Briefe des Seekadetten Dr. Curt Richter, item 7

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tete mit Recht, dass wir zum Anschluss an die Bewegung gezwungen

werden würden. Inzwischen hatte "Schlesien" als einiziges

Schiff inmitten all der roten die Kriegsflagge gesetzt. es

bestand Gefahr der Beschiessung und wir schmissen deshalb los

und fuhren in Richtung See unter dem wütenden Gebrüll aller

Schiffe. Hinter uns jagte ein kleiner Dampfer mit schreiend roter

Flagge. Ich war in der Dampfpinass, die wegen der dringenden Eile

nicht "eingesetzt" werden konnte und wir jagten so hinter "Schlesien"

her auf die Minensperre zu. Unser stolzes Schiff als einziges

mit der Kriegsflagge aus dem Kieler Hafen fliehen zu sehen,

hatte etwas Ueberwältigendes. Wir kamen grade noch durch die

Sperre und bald drauf wurde die Pinass im Fahren "eingesetzt".

Unsere Mannschaft, hiess es, sei durchweg kaisertreu. Es sollte

nach Flensburg gehen, hiess es, weil man es dort für ruhig hielt.

Während der Fahrt tauchte das Gerücht auf, unsere Leute wollten

meutern und mit der roten Flagge nach Kiel zurück. Sie stürmten 

tatsächlich den Heizraum mit dem Feuerlösch-Apparat, um die Feuer

auszumachen oder umzukehren. Die Heizer verteidigten den Eingang.

Plötzlich erschien der Kommandant und verhandelte mit den Mannschaften

bis zu dem Resultat, dass wir nach Flensburg fahren wollten

und dort die Funkenbefehle der "Roten" erwarten. In F. war

alles ruhig, jedenfalls schien es so. Wir Seekadetten brannten

darauf, für die Regierung eingesetzt zu werden, aber vorläufig

hiess es: "weiter Dienst". Dass es bald anders werden sollte, ahnte

niemand. Wir beurlaubten, obgleich in Flensburg eine Versammlung

zweifelhaften Characters stattfand, Abends um 10 Uhr lag alles in

den Hängematten, da ertönte der schrille Pfill der Bootsmannspfeife.

Rise, rise, aufstehen. Ueberall zurrt Hängematten.

Alle Mann achtern antreten. Nanu! Was sollte das, bald stand alles

bereit und schaute zum Ersten Offizier, der sprechen wollte: "Leute,

Nachricht aus Kiel! Die "Roten" sind so erbittert über unsere

Flucht, dass man beschlossen hat, uns zu torpedieren und zwar

diese Nacht. Der Kommandant will die Verantwortung nicht übernehmen.

Darum, wer will, kann an Land gebracht werden, wir Offiziere

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tete mit Recht, dass wir zum Anschluss an die Bewegung gezwungen

werden würden. Inzwischen hatte "Schlesien" als einiziges

Schiff inmitten all der roten die Kriegsflagge gesetzt. es

bestand Gefahr der Beschiessung und wir schmissen deshalb los

und fuhren in Richtung See unter dem wütenden Gebrüll aller

Schiffe. Hinter uns jagte ein kleiner Dampfer mit schreiend roter

Flagge. Ich war in der Dampfpinass, die wegen der dringenden Eile

nicht "eingesetzt" werden konnte und wir jagten so hinter "Schlesien"

her auf die Minensperre zu. Unser stolzes Schiff als einziges

mit der Kriegsflagge aus dem Kieler Hafen fliehen zu sehen,

hatte etwas Ueberwältigendes. Wir kamen grade noch durch die

Sperre und bald drauf wurde die Pinass im Fahren "eingesetzt".

Unsere Mannschaft, hiess es, sei durchweg kaisertreu. Es sollte

nach Flensburg gehen, hiess es, weil man es dort für ruhig hielt.

Während der Fahrt tauchte das Gerücht auf, unsere Leute wollten

meutern und mit der roten Flagge nach Kiel zurück. Sie stürmten 

tatsächlich den Heizraum mit dem Feuerlösch-Apparat, um die Feuer

auszumachen oder umzukehren. Die Heizer verteidigten den Eingang.

Plötzlich erschien der Kommandant und verhandelte mit den Mannschaften

bis zu dem Resultat, dass wir nach Flensburg fahren wollten

und dort die Funkenbefehle der "Roten" erwarten. In F. war

alles ruhig, jedenfalls schien es so. Wir Seekadetten brannten

darauf, für die Regierung eingesetzt zu werden, aber vorläufig

hiess es: "weiter Dienst". Dass es bald anders werden sollte, ahnte

niemand. Wir beurlaubten, obgleich in Flensburg eine Versammlung

zweifelhaften Characters stattfand, Abends um 10 Uhr lag alles in

den Hängematten, da ertönte der schrille Pfill der Bootsmannspfeife.

Rise, rise, aufstehen. Ueberall zurrt Hängematten.

Alle Mann achtern antreten. Nanu! Was sollte das, bald stand alles

bereit und schaute zum Ersten Offizier, der sprechen wollte: "Leute,

Nachricht aus Kiel! Die "Roten" sind so erbittert über unsere

Flucht, dass man beschlossen hat, uns zu torpedieren und zwar

diese Nacht. Der Kommandant will die Verantwortung nicht übernehmen.

Darum, wer will, kann an Land gebracht werden, wir Offiziere


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  • April 10, 2018 17:44:53 Eva Anna Welles (AUT)

    tete mit Recht, dass wir zum Anschluss an die Bewegung gezwungen

    werden würden. Inzwischen hatte "Schlesien" als einiziges

    Schiff inmitten all der roten die Kriegsflagge gesetzt. es

    bestand Gefahr der Beschiessung und wir schmissen deshalb los

    und fuhren in Richtung See unter dem wütenden Gebrüll aller

    Schiffe. Hinter uns jagte ein kleiner Dampfer mit schreiend roter

    Flagge. Ich war in der Dampfpinass, die wegen der dringenden Eile

    nicht "eingesetzt" werden konnte und wir jagten so hinter "Schlesien"

    her auf die Minensperre zu. Unser stolzes Schiff als einziges

    mit der Kriegsflagge aus dem Kieler Hafen fliehen zu sehen,

    hatte etwas Ueberwältigendes. Wir kamen grade noch durch die

    Sperre und bald drauf wurde die Pinass im Fahren "eingesetzt".

    Unsere Mannschaft, hiess es, sei durchweg kaisertreu. Es sollte

    nach Flensburg gehen, hiess es, weil man es dort für ruhig hielt.

    Während der Fahrt tauchte das Gerücht auf, unsere Leute wollten

    meutern und mit der roten Flagge nach Kiel zurück. Sie stürmten 

    tatsächlich den Heizraum mit dem Feuerlösch-Apparat, um die Feuer

    auszumachen oder umzukehren. Die Heizer verteidigten den Eingang.

    Plötzlich erschien der Kommandant und verhandelte mit den Mannschaften

    bis zu dem Resultat, dass wir nach Flensburg fahren wollten

    und dort die Funkenbefehle der "Roten" erwarten. In F. war

    alles ruhig, jedenfalls schien es so. Wir Seekadetten brannten

    darauf, für die Regierung eingesetzt zu werden, aber vorläufig

    hiess es: "weiter Dienst". Dass es bald anders werden sollte, ahnte

    niemand. Wir beurlaubten, obgleich in Flensburg eine Versammlung

    zweifelhaften Characters stattfand, Abends um 10 Uhr lag alles in

    den Hängematten, da ertönte der schrille Pfill der Bootsmannspfeife.

    Rise, rise, aufstehen. Ueberall zurrt Hängematten.

    Alle Mann achtern antreten. Nanu! Was sollte das, bald stand alles

    bereit und schaute zum Ersten Offizier, der sprechen wollte: "Leute,

    Nachricht aus Kiel! Die "Roten" sind so erbittert über unsere

    Flucht, dass man beschlossen hat, uns zu torpedieren und zwar

    diese Nacht. Der Kommandant will die Verantwortung nicht übernehmen.

    Darum, wer will, kann an Land gebracht werden, wir Offiziere

  • January 26, 2018 00:03:34 Martina Gerken

    tete mit Recht, dass wir zum anschluss an die Bewegung gezwungen

    werden würden. Inzwischen hatte "Schlesien" als einiziges

    Schiff inmitten all der roten die Kriegsflagge gesetzt. es

    bestand Gefahr der Beschiessung und wir schmissen deshalb los

    und fuhren in Richtung See unter dem wütenden Gebrüll aller

    Schiffe. Hinter uns jagte ein kleiner Dampfer mit schreiend roter

    Flagge. Ich war in der Dampfpinass, die wegen der dringenden Eile

    nicht "eingesetzt" werden konnte und wir jagten so hinter "Schlesien"

    her auf die Minensperre zu. Unser stolzes Schiff als einziges

    mit der Kriegsflagge aus dem Kieler Hafen fliehen zu sehen, hatte etwas Ueberwältigendes. Wir kamen grade noch durch die

    Sperre und bald drauf wurde die Pinass im Fahren "eingesetzt".

    Unsere Mannschaft, hiess es, sei durchweg kaisertreu. Es sollte

    nach Flensburg gehen, hiess es, weil man es dort für ruhig hielt.

    Während der Fahrt tauchte das Gerücht auf, unsere Leute wollten

    meutern und mit der roten Flagge nach Kiel zurück. Sie stürmten 

    tatsächlich den Heizraum mit dem Feuerlösch-Apparat, um die Feuer

    auszumachen oder umzukehren. Die Heizer verteidigten den Eingang.

    Plötzlich erschien der Kommandant und verhandelte mit den Mannschaften

    bis zu dem Resultat, dass wir nach Flensburg fahren wollten

    und dort die Funkenbefehle der "Roten" erwarten. In F. war

    alles ruhig, jedenfalls schien es so. Wir Seekadetten brannten

    darauf, für die Regierung eingesetzt zu werden, aber vorläufig

    hiess es: "weiter Dienst". Dass es bald anders werden sollte, ahnte

    niemand. Wir beurlaubten, obgleich in Flensburg eine Versammlung

    zweifelhaften Characters stattfand, Abends um 10 Uhr lag alles in

    den Hängematten, da ertünte der schrille Pfill der Bootsmannspfeife.

    Rise, rise, aufstehen. Ueberall zurrt Hängematten.

    Alle Mann achtern antreten. Nanu! Was sollte das, bald stand alles

    bereit und schaute zum Ersten Offizier, der sprechen wollte: "Leute,

    Nachricht aus Kiel! Die "Roten" sind so erbittert über unsere

    Flucht, dass man beschlossen hat, uns zu torpedieren und zwar

    diese Nacht. Der Kommandant will die Verantwortung nicht übernehmen.

    Darum, wer will, kann an Land gebracht werden, wir Offiziere


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  • 54.7937431||9.4469964||

    Flensburg

  • 54.32038126091106||10.10787919555662||

    Kiel

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  • Story location Kiel
  • Document location Flensburg
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1877 / 22351
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Horst Richter
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http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


November 5, 1918 – November 5, 1918
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