Foto, Militärpass und Kriegstagebuch von Hans Julius Kähler (09.12.1895-19.02.1972) , item 46

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- 4 -


Jetzt sind wir schon eine Woche bei der MG-Abteilung und hören vom Depot, daß es dort fast

nicht mehr mit rechten Dingen zugehen soll. Es herrscht augenblicklich eine grausame

Schinderei, meine Kameraden fühlen sich wie Zuchthäusler.

Es folgt meine Ausbildung bei der MG-Kompanie, die vom 15.7.1916 an rechnet. Ich kam

mit noch 24 anderen von unserem Depot hierher und mit Nielsen aus meiner Korporalschaft

zusammen. Hier wurde gleich neu eingeteilt und ich kam zur 4. Korp. der III. Abtlg. der I.

Ersatz-Maschinengewehr-Kompanie des 15. AK. Noch am selben Tage wurden wir

eingekleidet und zu unserer aller Freude erhielten wir zwei graue Anzüge, womit das ewige

Putzen der blauen ausfiel. Am Montag ging es los mit dem MG. Erst eine Stunde Unterricht,

dann mit dem MG exerzieren. Au Backe, mit dem exerzieren hatten sie es aber. Vormittags

mußten wir 3 Stunden und Nachmittags 2 Stunden exerzieren. Doch schon am ersten Tage

merkte ich, daß ich es doch besser hatte wie bei der Infanterie, es gab fast gar nichts zu putzen.

Nur das Exerzieren war stramm, es dauerte aber gewöhnlich nicht lange. Und dann das Lernen.

Oh weh, was für eine komplizierte Sache. Jede Schraube hatte ihren Namen, da hieß es tüchtig

lernen. Gott sei Dank gab es hier keine Tornister, keine Gewehr- u. keine Patronentaschen,

daß macht doch viel aus. Nun habe ich heute schon eine Woche herum und morgen sollen wir

schon zum Scharfschießen. Zum Schießstand geht es jedenfalls mit dem Gewehrwagen. Na, ich

habe jedenfalls meine erste Übung vorschriftsmäßig erfüllt, 5 Schuß, 5 Treffer. Wir haben

gestern einen Marsch machen müssen und alle haben etwas abgekriegt. Es ging nach

Griesheim, dort war Gefecht. Die ganze Strecke einschließlich Gefecht betrug ungefähr 45 km.

Wir haben 12 Stunden mit 2 Stunden Unterbrechung marschiert. Freitag bei der Parole hieß es,

heute gehts noch los zum Nachtmarsch. O weh, ich hatte schon einige Tage solche heftigen

Zahnschmerzen und was mir noch nie passiert war, geschah jetzt. Ich ließ mich vom Marsch

freistellen, da ich mich am nächsten morgen krank melden wollte, um zur Zahnstation zu

gehen. Hier wurde ich von meinen Schmerzen einigermaßen befreit.

Am Sonntag, den 20.7.1916 sind hier 90 Mann ausgesucht worden, die in kurzer Zeit ins Feld

kommen sollen, auch unsere fünf richtigen MG's sind telegraphisch zur Front gerufen worden.

Na, mich soll es wundern, ob wir wirklich noch 10 Wochen bleiben. Ich glaube es nicht.

Ich bin gestern 30.7.1916 mal nach Schiltigheim gewesen u. habe dort ein wüstes Tanzlokal

aufgestöbert, den Bavaria-Keller, wo Straßburgs halbstarke Jugend und auch viel Militär sich

austobt. Muß sagen, ich hätte auch schändlich gern mal getanzt, aber ich hatte keinen Mut

dazu, da ich allein und zu schüchtern war.

Vorgestern habe ich eine Nachricht von Zuhause erhalten, die mich für einen Augenblick ganz

anders werden ließ. Paul und Onkel Ernst werden zum 1.8.1916 eingezogen und kommen nach

Lübeck zum Ersatz-Infanterie-Regiment 162. Was wir Mutter nur sagen, jetzt hat sie noch

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Jetzt sind wir schon eine Woche bei der MG-Abteilung und hören vom Depot, daß es dort fast

nicht mehr mit rechten Dingen zugehen soll. Es herrscht augenblicklich eine grausame

Schinderei, meine Kameraden fühlen sich wie Zuchthäusler.

Es folgt meine Ausbildung bei der MG-Kompanie, die vom 15.7.1916 an rechnet. Ich kam

mit noch 24 anderen von unserem Depot hierher und mit Nielsen aus meiner Korporalschaft

zusammen. Hier wurde gleich neu eingeteilt und ich kam zur 4. Korp. der III. Abtlg. der I.

Ersatz-Maschinengewehr-Kompanie des 15. AK. Noch am selben Tage wurden wir

eingekleidet und zu unserer aller Freude erhielten wir zwei graue Anzüge, womit das ewige

Putzen der blauen ausfiel. Am Montag ging es los mit dem MG. Erst eine Stunde Unterricht,

dann mit dem MG exerzieren. Au Backe, mit dem exerzieren hatten sie es aber. Vormittags

mußten wir 3 Stunden und Nachmittags 2 Stunden exerzieren. Doch schon am ersten Tage

merkte ich, daß ich es doch besser hatte wie bei der Infanterie, es gab fast gar nichts zu putzen.

Nur das Exerzieren war stramm, es dauerte aber gewöhnlich nicht lange. Und dann das Lernen.

Oh weh, was für eine komplizierte Sache. Jede Schraube hatte ihren Namen, da hieß es tüchtig

lernen. Gott sei Dank gab es hier keine Tornister, keine Gewehr- u. keine Patronentaschen,

daß macht doch viel aus. Nun habe ich heute schon eine Woche herum und morgen sollen wir

schon zum Scharfschießen. Zum Schießstand geht es jedenfalls mit dem Gewehrwagen. Na, ich

habe jedenfalls meine erste Übung vorschriftsmäßig erfüllt, 5 Schuß, 5 Treffer. Wir haben

gestern einen Marsch machen müssen und alle haben etwas abgekriegt. Es ging nach

Griesheim, dort war Gefecht. Die ganze Strecke einschließlich Gefecht betrug ungefähr 45 km.

Wir haben 12 Stunden mit 2 Stunden Unterbrechung marschiert. Freitag bei der Parole hieß es,

heute gehts noch los zum Nachtmarsch. O weh, ich hatte schon einige Tage solche heftigen

Zahnschmerzen und was mir noch nie passiert war, geschah jetzt. Ich ließ mich vom Marsch

freistellen, da ich mich am nächsten morgen krank melden wollte, um zur Zahnstation zu

gehen. Hier wurde ich von meinen Schmerzen einigermaßen befreit.

Am Sonntag, den 20.7.1916 sind hier 90 Mann ausgesucht worden, die in kurzer Zeit ins Feld

kommen sollen, auch unsere fünf richtigen MG's sind telegraphisch zur Front gerufen worden.

Na, mich soll es wundern, ob wir wirklich noch 10 Wochen bleiben. Ich glaube es nicht.

Ich bin gestern 30.7.1916 mal nach Schiltigheim gewesen u. habe dort ein wüstes Tanzlokal

aufgestöbert, den Bavaria-Keller, wo Straßburgs halbstarke Jugend und auch viel Militär sich

austobt. Muß sagen, ich hätte auch schändlich gern mal getanzt, aber ich hatte keinen Mut

dazu, da ich allein und zu schüchtern war.

Vorgestern habe ich eine Nachricht von Zuhause erhalten, die mich für einen Augenblick ganz

anders werden ließ. Paul und Onkel Ernst werden zum 1.8.1916 eingezogen und kommen nach

Lübeck zum Ersatz-Infanterie-Regiment 162. Was wir Mutter nur sagen, jetzt hat sie noch


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  • August 20, 2018 20:52:36 Miriam Bartsch

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    Jetzt sind wir schon eine Woche bei der MG-Abteilung und hören vom Depot, daß es dort fast

    nicht mehr mit rechten Dingen zugehen soll. Es herrscht augenblicklich eine grausame

    Schinderei, meine Kameraden fühlen sich wie Zuchthäusler.

    Es folgt meine Ausbildung bei der MG-Kompanie, die vom 15.7.1916 an rechnet. Ich kam

    mit noch 24 anderen von unserem Depot hierher und mit Nielsen aus meiner Korporalschaft

    zusammen. Hier wurde gleich neu eingeteilt und ich kam zur 4. Korp. der III. Abtlg. der I.

    Ersatz-Maschinengewehr-Kompanie des 15. AK. Noch am selben Tage wurden wir

    eingekleidet und zu unserer aller Freude erhielten wir zwei graue Anzüge, womit das ewige

    Putzen der blauen ausfiel. Am Montag ging es los mit dem MG. Erst eine Stunde Unterricht,

    dann mit dem MG exerzieren. Au Backe, mit dem exerzieren hatten sie es aber. Vormittags

    mußten wir 3 Stunden und Nachmittags 2 Stunden exerzieren. Doch schon am ersten Tage

    merkte ich, daß ich es doch besser hatte wie bei der Infanterie, es gab fast gar nichts zu putzen.

    Nur das Exerzieren war stramm, es dauerte aber gewöhnlich nicht lange. Und dann das Lernen.

    Oh weh, was für eine komplizierte Sache. Jede Schraube hatte ihren Namen, da hieß es tüchtig

    lernen. Gott sei Dank gab es hier keine Tornister, keine Gewehr- u. keine Patronentaschen,

    daß macht doch viel aus. Nun habe ich heute schon eine Woche herum und morgen sollen wir

    schon zum Scharfschießen. Zum Schießstand geht es jedenfalls mit dem Gewehrwagen. Na, ich

    habe jedenfalls meine erste Übung vorschriftsmäßig erfüllt, 5 Schuß, 5 Treffer. Wir haben

    gestern einen Marsch machen müssen und alle haben etwas abgekriegt. Es ging nach

    Griesheim, dort war Gefecht. Die ganze Strecke einschließlich Gefecht betrug ungefähr 45 km.

    Wir haben 12 Stunden mit 2 Stunden Unterbrechung marschiert. Freitag bei der Parole hieß es,

    heute gehts noch los zum Nachtmarsch. O weh, ich hatte schon einige Tage solche heftigen

    Zahnschmerzen und was mir noch nie passiert war, geschah jetzt. Ich ließ mich vom Marsch

    freistellen, da ich mich am nächsten morgen krank melden wollte, um zur Zahnstation zu

    gehen. Hier wurde ich von meinen Schmerzen einigermaßen befreit.

    Am Sonntag, den 20.7.1916 sind hier 90 Mann ausgesucht worden, die in kurzer Zeit ins Feld

    kommen sollen, auch unsere fünf richtigen MG's sind telegraphisch zur Front gerufen worden.

    Na, mich soll es wundern, ob wir wirklich noch 10 Wochen bleiben. Ich glaube es nicht.

    Ich bin gestern 30.7.1916 mal nach Schiltigheim gewesen u. habe dort ein wüstes Tanzlokal

    aufgestöbert, den Bavaria-Keller, wo Straßburgs halbstarke Jugend und auch viel Militär sich

    austobt. Muß sagen, ich hätte auch schändlich gern mal getanzt, aber ich hatte keinen Mut

    dazu, da ich allein und zu schüchtern war.

    Vorgestern habe ich eine Nachricht von Zuhause erhalten, die mich für einen Augenblick ganz

    anders werden ließ. Paul und Onkel Ernst werden zum 1.8.1916 eingezogen und kommen nach

    Lübeck zum Ersatz-Infanterie-Regiment 162. Was wir Mutter nur sagen, jetzt hat sie noch


  • August 20, 2018 18:56:50 Miriam Bartsch

    Jetzt sind wir schon eine Woche bei der MG-Abteilung und hören vom Depot, daß es dort fast

    nicht mehr mit rechten Dingen zugehen soll. Es herrscht augenblicklich eine grausame

    Schinderei, meine Kameraden fühlen sich wie Zuchthäusler.

    Es folgt meine Ausbildung bei der MG-Kompanie, die vom 15.7.1916 an rechnet. Ich kam

    mit noch 24 anderen von unserem Depot hierher und mit Nielsen aus meiner Korporalschaft

    zusammen. Hier wurde gleich neu eingeteilt und ich kam zur 4. Korp. der III. Abtlg. der I.

    Ersatz-Maschinengewehr-Kompanie des 15. AK. Noch am selben Tage wurden wir

    eingekleidet und zu unserer aller Freude erhielten wir zwei graue Anzüge, womit das ewige

    Putzen der blauen ausfiel. Am Montag ging es los mit dem MG. Erst eine Stunde Unterricht,

    dann mit dem MG exerzieren. Au Backe, mit dem exerzieren hatten sie es aber. Vormittags

    mußten wir 3 Stunden und Nachmittags 2 Stunden exerzieren. Doch schon am ersten Tage

    merkte ich, daß ich es doch besser hatte wie bei der Infanterie, es gab fast gar nichts zu putzen.

    Nur das Exerzieren war stramm, es dauerte aber gewöhnlich nicht lange. Und dann das Lernen.

    Oh weh, was für eine komplizierte Sache. Jede Schraube hatte ihren Namen, da hieß es tüchtig

    lernen. Gott sei Dank gab es hier keine Tornister, keine Gewehr- u. keine Patronentaschen,

    daß macht doch viel aus. Nun habe ich heute schon eine Woche herum und morgen sollen wir

    schon zum Scharfschießen. Zum Schießstand geht es jedenfalls mit dem Gewehrwagen. Na, ich

    habe jedenfalls meine erste Übung vorschriftsmäßig erfüllt, 5 Schuß, 5 Treffer. Wir haben

    gestern einen Marsch machen müssen und alle haben etwas abgekriegt. Es ging nach

    Griesheim, dort war Gefecht. Die ganze Strecke einschließlich Gefecht betrug ungefähr 45 km.

    Wir haben 12 Stunden mit 2 Stunden Unterbrechung marschiert. Freitag bei der Parole hieß es,

    heute gehts noch los zum Nachtmarsch. O weh, ich hatte schon einige Tage solche heftigen

    Zahnschmerzen und was mir noch nie passiert war, geschah jetzt. Ich ließ mich vom Marsch

    freistellen, da ich mich am nächsten morgen krank melden wollte, um zur Zahnstation zu

    gehen. Hier wurde ich von meinen Schmerzen einigermaßen befreit.

    Am Sonntag, den 20.7.1916 sind hier 90 Mann ausgesucht worden, die in kurzer Zeit ins Feld

    kommen sollen, auch unsere fünf richtigen MG's sind telegraphisch zur Front gerufen worden.

    Na, mich soll es wundern, ob wir wirklich noch 10 Wochen bleiben. Ich glaube es nicht.

    Ich bin gestern 30.7.1916 mal nach Schiltigheim gewesen u. habe dort ein wüstes Tanzlokal

    aufgestöbert, den Bavaria-Keller, wo Straßburgs halbstarke Jugend und auch viel Militär sich

    austobt. Muß sagen, ich hätte auch schändlich gern mal getanzt, aber ich hatte keinen Mut

    dazu, da ich allein und zu schüchtern war.

    Vorgestern habe ich eine Nachricht von Zuhause erhalten, die mich für einen Augenblick ganz

    anders werden ließ. Paul und Onkel Ernst werden zum 1.8.1916 eingezogen und kommen nach

    Lübeck zum Ersatz-Infanterie-Regiment 162. Was wir Mutter nur sagen, jetzt hat sie noch


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    Schiltigheim

  • 48.583148||7.747882||

    Straßburg

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ID
1864 / 22063
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Jürgen Kähler
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


July 15, 1916 – July 30, 1916
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