FRBNFM-346 Henry Martin, item 3

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 item 3 

versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

im Oktober und November.

    Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

    Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

auf 1,200,000 gestiegen.

  In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

    In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

    Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

tragen.

                                      ________________________


 rechte Seite 

              Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


    Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

Zahlen:

                                      Englische Handelsflotte

                                     ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                         1914.                         1915.

Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

Segelschiffe:          970,709                            849,334


    Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

aller deutschen Angriffe.

    Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                            25. August 1914.           25. August 1915.

Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                            ______________              _________________

Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


    Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

    Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


               Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß. Ein Schweizer hat, gelegentlich

eines kurzen Aufenthalt in Süddeutschland, zufällig darüber sichere Feststellungen

machen können, die wir hier auszüglich wiedergeben.

    Zu Beginn der Feindseligkeiten war die deutsche Presse des Lobes voll über die

unvermutet große Zahl der Kriegsfreiwilligen. Diese "Lust, Soldat zu

sein" war auf die mannigfaltigsten Ursachen zurückzuführen. Vor allem malte die

Presse sofort die glänzensten [sic] Siege in die Luft, dann herrschte in verschiedenen

Schichten des deutschen Volkes eine Arbeitslosigkeit, die durch die notwendige

Schließung zahlreicher Betriebe noch gesteigert wurde. Um leben zu können,

ergriff man den zeitgemäßen Beruf und wurde Soldat. Der Krieg, das wußte

man sicher, würde einige Wochen dauern, und, mit etwas Glück, war man nachher

"ein gemachter Mann". Es kam aber ganz anders. Aus Wochen sind Monate

geworden und die Monate drohen Jahre zu werden. Was Wunder, wenn man

selbst als Kriegsfreiwilliger "die Nase vollbekam"?!

    In den letzten Monaten konnte man nun im deutschen Heere einen Hang zur

Fahnenflucht, und zwar vor allem unter den Freiwilligen, feststellen, der in

Kreisen neutraler Fachleute eine besondere Aufmerksamkeit hervorrief. In den Zeitungen

und amtliche Blättern regnet es nur so "Steckbriefe" und "Fahnenfluchtserklärungen".

Mittels der ihm zur Verfügung stehenden Zeitungen machte sich der

oben erwähnte Schweizer höchst interessante Verzeichnisse, die selbstverständlich  nicht

sämtliche deutsche Überläufer, sondern nur einen Teil davon, aufweisen; und doch

sind die Zahlen, zu denen er gelangte, recht bezeichnend. Im Monat August zählte

er über 400 Fälle, im September erhöhte sich die Zahl, und im Oktober, wohl

angesichts des Winterfeldzuges, schnellte sie erst recht empor und überschritt das

halbe Tausend. Auffallend ist dabei, daß im Monat August die Verzeichnisse 

keine Freiwilligen ausweisen, während im Monat September diese Kategorie

schon merklich hervortritt und im Oktober dann erheblich anschwillt. Im August

sind halt die Witterungsverhältnisse noch ganz erträglich, im September wirds dann

schon etwas ungemütlicher und im Oktober naht schon der russische Winter. Gleichzeitig





                                   







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 item 3 

versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

im Oktober und November.

    Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

    Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

auf 1,200,000 gestiegen.

  In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

    In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

    Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

tragen.

                                      ________________________


 rechte Seite 

              Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


    Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

Zahlen:

                                      Englische Handelsflotte

                                     ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                         1914.                         1915.

Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

Segelschiffe:          970,709                            849,334


    Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

aller deutschen Angriffe.

    Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                            25. August 1914.           25. August 1915.

Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                            ______________              _________________

Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


    Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

    Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


               Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß. Ein Schweizer hat, gelegentlich

eines kurzen Aufenthalt in Süddeutschland, zufällig darüber sichere Feststellungen

machen können, die wir hier auszüglich wiedergeben.

    Zu Beginn der Feindseligkeiten war die deutsche Presse des Lobes voll über die

unvermutet große Zahl der Kriegsfreiwilligen. Diese "Lust, Soldat zu

sein" war auf die mannigfaltigsten Ursachen zurückzuführen. Vor allem malte die

Presse sofort die glänzensten [sic] Siege in die Luft, dann herrschte in verschiedenen

Schichten des deutschen Volkes eine Arbeitslosigkeit, die durch die notwendige

Schließung zahlreicher Betriebe noch gesteigert wurde. Um leben zu können,

ergriff man den zeitgemäßen Beruf und wurde Soldat. Der Krieg, das wußte

man sicher, würde einige Wochen dauern, und, mit etwas Glück, war man nachher

"ein gemachter Mann". Es kam aber ganz anders. Aus Wochen sind Monate

geworden und die Monate drohen Jahre zu werden. Was Wunder, wenn man

selbst als Kriegsfreiwilliger "die Nase vollbekam"?!

    In den letzten Monaten konnte man nun im deutschen Heere einen Hang zur

Fahnenflucht, und zwar vor allem unter den Freiwilligen, feststellen, der in

Kreisen neutraler Fachleute eine besondere Aufmerksamkeit hervorrief. In den Zeitungen

und amtliche Blättern regnet es nur so "Steckbriefe" und "Fahnenfluchtserklärungen".

Mittels der ihm zur Verfügung stehenden Zeitungen machte sich der

oben erwähnte Schweizer höchst interessante Verzeichnisse, die selbstverständlich  nicht

sämtliche deutsche Überläufer, sondern nur einen Teil davon, aufweisen; und doch

sind die Zahlen, zu denen er gelangte, recht bezeichnend. Im Monat August zählte

er über 400 Fälle, im September erhöhte sich die Zahl, und im Oktober, wohl

angesichts des Winterfeldzuges, schnellte sie erst recht empor und überschritt das

halbe Tausend. Auffallend ist dabei, daß im Monat August die Verzeichnisse 

keine Freiwilligen ausweisen, während im Monat September diese Kategorie

schon merklich hervortritt und im Oktober dann erheblich anschwillt. Im August

sind halt die Witterungsverhältnisse noch ganz erträglich, im September wirds dann

schon etwas ungemütlicher und im Oktober naht schon der russische Winter. Gleichzeitig





                                   








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  • July 8, 2018 19:17:28 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

    Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

    auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

        Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

    genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


                   Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


    hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

    Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

    wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß. Ein Schweizer hat, gelegentlich

    eines kurzen Aufenthalt in Süddeutschland, zufällig darüber sichere Feststellungen

    machen können, die wir hier auszüglich wiedergeben.

        Zu Beginn der Feindseligkeiten war die deutsche Presse des Lobes voll über die

    unvermutet große Zahl der Kriegsfreiwilligen. Diese "Lust, Soldat zu

    sein" war auf die mannigfaltigsten Ursachen zurückzuführen. Vor allem malte die

    Presse sofort die glänzensten [sic] Siege in die Luft, dann herrschte in verschiedenen

    Schichten des deutschen Volkes eine Arbeitslosigkeit, die durch die notwendige

    Schließung zahlreicher Betriebe noch gesteigert wurde. Um leben zu können,

    ergriff man den zeitgemäßen Beruf und wurde Soldat. Der Krieg, das wußte

    man sicher, würde einige Wochen dauern, und, mit etwas Glück, war man nachher

    "ein gemachter Mann". Es kam aber ganz anders. Aus Wochen sind Monate

    geworden und die Monate drohen Jahre zu werden. Was Wunder, wenn man

    selbst als Kriegsfreiwilliger "die Nase vollbekam"?!

        In den letzten Monaten konnte man nun im deutschen Heere einen Hang zur

    Fahnenflucht, und zwar vor allem unter den Freiwilligen, feststellen, der in

    Kreisen neutraler Fachleute eine besondere Aufmerksamkeit hervorrief. In den Zeitungen

    und amtliche Blättern regnet es nur so "Steckbriefe" und "Fahnenfluchtserklärungen".

    Mittels der ihm zur Verfügung stehenden Zeitungen machte sich der

    oben erwähnte Schweizer höchst interessante Verzeichnisse, die selbstverständlich  nicht

    sämtliche deutsche Überläufer, sondern nur einen Teil davon, aufweisen; und doch

    sind die Zahlen, zu denen er gelangte, recht bezeichnend. Im Monat August zählte

    er über 400 Fälle, im September erhöhte sich die Zahl, und im Oktober, wohl

    angesichts des Winterfeldzuges, schnellte sie erst recht empor und überschritt das

    halbe Tausend. Auffallend ist dabei, daß im Monat August die Verzeichnisse 

    keine Freiwilligen ausweisen, während im Monat September diese Kategorie

    schon merklich hervortritt und im Oktober dann erheblich anschwillt. Im August

    sind halt die Witterungsverhältnisse noch ganz erträglich, im September wirds dann

    schon etwas ungemütlicher und im Oktober naht schon der russische Winter. Gleichzeitig





                                       







  • July 8, 2018 19:15:59 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

    Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

    auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

        Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

    genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


                   Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


    hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

    Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

    wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß. Ein Schweizer hat, gelegentlich

    eines kurzen Aufenthalt in Süddeutschland, zufällig darüber sichere Feststellungen

    machen können, die wir hier auszüglich wiedergeben.

        Zu Beginn der Feindseligkeiten war die deutsche Presse des Lobes voll über die

    unvermutet große Zahl der Kriegsfreiwilligen. Diese "Lust, Soldat zu

    sein" war auf die mannigfaltigsten Ursachen zurückzuführen. Vor allem malte die

    Presse sofort die glänzensten [sic] Siege in die Luft, dann herrschte in verschiedenen

    Schichten des deutschen Volkes eine Arbeitslosigkeit, die durch die notwendige

    Schließung zahlreicher Betriebe noch gesteigert wurde. Um leben zu können,

    ergriff man den zeitgemäßen Beruf und wurde Soldat. Der Krieg, das wußte

    man sicher, würde einige Wochen dauern, und, mit etwas Glück, war man nachher

    "ein gemachter Mann". Es kam aber ganz anders. Aus Wochen sind Monate

    geworden und die Monate drohen Jahre zu werden. Was Wunder, wenn man

    selbst als Kriegsfreiwilliger "die Nase vollbekam"?!

        In den letzten Monaten konnte man nun im deutschen Heere einen Hang zur

    Fahnenflucht, und zwar vor allem unter den Freiwilligen, feststellen, der in

    Kreisen neutraler Fachleute eine besondere Aufmerksamkeit hervorrief. In den Zeitungen

    und amtliche Blättern regnet es nur so "Steckbriefe" und "Fahnenfluchtserklärungen".

    Mittels der ihm zur Verfügung stehenden Zeitungen machte sich der

    oben erwähnte Schweizer höchst interessante Verzeichnisse, die selbstverständlich  nicht

    sämtliche deutsche Überläufer, sondern nur einen Teil davon, aufweisen; und doch

    sind die Zahlen, zu denen er gelangte, recht bezeichnend. Im Monat August zählte

    er über 400 Fälle, im September erhöhte sich die Zahl, und im Oktober, wohl

    angesichts des Winterfeldzuges, schnellte sie erst recht empor und überschritt das

    halbe Tausend. Auffallend ist dabei, daß im Monat August die Verzeichnisse 

    keine Freiwilligen ausweisen, während im Monat September diese Kategorie

    schon merklich hervortritt und im Oktober dann erheblich anschwillt. Im August

    sind halt die Witterungsverhältnisse noch ganz erträglich, im September wirds dann

    schon etwas ungemütlicher und im Oktober naht schon der russische Winter.





                                       








  • July 8, 2018 19:14:29 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

    Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

    auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

        Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

    genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


                   Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


    hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

    Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

    wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß. Ein Schweizer hat, gelegentlich

    eines kurzen Aufenthalt in Süddeutschland, zufällig darüber sichere Feststellungen

    machen können, die wir hier auszüglich wiedergeben.

        Zu Beginn der Feindseligkeiten war die deutsche Presse des Lobes voll über die

    unvermutet große Zahl der Kriegsfreiwilligen. Diese "Lust, Soldat zu

    sein" war auf die mannigfaltigsten Ursachen zurückzuführen. Vor allem malte die

    Presse sofort die glänzensten [sic] Siege in die Luft, dann herrschte in verschiedenen

    Schichten des deutschen Volkes eine Arbeitslosigkeit, die durch die notwendige

    Schließung zahlreicher Betriebe noch gesteigert wurde. Um leben zu können,

    ergriff man den zeitgemäßen Beruf und wurde Soldat. Der Krieg, das wußte

    man sicher, würde einige Wochen dauern, und, mit etwas Glück, war man nachher

    "ein gemachter Mann". Es kam aber ganz anders. Aus Wochen sind Monate

    geworden und die Monate drohen Jahre zu werden. Was Wunder, wenn man

    selbst als Kriegsfreiwilliger "die Nase vollbekam"?!

        In den letzten Monaten konnte man nun im deutschen Heere einen Hang zur

    Fahnenflucht, und zwar vor allem unter den Freiwilligen, feststellen, der in

    Kreisen neutraler Fachleute eine besondere Aufmerksamkeit hervorrief. In den Zeitungen

    und amtliche Blättern regnet es nur so "Steckbriefe" und "Fahnenfluchtserklärungen".

    Mittels der ihm zur Verfügung stehenden Zeitungen machte sich der

    oben erwähnte Schweizer höchst interessante Verzeichnisse, die selbstverständlich  nicht

    sämtliche deutsche Überläufer, sondern nur einen Teil davon, aufweisen; und doch

    sind die Zahlen, zu denen er gelangte, recht bezeichnend. ImMonaat August zählte

    er über 400 Fälle, im September erhöhte sich die Zahl, und im Oktober, wohl

    angesichts des Winterfeldzuges, schnellte sie erst recht empor und überschritt das

    halbe Tausend. Auffallend ist dabei, daß im Monat August die Verzeichnisse 

    keine Freiwilligen ausweisen, während im Monat September diese Kategorie

    schon merklich hervortritt und im Oktober dann erheblich anschwillt. Im August

    sind halt die Witterungsverhältnisse noch ganz erträglich, im September wirds dann

    schon etwas ungemütlicher und im Oktober naht schon der russische Winter.





                                       








  • July 8, 2018 19:09:44 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

    Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

    auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

        Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

    genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


                   Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


    hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

    Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

    wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß. Ein Schweizer hat, gelegentlich

    eines kurzen Aufenthalt in Süddeutschland, zufällig darüber sichere Feststellungen

    machen können, die wir hier auszüglich wiedergeben.

        Zu Beginn der Feindseligkeiten war die deutsche Presse des Lobes voll über die

    unvermutet große Zahl der Kriegsfreiwilligen. Diese "Lust, Soldat zu

    sein" war auf die mannigfaltigsten Ursachen zurückzuführen. Vor allem malte die

    Presse sofort die glänzensten [sic] Siege in die Luft, dann herrschte in verschiedenen

    Schichten des deutschen Volkes eine Arbeitslosigkeit, die durch die notwendige

    Schließung zahlreicher Betriebe noch gesteigert wurde. Um leben zu können,

    ergriff man den zeitgemäßen Beruf und wurde Soldat. Der Krieg, das wußte

    man sicher, würde einige Wochen dauern, und, mit etwas Glück, war man nachher

    "ein gemachter Mann". Es kam aber ganz anders. Aus Wochen sind Monate

    geworden und die Monate drohen Jahre zu werden. Was Wunder, wenn man

    selbst als Kriegsfreiwilliger "die Nase vollbekam"?!

        In den letzten Monaten konnte man nun im deutschen Heere einen Hang zur

    Fahnenflucht, und zwar vor allem unter den Freiwilligen, feststellen, der in

    Kreisen neutraler Fachleute eine besondere Aufmerksamkeit hervorrief. In den Zeitungen

    und amtliche Blättern regnet es nur so "Steckbriefe" und "Fahnenfluchtserklärungen".

    Mittels der ihm zur Verfügung stehenden Zeitungen machte sich der

    oben erwähnte Schweizer höchst interessante Verzeichnisse, die selbstverständlich  nicht

    sämtliche deutsche Überläufer, sondern nur einen Teil davon, aufweisen; und doch

    sind die Zahlen, zu denen er gelangte, recht bezeichnend.





                                       








  • July 8, 2018 19:03:18 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

    Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

    auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

        Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

    genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


                   Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


    hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

    Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

    wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß. Ein Schweizer hat, gelegentlich

    eines kurzen Aufenthalt in Süddeutschland, zufällig darüber sichere Feststellungen

    machen können, die wir hier auszüglich wiedergeben.

        Zu Beginn der Feindseligkeiten war die deutsche Presse des Lobes voll über die

    unvermutet große Zahl der Kriegsfreiwilligen. Diese "Lust, Soldat zu

    sein" war auf die mannigfaltigsten Ursachen zurückzuführen. Vor allem malte die

    Presse sofort die glänzensten [sic] Siege in die Luft, dann herrschte in verschiedenen

    Schichten des deutschen Volkes eine Arbeitslosigkeit, die durch die notwendige

    Schließung zahlreicher Betriebe noch gesteigert wurde. Um leben zu können,

    ergriff man den zeitgemäßen Beruf und wurde Soldat. Der Krieg, das wußte

    man sicher, würde einige Wochen dauern, und, mit etwas Glück, war man nachher

    "ein gemachter Mann". Es kam aber ganz anders. Aus Wochen sind Monate

    geworden und die Monate drohen Jahre zu werden. Was Wunder, wenn man

    selbst als Kriegsfreiwilliger "die Nase vollbekam"?!




                                       








  • July 8, 2018 18:54:43 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

    Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

    auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

        Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

    genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


                   Die Fahnenflucht in der deutschen Armee


    hat nachgerade einen Umfang angenommen, der ein sicheres Urteil über die

    Geistesverfassung im Heere aufdrängt, die man objektiv nicht "Mutlosigkeit",

    wohl aber "Überdruß am Kriege" nennen muß.




                                       








  • July 8, 2018 18:51:34 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also 1,054,266 Tonnen, d. i. über 20 %.

    Österreich war zwar weniger unglücklich; es ist von 1,026,340 Tonnen

    auf 944,388 Tonnen gefallen, d. i. 9 % Verlust.

        Daß der deutsche Unterseekrieg einen kläglichen Ausgang

    genommen hat, kann also nicht mehr geleugnet werden.


                                       








  • July 8, 2018 18:47:34 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.

        Dagegen sind die deutsche und die österreichische Handelsflotten

    ganz erheblich gesunken. Deutschland besaß:   

                                25. August 1914.           25. August 1915.

    Dampfer ....     5,072,993 Tonnen         4,062,471 Tonnen

    Segelschiffe ...    488,753                           445,009

                                ______________              _________________

    Zusammen .... 5,561,746                        4,507,480


        Die Verlustziffer beträgt also


                                       








  • July 8, 2018 18:39:25 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________


     rechte Seite 

                  Der Mißerfolg des deutschen Unterseekrieges.


        Deutschland hat am 18. Februar d. J. den Unterseekrieg mit dem

    festen Plan begonnen, die englische Handelsflotte zu vernichten. Wie

    weit entfern sie von diesem Ziel geblieben ist, zeigen die folgenden

    Zahlen:

                                          Englische Handelsflotte

                                         ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                                             1914.                         1915.

    Dampfer...        19,988,949 Tonnen        21,078,661 Tonnen       

    Segelschiffe:          970,709                            849,334


        Die englische Flotte hat demnach im ersten Kriegsjahre um beinahe

    1 Million Tonnen zugenommen. Die französische Flotte ist bezüglich

    der Dampfer um 31,000 Tonnen vermehrt worden,während 

    hinsichtlich der Segler eine geringfügige Abnahme zu verzeichnen ist. In

    Rußland ist die Tonnenzahl der Segler konstant geblieben, während die

    Dampfschiffe um 92,000 Tonnen erhöht wurden.  Italien hat

    seinen Bestand um 21,000 Tonnen vergrößert. Demnach hat sich

    die Flottenstärke der Verbündeten während des Krieges erweitert, trotz

    aller deutschen Angriffe.








  • July 8, 2018 18:27:04 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht der deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________











  • July 8, 2018 18:25:41 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.

        Ein Kriegsschauplatz besonders verursacht de deutschen Presse

    Unbehagen: die Engländer haben in Mesopotamien Bagdad

    beinahe erreicht. Die deutscherseits verbreiteten Gerüchte über

    Aufstände in englischen Kolonien sind pure Erfindung. Die indischen

    Truppen kämpfen frisch und fröhlich für England, während

    die Schwarzen im Kamerungebiet sich beharrlich weigern, ihre

    Haut für die ihnen nur zu bekannte deutsche Kultur zu Markte zu

    tragen.

                                          ________________________











  • July 8, 2018 18:20:09 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.

        In den Alpen entfalten die Italiener eine erfolgreiche

    Tätigkeit. Frost, Schnee und unglaubliche Terrainschwierigkeiten

    vermochten die italienischen Truppen nicht an ihren Fortschritten

    im Norden des Gardasees und im Gebiet des Isonzo zu hindern.

    Die Österreicher, die in ihren Kriegsberichten bisher den Namen

    Görz unterschlugen, sehen sich jetzt zu dem Eingeständnis genötigt,

    daß die Festung sich in einer verzweifelten Lage befindet.










  • July 8, 2018 18:16:02 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.

      In der Zwischenzeit sind im Innern Rußlands neue Heere ausgebildet

    und ausgerüstet worden und gleichzeitig hat sich die

    russische Industrie in einer Weise umgestaltet, daß sie den Heeresbedarf

    in ausgiebiger Weise liefert. Die übrigen  Verbündeten

    überweisen den Russen Munition u. s. w. im Überfluß, um so

    mehr als ausgezeichnete Verbindungswege gesichert sind. Bekanntlich

    ist seit Beginn des Krieges eine neue Eisenbahnlinie von

    Petersburg zum Nördlichen Ozean gebaut worden. Bis zum

    Frühjahr wird Rußland in einer fürchterlichen Kriegsstärke dastehen.

    Inzwischen wird es ihm ein Leichtes sein, eine gewisse

    Anzahl von Armeekorps an der bulgarischen Küste zu landen.










  • July 8, 2018 18:08:17 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  In den sumpfigen Ebenen bei Pinsk sind die

    Deutschen  zu Tausenden umgekommen; sie sind im Morast versunken

    oder ertrunken. Dort hat Deutschland auch die Natur

    zum Feind. Wer sich in den weiten einsamen Sumpfebenen nicht

    auskennt, der ist darin unrettbar verloren. In der Styrgegend

    hat die russische Armee Ende Oktober und anfangs November hervorragende

    Waffentaten geleistet,  so daß der deutsche Generalstab

    eiligst Verstärkung schicken mußte. Aber Terrain vermochten

    die deutsch-österreichischen Heere seit September keines zu gewinnen;

    im Gegenteil, sie wurden auf mehreren Strecken zurückgeschlagen

    und haben in einem Monat 674 Offiziere und 49,200 Mann

    an Gefangenen verloren. Die Gesamtzahl der deutsch-

    österreichischen Gefangenen in Rußland ist nunmehr

    auf 1,200,000 gestiegen.










  • July 1, 2018 21:30:51 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück.  









  • July 1, 2018 21:29:00 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.

        Auf der Ostfront bessert sich die Lage der Russen fortgesetzt.

    Anfangs Oktober verkündete die deutsche Presse die bevorstehende

    Einnahme von Riga und Dünaburg durch Hindenburgs Truppen;

    heute scheint aber die Möglichkeit einer solchen Leistung vollständig

    ausgeschlossen. Im Westen von Riga haben die Russen ihre Gegner

    weit zurückgeschlagen; sie bedrohen sogar Mitau. Im Westen

    von Dünaburg sind die Deutschen 15 Klm. von der Stadt zurückgewichen

    und im Süden dieser Festung ziehen sie sich unaufhaltsam

    zurück. 









  • July 1, 2018 21:21:45 Beate Jochem

     item 3 

    versagen können. Daher rührt die bedeutend höhere Verlustziffer

    im Oktober und November.

        Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die französischen

    und englischen Truppen ihre neulich errungenen Erfolge allenthalben

    aufrechterhalten; sie haben dieselben sogar vergrößert, wogegen

    die wütenden Gegenangriffe der deutschen in der zweiten Hälfte

    des Oktober nur blutige Mißerfolge erzielten. Gegen die

    französische Artillerie ist überhaupt nicht mehr aufzukommen; eine

    Herausforderung derselben wird als einzige Folge die Verlängerung

    der ohnehin maßlosen deutschen Verlustlisten haben.







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  • 49.15628401201294||5.384423100000049||

    Verdun

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ID
12426 / 245764
Source
http://europeana1914-1918.eu/...
Contributor
Brigitte Martin
License
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/


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