfen jener Tage. Sedan, die Schicksalsstadt von 1870, war erreicht. Das Gelände der damaligen Kämpfe wurde uns von ortskundigen Landsern erklärt, die vom Urlaub wieder zur Front fuhren. Wohin wir sahen, der deutsche Soldat beherrschte in den Orten das Straßenbild. Gegen Abend fuhren wir in Souziers ein, dem Ziel unserer Fahrt. Der Bahnhof im Tal und die auf steilem Fels liegende Oberstadt machten bei der Einfahrt einen netten Eindruck. Kavalleristen, die mit uns fuhren und hier ihren Standort hatten, erzählten uns Neulingen nun, daß kürzlich ein Flieger zwei Bomben geworfen hätte, die wahrscheinlich dem Bahnhof galten , aber in die Straßen der Oberstadt fielen. Mit leichtem Gruseln hörten wir es uns an.

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Die übliche tägliche Paroleausgabe. Der Wachtmeister mit einer langen Liste: "Wer meldet sich freiwillig als Ersatz zur Armeetelegraphenabteilung III nach Frankreich"? Wie auf Kommando traten alle Mann vor. Wir brannten darauf, an den Feind zu kommen. Ich gehört zu den Glücklichen ,die ausgewählt wurden. Einkleidung, ein kurzer Urlaub bei den Eltern und dann ging es ab nach dem Westen. Ein leichtes Herzklopfen war doch dabei. Fulda die erste Übernachtungsstelle. Dann kam der große Augenblick, der Zug rollte über den gewaltigen Rheinstrom bei Koblenz. Das alte Kampflied "Es braust ein Ruf wie Donnerhall", klang auf. Wir wollten alle Hüter sein! Ein kurzer Aufenthalt in Koblenz führte uns ans Rheinufer und auf die Feste Franz. Von der Fahrt moselaufwärts ist mir wenig in Erinnerung. Trier war Übernachtungsziel. Wir schliefen in der Palastkaserne neben dem ehrwürdigen Dom. Am nächsten Morgen besichtigten wir mit ehrfürchtigem Staunen die Kaisertreppe mit den roten Teppichläufern und die Porta Nigra, das Wahrzeichen der alten Stadt. Heute wird vermutlich alles ein Schutthaufen sein. Die Fahrt ging weiter nach Luxemburg. Von der hohen Brücke beim Schloß erblickten wir das schöne Stadtbild. Die breiten Napoleonshüte, die "Dreimaster" der luxemburgischen Soldaten erweckten unser Staunen.

Weiter ging`s, dem Westen zu. Die französische Grenze wurde überschritten, die alte Granzfestung Maubeuge passiert. Deutlich sah man vom Zug her noch die Zerstörungen der Kämpfe aus den Augusttagen 1914. Die ersten Häuserruinen zeugten von den Straßenkämpfen jener Tage. Sedan, die Schicksalsstadt von 1870, war erreicht. Das Gelände der damaligen Kämpfe wurde uns von ortskundigen Landsern erklärt, die vom Urlaub wieder zur Front fuhren. Wohin wir sahen, der deutsche Soldat beherrschte in den Orten das Straßenbild. Gegen Abend fuhren wir in Souziers ein, dem Ziel unserer Fahrt. Der Bahnhof im Tal und die auf steilem Fels liegende Oberstadt machten bei der Einfahrt einen netten Eindruck. Kavalleristen, die mit uns fuhren und hier ihren Standort hatten, erzählten uns Neulingen nun, daß kürzlich ein Flieger zwei Bomben geworfen hätte, die wahrscheinlich dem Bahnhof galten , aber in die Straßen der Oberstadt fielen. Mit leichtem Gruseln hörten wir es uns an.


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  • September 27, 2017 21:16:55 Roberta Toscano

    Die übliche tägliche Paroleausgabe. Der Wachtmeister mit einer langen Liste: "Wer meldet sich freiwillig als Ersatz zur Armeetelegraphenabteilung III nach Frankreich"? Wie auf Kommando traten alle Mann vor. Wir brannten darauf, an den Feind zu kommen. Ich gehört zu den Glücklichen ,die ausgewählt wurden. Einkleidung, ein kurzer Urlaub bei den Eltern und dann ging es ab nach dem Westen. Ein leichtes Herzklopfen war doch dabei. Fulda die erste Übernachtungsstelle. Dann kam der große Augenblick, der Zug rollte über den gewaltigen Rheinstrom bei Koblenz. Das alte Kampflied "Es braust ein Ruf wie Donnerhall", klang auf. Wir wollten alle Hüter sein! Ein kurzer Aufenthalt in Koblenz führte uns ans Rheinufer und auf die Feste Franz. Von der Fahrt moselaufwärts ist mir wenig in Erinnerung. Trier war Übernachtungsziel. Wir schliefen in der Palastkaserne neben dem ehrwürdigen Dom. Am nächsten Morgen besichtigten wir mit ehrfürchtigem Staunen die Kaisertreppe mit den roten Teppichläufern und die Porta Nigra, das Wahrzeichen der alten Stadt. Heute wird vermutlich alles ein Schutthaufen sein. Die Fahrt ging weiter nach Luxemburg. Von der hohen Brücke beim Schloß erblickten wir das schöne Stadtbild. Die breiten Napoleonshüte, die "Dreimaster" der luxemburgischen Soldaten erweckten unser Staunen.

    Weiter ging`s, dem Westen zu. Die französische Grenze wurde überschritten, die alte Granzfestung Maubeuge passiert. Deutlich sah man vom Zug her noch die Zerstörungen der Kämpfe aus den Augusttagen 1914. Die ersten Häuserruinen zeugten von den Straßenkämpfen jener Tage. Sedan, die Schicksalsstadt von 1870, war erreicht. Das Gelände der damaligen Kämpfe wurde uns von ortskundigen Landsern erklärt, die vom Urlaub wieder zur Front fuhren. Wohin wir sahen, der deutsche Soldat beherrschte in den Orten das Straßenbild. Gegen Abend fuhren wir in Souziers ein, dem Ziel unserer Fahrt. Der Bahnhof im Tal und die auf steilem Fels liegende Oberstadt machten bei der Einfahrt einen netten Eindruck. Kavalleristen, die mit uns fuhren und hier ihren Standort hatten, erzählten uns Neulingen nun, daß kürzlich ein Flieger zwei Bomben geworfen hätte, die wahrscheinlich dem Bahnhof galten , aber in die Straßen der Oberstadt fielen. Mit leichtem Gruseln hörten wir es uns an.


  • September 27, 2017 21:05:58 Roberta Toscano

    Die übliche tägliche Paroleausgabe. Der Wachtmeister mit einer langen Liste: "Wer meldet sich freiwillig als Ersatz zur Armeetelegraphenabteilung III nach Frankreich"? Wie auf Kommando traten alle Mann vor. Wir brannten darauf, an den Feind zu kommen. Ich gehört zu den Glücklichen ,die ausgewählt wurden. Einkleidung, ein kurzer Urlaub bei den Eltern und dann ging es ab nach dem Westen. Ein leichtes Herzklopfen war doch dabei. Fulda die erste Übernachtungsstelle.


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    Smederevo, Serbien

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12545 / 171860
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Christine Sörje
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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